Keine Anwendung von DBA mangels Kollision von unbeschränkter Steuerpflicht (Wohnsitzstaat) und beschränkter Steuerpflicht (Quellenstaat)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
***Bf1*** (Beschwerdeführerin, i.d.F. Bf.), erzielte im Jahr 2017 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Für den Zeitraum bis wurde sie von ihrem Arbeitgeber (AG) für Arbeitsleistungen in die Schweiz entsendet.
Das Finanzamt Wien 8/16/17 erließ am einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017, in dem Einkünfte von 2 der Behörde übermittelten Lohnzetteln der AG (Lohnzettelart L1 bzw. Lohnzettelart L8) bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte Berücksichtigung fanden.
Bei der Lohnzettelart L1 handelt es sich gem. LStRL Rz. 1408 um Lohnzettel für beschränkt oder unbeschränkt Steuerpflichtige ("normaler" Lohnzettel), bei der Lohnzettelart L8 ,Auslandslohnzettel' um Lohnzettel für Steuerpflichtige, für die aufgrund DBA keine Lohnsteuer einzubehalten ist (bei Anwendung der Befreiungsmethode; zB Lohnzettel für im Ausland Ansässige).
Die Bf. brachte mit Eingabe vom Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 ein.
Im Zuge der Veranlagung seien Lohnzettel mit steuerpflichtigen Bezügen i.H.v. € 12.967,61 sowie solche mit ausländischen Bezügen i.H.v. € 65.703,70 für die Berechnung der Bemessungsgrundlage herangezogen worden.
Für die Berechnung der Einkommensteuer seien lediglich die steuerpflichtigen Bezüge abzüglich Werbungskosten- und Sonderausgabenpauschale als Bemessungsgrundlage zu erfassen.
Hinzugefügt wurde der Beschwerde eine ,Beilage zur Arbeitnehmerveranlagung 2017', aus der hervorgeht, dass vom Arbeitgeber zunächst geplant gewesen sei, die Bf. von bis in die Schweiz zu entsenden. Tatsächlich habe die Entsendung am geendet.
Die Bf. habe während der Dauer ihrer Entsendung ihren Wohnsitz in Österreich (v) aufrechterhalten. Mit habe sie einen Wohnsitz in der Schweiz (X, danach y) begründet, der mit Ende der Entsendung aufgegeben worden sei.
Sie sei daher im gesamten Veranlagungsjahr 2017 in Österreich steuerpflichtig.
Da sich der einzige Wohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen im Jahr 2017 nach Ende der Entsendung ab wieder in Österreich befinde, habe die Republik Österreich gemäß Art. 4 DBA Schweiz als Ansässigkeitsstaat ab das Besteuerungsrecht auf das gesamte Welteinkommen.
Beigelegt wurden weiters berichtigte Lohnzettel des Arbeitgebers, die bei gleicher Höhe der steuerpflichtigen Bezüge (wie jene, die der Veranlagung zugrunde gelegt worden waren) abweichend den Zeitraum 1. Jänner bis (Auslandslohnzettel L 8) bzw. 1. November bis (Inlandslohnzettel L 1) ausweisen.
Die Bf. wurde in der Folge mit Schreiben des Finanzamtes vom ersucht, eine Ansässigkeitsbescheinigung sowie einen Besteuerungsnachweis vorzulegen.
Mit Eingabe vom wurde von Seiten der Bf. eine schweizer Steuererklärung sowie ein Nachweis der im Jahr 2017 in der Schweiz entrichteten Steuer vorgelegt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Einkommensteuerbescheid 2017 abgeändert. Für die Berechnung der Höhe der Einkommensteuer wurde als Bemessungsgrundlage der inländische Bezug (KZ 245 € 12.967,61) herangezogen.
Zur Berechnung des Durchschnittssteuersatzes kamen zudem die ausländischen (schweizer) Einkünfte zum Ansatz (Progressionsvorbehalt).
Mit Eingabe vom brachte die Bf. einen Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht ein.
Sie erläuterte darin, im Jahr 2017 bis 31. Oktober in der Schweiz ansässig gewesen zu sein.
Beantragt wurde, den Einkommensteuerbescheid dahingehend zu korrigieren, die in der Schweiz lukrierten Bezüge i.H.v. € 65.703,70 nicht zur Berechnung des Progressionsvorbehaltes heranzuziehen.
Aus der beigebrachten Ansässigkeitsbescheinigung gehe hervor, dass sie von bis in der Schweiz ansässig gewesen sei.
Nach telefonischer Anfrage eines Organes des Finanzamtes (Aktenvermerk vom ) mit dem Ersuchen um nähere Darlegung des Sachverhaltes brachte die Bf. (via FinanzOnline) am selben Tag eine Sachverhaltsdarstellung ein in der sie erklärte, ihren inländischen Wohnsitz während der befristeten Entsendung untervermietet zu haben. Die Vermietung sei auf ihre Anweisung durch ihre Mutter A erfolgt. Die Vermietung sei zu kostendeckenden Konditionen erfolgt und habe zu keinen Überschüssen geführt. Aufgrund der Aufgabe inländischen des Wohnsitzes sei sie in diesem Zeitraum (bis Oktober 2017) gemäß Art. 4 Abs. 2 lit a DBA steuerlich in der Schweiz ansässig gewesen.
Mit einem ergänzenden Schriftsatz vom brachte die Bf. weitere Unterlagen bei:
- Einen Untermietvertrag, der von ihr bezüglich einer Wohnung in der z, Schweiz abgeschlossen worden war; Mietbeginn bis ;
- Einen Untermietvertrag, der von ihr betreffend eine Wohnung in der y, Schweiz für den Zeitraum bis abgeschlossen worden war.
- Untermietverträge betreffend das Mietobjekt v, abgeschlossen zwischen der Bf. und
- C für den Zeitraum bis spätestens , abgeschlossen am , Miete € 520,-/Monat;
- D für den Zeitraum bis spätestens , abgeschlossen am , Miete € 520,-/Monat;
- E für den Zeitraum bis spätestens , abgeschlossen am , Miete € 550,-/Monat.
- Eine Vollmacht der Bf. vom , mit der sie ihrer Mutter eine allgemeine und unbeschränkte Vollmacht zur Vertretung für alle Angelegenheiten vor der Behörde und Dritten einräumt.
Die Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom vor.
Darin erläutert sie nach Darstellung des Sachverhaltes, dass ein Wohnsitz i.S.d. § 26 BAO in Österreich vorliege. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befinde sich gemäß Art. 4 (2) lit. a DBA Österreich/Schweiz in Österreich.
Zunächst sei in der Abgabenerklärung, der Beschwerde und dem Vorlageantrag von einem österreichischen Wohnsitz und unbeschränkter Steuerpflicht ausgegangen und erst in der Folge die Aufgabe des Wohnsitzes postuliert worden.
Bei einander widersprüchlichen Aussagen sei den zuvor getätigten aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung eine höhere Aussagekraft beizumessen.
Die Bf. sei steuerlich vertreten und es sei davon auszugehen, dass die Frage des Vorliegens eines österreichischen Wohnsitzes sorgfältig und professionell erhoben worden sei.
Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei es Privatmietern in der Regel nicht erlaubt, Wohnungen unterzuvermieten. Bei der Vermieterin handle es sich (lt. ZMR-Abfrage) um die Sozialbau AG, wobei von einer geförderten Mietwohnung auszugehen sei, die die Beibehaltung eines Wohnsitzes erfordere. Eine Abmeldung vom Wohnsitz sei nicht erfolgt.
Die beigebrachten Untermietverträge, würden darauf schließen lassen, dass die Wohnung über die Entsendung hinaus von mehreren Personen gleichzeitig als Wohngemeinschaft genutzt werde. Es sei davon auszugehen, dass die Bf. nicht nur Zugang, sondern auch eine Wohnmöglichkeit an der Adresse genutzt habe. Auch der Umstand, dass die Wohnung nicht fremdüblich ohne Aufschlag weitervermietet worden sei spreche für die Annahme der Behörde, wonach die Wohnung der Bf. im Bedarfsfall zur Verfügung stehe.
Für eine Ansässigkeit in Österreich spreche weiters, dass die Dauer der Entsendung relativ kurz gewesen sei, sich der Lebensmittelpunkt weiterhin in Österreich befinde und somit von einer Ansässigkeit im Inland auszugehen sei.
Der von der Bf. beigebrachten schweizer Ansässigkeitsbescheinigung komme lediglich Indizcharakter zu.
In einer weiteren Eingabe vom erläuterte die Bf. gegenüber dem Bundesfinanzgericht, dass sie ihre Tätigkeit im Rahmen der Entsendung ausschließlich in der Schweiz ausgeübt und aus diesem Anlass eine Wohnung angemietet habe. Ihr damaliger Lebensgefährte F habe seinen Wohnsitz im beschwerdegegenständlichen Zeitraum aufgrund eines Masterstudiums von Wien in die Niederlande verlegt.
Sie sei nur unregelmäßig nach Österreich gereist (meist einmal monatlich, Dauer maximal 3 Tage) und habe in diesen Fällen bei ihrer Familie bzw. der Familie ihres Lebensgefährten gewohnt.
Ihre Wohnung sei kurzfristig an Studentinnen vermietet worden, habe eine Größe von 39m2 und bestehe nur aus einem Zimmer mit einer Ausziehcouch als einzigem Bett.
Über Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes vom übersendete der ehemalige Vermieter der Wohnung (Sozialbau AG) den Bezug habenden Mietvertrag.
Daraus geht hervor, dass die Wohnung eine Größe von ca. 35,5m2 aufweist und aus einem Zimmer samt Nebenräumen (Vorraum, Wohnküche/Kochnische, Badezimmer/Badenische, WC) besteht.
In weiterer Folge wurde die Untermieterin E1 (ehem. E2) von Seiten des BFG (Schreiben vom ) zu einer schriftlichen Zeugenaussage aufgefordert.
E1 erklärte, dass sie über eine Webseite auf die Wohnung aufmerksam geworden sei, die von ihrer Vor(unter)mieterin D geschaltet worden sei. In der Folge habe sie zur Finalisierung des Mietverhältnisses mit A gesprochen.
Während des Mietverhältnisses sei die Wohnung von Ihr dauerhaft (ab rund ) benutzt worden, eine gemeinsame Nutzung mit einer weiteren Person habe nicht stattgefunden (,was aufgrund der Größe der Wohnung auch schwer machbar gewesen wäre'). Die Wohnung sei für die Dauer des Mietverhältnisses ausschließlich von Ihr für Wohnzwecke genutzt worden.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
§ 1 Abs. 1 bis 3 EStG 1988 lautet:
(1) Einkommensteuerpflichtig sind nur natürliche Personen.
(2) Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
(3) Beschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte.
§ 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 lautet:
Der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3) unterliegen nur die folgenden Einkünfte:
…
4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25), die
- im Inland oder auf österreichischen Schiffen ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist (Z 2),
- aus inländischen öffentlichen Kassen mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden.
Eine Erfassung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach dieser Ziffer hat zu unterbleiben, wenn die Einkünfte wirtschaftlich bereits nach Z 3 erfaßt wurden.
Gemäß § 39 Abs. 2 EStG 1988 wird, wenn die Steuerpflicht nicht während des vollen Veranlagungszeitraumes bestanden hat, das während der Dauer der Steuerpflicht bezogene Einkommen zugrunde gelegt.
§ 26 Abs. 1+2 BAO lauten:
(1) Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
(2) Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Wenn Abgabenvorschriften die unbeschränkte Abgabepflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen, tritt diese jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Abgabepflicht auch auf die ersten sechs Monate. Das Bundesministerium für Finanzen ist ermächtigt, von der Anwendung dieser Bestimmung bei Personen abzusehen, deren Aufenthalt im Inland nicht mehr als ein Jahr beträgt, wenn diese im Inland weder ein Gewerbe betreiben noch einen anderen Beruf ausüben.
Die Behörde geht davon aus, dass die Bf. im Jahr 2017 über einen ständigen Wohnsitz im Inland verfügte wo sich auch der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befand, wohingegen diese im Vorlageantrag erklärt, ihren im Inland gelegenen Wohnsitz während der Dauer der Entsendung aufgegeben zu haben und für diesen Zeitraum in der Schweiz steuerlich ansässig gewesen zu sein.
Unstrittig ist, dass die Bf. vom bis mit Hauptwohnsitz in v gemeldet war.
Die Behörde führt eine Reihe von Argumenten an aus denen sie erschließt, dass die Bf. im Jahr 2017 über einen Wohnsitz im Inland verfügte.
Sie verweist zunächst darauf, dass die steuerlich vertretene Bf. im Rahmen einer der Beschwerde beigelegten Beilage selbst von einer Aufrechterhaltung des Wohnsitzes in Österreich gesprochen hat und dargelegt wurde, dass sie ,im gesamten Veranlagungsjahr 2017 in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig' war, weshalb Österreich aufgrund des DBA als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für das gesamte Welteinkommen zukommt.
Auf der Sachverhaltsebene hat die Behörde ebenfalls zu Recht auf den Umstand des fortgesetzt beibehaltenen Hauptwohnsitzes der Bf. in Österreich sowie darauf verwiesen, dass die Untervermietung ihrer Wohnung vermutlich unzulässig war und ist von einer fortgesetzten Wohnmöglichkeit an ihrer Meldeadresse ausgegangen.
Die Bf. ist dem entgegengetreten und hat erläutert, dass sie im fraglichen Zeitraum über einen Wohnsitz in der Schweiz verfügt, ihren inländischen Wohnsitz aufgegeben hat und bei Inlandsbesuchen bei ihren Eltern bzw. den Eltern ihres Lebensgefährten wohnte und die von ihr untervermietete Wohnung ausschließlich den Untermietern zur Verfügung stand.
Die Annahme der Behörde, wonach der Bf. an ihrem Hauptwohnsitz eine Wohnung zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung stand, erweist sich auf Grundlage der Sachverhaltsermittlungen des Bundesfinanzgerichtes als unzutreffend.
Zunächst ist auf den Umstand hinzuweisen, dass die Nutzfläche der Wohnung mit rund 35,5m2 und einem Zimmer samt Nebenräumen nach der Lebenserfahrung der Nutzung als Wohngemeinschaft zwischen Fremden entgegensteht.
Dass es sich bei den Untermietern um fremde Personen gehandelt hat erschließt sich daraus, dass innerhalb relativ kurzer Zeiträume mehrere Untermietverhältnisse abgeschlossen wurden.
Die zeugenschaftlich befragte Untermieterin E1 (ehem. E2, Nebenwohnsitz lt. ZMR an dieser Adresse von bis ) gab dazu an, dass die Wohnung während des Mietverhältnisses dauerhaft und ausschließlich von Ihr benutzt wurde.
Das Bundesfinanzgericht geht für das Jahr 2017 von einer Vermietung der Wohnung auch für davor liegende Zeiträume an D (Hauptmeldung von bis ) ohne Begründung einer Wohngemeinschaft oder einer andersartigen Nutzungsmöglicheit durch die Bf. für ihre Wohnzwecke aus.
Der Bf. stand im Jahr 2017 somit an der Adresse v keine Räumlichkeit zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung.
Die Bf. hat in ihrer Eingabe beim darauf verwiesen, dass sie im beschwerdegegenständlichen Zeitraum unregelmäßig ca. 1 mal monatlich für nicht mehr als 3 Tage nach Österreich gereist ist und dabei bei ihrer Familie bzw. der ihres Freundes gewohnt hat.
Dazu ist anzumerken, dass die Zurverfügungstellung einer Wohnmöglichkeit noch keinen Wohnsitz zu begründen vermag und die Behörde nicht dargetan hat, dass im Jahr 2017 eine weitere, einen Wohnsitz i.S.d. § 26 BAO begründende Wohnung vorlag.
Der VwGH führt in seinem Erkenntnis vom , 2011/15/0133 aus:
,Ein Wohnsitz iSd § 26 Abs. 1 BAO erfordert, dass der Steuerpflichtige die Wohnung "innehat", sie also jederzeit für die eigenen Wohnbedürfnisse nutzen kann. Dieses "Innehaben" muss unter Umständen erfolgen, die darauf schließen lassen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Maßgebend sind dabei jeweils die tatsächlichen Verhältnisse, entscheidend ist die tatsächliche Verfügungsmacht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2005/15/0127, mwN). Um einen Wohnsitz zu begründen, bedarf es nur der tatsächlichen Verfügungsgewalt über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderungen jederzeit zum Wohnen benutzt werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/13/0150, mwN).
Wird eine Wohnung durch ihren Eigentümer vermietet und hat der Eigentümer nicht die Möglichkeit zur jederzeitigen Benutzung der Wohnung, dann liegt für ihn hinsichtlich dieser Wohnung kein Wohnsitz vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 89/13/0015). Die belangte Behörde rügt zwar, dass Urkunden über Mietverträge erst verspätet vorgelegt worden seien, die Wirksamkeit dieser Mietverträge im Jahr 2009 wird von der belangten Behörde aber nicht in Frage gestellt. Eine jederzeitige Benutzung der vermieteten Wohnungen scheidet damit aus, sodass diese beiden Eigentumswohnungen nicht geeignet sind, einen Wohnsitz der Beschwerdeführerin zu begründen.'
Die Bf. verfügte für den Zeitraum Jänner bis Oktober 2017 in Österreich weder über einen Wohnsitz noch hatte sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Das BFG geht unter Zugrundelegung der Ansässigkeitsbestätigung, wonach sie von bis in der Schweiz ansässig war sowie dem berichtigten Inlandslohnzettel ihres Arbeitgebers (L1), für den Zeitraum bis davon aus, dass die Bf. mit Beendigung der Entsendung nach Österreich erneut einen Wohnsitz im Inland begründet und ab diesem Zeitraum ausschließlich im Inland für ihren Arbeitgeber nichtselbständig tätig war.
Die Bf. unterlag daher für die Dauer der Entsendung der beschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EStG 1988 und wechselte mit ihrer Rückkehr wiederum in die unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG 1988).
Eine Doppelbesteuerung im Bereich der Einkommensteuer kann u.a. auf Grund einer Kollision von unbeschränkter Steuerpflicht im Wohnsitzstaat und beschränkter Steuerpflicht im Quellenstaat entstehen (vgl. Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn Einkommensteuerkommentar § 1 Rz. 45).
Die Bf., die ab November 2017 im Inland unbeschränkt und davor beschränkt steuerpflichtig war, erzielte aus ihrer Tätigkeit in der Schweiz keine in Österreich als Quellenstaat zu erfassenden nichtselbstständigen Einkünfte (§ 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1998), weshalb auch keine Kollision und damit kein Anwendungsbereich des DBA Schweiz vorlag.
Die Beantwortung der Frage, ob die Bf. ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen im Inland (vgl. Art. 4 Z 1 lit a DBA Schweiz) während der Dauer der Entsendung beibehalten hat, war daher steuerlich unmaßgeblich.
Beim Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht und umgekehrt entstehen zwei getrennte Steuerabschnitte, die getrennt zu veranlagen sind (vgl. EStG: Kommentar, Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn § 1 Rz. 8 m.w.N.).
Im Ergebnis war die Bf. damit im Jahr 2017 gemäß § 1 Abs. 3 EStG 1988 mit ihren inländischen Einkünften ohne Berücksichtigung der in der Schweiz erzielten Einkünfte und ohne Anwendung eines Progressionsvorbehaltes zu erfassen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe beträgt:
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Einkommensteuer | 2017 |
€ | |
Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit | 12.967,61 |
Pauschbetrag Werbungskosten | -132,00 |
Gesamtbetrag d. Einkünfte | 12.835,61 |
Pauschbetrag Sonderausgaben | -60,00 |
Einkommen | 12.775,61 |
Die Einkommensteuer beträgt | |
0% für die ersten 11.000,- | 0,00 |
25% für die weiteren 1.775,61 | 443,90 |
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge | 443,90 |
Verkehrsabsetzbetrag | -400,00 |
Steuer nach Abzug d. Absetzbeträge | 43,90 |
Steuer sonst. Bezüge | 166,22 |
Einkommensteuer | 210,12 |
anrechenbare Lohnsteuer | -4.645,46 |
Rundung | 0,34 |
festgesetzte Einkommensteuer | -4.435,00 |
1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da keiner der im vorangehenden Satz angeführten Umstände auf das gegenständliche Verfahren zutrifft, war eine Revision als nicht zulässig zu erklären.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101474.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at