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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.09.2024, RV/5100566/2024

Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung auf Basis des Gutachtens des Sozialministeriumservice

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike Stephan in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 10.2021-04.2023 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin brachte am den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für Ihre Tochter ***A***, SVNr. ***123*** ab Oktober 2021 ein.

2. Im über Ersuchen der belangten Behörde und im Auftrag Sozialministeriumservice erstellten ärztlichen Sachverständigengutachtenvom wurde wie folgt festgestellt:

2a. Aus dem Vorgutachten erstellt am , vidiert am :

GdB liegt vor seit: 05/2023; Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

***KH***, Institut *** vom , da zuvor keine Brückenbefunde und keine bestätigte Therapie

3. Mit Bescheid vom wurde der Antrag für den Zeitraum Oktober 2021 bis April 2023 abgewiesen, da bei der Tochter der Bf. erst ab Mai 2023 ein Grad der Behinderung von 50% festgestellt worden sei.

4. Gegen diesen Bescheid wurde am Beschwerde erhoben und beantragt den Abweisungsbescheid ersatzlos aufzuheben. Begründet wurde die Beschwerde wie folgt:

"[…] Das, dem abweisenden Bescheid zu Grunde liegende, medizinische (Akten-) Gutachten vom , erstellt von Dr. ***X***, stellt zwar richtigerweise (wie im Vorgutachten vom , erstellt von Dr. ***Y***, festgehalten) fest, dass bei meiner Tochter ein allgemeiner Entwicklungsrückstand mit Schwerpunkt im Bereich der Sprache bei einer unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungsfähigkeit, sowie ein erhöhter Förder- und Zuwendungsbedarf, gegeben ist. Allerdings geht Dr. ***X*** in weiterer Folge dann fälschlicherweise davon aus, dass dieser Grad der Beeinträchtigung erst ab Mai 2023 vorliegen würde.

Weiters wird in diesem Gutachten von Dr. ***X*** ausgeführt, dass ab Oktober 2021 nur ein Grad der Beeinträchtigung von 30 % gegeben sei, da in diesem Zeitraum bei meiner Tochter ***A*** nur eine isolierte Sprachentwicklungsstörung ohne relevante Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit vorliegen würde.

Dieser, bei meiner Tochter vorliegende, umfassende Entwicklungsrückstand (sowohl Sprache als auch Kognition betreffend) lag richtigerweise auch schon in dem gegenständlichen Zeitraum (ab Oktober 2021 bis April 2023) vor, sodass die von Dr. ***X*** getroffenen Feststellungen keinesfalls den Tatsachen entsprechen. Wie im beiliegenden ärztlichen Schreiben von Dr. ***Z*** (vom ) ausgeführt, ist es keinesfalls richtig, dass in diesem Zeitraum ausschließlich eine isolierte Sprachentwicklungsstörung, sondern vielmehr auch schon damals eine kombinierte Entwicklungsstörung sowohl in Bezug auf die Sprache als auch auf die Kognition vorliegend war (und weiterhin auch vorliegend ist). Somit hatte meine Tochter ***A*** auch schon damals (wie heute) eine unterdurchschnittliche kognitive Begabung, sowie einen erhöhten Förder- und Zuwendungsbedarf.

Auch unter dem Aspekt, dass diese Sprachentwicklungsstörung und unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit "nicht von heute auf morgen eintritt, sondern kontinuierlich die ganze Entwicklungsspanne betreffen muss" (siehe ärztliches Schreiben von Dr. ***Z***), war diese kombiniert umschriebene Entwicklungsstörung bei unterdurchschnittlicher kognitiver Begabung auch schon im gegenständlichen Zeitraum nachweislich gegeben.

Aus den dargelegten Gründen erfüllt meine Tochter die Voraussetzungen für die rückwirkende Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe/des Erhöhungsbetrages (ab Oktober 2021 bis April 2023), da für diesen Zeitraum (Oktober 2021 bis April 2023) bei meiner Tochter ***A*** auch schon ein Grad der Beeinträchtigung von mindestens 50 % vorlag und diese Beeinträchtigung somit nicht nur vorübergehend war bzw. ist, sondern über drei Jahre (bis heute) andauert (gem. § 8 Abs. 5 FLAG)."

Der Beschwerde beiliegend: Artzbrief Dr. ***K***, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde vom . Aus dem Arztbrief:

"[…] Zusammenfassung: Im Jänner 2018 wurde die Diagnose "late talker" gestellt, verbunden mit einer frühkindlichen Essstörung. Ein Jahr später erfolgte eine Überweisung ans ISSN bei gleicher Diagnose. Diese Untersuchung fand im März 2020 statt, wobei festgestellt wurde, dass ***A*** Deutsch als Zweitsprache zu diesem Zeitpunkt gut erlernte, was deutlich im Widerspruch zu den nachfolgenden Ergebnissen steht.

Im Oktober 2020 erhielt ***A*** Logopädie im Kindergarten, weil sie doch Schwierigkeiten hatte, die Sprache zu erlernen. Das bestätigte sich dann bei der leider erst 5/2023 stattgehabten Untersuchung im ISSN mit der Diagnose: kombinierte Entwicklungsstörung (SPRACHE, Kognition) bei unterdurchschnittlicher kognitiver Begabung (F7!).

Stellungnahme:Aus pädiatrischer Sicht war schon bald eine Entwicklungsstörung der Sprache ersichtlich, nämlich nachweislich seit 2019. Der Befund vom ISSN aus dem Jahre 2023 belegt diese Entwicklung auch im Nachhinein, da ja eine unterdurchschnittliche kognitive Begabung nicht von heute auf morgen eintritt, sondern kontinuierlich die ganze Entwicklungsspanne betreffen muss.

Diagnosen:F7 - unterdurchschnittliche kognitive Begabung."

5. In der Folge wurde erneut über Ersuchen der belangten Behörde und im Auftrag des Sozialministeriumservice ein ärztliches Sachverständigengutachten vom erstellt (ua unter Berücksichtigung des Fachbefundes Dr. ***K***, Kinder und Jugendheilkunde ***Ort*** vom ).

6. Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde die Beschwerde nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges und der hier einschlägigen Gesetzesbestimmungen wie folgt:

"Im vorliegenden Beschwerdefall wurde laut amtsärztlichen Sachverständigengutachten vom der Behinderungsgrad Ihrer Tochter ***A*** im Ausmaß von 50 v.H. erneut erst ab dem Monat Mai 2023festgestellt. Da die amtsärztlichen Gutachten vom und schlüssig und nachvollziehbar sind, ist das Finanzamt daran gebunden.

Die Abweisung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für ***A*** für die Monate Oktober 2021 bis April 2023 bestand sohin zu Recht. Ihrem Beschwerdebegehren konnte somit nicht stattgegeben werden."

7. Im Vorlageantrag vom , eingelangt am wurde die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt. Ergänzend zur Beschwerde wurde wie folgt begründet:

"[…] Wie schon im medizinischen Vorgutachten vom , erstellt von Dr. ***X***, festgehalten, wurde nun auch im - auf Grund meiner Beschwerde - durchgeführten neuerlichen (Akten)gutachten, erstellt von Dr. ***SRK*** (vom ), festgestellt, dass bei meiner Tochter ein allgemeiner Entwicklungsrückstand mit Schwerpunkt im Bereich der Sprache bei einer unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungsfähigkeit, sowie einem erhöhten Förder- und Zuwendungsbedarf (Richtsatzposition - mit einem Grad der Beeinträchtigung von 50 %) vorliegt.

Allerdings geht Dr. ***SRK*** nun auch - wie Dr. ***X*** im Vorgutachten - fälschlicherweise davon aus, dass dieser Grad der Beeinträchtigung erst ab Mai 2023 gegeben ist. Des Weiteren führt Dr. ***SRK*** aus, dass ab Oktober 2021 nur ein Grad der Beeinträchtigung von 30 % gegeben ist, da in diesem Zeitraum bei meiner Tochter ***A*** nur eine Sprachentwicklungsstörung (Late talker) ohne Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit vorliegen würde.

Dieser, bei meiner Tochter vorliegende, umfassende Entwicklungsrückstand (sowohl Sprache als auch Kognition betreffend) lag richtigerweise auch schon in dem gegenständlichen Zeitraum (ab Oktober 2021 bis April 2023) vor, sodass die von Dr. ***X*** bzw. nunmehr die von Dr. ***SRK*** getroffenen Feststellungen keinesfalls den Tatsachen entsprechen.

Wie im - schon im Zuge der Beschwerde beigebrachten - ärztlichen Schreiben von Dr. ***Z*** (vom ) ausgeführt, ist es keinesfalls richtig, dass in diesem Zeitraum ausschließlich eine isolierte Sprachentwicklungsstörung, sondern vielmehr auch schon damals eine kombinierte Entwicklungsstörung sowohl in Bezug auf die Sprache als auch auf die Kognition vorliegend war (und weiterhin auch vorliegend ist). Somit hatte meine Tochter ***A*** auch schon damals (wie heute) eine unterdurchschnittliche kognitive Begabung, sowie einen erhöhten Förder- und Zuwendungsbedarf. Dies wird auch durch das neuerliche ärztliche Schreiben von Dr. ***Z*** vom bestätigt, in dem er ausführt, dass die kombinierte Entwicklungsstörung sowohl in Bezug auf die Sprache als auch auf die Kognition (wie richtigerweise ab Mai 2023 auch im Vorgutachten und aktuellem Gutachten festgestellt) schon im Jahr 2021 - bis heute - bestanden hat. […]"

8. Mit Vorlagebericht vom wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Die Tochter der Beschwerdeführerin (in der Folge kurz Bf.) ist am TT.01.2016 geboren.

Bei der Tochter der Bf. wurde mit Befund vom eine kombinierte Entwicklungsstörung - Kognition, Sprache, Motorik; unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit diagnostiziert. Die Bf. beantragte daraufhin mit Antrag vom die Zuerkennung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ihrer Tochter für den Zeitraum ab Oktober 2021.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat mit Gutachten vom ob der Tochter der Bf. einen Grad der Behinderung von 50% ab 05/2023 und einen Grad der Behinderung von 30 % ab 10/2021 festgestellt.

In einem zweiten auf Grund der durch die Bf. eingebrachten Beschwerde angeforderten Gutachten vom wurden der Grad der Behinderung der Tochter im Ausmaß von 50% und die Rückwirkung ab 05/2023 auf Grundlage der vorgelegten Unterlagen sowie der Grad der Behinderung von 30 % ab 10/2021 bestätigt.

Auf Grundlage der beiden Gutachten wurden der Bf. von der belangten Behörde der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ihrer Tochter beginnend mit 05/2023 zuerkannt, für den Zeitraum 10/2021 bis 04/2023 abgewiesen.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig.

Die Feststellung des Grades der Behinderung beruhen auf den oben auszugsweise wiedergegebenen, im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erstellten in den wesentlichen Aussagen schlüssigen Gutachten vom und .

Zur Begründung warum diese beiden Gutachten als Beweismittel heranzuziehen sind:

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis , ausgeführt, dass sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 6 FLAG ergebe, dass der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern (bereits seit 1994) auch die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt habe, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet werde und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spiele. Dem dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch an Hand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw. der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden könne. Damit könne auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein würden. Der Gesetzgeber habe daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen sei. Die Beihilfenbehörden hätten bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und könnten von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung (sh. zB , und ) der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen; daraus folgt, dass auch das Bundesfinanzgericht für seine Entscheidungsfindung die ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen hat, sofern diese als schlüssig anzusehen sind. Es ist also im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens zu überprüfen, ob die erstellten Sachverständigengutachten diesem Kriterium entsprechen.

Die Gutachter haben bei ihrer Einschätzung sämtliche ihnen vorliegenden Unterlagen (ua Entwicklungsdiagnostischer Befund ***KH*** ***Ort***, vom , Entwicklungsdiagnostische Kontrolle ***KH*** ***Ort***, vom , Fachbefund Kinder und Jugendheilkunde Dr. ***K*** ***Ort*** vom ) gewürdigt und hieraus die entsprechenden Schlüsse gezogen. Aus dem Gutachten:

"Die rückwirkende Anerkennung GdB 50% bleibt ab 5/2023 unverändert. Die zuvor bestehende Sprachentwicklungsstörung / Late talker wurde bereits im Vorgutachten entsprechend EVO mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30% ab 10/2021 gewürdigt."

Eine Unschlüssigkeit der Gutachten ist für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar.

Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, ab um monatlich 155,9 €.

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

Erwägungen

Strittig ist gegenständlich die Gewährung des Erhöhungsbetrages für die Familienbeihilfe für den Zeitraum 10/2021 bis 04/2023.

Der Behinderungsgrad hängt selbst bei einem gleichbleibenden Krankheitsbild und auch bei einer angeborenen Krankheit oder Behinderung auch vom Alter des Kindes ab. Das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes etwa stellt sich je nach Alter des Kindes unterschiedlich dar, da die Fertigkeiten, die ein Kind im Kindergartenalter beherrschen sollte, sich wesentlich von jenen, die von einem Schulkind erwartet werden, unterscheiden. Das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes ist daher immer im Vergleich zum Entwicklungsstand gleichaltriger gesunder Kinder zu sehen. So kann schon im Kindergartenalter ein gewisser Entwicklungsrückstand vorliegen, der sich aber bis zum Schulalter weiter vergrößern und einen höheren Behinderungsgrad herbeiführen kann (vgl. z.B. ).

Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die Beweisregel des § 8 Abs. 6 geht als Spezialnorm den allgemeinen Bestimmungen des § 166 BAO betreffend Beweismittel und des § 177 BAO betreffend den Sachverständigenbeweis vor ().

Entsprechend dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung kann der Nachweis der Behinderung nur durch ein Gutachten der im Gesetz genannten zuständigen Stelle (im Beschwerdefall das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen) geführt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Feststellung des Grades der Behinderung im Rahmen des § 8 Abs. 6 FLAG ist die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr Sozialministeriumsservice) zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (vgl. z.B. mit Verweis auf und ).

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin:

"Die Gutachter gehen fälschlicherweise davon aus, dass dieser Grad der Beeinträchtigung erst ab Mai 2023 vorliegen würde. Dieser, bei meiner Tochter vorliegende, umfassende Entwicklungsrückstand (sowohl Sprache als auch Kognition betreffend) lag richtigerweise auch schon in dem gegenständlichen Zeitraum (ab Oktober 2021 bis April 2023) vor. In diesem Zeitraum lag nicht ausschließlich eine isolierte Sprachentwicklungsstörung, sondern vielmehr auch schon damals eine kombinierte Entwicklungsstörung sowohl in Bezug auf die Sprache als auch auf die Kognition vor (und ist weiterhin auch vorliegend). Somit hatte meine Tochter ***A*** auch schon damals (wie heute) eine unterdurchschnittliche kognitive Begabung, sowie einen erhöhten Förder- und Zuwendungsbedarf."

Zu dem Vorbringen der Bf. dass die Sprachentwicklungsstörung und unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit nicht von heute auf morgen eingetreten sei, sondern kontinuierlich die ganze Entwicklungsspanne betreffen müsse und das der bei der Tochter vorliegende umfassende Entwicklungsrückstand schon im Zeitraum 07/2021 bis 04/2023 vorliegen müsse, ist seitens des Bundesfinanzgericht auf die obigen Ausführungen zu verweisen, wonach sich der Grad der Behinderung selbst bei einem gleichbleibenden Krankheitsbild oder einer angeborenen Erkrankung je nach Alter des Kindes unterschiedlich darstellt, da die Fertigkeiten, die ein Kind im Kindergartenalter beherrschen sollte, sich wesentlich von jenen, die von einem Schulkind erwartet werden, unterscheiden. Auch bei einem Krankheitsverlauf einer angeborenen Erkrankung ist zu einem bestimmten Zeitpunkt der Grad der erheblichen Behinderung von 50% überschritten. Dass sich eine Krankheit oder eine Behinderung bereits seit einem längeren Zeitraum entwickelt, bedeutet sohin nicht, dass eine erhebliche Behinderung von gegenständlich 50% auch die gesamte Zeit über bereits vorliegt.

Das BSA/SMS ist bei der Erstellung des Sachverständigengutachtens auf die vorgenommene Untersuchung und in Ansehung der rückwirkenden Feststellung des Grades der Behinderung auf die eigenen Untersuchungsergebnisse einerseits und auf die vorgelegten Befunde andererseits angewiesen.

Das Bundesfinanzgericht stellt nicht in Abrede, dass die Krankheit bei der Tochter der Bf. ab Oktober 2021 vorgelegen hat, eine erhebliche Behinderung im Ausmaß von 50% konnte seitens des BSA/SMS aber auf Grundlage der vorgelegten Unterlagen erst beginnend mit Mai 2023 attestiert und sohin der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe erst beginnend mit Mai 2023 zuerkannt werden.

Die seitens des BSA/SMS erstellten Gutachten sind daher in sich schlüssig und untereinander widerspruchsfrei und war daher nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. mit Verweis auf und ) auch das Bundesfinanzgericht an diese Gutachten gebunden.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das Bundesfinanzgericht der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100566.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at