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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.10.2024, RV/7103403/2022

Kein Anspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Rainer Böhm, Wiener Straße 27, 3250 Wieselburg, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages für den Zeitraum Oktober 2021 bis November 2022, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Eigenantrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages

Der Beschwerdeführer (Bf.), geb. 2002, stellte über seine damalige Erwachsenenvertreterin, Dr. B., am einen Eigenantrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages ab Oktober 2021 wegen schwerer psychischer Erkrankung.

Gutachten des Sozialministeriumservice (SMS) vom

Der Bf. wurde am von Dr.in Dok, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, im Sozialministerium untersucht und folgendes Gutachten erstellt:

Anamnese:
Neuantrag ab Eintritt der Behinderung
Gesundheitsschädigungen: schwere psychische Erkrankung

Anamnese:
Seit einem halben Jahr habe er einen Erwachsenenvertreter, weil er Schulden habe und weil er die meisten Sachen nicht alleine schaffe, er sei zu faul. Er sei noch nie in psychiatrischer Behandlung gewesen, sei auch noch nie stationär auf einer Psychiatrie gewesen.

keine Voroperationen, keine relevanten Vorerkrankungen

Nikotin: 5-6/die seit 2a
Alkohol: keiner, früher am Wochenende
Drogen: keine

Derzeitige Beschwerden: es gehe ihm eigentlich gut.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: keine ärztliche/therapeutische Behandlung, keine medikamentöse Therapie

Sozialanamnese:
VS (Regelschule); dann ASO wegen Lernschwäche, beendet mit 9. Schuljahr (kein HS Abschluss); Beginn Kochlehre - beendet im 2. Lehrjahr (Probleme am Arbeitsplatz); danach keine Arbeitstätigkeit oder Ausbildung; wuchs bei den Eltern auf, im 18. LJ sei er ausgezogen, zog zu einem Freund, bei dem er immer noch lebe. Keine eigene Wohnung, er sei auf der Suche nach einer Wohnung, Bundesheer: er habe noch keine Einladung zur Stellungsuntersuchung erhalten

Führerschein: keiner
Erwachsenenvertreter: seit Herbst 2021

Einkünfte: er habe kein Geld, das mache alles die Sachwalterin, da hole er sich das Geld ab Tagesablauf: es sei unterschiedlich, meistens sei er draußen, gehe spazieren, er halte es in der Wohnung nicht so lange aus. Hobby: eigentlich nicht so

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe): keine Befunde/Unterlagen vorgelegt

Untersuchungsbefund:

Psycho(patho)logischer Status:
Kooperativ und freundlich, gibt bereitwillig Auskunft, bewußtseinsklar, voll orientiert, kein schwerwiegendes kognitiv- mnestisches Defizit, Gedankenductus: geordnet, kohärent; Konzentration und Antrieb leicht reduziert, Stimmungslage ausgeglichen, stabil, affizierbar; Affekte: angepasst, keine produktive Symptomatik angegeben

Es ist kein Grad der Behinderung zu ermitteln.

Begründung:
Es liegen keine Befunde/Unterlagen vor, daher Einschätzung nicht möglich

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten: kein Vorgutachten vorliegend

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:

x ja

GdB liegt vor seit:

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Es liegen keine Befunde/Unterlagen vor, daher Einschätzung nicht möglich.

Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom

Das Finanzamt wies den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages unter Zugrundelegung der in dem Gutachten getroffenen Feststellungen mit Bescheid vom ab Oktober 2021 mit der Begründung ab, dass beim Bf. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn er voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig sei. Die Erwerbsunfähigkeit müsse vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Beim Bf. treffe dies nicht zu (§ 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung werde als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt. Da die allgemeine Familienbeihilfe nicht zustehe, könne auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden.

Beschwerde vom

Die Erwachsenenvertreterin des Bf. brachte gegen den Abweisungsbescheid folgende Beschwerde ein:

"In der Begründung der obgenannten Abweisungsbescheide wurde angeführt, dass beim Beschwerdeführer die Erwerbsunfähigkeit nicht vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten wäre, nicht zutrifft.

Diese Feststellung ist nicht richtig.

Laut dem psychiatrisch-neurologischem Gutachten von Frau Dr. L. vom wird eine psychiatrische Erkrankung bereits vor dem 10. Lebensjahr des Beschwerdeführers diagnostiziert. Der Beschwerdeführer zeigte bereits in der Volksschule aggressive Verhaltensweisen. Der Beschwerdeführer erfüllte die Schulpflicht im sonderpädagogischen Zentrum. Aufgrund der schweren psychischen Erkrankung hat der Beschwerdeführer die Kochlehre bei Jugend am Werk abgebrochen. Die Fortführung der Diagnose Störung der Emotionen und des Sozialverhaltens, erscheint aufgrund der mangelnden Reife und der Persönlichkeitsentwicklungsstörung zutreffend. Eine genauere diagnostische Zuordnung wird vermutlich erst in den nächsten Jahren möglich sein.

Beweis:

psychiatrisch-neurologische Gutachten Dr. XY vom "

Das Psychiatrisch-Neurologisches Gutachten von Dr. XY, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapeutin, Allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige vom , lautet wie folgt:

Auf Ersuchen des Bezirksgerichtes Hernals wird über obgenannte Person Befund und Gutachten erstattet,

a. ) wieweit die betroffene Person in der Lage ist, ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen,

b. ) insbesondere ob sie ausreichend einsichts- und urteilsfähig ist, um über medizinische Behandlungen oder die Wahl ihres Wohnortes entscheiden zu können.

c. ) Ob die betroffene Person gänzlich unfähig ist, einer mündlichen Verhandlung zu folgen oder ihr Wohl bei Anwesenheit in der Verhandlung gefährdet würde. Sowie

Das Gutachten stützt sich auf Einsicht in die Krankengeschichte, die Unterlagen des Gerichtes, sowie die persönliche psychiatrisch-neurologische Untersuchung von Herrn Bf. am im Rahmen der Ordination der Sachverständigen.

Eingesehene Akten und Befundberichte (zusammengefasst)

BG Hernals, Beschluss, :

Frau Dr. B. wird zum Rechtsbeistand im Verfahren sowie zur einstweiligen Erwachsenenvertreterin bestellt.

BG Hernals, Aktenvermerk Ober die Erstanhörung, :

Herr Bf. kommt in Begleitung seines Vaters. Der Eindruck entspricht dem Clearingbericht.

Er meint selbst er brauche einen Erwachsenenvertreter, weil er es alleine nicht schaffe, Termine einzuhalten, Anträge zu stellen und sein Einkommen zu verwalten. Eine außenstehende Person solle bestellt werden.

BG Hernals, Aktenvermerk, :

Frau *** vom JUCA Übergangshaus in der Römergasse gibt an: der Betroffene wohne dort nicht, sei auch nicht erreichbar. Er habe kein Handy. Wahrscheinlich wohne er abwechselnd bei verschiedenen unbekannten Männern.

Kinder- und Jugendhilfe, Anregung zur Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters, :

Familie der Kinder- und Jugendhilfe seit 2005 bekannt. S., das älteste von insgesamt 6 Kindern, erhält "Hilfe für junge Erwachsene". Zwischen und im Rahmen der vollen Erziehung betreut. Eltern nahmen intensiv Unterstützung an. Pflichtschule erfüllt im Sonderpädagogischen Zentrum mit positivem Abschluss, Kochlehre bei Jugend am Werk im 2. Lehrjahr abgebrochen, Beziehung der Eltern ab Erfüllung der Schulpflicht problematisch. Ging zu seinem 18. Geburtstag spontan von zu Hause weg, kam nie mehr zurück. Übernachtet seitdem immer wieder bei unterschiedlichen erwachsenen Männern, die ihm Unterkunft gewähren. Schafft es nicht, Termine einzuhalten. Hält losen Kontakt zur Sozialarbeiterin, Kein Einkommen, keine Tages- und Wochenstruktur. Schafft es nicht, sich beim AMS zu melden, Mindestsicherung zu beantragen, Reisepass verloren.

SOS Kinderdorf klinisch-psychologischer Befundbericht, :

... Gesamt IQ 86. Logisches Denken IQ 104. Arbeitsgedächtnis 90. Sprachverständnis SL, Verarbeitungsgeschwindigkeit 83.

Individuelle Schwächen im Wortschatz und Allgemeinwissen. Durchschnittliche kognitive Leistungsfähigkeit, Kindesmutter gibt Auffälligkeiten im ängstlich-depressiven Bereich an. Zwanghaftes oder dissoziales Verhalten sowie Aufmerksamkeitsprobleme in der Schule. Negative Gefühle und Situationen dürfen nicht thematisiert werden. Im projektiven Verfahren vorhandener Realitätsbezug, soziales Interesse aber auch Verlustängste und Einsamkeitsgefühle.

Diagnose: Sonstige kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen.

VertretungsNetz Erwachsenenvertretung, Clearingbericht, :

Es wird empfohlen, das Verfahren fortzusetzen.

... Gibt an, Schulden habe er einige, Wisse nicht wo. Es würde ihm keine Post zugestellt. Höhe nicht bekannt, Kontakt nur zum Vater, nicht zu anderen Familienmitgliedern. Wünscht keine Vertretungsleistung durch den Vater,

Stellungnahme zur Erwachsenenvertretung, :

Aktuell im Haus JUCA. Förderbewilligung bis . Option auf Verlängerung,

Psychiatrische Untersuchung am :

Herr Bf. war bereits für in die Ordination der Sachverständigen geladen worden, kam dieser Aufforderung jedoch nicht nach. Eine weitere Ladung erging für den . Dieser Termin wurde von der einstweiligen ErwachsenenVertretung abgesagt mit dem Hinweis darauf, dass Herr Bf. an diesem Tag zur Stellung müsste.

Am erschien er pünktlich und alleine in der Ordination der Sachverständigen. 20 Minuten später erschien die Sozialarbeiterin, die angab, lange nach ihm gesucht zu haben, da Herr Bf. zuvor darauf bestanden hätte, zu diesem Termin begleitet zu werden.

Im Untersuchungsgespräch gab Herr Bf. vorerst an, nicht zu wissen, warum er hier sei. Die Erwachsenenvertretung sei ihm bekannt. Dazu sei es gekommen, weil er finanziell nicht klar gekommen sei.

Bei Stress würde er auch Termine absagen und nicht hingehen. Seit 1-2 Wochen sei er wieder in der Römergasse. Davor habe er bei Freunden gewohnt. Er sei planlos ausgezogen. Die Römergasse sei eine Schlafstelle von der Caritas.

Warum er zurückgekommen sei? Es sei zu schwierig geworden. Er habe es nicht mehr ausgehalten.

Ob er derzeit ein Einkommen hätte? Das wüsste er nicht. Von wem er Geld bekäme? Das könne er nicht sagen.

Er erhielte Geld von der Erwachsenenvertretung. Das sei unterschiedlich. Er hole es sich dort ab.

Was bei der Stellung gewesen wäre? Man habe den Termin verschoben. Er sei schon einmal dort gewesen, im März 2020. Dann habe man ihn weggeschickt, weil er keinen Reisepass gehabt hätte.

Seitdem würde es verschoben.

Befragt zu seinem Schulbesuch, gibt er an, er habe viele Schulen besuchte. Er wolle dazu aber nichts sagen. Mit dem Thema habe er abgeschlossen. Er sei normale 9 Jahre in die Schule gegangen. Danach habe er eine Kochlehre begonnen, aber nicht zu Ende gemacht. Er habe aufgehört in der Zeit von der Familie. Er wollte nur mit Freunden feiern. Und dann sei er gar nicht mehr gekommen. Sein Verhältnis zur Familie sei jetzt besser. Er sehe sie 1 Mal pro Woche. Die Eltern? Auch die Geschwister!

Ob er Schulden hätte? Er könne nicht sagen, wo. Das sei schon sehr lange her. Er glaube aber, es sei nur die Handyrechnung und sonst nichts.

Er wolle schon bleiben in der Römergasse. Er habe es aufgegeben, Pläne zu machen. Man erwarte dann so viel und es passiere nichts.

Was er gerne mache? Ein Hobby habe er nicht seit er mit der Arbeit aufgehört hätte. Was er mache?

Mit Freunden spazieren gehen, sich unterhalten. Worüber? Das sei unterschiedlich. Musik oder Sport? Leider nein. Beziehung habe er auch keine.

Er leide unter Schlafstörungen seit ca. 1 Jahr. Er könne nur 1-2 Stunden schlafen, dann sei er munter. Medikamente wolle er keine. Früher habe man ihm viele verschrieben. Wer? Das könne er nicht mehr sagen. Warum er beim Arzt gewesen sei? Das wüsste er auch nicht mehr. Das sei alles noch vor seinem 10. Lebensjahr gewesen.

Wenn er die Chance hätte, die Lehre fertig zu machen, würde er das tun? Ja, das würde er machen, das habe aber noch Zeit. Er wolle erstmals seine Wohnsituation klären.

Woher seine Freunde kämen? Von damals. An unterschiedlichen Orten habe er diese kennengelernt.

Drogen nehme er keine, gibt er auf Nachfrage an.

Psychopathologischer Status:

Wach.
Zur Person orientiert.
Zeitlich orientiert,

örtlich orientiert, Situativ orientiert.
Konzentrationsleistung herabgesetzt.
Aufmerksamkeit gegeben.
Auffassungsvermögen ausreichend,
Mnestische Leistungen grob klinisch unauffällig,
im Duktus das Denkziel erfassend, inhaltlich sehr vage, ausweichend bis Antworten ablehnend.
Wahn oder Halluzinationen nicht im Vordergrund.
Befindlichkeit subjektiv herabgesetzt.
Stimmungslage reduziert.
Antriebslage im Normbereich.
Im Affekt eher flach.
Affizierbarkeit kaum gegeben.
Berichtet massive Schlafstörungen.

Psychiatrische Diagnose:
Störung der Emotionen und des Sozialverhaltens

ZUSAMMENFASSUNG UND BEFUNDUNG:

Die Untersuchung von Herrn Bf. erfolgte auf Ansuchen des Bezirksgerichtes Hernals. Der Zweck der Untersuchung musste ihm erklärt und konnte von ihm ausreichend nachvollzogen werden.

Ammnestisch ist bekannt, dass sich Herr Bf. bereits vor seinem 10. Lebensjahr in psychiatrischer Behandlung befunden hat, auch mehrere Medikamente genommen haben soll. Auf Nachfrage macht er keine konkreten Angaben dazu, reagiert ausweichend, ebenso wie bei der Frage nach seinem Schulbesuch.

Laut klinisch-psychologischem Befund aus dem Jahr 2014, habe er in der Volksschule aggressive Verhaltensweisen (Werfen mit Gegenständen, Leistungsverweigerung sowie körperliche Auseinandersetzungen mit der Lehrerin) gezeigt. Auch hätte er häufig etwas vergessen und sich immer ungerecht behandelt gefühlt.

Die Leistungsdiagnostik ergab eine durchschnittliche Intelligenzleistung.

Beschrieben wurde nach ängstlich-depressivem Verhalten auch zwanghaftes und dissoziales Verhalten, soziale Probleme und Störungen in der Aufmerksamkeit.

Laut Anregung durch die Kinder- und Jugendhilfe, erfüllte Heu Bf. die Schulpflicht im sonderpädagogischen Zentrum. Die Kochlehre bei Jugend am Werk soll er abgebrochen haben, sein Elternhaus am 18. Geburtstag verlassen. Auch das Übergangswohnheim der Caritas in der Römergasse soll er immer wieder verlassen.

Zuletzt berichtet er, sei er vor 1 oder 2 Wochen wieder dorthin zurückgekehrt, da es "auch draußen bei Freunden" zu schwierig für ihn geworden sei und er es nicht mehr ausgehalten habe.

Zum Zeitpunkt der gegenwärtigen Untersuchung durch die Sachverständige, räumt Herr Bf. Schwierigkeiten ein bezüglich finanzieller Angelegenheiten und auch dabei, Termine wahrzunehmen. Alle inhaltlichen Angaben bleiben sehr vage, Fragen nach Vergangenheit oder eventuell Behandlung in der Vergangenheit bleiben völlig unbeantwortet. Auch Zukunftspläne oder Interessen können nicht genannt werden.

Im Untersuchungsgespräch imponiert Herr Bf. emotional ausdruckslos; etwas angespannt, wenn es darum ging, konkreten Nachfragen auszuweichen.

Die Fortführung der Diagnose Störung der Emotionen und des Sozialverhaltens, die vor allem Jugendlichen Vorbehalten bleibt, erscheint auf Grund der mangelnden Reife und der Persönlichkeitsentwicklungsstörung von Herrn Bf. noch zutreffend. Eine genauere diagnostische Zuordnung wird vermutlich erst in den nächsten Jahren möglich sein.

GUTACHTEN

1. Bei Herrn Bf. besteht eine psychische Erkrankung im Sinne einer Störung der Emotionen und des Sozialverhaltens mit erheblicher Desorganisationsproblematik.

2. Herr Bf. benötigt die Unterstützung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters zur Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten, Sozialversicherungsträgern, privaten Vertragspartnern, sowie zur Einkommens- und Vermögensverwaltung.

3. Einsichts- und Urteilsvermögen in medizinische Heilbehandlungen ist nur eingeschränkt gegeben.

4. Kritikfähigkeit und Urteilsvermögen bezüglich der Wahl seines Wohnortes erscheinen ausreichend.

5. Die Teilnahme an einer Verhandlung wäre seinem Wohle nicht abträglich."

Die daraufhin vom Finanzamt veranlasste neuerliche BSB-Anforderung wurde unter Verweis auf die notwendige Eingabe des Vertreterwechsels an die Abgabenbehörde zurückgeschickt (BSB-Bescheinigung vom ).

Nach erfolgter Berichtigung des Vertreters wurde erneut eine BSB-Anforderung veranlasst.

Der Bf. ist laut BSB-Bescheinigung vom zum Untersuchungstermin nicht erschienen.

Beschwerdevorentscheidung vom

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab und führte begründend aus, dass der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt werde. Da die allgemeine Familienbeihilfe nicht zustehe, könne auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden.

Vorlageantrag vom

Der Erwachsenenvertreter des Bf. verweist im Vorlageantrag auf die Beschwerdebegründung und ersucht um Stattgabe der Beschwerde. Zum Beweis des Vorbringens werde die Einholung eines psychiatrischen-neurologischen Sachverständigengutachtens beantragt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Der Bf. ist am 2002 geboren und beantragt die Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag wegen schwerer psychischer Erkrankung.

Für den Bf. wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom , GZ. 1234 eine Erwachsenenvertretung bestellt.

Dr.in Dok, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, stellte im Gutachten vom fest, dass auf Grund von fehlenden Befunden keine Einschätzung möglich sei.

Zur zweiten Untersuchungstermin ist der Bf. laut BSB-Bescheinigung vom nicht erschienen.

Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass der beim Bf. keine Erwerbsunfähigkeit vorliegt.

Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem elektronischen Familienbeihilfenakt.

Gutachten im Bereich des Familienbeihilfenrechts sind Beweismittel in einem gerichtlichen Verfahren. Sie unterliegen, wie alle anderen Beweismittel, der freien behördlichen/richterlichen Beweiswürdigung (vgl. ).

Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Der Bf. vollendete das 21. Lebensjahr am tt.mm.2022 und besuchte die Volksschule (Regelschule); dann ASO wegen Lernschwäche, beendete mit 9. Schuljahr (kein HS Abschluss) und begann eine Kochlehre, welche er wegen Problemen am Arbeitsplatz im 2. Lehrjahr beendete. Danach befand sich der Bf. weder in Ausbildung noch verrichtete er eine Arbeitstätigkeit.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom , GZ. 1234 wurde für den Bf. ein Rechtsbeistand als auch eine einstweilige Erwachsenenvertretung bestellt, was damit begründet wurde, dass der Bf. nach den vorliegenden Informationen, dem vom Gericht eingeholten Clearingbericht des Vertretungsnetzes Erwachsenenvertretung und dem Eindruck aufgrund der gerichtlichen Anhörung an einer Störung des Sozialverhaltens mit ängstlicher und depressiver Symptomatik leide. Da dringende Angelegenheiten zu erledigen seien, die der Bf. aufgrund seines geistigen Zustands nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen vermag.

Der Bf. gab im Zuge der Anamneseerstellung an, dass er seit einem halben Jahr einen Erwachsenenvertreter habe, weil er Schulden habe und weil er die meisten Sachen nicht alleine schaffe, er sei zu faul. Er sei noch nie in psychiatrischer Behandlung und noch nie stationär auf einer Psychiatrie gewesen.

Es wurden keine Unterlagen über allfällige Erkrankungen vorgelegt.

Die Sachverständige Dr.in Dok, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie konnte nach durchgeführter Anamneseerhebung und Untersuchung und auf Grund fehlender Befunde weder einen Grad der Behinderung feststellen noch eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigen.

Zum zweiten Untersuchungstermin ist der Bf. nicht erschienen.

Gesetzliche Grundlagen:

§ 10 FLAG 1967 lautet:

(1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchs­voraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrundhinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

§ 6 Abs. 5 FLAG 1967 lautet:

Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind.

§ 8 Abs. 5 FLAG 1967 lautet:

Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010 , in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.

§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 lautet:

Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die Kosten für dieses ärztliche Sachverständigengutachten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen. Das ärztliche Sachverständigengutachten ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) gegen Ersatz der Kosten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen an die antragstellende Person zu übermitteln, eine Übermittlung des gesamten ärztlichen Sachverständigengutachtens an das Finanzamt Österreich hat nicht zu erfolgen. Der Nachweis des Grades der Behinderung in Form der Bescheinigung entfällt, sofern der Grad der Behinderung durch Übermittlung der anspruchsrelevanten Daten durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) aufgrund des Verfahrens nach § 40 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, zur Ausstellung eines Behindertenpasses, nachgewiesen wird.

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8, Rz 5).

Der Grundbetrag steht bei einem volljährigen Kind bis max. zum 25. Lebensjahr zu, wenn es sich in Berufsausbildung befindet.

Befindet sich ein volljähriges Kind nicht in Berufsausbildung und wird die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag beantragt, dann ist der Behinderungsgrad ohne jede Bedeutung.

Voraussetzung für den Bezug der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages ist in diesem Fall, dass bei der den Antrag stellenden Person eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. (bzw. vor dem 25. Lebensjahr bei Berufsausbildung) eingetreten ist (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 21).

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sach-verhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. z.B. ; ).

§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 regelt, dass der Grad der Behinderung und die Feststellung, ob bzw. ab wann eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, gemäß den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen ist.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat im Erkenntnis , ausgeführt, dass der Gesetzgeber die Frage des Grades der Behinderung, und die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt habe, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution (nämlich das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, nunmehr: Sozialministeriumservice, kurz: SMS) eingeschaltet werde und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spiele. Der Gesetzgeber habe daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen sei. Die Beihilfenbehörden hätten bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und könnten von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat sich seitdem in seiner ständigen Judikatur (vgl. zB ; ) der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen; daraus folgt, dass auch das BFG für seine Entscheidungsfindung die im Wege des Sozialministeriums erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen hat, sofern diese als schlüssig anzusehen sind. Es ist also im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens zu überprüfen, ob die erstellten Sachverständigengutachten diesem Kriterium entsprechen.

Im Fall, dass ein volljähriger Antragsteller die erhöhte Familienbeihilfe beantragt, haben sich die Feststellungen darauf zu erstrecken, ob die Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist (vgl. etwa ).

Andere als behinderungskausale Gründe (wie z.B. mangelnde oder nicht spezifische Ausbildung, die Arbeitsplatzsituation, Arbeitsunwilligkeit, oÄ) dürfen für die Beurteilung ebenso wenig herangezogen werden wie eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (etwa auch durch Folgeschäden) nach Vollendung des 21. Lebensjahres.

Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem die Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eine Erwerbsunfähigkeit bewirkt hat. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt (vgl. , , ).

Es genügt nach den maßgebenden Bestimmungen des FLAG 1967 nicht, dass das betreffende Kind vor Vollendung des 21. (25.) Lebensjahres an einer körperlichen oder geistigen Behinderung gelitten oder dass eine spätere Behinderung in dieser Zeit ihren Anfang genommen hat, sondern diese körperliche oder geistige Behinderung muss bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres ein derartiges Ausmaß angenommen haben, dass zum damaligen Zeitpunkt davon auszugehen sein musste, dass infolge dieser Behinderung das Kind voraussichtlich dauernd außerstande sein werde, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Ein Leiden, das zwar vor dem 21. Lebensjahr bestanden hat, sich aber erst nach dem 21. Lebensjahr derart verschlechtert, dass von einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit auszugehen ist, vermag einen aus § 6 Abs. 5 FLAG 1967 i.V.m. § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 abgeleiteten Familienbeihilfenanspruch nicht zu begründen ().

Der VwGH stellte zB im Erkenntnis vom , 99/12/0236, und vom , 2003/12/0174, zum Begriff der Erwerbsfähigkeit im Pensionsgesetz fest, dass dieser im allgemeinen Sprachgebrauch bedeute, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit sei nach der Rechtsprechung zwar abstrakt zu beurteilen (dh, es sei nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten gerade am Arbeitsmarkt verfügbar seien oder nicht, es müsse sich aber um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes sei); es komme aber sehr wohl darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten (Berufsbilder) vorliegen. Hierbei sei weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (zB Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben sei (vgl. das Erkenntnis des BVwG vom , GZ. W228 2136072-1, unter Verweis auf das Erkenntnis des ).

Für die rückwirkende Beurteilung der Frage, wann eine psychische Erkrankung eingetreten ist und insbesondere wann diese Erkrankung ein Ausmaß erreicht hat, dass eine Erwerbstätigkeit, mit der sich der Patient selbst den Unterhalt verschaffen kann, nicht mehr möglich ist, gestaltet sich naturgemäß sehr schwierig und kann immer nur mit hoher Wahrscheinlichkeit und nie mit Sicherheit festgestellt werden (vgl. Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Tz 32, vgl. auch , ).

Die sachverständigen Ärzte des SMS ziehen, wenn eine volljährige Person die erhöhte Familienbeihilfe beantragt, für die zu treffende Feststellung, wann die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, neben der durchgeführten Anamnese und Untersuchung des Antragstellers die Kenntnisse der Medizin und ihr eigenes Fachwissen heran. Unerlässlich für die Feststellung, wann die dauernde Erwerbsunfähigkeit voraussichtlich eingetreten ist, sind jedenfalls Befunde, Arztbriefe oder sonstige Unterlagen, die auf eine Erwerbsunfähigkeit ab einem bestimmten Zeitpunkt schließen lassen (vgl. , , , Ro 2017/16/0009).

Die Beihilfenbehörden (Finanzamt), und auch das Gericht, haben bei ihrer Entscheidung von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und sind an die Gutachten des SMS gebunden. Ein Abweichen ist nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung möglich (vgl. zB , ).

Die Beihilfenbehörden und das Gericht dürfen die Gutachten nur insoweit prüfen, ob diese vollständig, nachvollziehbar und schlüssig sind und im Fall mehrerer Gutachten oder einer Gutachtensergänzung nicht einander widersprechen (vgl. ; ; Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310). Erforderlichenfalls ist für deren Ergänzung zu sorgen (; ; ).

Im gegenständlichen Fall hatte der Bf. Gelegenheit, an der Erstellung der Sachverständigengutachten etwa durch Vorlage seiner Befunde und Darlegung seiner Leidenszustände mitzuwirken.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH bestehen weiters bei Begünstigungsvorschriften und in Fällen, in denen die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde bzw. der Gerichte eingeschränkt sind, erhöhte Mitwirkungspflichten: "Es dürfte wohl nicht zu bestreiten sein, dass die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind, wenn Sachverhalte zu beurteilen sind, die teilweise Jahrzehnte zurückliegen... Auch der Sachverständige kann aufgrund seines medizinischen Fachwissens ohne Probleme nur den aktuellen Gesundheitszustand des Erkrankten beurteilen. Hierauf kommt es aber nur dann an, wenn der derzeitige Behinderungsgrad zu beurteilen ist oder die Feststellung, ob eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, zeitnah zum relevanten Zeitpunkt erfolgen kann. Der Sachverständige kann in den übrigen Fällen nur aufgrund von Indizien, insbesondere anhand von vorliegenden Befunden, Rückschlüsse darauf ziehen, zu welchem Zeitpunkt eine erhebliche Behinderung eingetreten ist. Dies ist besonders bei psychischen Krankheiten problematisch, die häufig einen schleichenden Verlauf nehmen. Somit wird es primär an den Berufungswerbern, allenfalls vertreten durch ihre Sachwalter, liegen, den behaupteten Sachverhalt, nämlich ihre bereits vor der Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, klar und ohne Möglichkeit eines Zweifels nachzuweisen." (Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 32 mwN)".

Im vorliegenden Fall war es der untersuchenden Sachverständigen nicht möglich, eine Feststellung darüber zu treffen, dass eine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. (25.) Lebensjahr vorliegt, da keine Unterlagen vorgelegt wurden.

Das Gericht war daher nicht gehalten, ein ergänzendes Gutachten einzuholen, weil sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben hat, dass im Wege einer weiteren Untersuchung festgestellt hätte werden können, dass eine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. (25.) Lebensjahr eingetreten ist.

Die Gutachten unterliegen, wie alle anderen Beweismittel, der freien richterlichen Beweiswürdigung.

Das BFG hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Die medizinische Beurteilung in Verbindung mit den von der höchstgerichtlichen Judikatur aufgestellten und im Beschwerdefall beachteten Erfordernissen, wonach Gutachten eingehend die Art und das Ausmaß der Leiden und die konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbstätigkeit in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise zu behandeln haben, lässt die in den vorliegenden Gutachten nicht feststellbare Selbsterhaltungsunfähigkeit und Behinderung somit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit als richtig erscheinen.

Es würde dem vorliegenden Gutachten an Schlüssigkeit fehlen, wenn die untersuchenden Sachverständige eine Erwerbsunfähigkeit ohne Untermauerung durch relevante Befunde zu einem bestimmten, in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt, festgestellt hätte (vgl. zB ). Schlüssig ist vielmehr, den Beginn der Erkrankung unter Zuhilfenahme vorliegender Befunde oder anderer geeigneter Nachweise zu bestimmen.

Es steht dem Bf. daher weder der Grundbetrag noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Gesamtgrad der Behinderung bzw. die Erwerbs(un)fähigkeit ist seitens des Sozialministeriumservice festzustellen; das BFG ist an die diesbezüglich erstellten ärztlichen Gutachten gebunden. Da es sich dabei um eine Tatfrage handelt, liegt gegenständlich keine Rechtsfrage von "grundsätzlicher Bedeutung" vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

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