Zeitpunkt des Beginns eines Studiums
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 07.2024-08.2024 und vom betreffend Familienbeihilfe 06.2024 Ordnungsbegriff ***123*** zu Recht erkannt:
I. Den Beschwerden wird Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 279 BAO aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Am langte der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für seine Tochter ***X***, SVNr. ***124*** ab Juli 2024 bei der belangten Behörde ein. Dem Antrag angeschlossen war eine Zulassungsbestätigung der FH ***Z*** vom zum Bachelor Studiengang Marketing & Kommunikation.
2. Der Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen und wie folgt begründet:
"Für ein volljähriges Kind steht die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. - fortbildung zu. Bei Ihrem Kind trifft diese Voraussetzung nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967)."
3. Dagegen wurde am fristgerecht mit folgender Begründung Beschwerde erhoben:
"Im Erkenntnis Ra 2023/16/0087-9 vom hat der VwGH festgehalten, dass die Aufnahme als ordentlicher Hörer nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr gilt. Ordentliche Studierende sind gemäß § 51 Abs. 2 Z15 UG 2002 die Studierenden, die zu den ordentlichen Studien zugelassen sind. Ordentliche Studien sind nach § 51 Abs. 2 Z2 UG 2002 u.a. die Bachelorstudien. Der Besuch einer Einrichtung im Sinn des § 3 StudFG beginnt bei Studien, welche an einer österreichischen Universität im Sinn des § 3 Abs. 1 Z1 StudFG ausgeübt werden - mit der Zulassung zum Studium gemäß § 60 Abs. 4 UG2002 (vgl. ; vgl. auch Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 59)."
3a. Die Beschwerde enthielt auch einen Antrag auf Familienbeihilfe bereits ab Juni 2024.
4. Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen, da der tatsächliche Studienbeginn erst im September sei und daher davor kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe.
4a. Auch der Antrag auf Familienbeihilfe ab 06/2024 wurde von der belangten Behörde abgewiesen (Bescheid vom ). In der Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid vom wurde die Direktvorlage an das Bundesfinanzgericht gem. § 262 BAO beantragt.
5. Mit Schreiben vom wurde die Entscheidung über die Beschwerde vom durch das Bundesfinanzgericht beantragt.
6. Mit Vorlagebericht vom wurden die Akten dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:
Die Tochter des Beschwerdeführers ***X***, geb. am ***Datum***, ist im Wintersemester 2024 ( bis ) als ordentliche Studierende an der Fachhochschule ***Z*** in der Studienrichtung Bachelor-Studiengang Marketing & Kommunikation im 1. Semester gemeldet (Studienbestätigung datiert mit ).
Die Tochter des Beschwerdeführers hat die Bestätigung über die Zulassung zum ordentlichen Studium mit elektronischer Zulassungsbestätigung vom erhalten.
Auszug: "Allgemeine Studienbedingungen der Fachhochschule ***Z***"
I. Vertragsparteien, Studien und Studienjahr
§ 1 Vertragsparteien
(1) Für die Ausbildung und Weiterbildung an der Fachhochschule ***Z*** wird zwischen der ***Z*** (im Folgenden "***Z***" genannt) und der*dem Studierenden (im Folgenden "Studierende*r" genannt), beide gemeinsam "Vertragsparteien" genannt, auf Grundlage der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und behördlichen Entscheidungen (zB Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria) ein Studienvertrag abgeschlossen, für den ausschließlich diese nachfolgenden Allgemeinen Studienbedingungen gelten. […]
§ 2 Studienangebot und Studienort
(1) An der ***Z*** werden ordentliche und außerordentliche Studien sowie sonstige Weiterbildungsangebote (Kurse, Micro Credentials, welche nicht Teil dieser Vereinbarung sind), durchgeführt.
(2) Ordentliche Studien (Studiengänge) sind
1. Bachelorstudiengänge sowie
2. Masterstudiengänge. […]
§ 3 Einteilung des Studienjahres
(1) Das Studienjahr beginnt am 1. September und endet am 31. August des Folgejahres. Es besteht aus dem Wintersemester und dem Sommersemester, jeweils einschließlich der lehrveranstaltungsfreien Zeit. […]
IV. Vertragsabschluss und Zulassung
§ 12 Vertragsabschluss und Zulassung zum ordentlichen Studium
(1) Nach erfolgreicher Absolvierung eines allenfalls durchgeführten Aufnahmeverfahrens (§ 11 FHG) begehrt die*der Zulassungswerber*in durch Akzeptieren der Allgemeinen Studienbedingungen in der Online Bewerbung (Zugang mittels übermitteltem Link) die Zulassung als ordentlicher Studierende*r der ***Z***. Mit diesem Schritt übermittelt die*der Zulassungswerber*in ein Angebot zum Abschluss des Studienvertrages für das von ihr*ihm gewählte Studium (ordentliches Studium) an die ***Z***, welches im Zeitpunkt des Zuganges bei der ***Z*** seine Bindungswirkung entfaltet. […]
(5) Der Studienvertrag kommt im Zeitpunkt des Zugangs der Zulassungsbestätigung bei der*beim Zulassungswerber*in zustande (Annahme des Angebots zum Vertragsabschluss). Die*Der Zulassungswerber*in ist ab diesem Zeitpunkt ordentliche*r Studierende*r und zum ordentlichen Studium an der ***Z*** zugelassen. […]
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen des Beschwerdeführers.
Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben näher bezeichnete Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die u.a für einen Beruf ausgebildet werden. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 StudFG genannte Einrichtung besuchen, bestehen näher ausgeführte Voraussetzungen, insbesondere im Zusammenhang mit der zurückgelegten Studienzeit.
Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt nach § 2 Abs. 1 lit. b 11. Satz FLAG 1967 als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Ordentliche Studierende sind gemäß § 4 Abs. 2 Fachhochschulgesetz (FHG) die Studierenden, die zu den ordentlichen Studien zugelassen sind. Ordentliche Studien sind nach § 4 Abs. 3 Fachhochschulgesetz (FHG) die Fachhochschul-Bachelorstudiengänge und Fachhochschul-Masterstudiengänge.
§ 3 Abs. 1 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG) lautet:
Folgende österreichische Staatsbürger können Förderungen erhalten:
1. ordentliche Studierende an österreichischen Universitäten,
2. Studierende an einer in Österreich gelegenen Theologischen Lehranstalt (Art. V § 1 Abs. 1 des Konkordates, BGBl. II Nr. 2/1934 ) nach Ablegung einer Reifeprüfung,
3. ordentliche Studierende an österreichischen Fachhochschulen,[…]
Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats an gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden.
Erwägungen:
Im Beschwerdefall ist strittig, ob sich die Tochter des Beschwerdeführers im Zeitraum Juni bis August 2024 in Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 befunden hat.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs beginnt bei Studien an einer Einrichtung gemäß § 3 StudFG die Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 mit der Zulassung zum Studium gemäß § 60 Abs. 4 UG (vgl. ; Ra 20233/16/0087). Laut dieser Bestimmung wird mit der Zulassung die Studienwerberin oder der Studienwerber als ordentliche oder außerordentliche Studierende oder ordentlicher oder außerordentlicher Studierender Angehörige oder Angehöriger dieser Universität.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem zur Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ergangenen, also betreffend das FLAG 1967 einschlägigen Erkenntnis vom , Ra 2020/16/0017, wörtlich ausgeführt (Rz 15, 16, 17):
"15. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa Ra 2017/16/0030; 2009/16/0315; 2009/13/0127; und 2007/13/0125).
16. Diese der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des Studienförderungsgesetzes (StudFG) liegen (vgl. Ro 2015/16/0033; Ro 2015/16/0005; und 2009/16/0315).
17. Der Besuch einer solchen Einrichtung beginnt bei Studien wie dem für die vorliegende Revision maßgeblichen mit der Zulassung zum Studium (§ 60 Abs. 4 des Universitätsgesetzes 2002 - UG)."
Diese Rechtsansicht hat der VwGH nach einer Amtsrevision im Erkenntnis vom , Ra 2023/16/0087 in der Randziffer 13 noch einmal bestätigt, wo er festhält: "Der Besuch einer Einrichtung im Sinn des § 3 StudFG beginnt bei Studien - wie dem für die vorliegende Revision maßgeblichen, welches an einer österreichischen Universität im Sinn des § 3 Abs. 1 Z 1 StudFG ausgeübt wird - mit der Zulassung zum Studium gemäß § 60 Abs. 4 UG 2002" (vgl. ; vgl. auch Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 2 Rz 59).
Damit hat das Höchstgericht eindeutig ausgesprochen, dass bei Berufsausbildungen, die in einer Einrichtung gemäß § 3 StudFG erfolgen, wozu eine Fachhochschule gehört, die Berufsausbildung mit der Zulassung zum Studium gemäß § 60 Abs. 4 UG beginnt (vgl Rz 17) und die Rechtsprechung zu Ausbildungen an Einrichtungen außerhalb von § 3 UG eben nicht anwendbar ist (vgl. Rz 15). Vom Beginn des Studienjahres wird in Randziffer 17 des Erkenntnisses nicht gesprochen, sondern von der Zulassung zum Studium (vgl. ; ).
Im Fachhochschulgesetz (FHG) gibt es keine spezifische Regelung, die dem § 60 Abs. 4 des Universitätsgesetzes (UG) entspricht. Das Zulassungsprozedere ist auch nicht an allen Fachhochschulen Österreichs einheitlich geregelt. An der Fachhochschule ***Z*** ist die Zulassung zum Studium wie folgt geregelt:
IV. Vertragsabschluss und Zulassung
§ 12 Vertragsabschluss und Zulassung zum ordentlichen Studium
(1) Nach erfolgreicher Absolvierung eines allenfalls durchgeführten Aufnahmeverfahrens (§ 11 FHG) begehrt die*der Zulassungswerber*in durch Akzeptieren der Allgemeinen Studienbedingungen in der Online Bewerbung (Zugang mittels übermitteltem Link) die Zulassung als ordentlicher Studierende*r der ***Z***. Mit diesem Schritt übermittelt die*der Zulassungswerber*in ein Angebot zum Abschluss des Studienvertrages für das von ihr*ihm gewählte Studium (ordentliches Studium) an die ***Z***, welches im Zeitpunkt des Zuganges bei der ***Z*** seine Bindungswirkung entfaltet. […]
(5) Der Studienvertrag kommt im Zeitpunkt des Zugangs der Zulassungsbestätigung bei der*beim Zulassungswerber*in zustande (Annahme des Angebots zum Vertragsabschluss). Die*Der Zulassungswerber*in ist ab diesem Zeitpunkt ordentliche*r Studierende*r und zum ordentlichen Studium an der ***Z*** zugelassen. […]
Im Hinblick auf den klaren Wortlaut des Gesetzgebers und den klaren Wortlaut der Entscheidung des VwGH ist damit nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch bei einem Studium an einer Fachhochschule die Zulassung zum Studium und nicht der Beginn des Studienjahres ausschlaggebend für den Beginn der Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 und damit der Gewährung der Familienbeihilfe.
Die Tochter des Beschwerdeführers wurde im Juni 2024 zum Bachelorstudium zugelassen. Damit stand nach der oben zitierten Rechtsprechung des VwGH dem Beschwerdeführer für seine Tochter gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 iVm § 10 Abs. 2 FLAG 1967 Familienbeihilfe bereits ab Juni 2024 zu.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da der hier zu lösenden Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Linz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100578.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at