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Verfahrensleitender Beschluss, BFG vom 04.10.2024, RV/5100657/2024

Verständigung nach § 281a BAO mangels Vorlageantrag

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, zur Vorlage der Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2023, zu Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

I. Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts wurde kein Vorlageantrag eingebracht. Die Parteien werden hierüber gemäß § 281a BAO formlos in Kenntnis gesetzt und das Anbringen an das vorlegende Finanzamt Österreich rückgeleitet. Das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird eingestellt.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig.

Begründung

***Bf1*** erhob am fristegerecht Beschwerde gegen den am erlassenen Einkommensteuerbescheid 2023.

Am erließ das Finanzamt Österreich eine Beschwerdevorentscheidung (zugestellt via FinanzOnline am ), mit welcher der beantragte Alleinerzieherabsetzbetrag weiterhin nicht berücksichtigt wurde.

Am brachte ***Bf1*** ein Schreiben mit der unterstrichenen und fettgedruckten Überschrift "Wiederaufnahme des Verfahrens" ein. Darin führte er u.a. aus:

"Mit diesem Schreiben erhebe ich das Rechtsmittel der Beschwerde betreffend meinen Einkommenssteuerbescheid."

Weiters erklärte er, dass ihm erst im März 2024 aufgefallen sei, dass noch seine Exgattin als Bezieherin der Familienbeihilfe aufscheine, die Familienbeihilfe aber richtig auf seinem Konto eingegangen sei. Die namentliche Änderung des Bezugs sei ab Mai 2024 vollzogen worden. Da er aber im Jahr 2023 namentlich nicht Bezieher der Familienbeihilfe gewesen sei, sei der Alleinverdienerabsetzbetrag abgelehnt worden, was jetzt Grund für seine Kontaktaufnahme mit der Bitte um erneute Bearbeitung sei.

Das Finanzamt Österreich wertete dieses Schreiben als Vorlageantrag und legte daher die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vor.

1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Die Abgabenbehörde hat gemäß § 265 Abs. 1 BAO die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht daher im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde (vgl ; , Ro 2021/13/0009).

Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d.h. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (zB ; , Ra 2019/15/0005; , Ra 2019/16/0073, 0074; , Ra 2018/16/0042; , Ra 2020/13/0046).

Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist - im Hinblick auf § 115 - die Absicht der Partei zu erforschen (zB ; , 2010/15/0035; , 2011/13/0082; , Ra 2019/15/0005; , Ra 2020/13/0046).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist im Zweifel dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl. zB ; , Ra 2018/16/0102; , Ra 2018/15/0036; , Ra 2019/15/0005; , Ra 2019/16/0073, 0074; , Ra 2018/16/0042; , Ra 2020/13/0046).

Stehen dem Steuerpflichtigen mehrere verfahrensrechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Bescheiden und zur Durchsetzung seines Rechtsstandpunkts zur Verfügung, ist davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige nicht eine Maßnahme wählt, die infolge Fristversäumnis schon von vornhinein zum Scheitern verurteilt ist, sondern einen Antrag stellen möchte, der einer inhaltlichen Erledigung zugänglich ist (vgl. zB , mwN).

Das Schreiben des steuerlich nicht vertretenen Abgabepflichtigen vom trägt die Überschrift "Wiederaufnahme des Verfahrens". Darunter führt ***Bf1*** aus, dass er "das Rechtsmittel der Beschwerde betreffend meinen Einkommenssteuerbescheid" erhebe. Abschließend ersuchte er auf Grund einer mittlerweile erfolgten Änderung beim Familienbeihilfenbezug um "erneute Bearbeitung".

Es liegt somit ein Anbringen mit undeutlichem Inhalt vor, das der Auslegung bedarf.

Da die Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags bereits am abgelaufen ist und das vom vorlegenden Finanzamt als Vorlageantrag gewertete Schreiben am eingebracht wurde, unterstellt das Finanzamt - entgegen der ausdrücklichen Bezeichnung und des Inhalts - dem Einschreiter die Wahl eines Rechtsbehelfs, der infolge Fristversäumnis schon von vornhinein zum Scheitern verurteilt ist.

Im Schreiben vom erfolgte aber keine Bezugnahme auf die Beschwerdevorentscheidung. Auch eine Vorlage an das Bundesfinanzgericht wurde im Schreiben nicht erwähnt, sondern es finden sich die Überschrift "Wiederaufnahme des Verfahrens" und die "Bitte um erneute Bearbeitung", die nur durch die Abgabenbehörde erfolgen kann. Nach dem objektiven Erklärungswert liegt daher kein Vorlageantrag, sondern ein inhaltlich durch die Abgabenbehörde zu erledigendes Anbringen, vor.

Gemäß § 281a BAO hat das Verwaltungsgericht, wenn es nach einer Vorlage (§ 265 BAO) zur Auffassung gelangt, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde, die Parteien darüber unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in den genannten Fällen das Verwaltungsgericht die vorgelegte Beschwerde an die Abgabenbehörde ohne unnötigen Aufschub zurückschicken soll, was der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge bereits kraft eines Größenschlusses aus § 53 iVm § 2a BAO folgt. § 281a BAO sieht in diesem Zusammenhang (lediglich) die ausdrückliche Verpflichtung des Verwaltungsgerichts vor, die Parteien über diese Weiterleitung zu verständigen (vgl , mwN).

Wenn § 281a BAO vorsieht, dass die Verständigung "formlos" erfolgen soll, so ist dies dahin zu verstehen, dass eine bestimmte Form hiefür nicht vorgesehen ist. Zweckmäßig erfolgt diese Verständigung dadurch, dass eine Ausfertigung des verfahrensleitenden Beschlusses (samt Begründung, in der die Ansicht des Bundesfinanzgerichts dargelegt wird) den Parteien zugestellt wird (vgl , mwN).

2. Zu Spruchpunkt II.

Die Rückleitung der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht ist als verfahrensleitender Beschluss anzusehen (vgl , mwN). Gegen verfahrensleitende Beschlüsse des Verwaltungsgerichts (vgl auch - zur Abgrenzung von sofort anfechtbaren Beschlüssen - , mwN) ist nach § 25a Abs. 3 VwGG eine abgesonderte Revision nicht zulässig; sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.

Gegen einen Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht die Beschwerde an eine andere Stelle weiterleitet, ist demnach eine abgesonderte Revision nicht zulässig (vgl zB ; , Ra 2018/03/0072, mwN). Gleiches gilt auch für die "formlose" Verständigung über die Weiterleitung (Rückleitung) samt Mitteilung der Ansicht des Bundesfinanzgerichts, die der Bekanntgabe des Inhalts des verfahrensleitenden Beschlusses entspricht ().

Belehrung und Hinweise

Gegen diese Verständigung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.

Verneint das Bundesfinanzgericht nach der Vorlage der Beschwerde seine Zuständigkeit zu Unrecht, weil es fälschlich annimmt, es fehle (ohne Rechtfertigung durch eine der Ausnahmen des § 262 Abs. 2 bis 4 BAO) an einer (wirksam zugestellten) Beschwerdevorentscheidung oder es sei kein Vorlageantrag (wirksam) eingebracht worden, und unterlässt es daher die Erledigung der Beschwerde, so steht beiden Parteien (vgl zur Amtspartei ) des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht der Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof offen ().

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100657.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at