Nicht bekannt gegebene Beendigung eines Vollmachtsverhältnisses
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch V, R sowie die fachkundigen Laienrichter L1 und L2 über die Beschwerde des X, Adresse, vertreten durch V2.GmbH, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , SN, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO nach der am in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers, V, der Vertreterin des Finanzamtes Österreich, F, sowie des Schriftführers S durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem Vorhalt vom teilte das Finanzamt Graz-Stadt dem in der Slowakei wohnhaften Beschwerdeführer (Bf.) mit, dass am Abgabenkonto der S s.r.o. Abgabenbeträge in der Höhe von 603.092,14 € aushaften.
Die Abgaben seien als uneinbringlich anzusehen, da die Gesellschaft am im slowakischen Business Register gelöscht wurde.
Laut diesem Register sei der Bf. zum Vertreter der S s.r.o. bestellt gewesen. Ihm sei daher als zur Vertretung der Gesellschaft nach außen berufenes Organ die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der vertretenen Gesellschaft oblegen.
Da die festgesetzten Abgaben während der Vertretungsperiode des Bf. nicht entrichtet wurden, gehe das Finanzamt davon aus, dass der Bf. die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft nicht ordnungsgemäß erfüllt habe, es sei denn, er weise nach, dass er die Abgabenschuldigkeiten gegenüber anderen Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht benachteiligt habe.
Am langte beim Finanzamt Graz-Stadt ein Schreiben ein, in dem die V1.GmbH Folgendes mitteilte:
"Wir geben bekannt, dass Herr X unsere Sozietät mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt hat und ersuchen künftig nur mehr mit uns zu korrespondieren.
Als ehemaliger Geschäftsführer der S s.r.o. wurde unser Mandant aufgefordert, zur Nichtentrichtung von Umsatzsteuer in den Jahren 2009 bis 2010 Stellung zu nehmen und entsprechende Unterlagen vorzulegen.
Hintergrund dieses Haftungsvorhalts ist eine offenbar rechtskräftig abgewiesene Beschwerde der Gesellschaft gegen die entsprechenden Bescheide, die jedoch unserem Mandanten nicht vorliegt. Offenbar erfolgte eine Zustellung trotz Bekanntgabe der Liquidation der S s.r.o. bereits im Jahr 2015. Aufgrund dieses Umstandes und der Tatsache, dass sich weitere Unterlagen im Ausland befinden, wird die Herbeischaffung dieser Unterlagen erfahrungsgemäß Zeit in Anspruch nehmen. Überdies sind die den gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Sach- und Rechtsfragen hinsichtlich der Zustellung und der umsatzsteuerlichen Beurteilung an sich durchaus komplex.
Aus den angeführten Gründen ist es dem Antragsteller nicht möglich, bis zum Stellung zu nehmen Der Antragsteller stellt daher höflich den Antrag, die Frist für die Erstattung der Stellungnahme zum Haftungsvorhalt um 4 Wochen, sohin bis zum , zu verlängern, sowie den Antrag auf Akteneinsicht in den Steuerakt der S s.r.o."
Am erfolgte seitens der V1.GmbH als Vertreterin des Bf. die Vorhaltsbeantwortung an das Finanzamt Graz-Stadt.
Mit dem Bescheid vom zog das Finanzamt Graz-Stadt den Bf. für Abgabenschuldigkeiten der S s.r.o. in der Höhe von 587.790,92 € gemäß § 9 BAO zur Haftung heran.
Die Zustellung des Haftungsbescheides erfolgte laut Übernahmebestätigung am an den Bf. zu Handen der V1.GmbH.
Am langte beim Finanzamt Graz-Stadt ein Schreiben vom mit folgendem Wortlaut ein:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
anbei retournieren wir Ihnen den Haftungsbescheid in der Sache X - S s.r.o.
Die Vollmacht für V1.GmbH ist nicht mehr aufrecht.
Mit freundlichen Grüßen …"
Am erließ das Finanzamt (nunmehr Finanzamt Österreich) an den Bf. neuerlich einen Haftungsbescheid für Abgabenschuldigkeiten der S s.r.o. in der Höhe von 587.790,92 €.
Gegen diesen Haftungsbescheid brachte der Bf., nunmehr vertreten von der V2.GmbH, nach Fristverlängerungsansuchen mit dem Schriftsatz vom das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Gemäß § 248 BAO wurden auch Beschwerden gegen die dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden, an die S s.r.o. erlassenen Umsatzsteuerbescheide erhoben.
Im Vorhalt vom teilte das Finanzamt dem Bf. mit, ein Schreiben, in dem die frühere steuerliche Vertreterin V1.GmbH vor der Zustellung des Haftungsbescheides am bekannt gegeben habe, dass die Vollmacht nicht mehr aufrecht ist, liege dem Finanzamt nicht vor. Auch im Schreiben der V1.GmbH vom werde nicht auf eine bereits erfolgte Bekanntgabe der Vollmachtsauflösung hingewiesen. Es sei daher von einer rechtswirksamen Zustellung des Haftungsbescheides vom auszugehen.
Der Bf. wurde aufgefordert, der Abgabenbehörde eventuelle Nachweise über die Bekanntgabe der Vollmachtsauflösung vorzulegen.
Da die angeforderten Nachweise nicht vorgelegt wurden, gab das Finanzamt der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom mit der Beschwerdevorentscheidung vom statt. Der pandemiebedingt erst im Jahr 2021 erlassene Haftungsbescheid vom sei am mittels Zustellersuchens an die slowenische [gemeint offensichtlich slowakische] Behörde zugestellt worden.
Über die Sache des Haftungsbescheides vom sei aber bereits mit dem nachweislich am an die damalige steuerliche Vertreterin des Bf. zugestellten Bescheid vom abgesprochen worden, weshalb der Haftungsbescheid vom rechtswidrig erlassen worden und daher aufzuheben sei.
Am brachte die nunmehrige steuerliche Vertreterin des Bf. den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein, in dem ausgeführt wurde:
"Es liegt ein an den Beschwerdeführer adressierter Haftungsbescheid des Finanzamts Österreich zu Abgabenkontonummer SN vom (zugestellt am ) vor, den der Beschwerdeführer am von der slowakischen Finanzbehörde entgegengenommen hat. Auf der Grundlage dieses Bescheides wird der Beschwerdeführer "als ehemaliger Manager" der S s.r.o. (im Folgenden "S s.r.o.") gemäß § 9 BAO für die aushaftenden Abgabenschulden der S s.r.o. im Ausmaß von EUR 587.790,92 in Anspruch genommen. Der Beschwerdeführer hat mit Eingabe vom form- und fristgerecht Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid vom erhoben.
Mit Schreiben vom hat das Finanzamt Österreich (im Folgenden "FAÖ") dem Beschwerdeführer erstmals zur Kenntnis gebracht, dass es einen früheren, gleichlautenden Haftungsbescheid, und zwar datiert mit gibt, der an die Adresse des ehemaligen steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers, die V1.GmbH (im Folgenden "V1.GmbH"), zugestellt worden wäre. Zu diesem Zeitpunkt hatte V1.GmbH keine Vertretungsbefugnis für den Beschwerdeführer mehr. V1.GmbH hat den Haftungsbescheid vom daher an das Finanzamt Österreich mit entsprechendem Hinweis der nicht mehr aufrechten Vollmacht retourniert und den Beschwerdeführer auch nicht über diesen Bescheid in Kenntnis gesetzt.
Mit Bescheid vom wurde dem Aussetzungsantrag des Beschwerdeführers, der gleichzeitig mit der Bescheidbeschwerde vom gestellt wurde, vollinhaltlich stattgegeben. Daraus ergibt sich, dass das Finanzamt Österreich offensichtlich dieRechtsansicht vertritt, dass die Bescheidbeschwerde vom fristgerecht eingelangt ist. Den (ersten) Haftungsbescheid vom erachtet das FAÖ daher offensichtlich selbst für nicht wirksam zugestellt.
Lediglich aus Gründen der anwaltlichen Vorsicht stellt der Beschwerdeführer hiermit den
ANTRAG AUF WIEDEREINSETZUNG IN DEN
VORIGEN STAND GEMÄSS § 308 BAO
hinsichtlich der Beschwerdefrist gegen den Haftungsbescheid vom . Die Einhaltung der Beschwerdefrist war dem Beschwerdeführer insoweit nicht möglich, als er erst mit Schreiben vom erstmals über die Existenz dieses Haftungsbescheides inKenntnis gesetzt wurde. Die Zustellung des Bescheides an einen Vertreter, dessen Vollmacht bereits entzogen war, konnte der Beschwerdeführer auch unter Bedachtnahme auf die ihm persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten. An der Fristversäumung trifft den Beschwerdeführer kein Verschulden (nicht einmal geringes Verschulden). Der Antrag ist rechtzeitig, weil er jedenfalls innerhalb von drei Monaten ab Datum jenes Schreibens erfolgt, mit dem der Beschwerdeführer über die Existenz des Haftungsbescheides vom in Kenntnis gesetzt wurde.
Da - wie oben ausgeführt - dem Aussetzungsantrag des Beschwerdeführers vom vollinhaltlich stattgegeben wurde und das FAÖ den (ersten) Haftungsbescheid vom offensichtlich selbst für nicht wirksam zugestellt erachtet, ist der hier gegenständliche Antrag mangels tatsächlicher Fristversäumnis nach Ansicht des Beschwerdeführers zurückzuweisen.
Im Übrigen stellt der Beschwerdeführer den
ANTRAG,
diesem Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben. Die allenfalls versäumte Handlung (Einbringen einer Bescheidbeschwerde) wurde bereits am nachgeholt. Das Vorbringen und die Anträge in der Bescheidbeschwerde vom werden vollinhaltlich aufrechterhalten und beziehen sich in diesem Fall auf den Haftungsbescheid vom ."
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung ab, der Bf. habe weder nachgewiesen, seit wann die Vollmacht der V1.GmbH nicht mehr aufrecht sei, noch, dass die Abgabenbehörde vor der Zustellung des Haftungsbescheides vom über die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses in Kenntnis gesetzt worden sei. Es könne daher nicht von einem unvorhergesehenem bzw. unabwendbarem Ereignis im Sinne der zu § 308 BAO ergangenen Judikatur gesprochen werden. Der Bf. habe im Hinblick auf die Regelung des § 9 Abs. 3 ZustG ("Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde … diesen als Empfänger zu bezeichnen") damit rechnen müssen, dass Schriftstücke (weiterhin) der ausgewiesenen Vertreterin zugestellt werden.
Im Übrigen könne mit der Beschwerde vom , die sich gegen den Haftungsbescheid vom richte - während sich der Wiedereinsetzungsantrag auf die Beschwerdefrist des Haftungsbescheides vom beziehe - die versäumte Handlung (Bescheidbeschwerde) nicht als nachgeholt angesehen werden. Der Verweis im Wiedereinsetzungsantrag, Vorbringen und Anträge vom richteten sich auch gegen den Haftungsbescheid vom , sei nicht ausreichend, zumal über die Beschwerde vom bereits mittels stattgebender Beschwerdevorentscheidung vom entschieden worden sei. Selbst eine großzügige Auslegung von Anbringen im Sinne des § 85 BAO könne nicht dazu führen, dass das Begehren im Schriftsatz vom dahingehend auszulegen sei, der Antragsteller hätte auch eine Beschwerde gegen den Bescheid vom eingebracht, zumal er im Wiedereinsetzungsantrag selbst dargelegt habe, vom früheren Haftungsbescheid erst mit dem Vorhalt des Finanzamtes vom Kenntnis erlangt zu haben.
Zum Vorbringen, dem Aussetzungsantrag des Bf. sei vollinhaltlich stattgegeben worden, werde auf die stattgebend erledigte Beschwerdevorentscheidung verwiesen, in der ausgeführt worden sei, es handle sich wegen res iudicata um einen rechtswidrig erlassenen Bescheid. Die Beschwerde gegen den Bescheid sei daher nicht von vornherein aussichtslos gewesen, sodass die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung rechtskonform und nicht deshalb erfolgt sei, weil die Abgabenbehörde den Bescheid vom als nicht wirksam zugestellt erachte.
Gegen diesen Bescheid brachte der Bf. durch seine steuerliche Vertreterin das Rechtsmittel der Beschwerde ein und führte nach der Schilderung des bisherigen Verfahrensganges aus:
"3.2. Entscheidung und Entscheidungsgründe des FAÖ
Die belangte Behörde vertritt zum einen im angefochtenen Bescheid die rechtsirrige Ansicht, der Beschwerdeführer hätte nicht glaubhaft gemacht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Beschwerdefrist gegen den 1. Haftungsbescheid einzuhalten. Dies begründet das FAÖ damit, dass laut § 9 Abs 3 ZustellG die Behörde den Zustellbevollmächtigten als Empfänger zu bezeichnen hat, wenn ein Zustellbevollmächtigter bestellt ist. Nach Ansicht der belangten Behörde hätte der Beschwerdeführer - im Hinblick auf diese eindeutige Regelung - damit rechnen müssen (!), dass Schriftstücke an den weiterhin ausgewiesenen Vertreter zugestellt werden (auch wenn das Auftragsverhältnis mit dem Zustellbevollmächtigten bereitsbeendet war).
Die belangte Behörde vertritt weiters die (ebenso verfehlte) Rechtsansicht, der Beschwerdeführer hätte die versäumte Handlung nicht nachgeholt. Dies stützt sie im Wesentlichen auf folgende Argumente:
Der Hinweis des Beschwerdeführers im Wiedereinsetzungsantrag, dass sich das Vorbringen und die Anträge in der Bescheidbeschwerde gegen den 2. Haftungsbescheid bei Stattgabe der Wiedereinsetzung auf den 1. Haftungsbescheid beziehen, wäre nicht ausreichend. Dies würde umso mehr gelten, als über die Beschwerde gegen den 2. Haftungsbescheid mit Beschwerdevorentscheidung vom (Anmerkung: somit nach Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages!) mittlerweile bereits entschieden wurde. Man könne dasBegehren in der Bescheidbeschwerde gegen den 2. Haftungsbescheid zudem auch nicht dahingehend auslegen, dass der Antragsteller tatsächlich eine Beschwerde gegen den 1. Haftungsbescheid erhoben hätte. Das ist freilich Unsinn.
Im Übrigen bringt die belangte Behörde lediglich Argumente vor, die allenfalls für die Frage der Rechtswirksamkeit des 1. Haftungsbescheides relevant sind, nicht hingegen dafür, ob die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorliegen (falls man überhaupt von der Rechtswirksamkeit des 1. Haftungsbescheides ausgeht). Die belangte Behörde führt zusammenfassend etwa wie folgt aus:
"Der Antragsteller konnte nicht glaubhaft machen, dass die Abgabenbehörde bereits vor der Zustellung des Haftungsbescheides vom Kenntnis von der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses hatte. Es liegt daher im gegenständlichen Fall auch kein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis vor."
Ob die Abgabenbehörde vor der Zustellung des 1. Haftungsbescheides Kenntnis von der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses hatte oder nicht, ist für die Anwendbarkeit von § 9 Abs 3 ZustellG und damit für die Rechtswirksamkeit der Zustellung des 1. Haftungsbescheides an V1.GmbH relevant, nicht hingegen für die Frage des Vorliegens eines unvorhergesehenen bzw unabwendbaren Ereignisses.
4. Hinweis auf das Vorliegen eines Eventualantrags
Der Beschwerdeführer vertritt die Rechtsansicht, dass der 1. Haftungsbescheid nicht rechtswirksam ergangen ist und hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daher aus Gründen der anwaltlichen Vorsicht im Sinne eines Eventualantrages zur Bescheidbeschwerde gegen den 2. Haftungsbescheid eingebracht.
Die nachfolgenden Beschwerdegründe werden daher für den Fall vorgebracht, dass das Bundesfinanzgericht den 1. Haftungsbescheid als rechtswirksam ergangen erachtet.
5. Beschwerdegründe
5.1. Vorliegen eines unvorhergesehenen Ereignisses
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Ereignis dann "unvorhergesehen", wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl ; , 94/13/0236; 27,9.2012, 2009/16/0098; , 2012/13/0051).
Genau dies ist im vorliegenden Fall gegeben:
Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Zustellung des 1. Haftungsbescheides steuerlich unvertreten:
- Das Auftragsverhältnis mit V1.GmbH war zu diesem Zeitpunkt bereits beendet.
- Der Beschwerdeführer hatte auch noch keinen neuen Steuerberater oder Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt.
Dass die Vollmacht für V1.GmbH zum Zeitpunkt der Zustellung des 1. Haftungsbescheides an V1.GmbH nicht mehr aufrecht war, wurde der belangten Behörde von V1.GmbH mit Schreiben vom mitgeteilt.
Beweis: Schreiben von V1.GmbH vom , im Akt einliegend
Der Beschwerdeführer hatte keinen Einfluss darauf, wann und ob V1.GmbH der Behörde die Beendigung der Vollmacht mitteilt. Dies lag weder in seinem Einflussbereich, noch hatte er davon Kenntnis.
Der Beschwerdeführer hatte zudem keine Kenntnis davon, dass die Bekanntgabe der Beendigung der Vollmacht durch V1.GmbH an die Abgabenbehörde insoweit relevant ist, als die Abgabenbehörde bis zur (nicht in seinem Einflussbereich stehenden) Bekanntgabe des Widerrufs der Zustellbevollmächtigung an seinen ehemaligen Vertreter rechtswirksam wirksam zustellen kann. Grund dafür ist, dass ihm die Vorschrift des § 9 Abs 3 ZustellG unbekannt war. Die belangte Behörde hat sich auch vor dem 1. Haftungsbescheid jahrelang Zeit gelassen und keine Handlungen gesetzt.
Der gesamte Ablauf der Ereignisse ist weder vom Beschwerdeführer zu vertreten noch diesem vorwerfbar:
- Die Bekanntgabe der Beendigung der Vollmacht lag im Verantwortungsbereich von V1.GmbH und nicht in jenem des Beschwerdeführers.
- Dem Beschwerdeführer kann nicht vorgeworfen werden, dass er sich nicht aktiv bei seinem ehemaligen (!) Vertreter danach erkundigt hat, ob dieser die Behörde bereits informiert hat. Eine solche Verpflichtung gibt es nicht.
- Zur rechtlichen Unkenntnis des Beschwerdeführers hinsichtlich der Bestimmung des § 9 Abs 3 ZustellG ist anzumerken, dass nach Ansicht des OGH ein Rechtsirrtum bzw die Unkenntnis einer Rechtsvorschrift einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn dem Wiedereinsetzungswerber an der Unkenntnis des Gesetzes keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist (vgl 8 Ob A 2045/96; ebenso BMF, AÖF 2006/123, Abschn 3; vgl auch ; , 2010/15/0001). Von einer rechtsunkundigen und steuerlich unvertretenen Person, die zudem nicht in Österreich ansässig und für die Deutsch eine Fremdsprache ist, kann nicht erwartet werden, dass ihr die Zustellfiktion des § 9 Abs 3 ZustellG bekannt ist. Es ist ihr daher auch nicht vorwerfbar, wenn sie nicht damit rechnet, dass die Behörde an ihren ehemaligen Vertreter rechtswirksam zustellen kann (weil dieser der Behörde die Beendigung der Zustellvollmacht noch nicht mitgeteilt hat, was - wie angemerkt - gar nicht in ihrem Einflussbereich liegt).
Ein allfälliges Verschulden eines nicht mehr beauftragten Vertreters kann dem Beschwerdeführer ebenso wenig zuzurechnen sein.
Zusammenfassend war der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall somit aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses verhindert, die Beschwerdefrist einzuhalten. An der Versäumung dieser Frist trifft den Beschwerdeführer kein Verschulden.
5.2. Die versäumte Handlung wurde gesetzt
Der Beschwerdeführer hat bereits mit Schriftsatz vom Beschwerde gemäß § 243 BAO gegen den 2. Haftungsbescheid erhoben. Der 2. Haftungsbescheid ist mit dem 1. Haftungsbescheid wortident, weil die belangte Behörde nämlich ursprünglich selbst von der Rechtsunwirksamkeit des 1. Haftungsbescheides ausgegangen ist und diesen daher am ein weiteres Mal gleichlautend erlassen hat. Die belangte Behörde hat daher selbst nicht gewußt, ob der ehemalige Vertreter des Beschwerdeführers die Beendigung des Vollmachtsverhältnisses bekannt gegeben hat.
Eine versäumte Handlung ist aber nur dann (spätestens) gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen, wenn sie nicht schon vorher gesetzt wurde. Der Hinweis des Beschwerdeführers im Wiedereinsetzungsantrag darauf, dass sich das Vorbringen und die Anträge in der Bescheidbeschwerde gegen den 2. Haftungsbescheid bei Stattgabe der Wiedereinsetzung auf den 1. Haftungsbescheid beziehen, war aus diesem Grund vollkommen ausreichend. Es war daher nicht geboten, nochmals eine gleichlautende Beschwerde einzureichen.
Die Relevanz der von der belangten Behörde erwähnten Tatsache, dass über die Beschwerde gegen den 2. Haftungsbescheid mittlerweile (Anmerkung: somit nach Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages) bereits mit Beschwerdevorentscheidung vom entschieden wurde, ist nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer wußte im Zeitpunkt der Einreichung des Wiedereinsetzungsantrages selbstverständlich noch nicht, ob und wie die belangte Behörde später im Beschwerdeverfahren gegen den 1. Haftungsbescheid entscheiden wird.
5.3. Schlussfolgerungen
Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer von der mutmaßlichen Fristversäumnis erst mit Schreiben des FAÖ vom erstmals Kenntnis erlangte und ihm die versäumte Frist auch nicht früher hätte auffallen müssen. Wie bereits angemerkt, ist auch der belangten Behörde die Fristversäumnis nicht früher aufgefallen, weil sie nämlich selbst von der Rechtsunwirksamkeit des 1. Haftungsbescheides ausgegangen ist und daher den 2. Haftungsbescheid erlassen hat. Der Beschwerdeführer weiß auch bis heute nur aus einer unverbindlichen Mitteilung der belangten Behörde, dass es angeblich einen 1. Haftungsbescheid gegeben hat, der vom ehemaligen steuerlichen Vertreter angeblich an die belangte Behörde retourniert wurde.
Die versäumte Handlung wurde zudem nachgeholt, wofür der Hinweis, dass die Beschwerde gegen den 2. Haftungsbescheid in eventu als solche gegen den - wortidenten - 1. Haftungsbescheid gelten solle, vollkommen ausreichend war.
6. Beschwerdeanträge
Da die belangte Behörde all dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid vom mit Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung belastet.
Die Beschwerdeführerin stellt daher nachstehende
ANTRÄGE:
Das BFG möge
a. dieser Beschwerde Folge geben, den angefochtenen Bescheid des FAÖ vom aufheben bzw abändern und stattdessen dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 308 BAO vom stattgeben;
b. über die gegenständliche Bescheidbeschwerde eine mündliche Verhandlung anberaumen; sowie
c. über die gegenständliche Bescheidbeschwerde in Senatszusammensetzung entscheiden.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Die Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses mit dem Bf. seitens der V1.GmbH ändere nichts daran, dass bereits vor der Einbringung dieses Schriftsatzes, nachweislich am , die rechtswirksame Zustellung des Haftungsbescheides vom bewirkt worden sei. Die Rückübermittlung des Bescheides an die Abgabenbehörde nach wirksam erfolgter Zustellung ändere nichts daran, dass der Haftungsbescheid vom wirksam ergangen sei.
Dass die Mitteilung über eine nicht mehr aufrechte Vollmacht zwingend vom (ehemaligen) Bevollmächtigten zu erfolgen hätte, sei im Zustellgesetz nicht vorsehen. Der Bf. hätte - unter Bedachtnahme auf die ihm zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht - die Abgabenbehörde selbst vom aufgelösten Vollmachtsverhältnis informieren müssen. Er könne sich auch nicht auf die mangelnde Kenntnis der österreichischen Zustellbestimmungen berufen. Es sei in der Sphäre des Bf. gelegen, dafür Sorge zu tragen, dass er entsprechende Kenntnis über die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen in dem Land erlangt, in dem er durch die von ihm vertretene Gesellschaft unternehmerisch tätig wurde oder einen steuerlichen Vertreter zu bestellen. Ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 308 BAO, das die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Folge hätte, liege nicht vor.
Zur Frage der Nachholung der versäumten Handlung wurde ausgeführt, für die Frage der Wertung als nachgeholte Handlung sei irrelevant ist, ob bzw. wann über die Beschwerde, die ausdrücklich gegen den Haftungsbescheid vom gerichtet war, entschieden wurde. Mit dem Hinweis auf die bereits erfolgte Absprache über die Beschwerde habe die Abgabenbehörde verdeutlichen wollen, dass diese nicht sowohl als Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom UND als Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom angesehen werden könne. Es handle sich um gesondert anfechtbare Erledigungen der Abgabenbehörde. Ein und dieselbe Beschwerde könne nicht gegen zwei gesondert zu betrachtende Erledigungen gerichtet sein.
Mit der Erledigung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom sei deshalb zugewartet worden, weil seitens des Bf. auf den Vorhalt vom betreffend den Nachweis über die Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses vor dem Zeitpunkt der Zustellung noch nicht reagiert worden war und - bei entsprechendem Nachweis - möglicherweise ein Nichtbescheid vorgelegen wäre, was wiederum auf die Entscheidung über die Beschwerde Einfluss gehabt hätte.
Überdies sei für die Abgabenbehörde nicht nachvollziehbar, dass der Bf. zum einen zwar behaupte, er hätte bis zum Erhalt des Schreibens vom keine Kenntnis vom Haftungsbescheid vom gehabt, zum anderen aber die bereits zuvor eingebrachte Beschwerde vom als gegen diesen Bescheid gerichtet zu werten sei. Auch wenn die Rechtsprechung zur Auslegung von Anbringen gemäß § 85 BAO "großzügig" sei, könne sie wohl nicht so weit gehen, aus einer Eingabe den Willen eines Pflichtigen dahingehend zu interpretieren, dass sie sich auf einen Bescheid beziehen soll, von dessen Existenz der Pflichtige nach eigenen Angaben erst im Nachhinein erfahren habe.
Das Finanzamt legte die Beschwerde mit dem Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Darin führte es zusammengefasst aus:
- Ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinne des § 308 Abs. 1 BAO liege nicht vor, weil der Bf. unter Bedachtnahme auf die ihm zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht selbst die Behörde vom aufgelösten Vollmachtsverhältnis hätte informieren müssen. Nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes sei nicht zwingend vorgesehen, dass die Mitteilung über eine nicht mehr aufrechte Vollmacht zwingend vom (ehemaligen) Bevollmächtigten zu erfolgen habe.
- Der Bf. könne sich auch nicht darauf berufen, dass er keine Kenntnis der österreichischen Zustellbestimmungen gehabt habe, weil es in seiner Sphäre gelegen sei, dafür Sorge zu tragen, dass er die entsprechende Kenntnis über die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen in dem Land erlange, in dem er durch die von ihm vertretene Gesellschaft unternehmerisch tätig geworden sei.
- Die versäumte Handlung sei nicht mit der Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom nachgeholt worden, weil sich die Beschwerde nicht (auch) gegen den Haftungsbescheid vom gerichtet und der Bf. im Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde nach eigenen Angaben keine Kenntnis von der Erlassung des Haftungsbescheides vom gehabt habe.
Im Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Bf. um die Beantwortung folgender Fragen ersucht:
"1. a) Warum und wann wurde von Ihnen die Vollmacht gegenüber der V1.GmbH widerrufen bzw.
1. b) warum und wann wurde die Vollmacht seitens der V1.GmbH aufgekündigt?
Die Vollmachtsurkunde und die entsprechenden schriftlichen Unterlagen hinsichtlich der Auflösung der Vollmacht sind vorzulegen (Korrespondenz wie Widerrufs- oder Kündigungsschreiben, auch Aktenvermerke, etc.).
2. Wer war in der Kanzlei V1.GmbH Ihr Ansprechpartner oder Ihre Ansprechpartnerin?
Es wird ersucht, diese Person(en) zwecks Zeugeneinvernahme von Ihrer anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht zu entbinden.
3. Was wurde im Zuge der Auflösung der Vollmacht vereinbart?
Wurde die Bekanntgabe der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses gegenüber dem Finanzamt ausdrücklich durch die V1.GmbH vereinbart oder sollten Sie dies selbst gegenüber dem Finanzamt bekannt geben?
4. Warum ist eine Verständigung des Finanzamtes von der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses unterblieben?
5. Wurden Sie über die Zustellung des Sie betreffenden Haftungsbescheides vom durch die Kanzlei V1.GmbH informiert?
6. Wenn nicht, haben Sie rechtliche Schritte gegen die V1.GmbH ergriffen?"
In der Vorhaltsbeantwortung vom führte die steuerliche Vertreterin des Bf. aus:
"1. Vorbemerkung
Der Beschwerdeführer hat Anfang 2017 die V1.GmbH ("V1.GmbH") kontaktiert, da er vom damaligen Finanzamt Graz-Stadt einen Haftungsvorhalt (keinen Haftungsbescheid) erhalten hat. Nach entsprechender Beauftragung hat V1.GmbH am eine Stellungnahme samt Rechtfertigung und Beilagen beim Finanzamt Graz-Stadt eingereicht. Auf diese Einreichung erfolgte seitens des Finanzamtes keine Reaktion.
Beweis:- Stellungnahme vom (Beilage .1)
Die hier einschreitende Rechtsanwaltskanzlei V2.GmbH ("V2.GmbH") wurde erst im März 2018 gegründet. Einer der Gründungsgesellschafter, namentlich V, war zuvor Gesellschafter und Geschäftsführer der V1.GmbH ("V1.GmbH") und hat "seine" Mandanten im Zuge des Kanzleiwechsels "mitgenommen". Hierzu gehörte auch das gegenständliche Verfahren des Beschwerdeführers.
Da zur Stellungnahme vom seitens des Finanzamtes keine Reaktion erfolgte, wurde seitens V1.GmbH und dem Beschwerdeführer Ende 2017 vereinbart, das Mandatsverhätnis zu beenden und - falls ein Fortgang des Haftungsverfahrens erfolgt - die "neue" Kanzlei von V zu mandatieren. Die Beendigung des Vollmachtsverhältnisses wurde dem Finanzamt - soweit erinnerlich - schriftlich angezeigt.
Beweis:ZV des V
Erst nach mehr als 2,5 Jahren, konkret am , wurde an V1.GmbH ein Haftungsbescheid zugestellt ("1. Haftungsbescheid"). Dieser wurde - weil das Mandatsverhältnis schon lange beendet war - postwendend nach entsprechender Rückfrage beim Finanzamt samt Hinweis auf das Nichtbestehen eines Vollmachtsverhältnisses retourniert (vgl dazu auch unten die Antwort zu Frage 4). Auch das zuständige Finanzannt ging so dann offensichtlich davon aus, dass keine wirksame Zustellung erfolgt ist und hat weitere 1,5 Jahre später, nämlich am 27.Mai 2021, dem Beschwerdeführer direkt einen inhaltlich gleichlautenden neuen Haftungsbescheid übermittelt ("2. Haftungsbescheid"). Der Beschwerdeführer hat sich dann an V2.GmbH, namentlich an V, den er ja noch aus seiner Zeit bei V1.GmbH kannte, gewendet und V2.GmbH mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und mandatiert. Am hat V2.GmbH die Bevollmächtigung bekanntgegeben, Akteneinsicht sowie Zusendung einer Übersetzung und Fristverlängerung beantragt.
Beweis:- Vollmachtsbekanntgabe vom (Beilage .2)
Dem Antrag auf Akteneinsicht wurde trotz insgesamt 10x-maliger Erinnerung (!) erst im Oktober 2023, also nach weiteren 2,5 Jahren, teilweise stattgegeben. Im Februar 2024 wurden sodann seitens des Finanzamtes weitere Unterlagen übermittelt, darunter auch der 1. Haftungsbescheid 2019, und wurde erstmals gegenüber dem Beschwerdeführer die Rechtsansicht kundgetan, dass dessen Zustellung nach Ansicht des Finanzamtes rechtswirksam erfolgt ist. Warum trotzdem der 2. Haftungsbescheid im Jahr 2021 erlassen wurde und warum innerhalb der nächsten rund drei Jahre trotz 10x-iger Erinnerung dem Beschwerdeführer diese Rechtsansicht nicht früher mitgeteilt wurde, bleibt das Geheirnnís des Finanzamtes. Offensichtlich ist auch das Finanzamt (zurecht) davon ausgegangen, dass keine wirksame Zustellung des 1. Haftungsbescheides im Jahr 2019 erfolgt ist.
Der Antrag auf Zusendung einer Übersetzung vom ist bis heute unerledigt.
2. Beantwortung der Fragen des BFG
Ad 1
Nach Übermittlung der Stellungnahme vom an das Finanzamt (siehe schon oben) vergingen rund zehn Monate und Herr V hat die Kanzlei V1.GmbH Ende Februar 2018 verlassen. Da er der primäre Ansprechpartner des Beschwerdeführers war, wurde kurz zuvor (soweit erinnerlich Ende 2017) vereinbart, dass das Mandatsverhältnis des Beschwerdeführers zu V1.GmbH beendet wird und falls irgendwann ein Fortgang des Verfahrens erfolgt - eine Neumandantierung der neuen Kanzlei von V erfolgen wird.
Diese Korrespondenz erfolgte lediglich telefonisch.
Ad 2
Zuständiger Partner bei V1.GmbH war V, der auch hier gegenständliche Vertreter. V wurde - insbesondere bei der Erstellung der Stellungnahme vom - von Frau RA Z1 unterstützt. Auch sie kann über die damaligen Vorgänge - allenfalls auch über die Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses - Auskunft geben.
Beweis: - ZV der Z1, p.A. Adresse
Ad 3
Es erfolgte keine explizite Vereinbarung darüber, wer das Erlöschen des Vollmachtsverhältnisses gegenüber dem Finanzamt bekanntgeben solle. Dem einschreitenden Rechtsanwalt V ist aber erinnerlich, dass eine solche Bekanntgabe Ende des Jahres 2017 erfolgt sein muss. Hierzu sind jedoch leider keine schriftlichen Aufzeichnungen mehr auffindbar. Auch Frau Z1 kann über die damaligen Vorgänge - allenfalls auch über die Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses - Auskunft geben.
Beweis:- ZV der Z1, p.A. Adresse
Ad 4
Dem einschreitenden Rechtsanwalt V ist erinnerlich, dass eine solche Bekanntgabe Ende des Jahres 2017 erfolgt sein muss. Hierzu sind jedoch leider keine schriftlichen Aufzeichnungen mehr auffindbar. Frau Z1 kann über die damaligen Vorgänge - allenfalls auch über die Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses - Auskunft geben.
Ad 5
Nachdem V1.GmbH den 1. Haftungsbescheid erhalten hat, wurde V kontaktiert und informiert. V hat sodann am (einen Tag nach Zustellung des 1. Haftungsbescheides) telefonisch mit dem FinanzamtKontakt aufgenommen - mutmaßlich mit Frau Z2, die im 1. Haftungsbescheid als Sachbearbeiterin genannt ist - und mitgeteilt, dass das Vollmachtsverhältnis zu V1.GmbH schon lange beendet und dies auch dem Finanzamt bekannt ist. Ihm wurde sodann geraten, den Haftungsbescheid an das Finanzamt samt Vermerk, dass das Vollmachtsverhältnis beendet ist, zu retournieren. Dies ist dann auch geschehen.
Der Beschwerdeführer wurde nicht über die Zustellung des 1. Haftungsbescheides im Jahr 2019 an V1.GmbH informiert. Dies ist insofern konsequent, als kein Vollmachtsverhältnis mehr bestand und daher der 1. Haftungsbescheid nicht wirksam zugestellt wurde.
Beweis:- ZV der Z2, p.A. Finanzamt Österreich
- ZV des V
- E-Mail an V1.GmbH nach Telefonat Finanzamt (Beilage .3)
In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung brachte der Rechtsvertreter des Bf. über Befragung der Vorsitzenden ergänzend vor, er könne sich nicht erinnern, ob der Bf. einen schriftlichen Bevollmächtigungsvertrag unterfertigt habe. Soweit erinnerlich, sei der Bf. über die Vertreterin der S s.r.o., die AUDITREU Steuerberatungsges.m.b.H., zur V1.GmbH gekommen.
Dem Bf. sei bekannt gewesen, dass mit der Vollmachtsbekanntgabe vom die V1.GmbH auch eine Zustellvollmacht beantragt habe. Der Bf. hätte die Beendigung der Vollmacht auch selbst anzeigen können.
Der Vertreter des Bf. habe sich vor der Rücksendung des Haftungsbescheides vom nicht versichert, dass dem Finanzamt die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt war, weil er davon ausgegangen sei, dass es immer so gemacht wurde.
Der Bf. sei bei der V1.GmbH nicht mehr als "aktiver Akt" gelaufen, weshalb eine Mitarbeiterin der V1.GmbH den Vertreter des Bf. kontaktiert und ihn über die Zustellung des Haftungsbescheides informiert habe. Er habe daraufhin Frau Z2 vom Finanzamt angerufen und ihr mitgeteilt, dass die Vollmacht nicht mehr aufrecht sei. Daraufhin habe ihm Frau Z2 geraten, den Bescheid unter Hinweis auf die nicht mehr aufrechte Vollmacht an das Finanzamt zurückzusenden. Das habe er der Mitarbeiterin der V1.GmbH so weitergegeben. Er habe zu diesem Zeitpunkt keinen Zugang mehr zu den Akten der V1.GmbH gehabt, weshalb eine Vorlage der Vollmachtskündigung zusammen mit dem Haftungsbescheid unterblieben sei.
Die aufrecht erhaltenen Beweisanträge, Z1 und Z2 als Zeuginnen einzuvernehmen, wurden wie folgt begründet:
Z1 sei eine Mitarbeiterin des Vertreters des Bf. bei der V1.GmbH gewesen und habe jährlich ca. 30 Haftungsverfahren betreut. Er könne mangels schriftlicher Unterlagen nicht sagen, wann genau die Vollmachtsauflösung dem Finanzamt bekannt gegeben wurde. Dass dies aber immer so gemacht wurde, könne Frau Z1 bestätigen.
Frau Z2 könne dazu aussagen, dass sie der Vertreter des Bf. im Zuge des Telefongespräches am darüber informiert habe, dass die Vollmacht bereits vor Zustellung des Haftungsbescheides vom gekündigt war. Die Auffassung des Finanzamtes, dass erst mit diesem Zeitpunkt die Vollmachtsauflösung bekannt gegeben worden sei, sei hingegen nicht richtig.
Die Anträge auf Zeugeneinvernahme wurden mit Beschluss des Senates abgewiesen.
Die Vertreterin des Finanzamtes führte aus, sie vertrete die Ansicht, die Nachholung der versäumten Handlung sei mit dem Verweis auf die gegen den Haftungsbescheid vom eingebrachte Beschwerde vom nicht nachgeholt worden. Diese Beschwerde habe sich allein gegen den Haftungsbescheid vom gerichtet, der mittlerweile mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes aufgehoben worden sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte daher zurückgewiesen werden müssen, weil ein Formalerfordernis für die Bewilligung des Antrages nicht erfüllt gewesen sei.
Der Vertreter des Bf. erwiderte, im Haftungsbescheid vom sei gegenüber dem Haftungsbescheid vom nur das Datum ausgewechselt worden; ansonsten seien beide Bescheide inhaltsgleich. Es sei zulässig, die versäumte Handlung schon vor der Stellung des WE-Antrages nachzuholen. Der Verweis auf die Beschwerde vom sei daher zulässig gewesen.
Das weitere Vorbringen der Parteien folgte den dem Senat vorliegenden schriftlichen Ausführungen.
Die Vertreterin des Finanzamtes beantragte die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde, gegebenenfalls die Änderung des Spruches in eine Zurückweisung.
Der Vertreter des Bf. beantragt die Stattgabe der Beschwerde und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 ZustG können, soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).
Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellbevollmachtigten tatsächlich zugekommen ist (§ 9 Abs. 3 ZustG).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes umfasst eine allgemeine Vollmacht auch die Zustellungsbevollmächtigung (siehe , mwN). Zustellungsbevollmächtigungen sind so lange zu beachten, als der Behörde nicht der Widerruf, die Kündigung bzw. die einvernehmliche Aufhebung bekannt sind ().
Gemäß § 103 Abs. 1 BAO können im Einhebungsverfahren ergehende Erledigungen aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung wirksam dem Vollmachtgeber unmittelbar zugestellt werden.
Fest steht, dass der Bf. im Haftungsverfahren die V1.GmbH mit seiner Vertretung beauftragt und ausdrücklich die Zustellung von Schriftstücken an die bevollmächtigte Vertreterin beantragt hat (siehe Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht im Schriftsatz vom : "Wie geben bekannt, dass Herr X unsere Sozietät mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt hat und ersuchen künftig nur mehr mit uns zu korrespondieren").
Ein Widerruf der erteilten Vollmacht oder der erteilten Zustellvollmacht ist nicht aktenkundig. Die behauptete Bekanntgabe der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses gegenüber dem Finanzamt ("Die Beendigung des Vollmachtsverhältnisses wurde dem Finanzamt - soweit erinnerlich - schriftlich angezeigt") wurde trotz der Aufforderung des Finanzamtes vom und dem Ergänzungsersuchen der Senatsvorsitzenden vom nicht vorgelegt ("Hierzu sind leider keine schriftlichen Aufzeichnungen mehr auffindbar").
Das Finanzamt hat den Haftungsbescheid vom daher rechtskonform und rechtswirksam zu Handen der V1.GmbH zugestellt.
Eine Zustellung direkt an den Bf. wäre im Hinblick auf dessen Wohnsitz in der Slowakei weder einfacher noch schneller erfolgt und war daher nicht zweckmäßig im Sinne des § 103 BAO.
Dem Vorbringen, auch das Finanzamt sei im Hinblick auf die Erlassung des (mittlerweile aufgehobenen) Haftungsbescheides vom von einer nicht wirksamen Zustellung des Haftungsbescheides vom ausgegangen, ist entgegen zu halten, dass die mögliche falsche Rechtsansicht des Finanzamtes die Wirksamkeit der Zustellung des Haftungsbescheides vom nicht verhindern konnte.
Ob der Sachbearbeiterin des Haftungsbescheides vom im Zuge eines Telefonates zwei Tage nach Zustellung des Bescheides von einem Mitarbeiter der V1.GmbH mitgeteilt wurde, das Vollmachtsverhältnis mit dem Bf. sei aufgelöst und dies sei dem Finanzamt bereits bekannt gegeben worden, ändert ebenfalls nichts an der rechtswirksamen Zustellung des Bescheides, weil, wie bereits ausgeführt, die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses dem Finanzamt bis zur Erlassung des Haftungsbescheides vom nicht zur Kenntnis gelangt ist und der Bf. die Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses vor der Bescheidzustellung weder zum damaligen Zeitpunkt noch nach Aufforderung durch das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht nachgewiesen hat.
Der zu diesem Punkt gestellte Antrag auf Einvernahme der Sachbearbeiterin Z2 ist daher abzuweisen, weil die Tatsache, dass der Vertreter des Bf. zwei Tage nach der Zustellung des Haftungsbescheides vom dem Finanzamt telefonisch die bereits erfolgte (dem Finanzamt aber nicht vorliegende) Beendigung des Vollmachtsverhältnisses mitgeteilt hat, für die Erledigung der vorliegenden Beschwerde unerheblich ist.
Der Bf. hat daher die rechtswirksame Zustellung des Haftungsbescheides vom gegen sich gelten zu lassen.
Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Gemäß § 308 Abs. 3 muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.
Der Bf. beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, er sei erstmals mit dem Schreiben des Finanzamtes vom über die Existenz des Haftungsbescheides vom in Kenntnis gesetzt worden. Die Zustellung des Bescheides an einen Vertreter, dessen Vollmacht bereits entzogen war, konnte der Bf. nicht erwarten.
Zu diesem Vorbringen ist auszuführen:
Gemäß § 83 Abs. 1 BAO können sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche voll handlungsfähige Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.
Gemäß § 83 Abs. 2 BAO richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 85 Abs. 2 von Amts wegen zu veranlassen.
Bei Rechtsanwälten ersetzt die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis (§ 8 Abs. 1 RAO).
Die V1.GmbH hat sich im Schriftsatz vom gemäß § 8 Abs. 1 RAO auf die ihr vom Bf. erteilte Bevollmächtigung berufen.
V gab bekannt, in der V1.GmbH der Ansprechpartner des Bf. gewesen zu sein. Laut seinen Angaben sei, da er die V1.GmbH Ende Februar 2018 verlassen habe, mit dem Bf. Ende 2017 telefonisch vereinbart worden, das Mandatsverhältnis zur V1.GmbH zu beenden und - falls ein Fortgang des Verfahrens erfolge - eine Neumandatierung der neuen Kanzlei des V [V2.GmbH] erfolgen werde (Schriftsatz vom , S. 3).
Im Verfahren wurden vom Bf. weder der angeforderte Bevollmächtigungsvertrag noch andere, das Vollmachtsverhältnis mit der V1.GmbH betreffende schriftliche Unterlagen (Bevollmächtigungsauftrag, Abrechnungsbelege, Aktenvermerke, etc.) vorgelegt.
Das Finanzamt hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Schreiben der V1.GmbH vom weder ein Nachweis der Bekanntgabe der Vollmachtsauflösung beilag noch darauf Bezug genommen wurde, wann genau das Vollmachtsverhältnis bereits aufgelöst worden war.
Es kann daher nicht festgestellt werden, ob bzw. wann genau das Vollmachtsverhältnis beendet wurde und welche Vorkehrungen hinsichtlich der Bekanntgabe der Bevollmächtigung bzw. deren Beendigung im Hinblick auf eine Information des Finanzamtes von wem getroffen werden mussten oder getroffen wurden.
Wurde das Bevollmächtigungsverhältnis nämlich beendet, müsste zumindest eine Abrechnung über die erbrachten Leistungen der Bevollmächtigten erstellt worden sein. Trotz Aufforderung wurde aber weder ein schriftlicher Nachweis der Auflösung noch ein darüber erstellter Aktenvermerk noch eine Abrechnung o.ä. vorgelegt.
Dass der Vertreter des Bf. keinen Zugriff auf den Akt des Bf. hat, ist nicht nachvollziehbar, weil vorgebracht wird, er habe "seine Klienten" in die neu errichtete GmbH "mitgenommen". Dies bedingt wohl auch die "Mitnahme" der Unterlagen seiner Klienten. Dass aber auch der Bf. selbst keine Unterlagen besitzt bzw. keinen Zugriff auf die Unterlagen seiner ehemaligen Rechtsvertreterin hat, wurde nicht einmal behauptet.
Dass der Bf. in der Zeit zwischen dem Telefonat "glaublich Ende 2017" und der Zustellung des Haftungsbescheides vom daher ohne Vertreter war, ist nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht erwiesen. Nach der Rechtsprechung (z.B. ) ist aber der behauptete Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen bzw. mit tauglichen Bescheinigungsmitteln darzulegen (). Taugliche Bescheinigungsmittel wurden im vorliegenden Fall nicht vorgelegt.
Die Beendigung einer Vollmacht wird gegenüber der Behörde (dem VwG) erst wirksam, wenn dies der Behörde (dem Verwaltungsgericht) mitgeteilt wird (siehe , mit Verweis auf ; ; ).
Der Zurücksendung des Haftungsbescheides - wenn auch auf Vorschlag des Finanzamtes - hätte im Hinblick auf die oben zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls eine genaue Prüfung der Sachlage durch den sachkundigen Vertreter vorangehen müssen. Eine solche ist augenscheinlich nicht erfolgt:
Der Vertreter des Bf., V, hat sich vor der Rücksendung des Haftungsbescheides vom an das Finanzamt nicht versichert, dass (ob) die Beendigung des Vollmachtsverhältnisses dem Finanzamt bereits bekannt gegeben worden war (Aussage X in der mündlichen Verhandlung). Er hat lediglich einer Mitarbeiterin der V1.GmbH mitgeteilt, die Vollmacht sei nicht mehr aufrecht, der Haftungsbescheid sei daher an das Finanzamt zu retournieren. Auch die V1.GmbH hat vor Ausfertigung des Schreibens vom nicht geprüft, ob die Beendigung des Vollmachtverhältnisses dem Finanzamt angezeigt worden war - andernfalls wäre die diesbezügliche schriftliche Bekanntgabe bzw. deren Postaufgabe greifbar und dem Finanzamt als Nachweis übermittelt worden - weshalb die Zustellung des Haftungsbescheides an die V1.GmbH rechtswirksam erfolgte.
Dem Antrag auf Einvernahme der Zeugin Z1 fehlt die erforderliche Konkretisierung. Aus welchen Gründen zu erwarten ist, dass Frau Z1 konkrete Nachweise zur Beendigung des Vollmachtsverhältnisses und der in diesem Zusammenhang mit dem Bf. getroffenen Vereinbarungen geben kann, wurde nicht näher ausgeführt. Dass sie an der Vorhaltsbeantwortung im Haftungsverfahren mitgewirkt hat und über die damaligen Vorgänge - "allenfalls" auch über die Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtmachtverhältnisses - Auskunft geben kann, ist als Antrag auf Aufnahme eines Erkundungsbeweises anzusehen. Einen solchen aufzunehmen ist das Gericht aber nicht verhalten.
Das Vorbringen, Frau Z1 könne als Zeugin jedenfalls aussagen, dass Vollmachtsbeendigungen immer dem Finanzamt bekannt gegeben wurden, ist nicht zielführend, weil im vorliegenden Fall eben keine Verständigung des Finanzamtes erfolgt ist.
Eine Vollmachtserteilung begründet eine Treuepflicht des Bevollmächtigten gegenüber dem Vollmachtgeber nicht nur während des Mandats, sondern auch über die Beendigung des Mandats hinaus. Der Vertreter hat die Interessen des von ihm vertretenen Mandanten im Hinblick auf einen in Zukunft drohenden Vermögensnachteil zu wahren. Der Vertreter des Bf. wäre daher nicht nur verpflichtet gewesen, dem Finanzamt die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt zu geben, sondern auch, den Bf. über die Zustellung des Haftungsbescheides vom zu informieren und insbesondere abzuklären, ob die Zustellung rechtswirksam erfolgt ist.
Das Verhalten des Vertreters des Bf. ist als ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden zu werten. Die Rücksendung eines Bescheides an das Finanazamt ohne Prüfung, ob die (Zustell-) Vollmacht noch aufrecht war, ist im Hinblick auf die einem Anwalt auferlegte Pflicht zur genauen Erfassung und Überwachung von Fristen und Terminen als grobe Farlässigkeit anzusehen. An rechtskundige Parteienvertreter ist ein strengerer Maßstab als bei rechtsunkundigen Personen anzulegen. Hätte der Vertreter des Bf. nicht (grob) sorgfaltswidrig gehandelt, hätte der Bf. (rechtzeitig) eine Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom erheben können.
Das Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden der Partei gleichzusetzen (). Kommt der beauftragte Vertreter seinen - auch nach Beendigung des Bevollmächtigung bestehenden - Fürsorgepflichten gegenüber dem Vertretenen nicht nach, sind daraus resultierende Rechtsnachteile der Partei zuzurechnen.
Dem Vorbringen des Vertreters, der Bf. sei rechtsunkundig und steuerlich unvertreten gewesen, zudem nicht in Österreich ansässig gewesen, für ihn sei Deutsch eine Fremdsprache, es könne daher nicht erwartet werden, dass ihm die Zustellfiktion des § 9 Abs 3 ZustellG bekannt sei, wird entgegen gehalten, dass die S s.r.o. jahrelang auch in Österreich unternehmerisch tätig war. Die Gesellschaft war durch die in Österreich ansässige AUDITREU Steuerberatungsges.m.b.H. steuerlich vertreten. Dieser wurden an die S s.r.o. gerichtete Schriftstücke zu ihren Handen zugestellt (siehe Ergänzungsersuchen vom und Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 vom ). Dem Bf. als Geschäftsführer der S s.r.o. war das Rechtsinstitut der Zustellbevollmächtigung daher bekannt.
Die V1.GmbH hat im Schreiben vom selbst um die Zustellung von Schriftstücken zu ihren Handen ersucht. Dem Bf. war bekannt, dass Schriftstücke des Finanzamtes bis zum Widerruf der Vollmacht an die V1.GmbH zugestellt werden. Dies hat der Vertreter des Bf. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt. Wollte sich der Bf. daher nicht länger vertreten lassen und Schriftstücke wieder persönlich zugestellt erhalten, hätte er dafür Sorge tragen müssen, dass dem Finanzamt die Auflösung des Bevollmächtigungsverhältnisses bekannt gegeben wird.
Nach den Ausführungen im Schriftsatz vom erfolgte (telefonisch) zwischen dem Bf. und seinem Vertreter keine explizite Vereinbarung darüber, wer das Erlöschen des Vollmachtsverhältnisses gegenüber dem Finanzamt bekannt geben solle.
Der Senat folgt der Rechtsansicht des Finanzamtes, wonach die Verständigung des Finanzamtes von der Auflösung einer Vollmacht nicht zwingend vom Bevollmächtigten zu erfolgen hat. Die Nichtbekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses durch den Bf. kann - insbesondere im Hinblick auf seine Inanspruchnahme als Haftender für Abgabenschuldigkeiten in der Höhe von fast 600.000 Euro - auch nicht als minderer Grad des Versehens angesehen werden.
Grobes Verschulden im Sinne des § 308 Abs. 1 BAO liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht lässt (z.B. ).
Sowohl der Bf. als auch V waren sich laut Vorbringen darüber im Klaren, dass "ein Fortgang des Verfahrens" erfolgen könne, somit die Möglichkeit bestehe, dass das Finanzamt trotz Vorhaltsbeantwortung einen weiteren Vorhalt verfasst oder einen Haftungsbescheid erlässt.
Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass eine "vage" Vereinbarung ("Sollte vom Finanzamt noch etwas kommen, solle sich der Bf. an die neue GmbH des V wenden") getroffen wurde, ohne Rücksprache mit dem Finanzamt zu halten und ohne das Finanzamt von der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu benachrichtigen (bzw. ohne die bisherige Vertreterin zu beauftragen, die Vollmachtsauflösung bekannt zu geben).
Als ein in mehreren europäischen Ländern tätiger Geschäftsführer einer slowakischen Handelsfirma kann dem Bf. angesichts dieser Vorgangsweise ein minderer Grad des Versehens nicht zu Gute gehalten werden.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 308 Abs. 3 BAO hat der Wiedereinsetzungswerber spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.
Zu diesem Punkt hat das Finanzamt sowohl im angefochtenen Bescheid vom als auch in der Beschwerdevorentscheidung vom die Rechtsansicht vertreten, dass die versäumte Handlung, nämlich die Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid vom , nicht durch den Verweis auf die Beschwerde vom gegen den gleichlautenden Haftungsbescheid vom ersetzt werden kann. Auf die ausführliche Begründung des Finanzamtes wird verwiesen.
Der Senat folgt der Rechtsansicht des Finanzamtes.
Da nach dem eigenen Vorbringen des Bf. dieser erstmals am vom Haftungsbescheid vom Kenntnis erlangt hat, kann die gegen den Haftungsbescheid vom eingebrachte Beschwerde vom nicht (auch) als gegen den Haftungsbescheid vom eingebracht gelten, da der Bf. von diesem Bescheid im Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde gar keine Kenntnis hatte.
Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine ordentliche Revision gegen das Erkenntnis ist nicht zulässig, weil Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegen und der Senat der (zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt ist..
Beilage für die Parteien: Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom
Graz, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100418.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at