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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.09.2024, RV/3100342/2024

Knie-TEP-Operation in privater Krankenanstalt als außergewöhnliche Belastung: Zwangsläufigkeit nicht nachgewiesen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100342/2024-RS1
Kosten für Operationen in privaten Krankenanstalten, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt sind, erwachsen dann zwangsläufig, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen anfallen. Die subjektive Sicht und der subjektive Leidensdruck des Patienten können eine medizinische Fachbeurteilung nicht ersetzen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2021 zu Steuernummer ***StNr*** nach der mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der Einkommensteuerbescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reichte die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2021 am elektronisch beim Finanzamt ein. Er gab darin unter anderem seinen Grad der Behinderung mit 70 % an und beantragte sowohl den pauschalen Freibetrag für das auf die behinderte Person zugelassene Kraftfahrzeug als auch behinderungsbedingte tatsächliche Kosten von EUR 20.888,- als außergewöhnliche Belastungen bei Behinderung.

Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid und setzte die Einkommensteuer für ein Einkommen von EUR 70.455,85 mit EUR -1.653,00 fest. An außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigte das Finanzamt den Freibetrag wegen eigener Behinderung nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 von EUR 599,00 sowie Pauschbeträge nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wegen eigener Behinderung von EUR 2.280,00. Die Begründung dazu lautet wie folgt: "Kosten für die Operation und der Aufenthalt in einem Privatkrankenhaus sind nur dann absetzbar, wenn eine medizinische Notwendigkeit vorliegt. Es muss durch ein eindeutiges medizinisches Attest nachgewiesen werden, dass der durchgeführte Eingriff nicht auch in einem allgemeinen Krankenhaus auf der normalen Klasse durchgeführt werden konnte. Da kein eindeutiger Nachweis erbracht wurde, konnten die Kosten in Höhe von € 20.888,00 nicht anerkannt werden."

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer Beschwerde und begehrte die Anerkennung der Kosten einer Knie-Totalendoprothesen-Operation im Sanatorium K sowie weitere Arzt- und Medikamentenkosten. Mit der Beschwerde vorgelegt wurden Rechnungen und Zahlungsbelege für die geltend gemachten Kosten sowie eine Bestätigung einer Fachärztin für Innere Medizin über die Notwendigkeit der Knieoperation.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2021 dahin ab, dass die Einkommensteuer für ein Einkommen von EUR 72.363,54 mit EUR -738,00 festgesetzt wurde. Dabei wurden tatsächliche Kosten aus der eigenen Behinderung von EUR 971,31 berücksichtigt. Begründend führte das Finanzamt aus, dass dem Beschwerdeführer der Nachweis nicht gelungen sei, dass ihm die Kosten für die Knieoperation in der Privatklinik zwangsläufig erwachsen seien.

Der Beschwerdeführer beantragte mit elektronischer Eingabe vom die Vorlage seiner Beschwerde und eine mündliche Verhandlung. Er beantragte die Berücksichtigung des Freibetrages von EUR 2.280,00 wie im Erstbescheid sowie die Operationskosten abzüglich der Haushaltsersparnis für neun Tage in Höhe von EUR 19.869,00 als außergewöhnliche Belastung aufgrund einer Behinderung.

Das Finanzamt ersuchte mit Schreiben vom den Beschwerdeführer um weitere Ergänzungen zu seinem Vorbringen, welche dieser mit Eingabe vom erstattete. Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Berücksichtigung des Freibetrages gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 von EUR 2.280,00 aufgrund einer Gehbehinderung; des Freibetrages gemäß § 35 Abs. 5 von EUR 486,00 sowie des Freibetrages gemäß § 2 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen von EUR 504,- aufgrund der ausgewiesenen Gesundheitsschädigung D3. Schließlich beantragte das Finanzamt, die Immobilienertragsteuer für ein vom Beschwerdeführer im Jahr 2021 veräußertes land- und forstwirtschaftliches Grundstück abweichend von der durchgeführten Selbstberechnung (mit EUR 163,00) mit EUR 82,00 und die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft aus dem Verkauf des stehenden Holzes mit EUR 1.185,72 festzusetzen.

In der mündlichen Verhandlung am erstattete der Beschwerdeführer weiteres Vorbringen zu den Gründen für seinen Entschluss, die Knie-TEP-Operation in einer privaten Krankenanstalt vornehmen zu lassen. Sein Operateur habe damals erstmalig Roboter bei der Operation eingesetzt und damit besonders präzise arbeiten können, an der Klinik seien damals noch keine Roboter verwendet worden. Im Rahmen einer Untersuchung an der Klinik sei ihm gesagt worden, dass bei der Operation die Kniescheibe entfernt werden müsse. Sein Operateur, mit dem ihn im Übrigen ein besonderes Vertrauensverhältnis verbinde, habe ihm im Vorhinein zugesagt, dass die Kniescheibe nicht entfernt werden müsse. Schließlich habe er gewusst, dass er im Sanatorium eine Schmerzpumpe bekommen würde. Eine Nachbarin von ihm sei an der Klinik operiert worden und habe bloß Schmerztabletten bekommen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2021 das Grundstück (Wald) um den Kaufpreis von EUR 3.894,00 an X verkauft (vgl. Kaufvertrag vom ). Bei diesem Grundstück handelt es sich um forstwirtschaftliches Vermögen (Waldgrundstück), welches am nicht steuerverfangen war. Diese Umstände sind zwischen den Parteien nicht strittig und durch den (historischen) Grundbuchsstand belegt.

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines am ausgestellten Behindertenpasses, in dem das Sozialministeriumsservice ihm einen Grad der Behinderung von 60 % ab dem bescheinigt. An Zusatzeintragungen sind auf dem Behindertenpass die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, eine Prothese und das Kürzel D3 (Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 303/1996: Magenkrankheit oder eine andere innere Krankheit) ausgewiesen. Nach der glaubwürdigen Aussage des Beschwerdeführers beruht der Vermerk D3 auf Diagnose.

Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2021 für Rezeptgebühren bei zwei Apotheken insgesamt EUR 144,65 (EUR 8,20; EUR 25,95 und EUR 110,50) bezahlt. Er hat für die Behandlung (internistische Abklärung zur Operationsfreigabe) bei Dr. A, Fachärztin für innere Medizin, Infektiologie, Immunologie und Tropenmedizin, EUR 125,- bezahlt, wobei ihm davon EUR 56,58 von der Österreichischen Gesundheitskasse ersetzt wurden (vgl. Rechnung vom und die vorgelegten Kontoauszüge). Er hat für die Behandlung bei Dr. B, Facharzt für Lungenkrankheiten, EUR 115,-bezahlt (vgl. Rechnung vom und Überweisungsbestätigung). Er hat für (Physio-)Therapieeinheiten bei der P EUR 1.027,00 bezahlt, wobei ihm EUR 383,76 von der Österreichischen Gesundheitskasse ersetzt wurden (vgl. Rechnung vom und die vorgelegten Kontoauszüge).

Der Beschwerdeführer war im Zeitraum 2.- stationär in der Privatklinik K aufgenommen und hat sich in diesem Zeitraum einer Knie-Totalendoprothesen-Operation (im Folgenden: Knie-TEP-Operation) unterzogen. Er hat dafür insgesamt EUR 19.916,64 bezahlt (vgl. Rechnung der K GmbH vom und die vorgelegten Kontoauszüge).

Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Parteivorbringen und den in Klammern angeführten Beweismitteln und sind zwischen den Parteien nicht strittig.

Die ärztliche Behandlung bei Dr. B, Facharzt für Lungenkrankheiten, ist nicht durch jene Gesundheitsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers bedingt, welche bei der Feststellung des Grades seiner Behinderung berücksichtigt wurden (vgl. die Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung).

Die Behandlung bei Dr. A und die Therapieeinheiten bei der P standen in ursächlichem Zusammenhang mit Gesundheitsbeeinträchtigungen, welche bei der Feststellung des Grades seiner Behinderung berücksichtigt wurden (vgl. die Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung).

Eine medizinische Notwendigkeit für die Durchführung der Knie-TEP-Operation in einer privaten Krankenanstalt hat nicht bestanden.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellung, dass keine medizinische Notwendigkeit für die Durchführung der Knie-TEP-Operation in einer privaten Krankenanstalt bestanden hat, gründet sich auf folgende Überlegungen:

Dem Beschwerdeführer war nach seinem Schiunfall mit nachfolgender Knieoperation im Alter von 16 Jahren (vgl. Beschwerdevorbringen) und jedenfalls seit Dezember 2019 bekannt und bewusst, dass seine Kniebeschwerden sich nur durch eine Knie-TEP-Operation nachhaltig lindern lassen würden (vgl. den Kostenvoranschlag der Privatklinik K vom und den Vermerk auf der Honorarnote Dr.is A vom : "Gonarthrose bds., Knie-TEP links geplant"). Nach seinen glaubwürdigen Angaben in der mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer aus Angst die Operation immer wieder aufgeschoben.

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass er sich im November 2021 aufgrund akuter starker Knieschmerzen am L-Krankenhaus wegen eines Termins für die Knie-TEP-Operation erkundigt hat. Bei diesem Gespräch sei ihm eine sechswöchige Wartefrist für einen Ambulanztermin genannt worden. Er hat auch auf der Homepage der L Einsicht in die Wartezeitenstatistik genommen, wo eine durchschnittliche Wartezeit auf einen Knie-TEP-Operationstermin von drei Monaten ausgewiesen war. Der Beschwerdeführer hat weder einen Ambulanztermin am L-Krankenhaus in Anspruch genommen noch sich weiter um einen Operationstermin bemüht.

Die vorgelegte Bestätigung der Dr. A, Fachärztin für innere Medizin, Infektiologie, Immunologie und Tropenmedizin ist mit und damit über ein Jahr nach dem Operationsdatum datiert und lautet wie folgt: "Bei [dem Beschwerdeführer] ist eine Polyarthrose bekannt. Bei Z. n. Hüft-TEP links 2020 ist es 11/21 zu einer akuten Exacerbation der vorbestehenden Kniegelenksarthrose links mit ausgeprägter Mobilitätseinschränkung gekommen. Bei einer Wartezeit von über 3 Monaten auf einen OP-Termin an der Klinik wurde zur Vermeidung von weiteren Folgeschäden am Bewegungsapparat durch die Immobilität der dringende Eingriff akut durch den Wahlarzt vorgenommen.". Dieses Attest ist nicht geeignet, die medizinische Notwendigkeit der Operation in einer privaten Krankenanstalt zu belegen. Die ausstellende Ärztin ist Fachärztin für Innere Medizin und verwandte Fächer, nicht aber ist sie ausgebildete Fachärztin für Orthopädie, Traumatologie oder (orthopädische) Chirurgie. Die erwähnte "Wartezeit von über 3 Monaten" ist offenkundig eine reine Annahme. Welche Folgeschäden am Bewegungsapparat durch die Immobilität (über die angenommenen drei Monate) entstehen sollen, bleibt offen. Die Exacerbation (Verschlimmerung) der Kniegelenksarthrose wurde nicht durch Bildgebung oder sonstige Untersuchungen festgestellt, sondern allein aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers im Nachhinein attestiert.

Mit Tiroler LGBl Nr 122/2012, kundgemacht am , wurde dem § 9a des Tiroler Krankenanstaltengesetzes LGBl Nr 5/1958 jener Abs. 2 angefügt, aufgrund dessen die Träger der öffentlichen sowie der privaten gemeinnützigen Krankenanstalten dafür Sorge zu tragen haben, dass ein transparentes Wartelistenregime - unter anderem - für elektive Operationen für das Sonderfach Orthopädie und orthopädische Chirurgie eingerichtet wird. Im Bereich der L ist diese sogenannte OP-Warteliste im Internet abrufbar unter www . Die Reihung der Patienten für spezifische Interventionen erfolgt dabei anhand medizinischer Priorisierungskriterien (Dringlichkeit) im Rahmen der Indikationsstellung. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass "Eingriffe, welche aus medizinischen Gründen zeitnah durchzuführen sind, … vorgereiht" werden. Insgesamt ist nicht erwiesen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich drei Monate auf einen Operationstermin an einem öffentlichen Krankenhaus warten hätte müssen.

Das Vorbringen zur angeblich am L-Krankenhaus verabreichten Schmerzmedikation wurde nicht weiter belegt. Ebenso wurde nicht weiter belegt, dass am L-Krankenhaus bei Knie-TEP-Operationen im November 2021 keine Roboter eingesetzt worden wären. Auch das Vorbringen zur angeblich angekündigten Entfernung der Kniescheibe wurde weder konkretisiert noch belegt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung und Abänderung)

Der Einkommensteuer unterliegen unter anderem Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 2 Abs. 3 Z 1 und 21 EStG 1988). Nach der Land- und Forstwirtschaft-Pauschalierungsverordnung 2015 (LuF-PauschVO 2015) kann der Gewinn eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bei Erfüllen der in § 1 Abs. 1 LuF-PauschVO 2015 genannten Voraussetzungen durch Vollpauschalierung ermittelt werden.

Gewinne aus der Veräußerung von Waldparzellen zählen zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, die nicht von der pauschalen Gewinnermittlung nach der LuF-PauschVO 2015 erfasst sind. Es handelt sich dabei um eine Veräußerung von Grund und Boden einerseits und stehendem Holz andererseits (vgl. mwN).

Gemäß § 30a Abs. 1 EStG 1988 unterliegen Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken im Sinn des § 30 einem besonderen Steuersatz von 30 %. Das Finanzamt hat den auf Grund und Boden entfallenden Anteil des Veräußerungserlöses mit 50 % geschätzt. Der Beschwerdeführer hat keine Einwände gegen dieses Schätzungsergebnis erhoben. Das Bundesfinanzgericht sieht keine Veranlassung, von der Schätzung des Finanzamtes abzuweichen. Die vom Beschwerdeführer mit EUR 163,55 selbst berechnete und abgeführte Immobilienertragsteuer war daher wie folgt zu berichtigen:


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50 % des Veräußerungserlöses entfallen auf Grund und Boden
1.947,00
pauschale Anschaffungskosten (Altvermögen)
1.674,42
Veräußerungsgewinn
272,58
davon 30 % Einkommensteuer
81,77

Gemäß § 1 Abs. 5 LuF-PauschVO 2015 kann der Gewinn aus der Veräußerung von forstwirtschaftlich genutzten Flächen mit 35 % des auf Grund und Boden, stehendes Holz und Jagdrecht entfallenden Veräußerungserlöses angenommen werden. Der Beschwerdeführer hat für das von ihm veräußerte Waldgrundstück erkennbar von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht (vgl. sein Vorbringen im Schreiben vom an das Finanzamt). Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft betragen daher EUR 1.185,72:


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Veräußerungserlös
3.894,00
davon 35 % Gewinn
1.362,90
abzüglich 13 % Gewinnfreibetrag
-177,18
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft
1.185,72

§ 34 EStG 1988 lautet auszugsweise:
"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen
von höchstens 7 300 Euro 6%.

mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro 8%.
mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro 10%.
mehr als 36 400 Euro 12%.

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt
-
wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht
-
wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 937 Euro jährlich erzielt
-
für jedes Kind (§ 106).

(5) Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2, anzusetzen.

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
-
Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden im Ausmaß der erforderlichen Ersatzbeschaffungskosten.
- Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung nach Abs. 8.

-
Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
-
Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind. …"

§ 35 EStG 1988 lautet auszugsweise:
"(1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
- bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3),
- ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners, wenn er mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 937 Euro jährlich erzielt,
- durch eine Behinderung eines Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,
und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:
- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(3) Es wird jährlich gewährt


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bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von
ein Freibetrag von EUR
25%
bis
34%
124
35%
bis
44%
164
45%
bis
54%
401
55%
bis
64%
486
65%
bis
74%
599
75%
bis
84%
718
85%
bis
94%
927
ab
95%
1.198

(4)Haben mehrere Steuerpflichtige Anspruch auf einen Freibetrag nach Abs. 3, dann ist dieser Freibetrag im Verhältnis der Kostentragung aufzuteilen. Weist einer der Steuerpflichtigen seine höheren Mehraufwendungen nach, dann ist beim anderen Steuerpflichtigen der Freibetrag um die nachgewiesenen Mehraufwendungen zu kürzen.
(5)
Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).
(6)
Bezieht ein Arbeitnehmer Arbeitslohn von zwei oder mehreren Arbeitgebern, steht der Freibetrag nur einmal zu.
(7)
Der Bundesminister für Finanzen kann nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des Abs. 3 führen. …"

Nach der VO Außergewöhnliche Belastungen (BGBl 1996/303) sind die in den §§ 2 bis 4 genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung (Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25 %) hat. Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit EUR 42,00 pro Kalendermonat zu berücksichtigen (§ 2 VO Außergewöhnliche Belastungen). Für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, ist zur Abgeltung der Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, dass ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, ein Freibetrag von EUR 190,00 monatlich zu berücksichtigen (§ 3 VO Außergewöhnliche Belastungen). Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen (§ 4 VO Außergewöhnliche Belastungen).

Angesichts der nachgewiesenen Behinderung des Beschwerdeführers steht ihm der Freibetrag wegen eigener Behinderung von 60 % von EUR 486,00 zu (§ 35 Abs. 3 EStG 1988). Weiter steht ihm angesichts der vorliegenden Bescheinigung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel der Freibetrag gemäß § 3 Abs. 1 VO Außergewöhnliche Belastungen in Höhe von EUR 2.280,- zu. Die vom Finanzamt im Vorlagebericht angesprochenen pauschalen Mehraufwendungen für Krankendiätverpflegung wurden vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht und stehen angesichts der Art der Behinderung nicht zu.

Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten einer Heilbehandlung sind nach § 4 der Verordnung im nachgewiesenen Ausmaß neben dem allgemeinen Behindertenpauschale nach § 35 Abs 3 EStG 1988 und gegebenenfalls neben den Pauschbeträgen nach den §§ 2 und 3 der Verordnung zu berücksichtigen. (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hg), EStG, Rz 17 zu § 35; Jakom/Peyerl, EStG, 17.A., Rz 22 zu § 35). Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit von Kosten der Heilbehandlung nach § 4 der Verordnung ist, dass diese in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung stehen (). Der Steuerpflichtige ist verpflichtet, bei Inanspruchnahme der Begünstigung nach § 35 Abs 5 EStG 1988 den ursächlichen Zusammenhang zwischen seiner Behinderung und den von ihm angewendeten Heilmitteln bzw Heilbehelfen nachzuweisen ().

Dieser Veranlassungszusammenhang besteht glaubwürdig hinsichtlich der an zwei Apotheken bezahlten Rezeptgebühren von EUR 144,65, hinsichtlich der Kosten von EUR 68,42 für die Untersuchung und Behandlung durch eine Fachärztin für Innere Medizin in Hinblick auf die Operationsfreigabe und hinsichtlich der Kosten von EUR 643,24 für physiotherapeutische Behandlungen.

Kein erkennbarer Veranlassungszusammenhang besteht zwischen der Behinderung des Beschwerdeführers und der Behandlung durch einen Facharzt für Lungenkrankheiten aufgrund der Diagnose "obstruktives Schlafapnoesyndrom". Die Kosten dieser Behandlung von EUR 115,00 können daher nicht als Kosten der Heilbehandlung nach § 4 VO Außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Einer (steuerwirksamen) Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung im Sinn des § 34 steht entgegen, dass dieser Aufwand die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht wesentlich beeinträchtigt - er ist niedriger als der für den Beschwerdeführer geltende Selbstbehalt (§ 34 Abs. 4 EStG 1988).

Die Belastung des Einkommens des Beschwerdeführers durch die Kosten für die Knie-TEP-Operation in einer privaten Krankenanstalt ist zweifellos außergewöhnlich und beeinträchtigt angesichts ihrer Höhe seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Nach ständiger Rechtsprechung (Jakom/Peyerl, EStG, 17.A, Rz 90 zu § 34, "Krankheitskosten" mit Judikaturhinweisen) erwachsen Krankheitskosten, welche die von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, dann zwangsläufig, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen anfallen. Diesbezüglich trifft den Antragsteller die Behauptungs- und Beweislast (aaO, Rz 9 zu § 34 mit Judikaturhinweisen). Triftige medizinische Gründe für die Vornahme der Operation in einer privaten Krankenanstalt hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.

Dem Beschwerdeführer war mindestens zwei Jahre vor der tatsächlichen Knie-TEP-Operation bewusst, dass er sich einer derartigen Operation unterziehen würde müssen bzw. wollen. Daher kann die Zwangsläufigkeit nicht mit einer behaupteten Wartezeit auf einen Operationstermin an einem öffentlichen Krankenhaus begründet werden. Der Beschwerdeführer hat auch nicht nachgewiesen, dass er an einem öffentlichen Krankenhaus überhaupt auf einen Operationstermin hätte warten müssen.

Bloße Wünsche, Vorstellungen und allgemein gehaltene Befürchtungen reichen nicht aus, um darzutun, dass die Vornahme eines Eingriffes an einer privaten Krankenanstalt zwangsläufig im Sinn des Einkommensteuergesetzes erfolgt ist. Die subjektive Sicht und der subjektive Leidensdruck des Beschwerdeführers mögen in die medizinische Fachbeurteilung einfließen, können eine solche aber nicht ersetzen.

Die Kosten für die Knie-TEP-Operation an einer privaten Krankenanstalt sind dem Beschwerdeführer nicht zwangsläufig im Sinn des § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwachsen und sind daher nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Insgesamt ergeben sich zu berücksichtigende behinderungsbedingte Kosten der Heilbehandlung von EUR 856,31.

Bemessungsgrundlagen und Abgabenberechnung:


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Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft
1.185,72
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
197,49
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
73.683,72
Veranlagungsfreibetrag
-76,79
Gesamtbetrag der Einkünfte
74.990,14
Sonderausgaben - § 18 Abs. 1 Z 7 EStG
-100,00
Kirchenbeitrag
-248,87
Außergewöhnl. Belastungen vor Abzug des Selbstbehaltes
-115,00
Selbstbehalt
115,00
Freibetrag wegen eigener Behinderung
-486,00
Pauschbeträge nach der VO agBel
-2.280,00
nachgewiesene Kosten der Heilbehandlung
-856,31
Einkommen
71.018,96
Einkommensteuer für die ersten 11.000
0,00
20 % für die weiteren 7.000
1.400,00
35 % für die weiteren 13.000
4.550,00
42 % für die weiteren 29.000
12.180,00
48 für die restlichen 11.018,96
5.289,10
Pensionistenabsetzbetrag
0,00
Einkommensteuer für sonstige Bezüge für die ersten 620,00
0,00
6 % für die restlichen 11.660,62
699,64
Steuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen mit besonderem Steuersatz
1.253,99
Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen
81,77
anrechenbare Lohnsteuer
-25.397,80
Kapitalertragsteuer
-139,85
anrechenbare ausländische Steuer
-1.218,25
Immobilienertragsteuer
-163,55
Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG
-0,05
festgesetzte Einkommensteuer
-1.465,00

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)

Die Revision ist nicht zulässig, da in Hinblick auf die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen nur - nicht revisible - Sachverhaltsfragen zu beurteilen waren. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht zu lösen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at