Nachsicht gem. § 236 BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Nachsicht § 236 BAO 2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1.Verfahrensgang und entscheidungsrelevanter Sachverhalt
Am hat das Finanzamt Österreich mit Grunderwerbsteuerbescheid der Beschwerdeführerin (Bf) Grunderwerbsteuer in Höhe von EUR 18.873,59 vorgeschrieben. Rechtliche Grundlage war die mit Beschluss des Bezirksgerichtes, erfolgte Einantwortung nach der Verlassenschaft des verstorbenen Ehegatten ***. Die Grunderwerbsteuer wurde am zur Gänze beglichen.
Am ist beim Finanzamt Österreich ein Nachsichtsansuchen der Beschwerdeführerin für einen Teilbetrag der Grunderwerbsteuer in Höhe von EUR 16.067, 25 eingelangt: " …ich stelle den Antrag gemäß § 236 Bundesabgabenordnung (BAO) die von mir bereits bezahlte Abgabenschuldigkeit und zwar Vorschreibung gemäß Grunderwerbsteuerbescheid vom … durch Abschreibung nachzusehen, soweit diese Grunderwerbsteuervorschreibung auch die Liegenschaft EZ (kurz: ***Ort***) betrifft mit dem Wert in Höhe von € 490.000 sohin einen Grunderwerbsteuerbetrag in Höhe von € 16.067,25…".
Hätte sie nämlich bereits im Verlassenschaftsverfahren zur Abdeckung der Pflichtteilsansprüche der Tochter der Bf die Liegenschaft ***Ort*** mit einem Erbübereinkommen übertragen, hätte sie im Verlassenschaftsverfahren bezüglich dieser direkt an die Tochter weiter übertragenen Liegenschaft keine Grunderwerbsteuer zu bezahlen gehabt. Was die für das Grundstück ***Ort*** von Finanzamt festgesetzte Bemessungsgrundlage iHv € 490.000,00 beträfe, wäre auszuführen, dass auf dieser Liegenschaft ein von ihr übernommenes sichergestelltes Darlehen mit einem Betrag iHv € 24.923,98 aushaften würde, und dass dieses den Verkehrswert der Liegenschaft ***Ort*** um diesen Betrag reduzieren müsste.
Im Übrigen dürfe auf den Antrag der Bf, Schriftsatz vom , beim Finanzamt Österreich eingelangt am , verwiesen werden.
Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , StNr.: ***BF1StNr1***, wurde der Antrag um Bewilligung einer Nachsicht iHv EUR 16.067,25 mit näherer und gesonderter Bescheidbegründung vom abgewiesen.
Dagegen hat die Abgabenpflichtige mit Eingabe vom , eingelangt am , eine Beschwerde eingebracht, worin sie auf den im Antrag vom umfangreich ausgeführten Sachverhalt verwies, der eine Nachsicht aus Billigkeitsgründen sowohl in sachlicher als auch in subjektiver Hinsicht im Sinne des § 236 BAO rechtfertigen würde.
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom (Zustellung am ) als unbegründet abgewiesen.
Dagegen richtet sich der Vorlageantrag der Bf vom , mit der Begründung, dass, hätte sie bereits im Verlassenschaftsverfahren die Liegenschaft ***Ort*** an ihre Tochter übertragen, die Steuerschuld bei ihr nicht bzw. nicht in der nun angelasteten Höhe angefallen wäre.
II. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben der Bf, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes bzw. der Bf sowie auf die Ergebnisse der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen.
III. Rechtsgrundlagen
§ 236 Bundesabgabenordnung 1961 (BAO) lautet:
(1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
(2) Abs. 1 findet auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
(3) Die Bestimmungen des § 235 Abs. 2 und 3 gelten auch für die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten.
IV. Erwägungen
Fällige Abgabenschuldigkeiten können nach der gesetzlichen Bestimmung des § 236 BAO nachgesehen werden. Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe nach Lage des Falles kann eine persönliche oder sachliche sein.
Für die Bewilligung einer Nachsicht ist eine Prüfung in 2 Stufen vorzunehmen: Zunächst ist zu prüfen, ob eine Unbilligkeit vorliegt. Dies ist keine Ermessensfrage, sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes ().
Ist die Frage nach der Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe nach Lage des Falles zu bejahen, liegen also die Nachsichtsvoraussetzungen vor, so liegt die konkrete Bewilligung der Nachsicht schließlich im Ermessen der Abgabenbehörde (). Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit auf Ebene der ersten Stufe, so ist für eine Ermessenentscheidung kein Raum mehr und wäre ein entsprechender Antrag auf Gewährung einer Nachsicht abzuweisen ().
Mit der Abgabennachsicht gem. § 236 BAO sollen besondere rechtliche oder wirtschaftliche Gegebenheiten auf der Seite der Bf maßgebend dafür sein.
Die Unbilligkeit der Einhebung kann eine persönliche oder sachliche sein:
Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin. Sie besteht in einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung und den im Bereich der Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen. Zur Beurteilung dieses Missverhältnisses sind die Einkommen- und Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend. Eine solche Unbilligkeit wird stets gegeben sein, wenn die Einhebung die Existenz der Abgabepflichtigen oder ihrer Familie gefährdet (). Hier genügt es, wenn die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, zB wenn die Abgabenschuld trotz zumutbarer Sorgfalt nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten entrichtet werden könnte. Die Notwendigkeit, Vermögenswerte zur Steuerzahlung heranzuziehen, lässt für sich allein dennoch die Abgabeneinhebung nicht unbillig erscheinen.
Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (). Dies ist dann der Fall, wenn es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen und unproportionalen Vermögenseingriff kommt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine von der Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist ().
Die Bf begründet ihren Antrag vom auf Nachsicht gem. § 236 BAO damit, dass die Steuerschuld "Grunderwerbsteuer" iHv € 18.873,59 nicht in dieser Höhe entstanden wäre, wenn die Liegenschaft ***Ort*** bereits im Verlassenschaftsverfahren nach dem verstorbenen Ehegatten der Bf an die Tochter der Bf übertragen worden wäre. Wie die Bf in ihrer Beschwerde selbst ausführt, führten offenbar Kommunikationsprobleme dazu, nach der bereits durchgeführten Verlassenschaftsabhandlung und Abgabe der Erbserklärung einen Schenkungsvertag abzuschließen, mit dem die Liegenschaft in ***Ort*** nunmehr von der Bf an ihre Tochter übertragen wurde. Diese willentliche Handlung der Bf löste in der Folge einen weiteren Erwerbsvorgang aus. Die von der Bf daraus abgeleitete Unbilligkeit liegt in der Abgabenfestsetzung selbst und nicht in der Einhebung der Abgabe im Sinne des § 236 BAO. Eine Unbilligkeit im Einzelfall im Sinne des § 236 BAO ist nicht gegeben, denn die neuerliche Vorschreibung der Grunderwerbsteuer, ausgelöst durch den Schenkungsvertrag, ist eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage und genereller Rechtsnormen und trifft damit alle vom Gesetz Betroffenen in gleicher Weise. Eine Unbilligkeit, die für alle davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folgt, ist keine Unbilligkeit des Einhebungseinzelfalles im Sinne des § 236 BAO.
Wie bereits anfangs ausgeführt, ist die Frage, ob eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vorliegt oder nicht, keine Ermessensfrage, sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes (). Für eine Ermessenentscheidung seitens des Finanzamtes ist daher kein Raum gegeben.
Was den Einwand der Bf in ihrem Antrag vom - die Reduzierung der Bemessungsgrundlage für das Grundstück in ***Ort*** durch ein aushaftendes Darlehen betrifft - ist auf die Ausführungen des Finanzamtes im Bescheid über die Abweisung einer Nachsicht der Abgabenschuldigkeiten bzw. auf dessen Begründung vom zu verweisen.
Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages gem. § 236 BAO vom war daher abzuweisen.
V. Zulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.
Die zu lösende Rechtsfrage findet Deckung in den gesetzlichen Bestimmungen der Bundesabgabeordnung sowie in der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100205.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at