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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.09.2024, RV/5100540/2023

Festsetzung von Anspruchszinsen ist nicht verfassungswidrig und hätte durch entsprechende Anzahlungen vermieden werden können.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Günter Narat in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** Steuernummer: ***BF1StNr1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 zu Recht:

I)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz BF) brachte am die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 bei der belangten Behörde ein.

Am wurde der Einkommensteuerbescheid 2016 erlassen, welcher zu einer Nachforderung von € 9.053,00 führte. Am wurde dementsprechend ein Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 erlassen.

Der BF brachte mit Schreiben vom eine Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 bei der belangten Behörde ein. Die Verzögerung der Entscheidung im Steuerausgleich sei allein von der Steuerbehörde zu verantworten. Die Verrechnung von Verzugszinsen gemäß § 205 BAO stelle eine ungerechtfertigte und willkürliche Bereicherung des Staates und damit eine grundrechtswidrige Enteignung dar. Nach dem VwGH komme es nicht auf die Schuld des Steuerpflichtigen, sondern auf den Zinsvorteil an. Es habe aber am Kapitalmarkt zu dieser Zeit nicht die Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen gegeben. Der Bescheid sei daher verfassungswidrig und aufzuheben.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Die Festsetzung von Anspruchszinsen sei verschuldensunabhängig und allein von der zeitlichen Komponente, nämlich wann der Einkommensteuerbescheid dem Abgabepflichtigen bekannt gegeben worden sei, und von der Höhe des Nachforderungsbetrages abhängig.

Mit Schreiben vom brachte der BF einen Vorlageantrag bei der belangten Behörde ein. Der BF verwies abermals auf sein Vorbringen zur Verursachung des Verzuges durch die Steuerbehörde. Die Verschuldung möge ja irrelevant sein, aber die Verursachung könne das wohl nicht sein. Offensichtlich könne hier die Abgabenbehörde nicht zwischen Verursachung und Verschulden differenzieren. Zinsen seien außerdem ab dem Zeitpunkt der Antragstellung a und nicht ab dem Zeitpunkt des Bescheides über die Einkommensteuer, der ja erst am ergangen sei, berechnet worden. Ein Zinsanspruch, der allein von der Willkür der Behörde abhänge, sei verfassungswidrig.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der BF brachte am die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 bei der belangten Behörde ein. Am wurden von der belangten Behörde der Einkommensteuerbescheid 2016, welcher zu einer Nachforderung von € 9.053,00 führte, und der Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 in Höhe von € 345,39 erlassen.

2. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und können somit vor diesem Hintergrund gem. § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs 1 BAO).

Gem. § 205 Abs 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Gem. § 205 Abs 3 BAO kann der Abgabepflichtige, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Gem. § 205 Abs 4 BAO wird die Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen (Nachforderungszinsen) durch Anzahlungen in ihrer jeweils maßgeblichen Höhe vermindert. Anzahlungen (Abs 3) mindern die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen nur insoweit, als sie entrichtet sind.

Die Anspruchszinsen sollen (mögliche) Zinsvorteile bzw Zinsnachteile ausgleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben (ErlRV 311 BlgNR 21. GP, 196; ; ). Nach den Gesetzesmaterialien (ErlRV 311 BlgNR 21. GP, 196; ebenso BMF, AÖF 2001/226, Abschn 2) soll die Verzinsung von Nachforderungen Anträge auf Herabsetzung von Einkommensteuer- und Körperschaftsteuervorauszahlungen unattraktiver machen sowie der Tendenz entgegenwirken, zu Nachforderungen führende Abgabenerklärungen möglichst spät und zu Gutschriften führende Erklärungen möglichst früh einzureichen. Entscheidend ist die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw Zinsnachteilen. Für die Anwendung des § 205 ist daher bedeutungslos, aus welchen Gründen die Abgabenfestsetzung früher oder später erfolgte (vgl zB Ritz, SWK 2001, S 27; ; ; Seite 860RV/7102677/2015; , RV/7102748/2013; , RV/1100481/2016; ). Die Verzinsung unterscheidet somit nicht, ob der Abgabepflichtige die Steuererklärung innerhalb der gesetzlichen (allenfalls durch Bescheid verlängerten) Erklärungsfrist einreicht, oder ob die Festsetzung der Einkommen-(Körperschaft-)steuer wegen Verletzung der Pflicht des Finanzamtes, über die Abgabenerklärung ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden, relativ spät erfolgt (Ritz/Koran, BAO7, § 205 Rz 2).

Damit ergibt sich aus dem klaren Willen des Gesetzgebers und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Umstände die zu Verzögerungen bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2016 durch die belangte Behörde geführt haben, für das Entstehen der Anspruchszinsen unerheblich sind. Entscheidend ist lediglich die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw Zinsnachteilen.

Zu den eingewendeten verfassungsrechtlichen Bedenken wird ausgeführt, dass nach Ansicht des erkennenden Gerichtes keine Bedenken aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit gegen die Anwendung des § 205 BAO bestehen, sodass nach Art 135 Abs 4 B-VG iVm Art 89 Abs 2 B-VG kein Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof zu stellen ist.

Die Anwendung der Bestimmung des § 205 BAO führt keine unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen in völlig gleicher Situation wie jener des BF herbei, da bei jedem Steuerpflichtigen bei gleicher Bemessungsgrundlage und gleichem Zeitpunkt der Abgabenfestsetzung gleiche Anspruchszinsen anfallen würden und ergo dessen der Gesetzgeber unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen knüpft. Eine exzessive Besteuerung kann in der Bemessung der jährlichen Anspruchszinsen mit 2 % über dem Basiszinssatz ebenfalls nicht erblickt werden.

Im Hinblick auf das Vorbringen, dass ein Zinsanspruch, der allein von der Willkür der Behörde abhänge, wann sie eine Entscheidung treffe, völlig absurd, sitten-, grundrechts- und daher verfassungswidrig sei, ist auszuführen, dass in einem solchen Fall der Gleichheitsgrundsatz nicht durch die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Norm, sondern durch deren behördliche Vollziehung verletzt würde, d.h. nicht die Bestimmung des § 205 BAO selbst, sondern dessen willkürliche Anwendung würde das Gleichheitsgebot verletzen.

Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass Anzahlungen im Sinne des § 205 Abs 3 BAO "jederzeit" bekannt gegeben und entrichtet werden können. Der Abgabepflichtige kann daher frei entscheiden, ob für ihn der Zinsvorteil aus einer späten Abgabenfestsetzung, deren Zeitpunkt noch ungewiss ist, die "ständig laufenden" Anspruchszinsen aufwiegt. Tatsächlich hat es daher der Abgabepflichtige im Regelfall in der Hand, ob und in welchem Ausmaß Anspruchszinsen anfallen.

Im gegenständlichen Fall resultierte die Nachforderung an Einkommensteuer 2016 aus einer erklärungsgemäßen Veranlagung. Der BF hätte jederzeit das Ausmaß der bis zu einem bestimmten Zeitpunkt anfallenden Anspruchszinsen ermitteln, dieses gegen den (möglichen) Zinsvorteil aus einer (noch) späteren Veranlagung abwägen, und sich so für oder gegen die Leistung einer entsprechenden Anzahlung entscheiden können.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der BF sechs Monate nach Einlangen der Steuererklärung gem. § 284 Abs 1 BAO eine Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgericht erheben hätte können.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).

Eine derartige Rechtsfrage liegt im zu beurteilenden Fall nicht vor, da die Festsetzung der Anspruchszinsen direkt auf der gesetzlichen Bestimmung des § 205 BAO gründet, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 135 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 89 Abs. 2 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 25a Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100540.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at