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Verfahrensleitender Beschluss, BFG vom 02.09.2024, RV/6100295/2024

Deutung eines unklaren Anbringens als verspäteter Vorlageantrag unzulässig, sofern eine andere Auslegung die materielle Behandlung des Anbringens ermöglicht

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100295/2024-RS1
Nach dem Grundsatz, wonach im Zweifel dem Anbringen einer Partei, welches sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen ist, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt, darf ein unklares Anbringen nicht als verspäteter Vorlageantrag gedeutet werden, sofern eine andere Auslegung (z.B. als Antrag gemäß § 299 BAO) eine materielle Behandlung des Anbringens ermöglicht.

Entscheidungstext

VERSTÄNDIGUNG

Das Bundesfinanzgericht teilt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, zur Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, mit:

Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts wurde in Bezug auf die Beschwerdevorentscheidung vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2022 kein Vorlageantrag eingebracht.

Die Parteien werden hierüber gemäß § 281a BAO formlos in Kenntnis gesetzt.

Begründung

1. Verfahrensgang / Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf.) reichte am einen elektronischen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2022 ein. Mit Erstbescheid vom erfolgte die antragsgemäße Veranlagung. Der beantragte Familienbonus Plus für das Kind ***Kind***, geboren am ***Geb.dat. Kind***, wurde vollständig berücksichtigt.

Am nahm die Behörde eine amtswegige Bescheidänderung gemäß § 295a BAO betreffend Familienbonus Plus vor. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Bf. sei nicht anspruchsberechtigt, weil nach den der Behörde vorliegenden Daten der gesetzliche Unterhalt für das gesamte Jahr in vollem Umfang geleistet worden sei und neben dem Unterhaltszahler nur der Familienbeihilfenbezieher anspruchsberechtigt sei. Die Steuernachforderung aufgrund dieses Bescheides beträgt 2.000 Euro.

Am erhob der Bf. fristgerecht Beschwerde gegen die Bescheidänderung und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Einhebung des strittigen Betrages. Er führte aus, dass er eine Vereinbarung mit seiner Ex-Ehegattin über den Familienbonus Plus getroffen habe, die deren Anspruch auf diesen Bonus ausschließe. Diese schriftliche Vereinbarung sei vom Scheidungsrichter bestätigt worden. Außerdem zahle er seit dem Auszug aus dem gemeinsamen Haushalt Unterhalt für sein Kind.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde ab, weil der Bf. seiner Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei, zumal das Ergänzungsersuchen zur näheren Sachverhaltsklärung unzureichend beantwortet worden sei. Die Behörde gelange in freier Beweiswürdigung zur Schlussfolgerung, dass eine steuerliche Abzugsfähigkeit nicht gegeben sei.

Über die FinanzOnline-Funktion "Sonstige Anbringen und Anfragen" brachte der Bf. am ein Anbringen mit dem Betreff "Rückzahlung 2022 und 2023 Ergänzungen" sowie dem Text "Bitte um neue Prüfung der Rückzahlung" ein. Dem Anbringen waren außerdem Kontoauszüge des Bf. beigelegt.

Mit Vorhalt vom ersuchte die belangte Behörde den Bf., anzugeben, ob es sich bei seiner Eingabe vom um einen Vorlageantrag handle. Bejahendenfalls solle der Bf. den Vorhalt mit seiner Unterschrift beantworten; anderenfalls solle er bekanntgeben, worum es sich bei diesem Schreiben handle.

Daraufhin brachte der Bf. am wiederum über die FinanzOnline-Funktion "Sonstige Anbringen und Anfragen" ein Anbringen mit dem Betreff "Steuerjahr 2022" sowie dem Text "Guten Tag Damen und Herren" ein. Diesem Anbringen war der Vorhalt vom ohne jegliche Änderungen beigelegt.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht beantragte sie dabei die Zurückweisung der Beschwerde (wohl gemeint: des Vorlageantrags) als verspätet.

2. Beweiswürdigung

Der dargestellte Verfahrensgang (Sachverhalt) ergibt sich unmittelbar aus den von der belangten Behörde dem Gericht vorgelegten Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung

Das Anbringen des Bf. vom ist insofern unklar, als aus ihm nicht hervorgeht, ob es sich dabei um einen Vorlageantrag oder ein anderes Anbringen handelt. Denkbar wäre beispielsweise neben einem Vorlageantrag etwa ein Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides oder der Beschwerdevorentscheidung gemäß § 299 BAO. Die Antwort des Bf. vom hat die bestehende Unklarheit nicht beseitigt, da der Bf. damit keinesfalls bestätigt hatte, dass er einen Vorlageantrag stellen wollte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Anbringen einer Partei, welches sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, im Zweifel nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (zB ; , Ra 2018/16/0102; , Ra 2018/15/0036; , Ra 2019/15/0005; , Ra 2019/16/0073; , Ra 2018/16/0042; , Ra 2020/13/0046).

Indem die belangte Behörde die gegenständliche Eingabe als Vorlageantrag gemäß § 264 BAO auslegte, obwohl ein solcher aufgrund des Fristablaufs zwingend zurückzuweisen wäre, während eine andere Auslegung - nämlich insbesondere eine Auslegung als Antrag gemäß § 299 BAO - dem Bf. zu einer materiellen Entscheidung verhelfen könnte, hat sie diesen Grundsatz missachtet.

Das Anbringen des Bf. vom ist daher im Zweifel nicht als Vorlageantrag anzusehen.

Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens hat die Abgabenbehörde - im Hinblick auf § 115 BAO - die Absicht der Partei zu erforschen (zB ; , 2010/15/0035; , 2011/13/0082; , Ra 2019/15/0005; , Ra 2020/13/0046). Es obliegt somit der belangten Behörde, zu beurteilen, ob ein Antrag gemäß § 299 BAO oder ein auf einen anderen Verfahrenstitel gestützter Antrag vorliegt. Gegebenenfalls wird die belangte Behörde dann über diesen Antrag entscheiden müssen. Im Falle von Formmängeln oder beim Fehlen gesetzlicher Inhaltserfordernisse wird ein Mängelbehebungsauftrag zu erlassen sein.

Gemäß § 281a BAO hat das Verwaltungsgericht, wenn es nach einer Vorlage (§ 265 BAO) zur Auffassung gelangt, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde, die Parteien darüber unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen. Dieser Pflicht kommt das Gericht mit dieser Verständigung nach.

Gegen diese Verständigung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig (vgl ).

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 264 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise









ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100295.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at