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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.10.2024, RV/5100055/2022

Keine Umsatzsteuerbefreiung für Sachwalterleistungen eines Rechtsanwalts

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Walther Wawronek Steuerberatungsgesellschaft mbH, Linke Wienzeile 4, 1060 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Aufhebung § 299 BAO / USt 2014 und Umsatzsteuer 2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf) übte in den streitgegenständlichen Jahren den Beruf eines Rechtsanwaltes aus. Im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit ist er auch vom Gericht als Sachwalter bestellt worden und erhielt aus dieser Tätigkeit Entschädigungen gem. § 276 ABGB.

In einer gegen die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 eingebrachten Beschwerde führte er im Wesentlichen aus, dass er für eine Vielzahl von Personen als gerichtlich beauftragter Sachwalter tätig war, die ihm dafür zustehenden Entschädigungen seien in § 276 Abs. 1 ABGB geregelt und betragen im Regelfall 5% des Einkommens des Besachwalteten.

Auf die Beschwerdepunkte betr. Einkommensteuer 2014 und 2015 braucht im fortgesetzten Verfahren nicht mehr eingegangen werden.

Artikel 132 Abs.1 lit. g der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie bestimme, dass Dienstleistungen, die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind, von der Umsatzsteuer zu befreien seien. Der Bf erklärt weiters unter Anführung der §§ 268, 273, 275 Abs.2, 276 ABGB und § 130 Außerstreitgesetz, dass die Tätigkeit als gerichtlich bestellter Sachwalter eine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung darstelle: es ergebe sich eindeutig, dass die Tätigkeit als gerichtlich bestellter Sachwalter eine solche sei, die der sozialen Sicherheit diene und auch vom Gericht kontrolliert werde. Es handle sich dabei um eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter. Bei korrekter Umsetzung der betreffenden EU-Mehrwertsteuerrichtlinie seien daher die Entschädigungen, die einem Sachwalter für seine Betreuungstätigkeit zugesprochen werden, von der Umsatzsteuer befreit. Er beruft sich ua auf das , wonach es der 6.Richtlinie 77/388 EWG widerspreche, Bedingungen für die Umsatzsteuerbefreiung zu setzen, wenn diese nicht geeignet sind, die Gleichbehandlung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts mit solchen, die nicht Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, zu gewährleisten.

Das Finanzamt erließ in der Folge hinsichtlich der Umsatzsteuer eine abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE).

Die belangte Behörde führte dabei im Wesentlichen aus, dass die Befreiungsbestimmungen in der Mehrwertsteuerrichtlinie nur für Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderer Einrichtungen mit sozialem Charakter gelte, nicht aber für Einzelpersonen bzw. Einzelunternehmen (unter Hinweis auf ). In einem rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag führte der Bf insbesondere aus, dass das vom Finanzamt angewandte EuGH-Urteil durch das von ihm zitierte überholt sei. Darin sei ausdrücklich festgehalten, dass es nicht zulässig sei, dass eine nationale Regelung unterschiedliche Bedingungen für Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht und jene ohne Gewinnerzielungsabsicht vorsehe.

Am wurde nach einer Revision des Bf betr. Aufhebung gem. § 299 BAO (Umsatzsteuer 2014) sowie Umsatzsteuer 2015 (Ra 2019/13/0014) vom VwGH das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5101412/2018 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) bezog in den beschwerdegegenständlichen Jahren Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt, da er für eine Vielzahl von Personen als gerichtlich beauftragter Sachwalter tätig war. Die ihm dafür zustehenden Entschädigungen seien in § 276 Abs.1 ABGB geregelt und betragen im Regelfall 5% des Einkommens des Besachwalteten.

Vom Bf würden lt. Vorhaltsbeantwortung (zu RV/5100234/2019_USt 2016) Dienste mit sozialem Charakter erbracht, wobei "ca. drei Viertel des Kanzleibetriebes, d.h. auch die Kosten sämtlicher Mitarbeiter der Erbringung von Sachwalterleistungen dienen bzw. mit selbständigen Sozialarbeiter- Organisationen (bspw. MIK-OG, die Adventmission, Auftragssozialarbeit DSA Werner Opat, MOBET -Verein für mobile Betreuung) zusammengearbeitet wird".

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für das Jahr 2014 mit € 57.990,04 und am für 2015 mit € 65.151,18 fest.

In der Beschwerde wurde vom Bf dazu ausgeführt:

Die Beschwerde betr. Umsatzsteuer 2014 richtet sich gegen die in der Bescheidbegründung angeführte Feststellung, dass "die in Rede stehenden Leistungen (Sachwalter Entschädigungen)" nicht in der Auflistung der steuerfreien Umsätze gem. § 6 Abs. 1 UStG enthalten sind und daher "eine Steuerbefreiung nicht angewendet werden kann" und stellen wir den Antrag, die in den Einnahmen des Jahres 2014 enthaltenen Sachwalter Entschädigungen in Höhe von 295.298,38 gem. Artikel 132 Abs. 1 lit. g der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie als umsatzsteuerbefreit zu behandeln.

In der Beschwerde hinsichtlich Umsatzsteuer 2015 wird eingewendet, dass Herr ***Bf1*** für eine Vielzahl von Personen als gerichtlich beauftragter Sachwalter tätig ist. Die ihm dafür zustehenden Entschädigungen sind in § 276 Abs. 1 ABGB geregelt und betragen im Regelfall 5 % des Einkommens des Besachwalteten. Lediglich für Leistungen, die Herr ***Bf1*** in seiner Eigenschaft als Anwalt für den Besachwalteten erbringt, steht ihm ein "angemessenes Entgelt" zu (§ 276 Abs. 2 ABGB).

Weiters wird ausgeführt, dass die Tätigkeit des Sachwalters eine solche ist, die der sozialen Sicherheit dient und auch vom Gericht kontrolliert wird. Es handle sich dabei auch um eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter. Bei korrekter Umsetzung der betreffenden EU-Mehrwertsteuer-Richtlinie seien daher die Entschädigungen, die einem Sachwalter für seine Betreuungstätigkeit zugesprochen werden, von der Umsatzsteuer befreit. Die Einnahmen für seine über die Betreuungstätigkeit hinausgehenden Tätigkeiten (z.B. anwaltliche Leistungen) sind selbstverständlich umsatzsteuerpflichtig.

Zwei Entscheidungen dokumentieren, dass diese Rechtsansicht auch vom EUGH und dem deutschen Bundesfinanzhof geteilt wird:

In der Entscheidung vom in der Rechtssache Ines Zimmermann gegen das Finanzamt Steglitz (Rechtssache C-174/11) stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass es der 6. Richtlinie 77/388 EWG widerspricht, Bedingungen für die Umsatzsteuerbefreiung zu setzen, wenn diese nicht geeignet sind, die Gleichbehandlung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts mit solchen, die nicht Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, zu gewährleisten (s.a. angeschlossenes Erkenntnis des EUGH -Anlage 2). Die Entscheidung kommt zu dem Schluss, dass es die Mehrwertsteuer Richtlinie aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet, die Mehrwertsteuerbefreiung von einer Bedingung abhängig zu machen. Der deutsche Bundesfinanzhof kommt im Urteil zur Rechtssache Marietheres Driessen gegen das Finanzamt Kleve (Az. V R 7/11 - Anlage 3) zu dem gleichen Ergebnis.

Ein Schreiben der Volksanwaltschaft (Dr. Gertrude Brinek) an den Bundesminister für Finanzen vom , in dem sogar von einem "Missstand in der Finanzverwaltung" gesprochen wird, beweise, dass auch die Volksanwaltschaft der Meinung ist, dass die Vorschreibung von Umsatzsteuer für die Entschädigungen als Sachwalter nicht der EU- Mehrwertsteuerrichtlinie entsprechen würde (s. Anlage 4). Herr ***Bf1*** hat im Jahr 2015 im Rahmen seiner Sachwaltertätigkeit Entschädigungen von insgesamt 317.114,84 erhalten (Anlage 5), für die unrichtigerweise und entgegen Art. 132 Abs.1 lit. g der EU-Umsatzsteuer-Richtlinie Umsatzsteuer in Höhe von 63.422,96 1t. Umsatzsteuerbescheid 2015 vorgeschrieben worden sei.

Strittig ist die Beurteilung der Einkünfte des Rechtsanwaltes, die er für seine sachwalterische Tätigkeit erhielt. Während der Bf die Ansicht vertritt, derartige Einkünfte seien nach dem Unionsrecht (Art. 132 Abs. 1 lit. g Mehrwertsteuersystem-Richtlinie) umsatzsteuerbefreit, ist das Finanzamt der Meinung, dass diese Einkünfte gem. § 10 Abs. 1 UStG 1994 mit dem Normalsteuersatz steuerpflichtig wären.

Das Finanzamt erließ in der Folge hinsichtlich der Umsatzsteuer eine abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE).

Mit Eingabe vom beantragte der Revisionswerber gem. § 299 BAO die Aufhebung und Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 2014.

Betr. Aufhebung gem. § 299 BAO (Umsatzsteuer 2014) sowie Umsatzsteuer 2015 (Ra 2019/13/0014) wurde vom VwGH das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5101412/2018 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren ist die Beschwerde nunmehr anhand des zitierten VwGH-Erkenntnisses neuerlich zu beurteilen.

2. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen. Der festgestellte Sachverhalt, der sich aus dem elektronisch vorgelegten Akt, dem Beschwerdevorbringen, den Vorhaltsbeantwortungen sowie den erteilten Auskünften und Stellungnahmen samt den eingereichten Unterlagen ergibt, kann gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden. Von der belangten Behörde wurde das Vorliegen einer Einrichtung mit sozialem Charakter iSd Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL unter Hinweis auf die Judikatur (vgl. ) verneint und folglich die Steuerfreiheit der Sachwalterleistungen versagt. Der Bf geht hingegen aufgrund der EuGH-judikatur vom Vorliegen einer solchen Einrichtung aus und beantragt deshalb die Steuerfreiheit der gegenständlichen Entschädigungen.

Bezüglich weiterer Erwägungen zur Beweiswürdigung wird auf die Ausführungen unter Punkt 3.1.2. dieses Erkenntnisses, die verständnishalber im Kontext mit der rechtlichen Beurteilung behandelt wird, verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Folgende Bestimmungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) sind im Beschwerdefall relevant:

KAPITEL 2

Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten

Artikel 132

(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

[...]

g) eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden;

Artikel 133

Die Mitgliedstaaten können die Gewährung der Befreiungen nach Artikel 132 Absatz 1 Buchstaben b, g, h, i, l, m und n für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Einzelfall von der Erfüllung einer oder mehrerer der folgenden Bedingungen abhängig machen:

a) Die betreffenden Einrichtungen dürfen keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden.

[...]"

Gem. § 1 Abs 1 Z 1 UStG 1994 unterliegen ua Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Die Steuerbarkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt.

Gem. § 6 Abs 1 UStG 1994 sind von den unter § 1 Abs 1 Z 1 UStG 1994 fallenden Umsätzen ua steuerfrei:

Z 7. die Umsätze der Träger der Sozialversicherung und ihrer Verbände, der Krankenfürsorgeeinrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 2 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 200/1967, und der Träger des öffentlichen Fürsorgewesens untereinander und an die Versicherten, die mitversicherten Familienangehörigen, die Versorgungsberechtigten oder die Hilfeempfänger oder die zum Ersatz von Fürsorgekosten Verpflichteten;

[...]

Z 18. die Umsätze der Kranken- und Pflegeanstalten, der Alters-, Blinden- und Siechenheime sowie jener Anstalten, die eine Bewilligung als Kuranstalt oder Kureinrichtung nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften über natürliche Heilvorkommen und Kurorte besitzen, soweit sie von Körperschaften des öffentlichen Rechts bewirkt werden und es sich um Leistungen handelt, die unmittelbar mit der Kranken- oder Kurbehandlung oder unmittelbar mit der Betreuung der Pfleglinge im Zusammenhang stehen;

[...]

Z 25 die in den Ziffern 18, 23 und 24 genannten Leistungen, sofern sie von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 34 bis 47 der Bundesabgabenordnung), bewirkt werden. Dies gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, eines Gewerbebetriebes oder eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes im Sinne des § 45 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung ausgeführt werden;

[...]

Die Bestimmungen der zitierten Ziffern 7 und 18 des § 6 Abs 1 UStG 1994 dienten, wie aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl 1994/663 (Stammfassung), hervorgeht (vgl ErläutRV 1715 BlgNR 18. GP, Seiten 52 und 54), der Umsetzung von Art 13 Teil A Abs 1 lit g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom (im Folgenden nur "Sechste Richtlinie"), der Vorgängerbestimmung des Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL.

Zivilrechtliche Bestimmungen betreffend das Sachwalterrecht

Die Bestimmungen zum Sachwalterrecht im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) lauteten in der im Beschwerdefall noch maßgebenden Fassung vor dem 2. Erwachsenenschutz Gesetz (BGBl I Nr 2017/59) wie folgt:

§ 268. (1) Vermag eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist (behinderte Person), alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, so ist ihr auf ihren Antrag oder von Amts wegen dazu ein Sachwalter zu bestellen.

[...]

(3) Je nach Ausmaß der Behinderung sowie Art und Umfang der zu besorgenden Angelegenheiten ist der Sachwalter zu betrauen

1. mit der Besorgung einzelner Angelegenheiten, etwa der Durchsetzung oder der Abwehr eines Anspruchs oder der Eingehung und der Abwicklung eines Rechtsgeschäfts,

2. mit der Besorgung eines bestimmten Kreises von Angelegenheiten, etwa der Verwaltung eines Teiles oder des gesamten Vermögens, oder

3. soweit dies unvermeidlich ist, mit der Besorgung aller Angelegenheiten der behinderten Person. [...]

§ 274 (1) [...]

(2) Ein Rechtsanwalt oder Notar kann die Übernahme einer Sachwalterschaft (Kuratel) nur ablehnen, wenn ihm diese unter Berücksichtigung seiner persönlichen, familiären, beruflichen und sonstigen Verhältnisse nicht zugemutet werden kann. Dies wird bei mehr als fünf Sachwalterschaften (Kuratelen) vermutet.

§ 275 (1) Die Sachwalterschaft (Kuratel) umfasst alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die dem Sachwalter (Kurator) übertragenen Angelegenheiten zu besorgen. Der Sachwalter (Kurator) hat dabei das Wohl des Pflegebefohlenen bestmöglich zu fördern.

[...]

§ 276 (1) Dem Sachwalter (Kurator) gebührt unter Bedachtnahme auf Art und Umfang seiner Tätigkeit, insbesondere auch im Bereich der Personensorge, und des damit gewöhnlich verbundenen Aufwands an Zeit und Mühe eine jährliche Entschädigung. Diese beträgt fünf Prozent sämtlicher Einkünfte nach Abzug der hievon zu entrichtenden Steuern und Abgaben, wobei Bezüge, die kraft besonderer gesetzlicher Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen, nicht als Einkünfte zu berücksichtigen sind; bei besonders umfangreichen und erfolgreichen Bemühungen des Sachwalters kann das Gericht die Entschädigung auch mit bis zu zehn Prozent dieser Einkünfte bemessen. Übersteigt der Wert des Vermögens des Pflegebefohlenen 10 000 Euro, so ist darüber hinaus pro Jahr zwei Prozent des Mehrbetrags an Entschädigung zu gewähren. Das Gericht hat die Entschädigung zu mindern, wenn es dies aus besonderen Gründen für angemessen hält.

(2) Nützt der Sachwalter (Kurator) für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst einem Dritten entgeltlich übertragen werden müsste, seine besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, so hat er hiefür einen Anspruch auf angemessenes Entgelt. Dieser Anspruch besteht für die Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung jedoch nicht, soweit beim Pflegebefohlenen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben sind oder diese Kosten nach gesetzlichen Vorschriften vom Gegner ersetzt werden.

(3) Die zur zweckentsprechenden Ausübung der Sachwalterschaft (Kuratel) notwendigen Barauslagen, die tatsächlichen Aufwendungen und die Kosten einer zur Deckung der Haftung nach § 277 abgeschlossenen Haftpflichtversicherung sind dem Sachwalter vom Pflegebefohlenen jedenfalls zu erstatten, soweit sie nach gesetzlichen Vorschriften nicht unmittelbar von Dritten getragen werden.

(4) Ansprüche nach den vorstehenden Absätzen bestehen insoweit nicht, als durch sie die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Pflegebefohlenen gefährdet wäre.

§ 278. (1) Das Gericht hat die Sachwalterschaft (Kuratel) auf Antrag oder von Amts wegen einer anderen Person zu übertragen, wenn der Sachwalter (Kurator) stirbt, nicht die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amtes nicht zugemutet werden kann, einer der Umstände des § 273 Abs. 2 eintritt oder bekannt wird oder das Wohl des Pflegebefohlenen dies aus anderen Gründen erfordert.

[...]

(3) Das Gericht hat in angemessenen, fünf Jahre nicht überschreitenden Zeitabständen zu prüfen, ob das Wohl des Pflegebefohlenen die Beendigung oder Änderung der Sachwalterschaft (Kuratel) erfordert.

§ 279. (1) Bei der Auswahl des Sachwalters ist besonders auf die Bedürfnisse der behinderten Person und darauf Bedacht zu nehmen, dass der Sachwalter nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung zu einer Krankenanstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung steht, in der sich die behinderte Person aufhält oder von der sie betreut wird. Wünsche der behinderten Person, insbesondere solche, die sie vor Verlust der Geschäftsfähigkeit und Einsichts- und Urteilsfähigkeit geäußert hat (Sachwalterverfügung), und Anregungen nahestehender Personen sind zu berücksichtigen, sofern sie dem Wohl der behinderten Person entsprechen.

(2) Einer behinderten Person ist eine geeignete, ihr nahestehende Person zum Sachwalter zu bestellen. Wird eine behinderte Person volljährig, so ist ein bisher mit der Obsorge betrauter Elternteil zum Sachwalter zu bestellen, sofern dies dem Wohl der behinderten Person nicht widerspricht.

(3) Ist eine geeignete, nahestehende Person nicht verfügbar, so ist ein geeigneter Verein mit dessen Zustimmung zum Sachwalter zu bestellen. Kommt auch ein Verein nicht in Betracht, so ist nach Maßgabe des § 274 Abs. 2 ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) oder eine andere geeignete Person mit deren Zustimmung zu bestellen.

(4) Ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) ist vor allem dann zum Sachwalter zu bestellen, wenn die Besorgung der Angelegenheiten vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert, ein geeigneter Verein vor allem dann, wenn sonst besondere Anforderungen mit der Sachwalterschaft verbunden sind.

(5) Eine Person darf nur so viele Sachwalterschaften übernehmen, wie sie unter Bedachtnahme auf die Pflichten eines Sachwalters, insbesondere jene zur persönlichen Kontaktnahme, ordnungsgemäß besorgen kann. Es wird vermutet, dass eine Person - ausgenommen ein geeigneter Verein - insgesamt nicht mehr als fünf, ein Rechtsanwalt oder Notar nicht mehr als 25 Sachwalterschaften übernehmen kann; Sachwalterschaften zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bleiben dabei außer Betracht.

§ 282. Der Sachwalter hat mit der behinderten Person in dem nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen Ausmaß persönlichen Kontakt zu halten und sich darum zu bemühen, dass der behinderten Person die gebotene ärztliche und soziale Betreuung gewährt wird. Sofern der Sachwalter nicht bloß zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bestellt ist, soll der Kontakt mindestens einmal im Monat stattfinden.

§ 130 Außerstreitgesetz (AußStrG) idF BGBl I 2006/92 lautet:

Der Sachwalter hat dem Gericht in angemessenen Abständen, mindestens jedoch jährlich, über seine persönlichen Kontakte mit der betroffenen Person, deren Lebensverhältnisse sowie deren geistiges und körperliches Befinden zu berichten. Das Gericht kann dem Sachwalter auch einen Auftrag zu einem solchen Bericht erteilen.

§ 137 AußStrG idF BGBl I 2003/111 lautet:

(1) Ergeben sich keine Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechnung, so hat sie das Gericht zu bestätigen. Sonst ist der gesetzliche Vertreter aufzufordern, die Rechnung entsprechend zu ergänzen oder zu berichtigen; misslingt dies, so ist die Bestätigung zu versagen. Soweit das Vermögen oder die Einkünfte nicht gesetzmäßig angelegt oder gesichert erscheinen, hat das Gericht die erforderlichen Maßnahmen nach § 133 Abs. 4 zu treffen.

(2) Zugleich mit der Entscheidung hat das Gericht über Anträge des gesetzlichen Vertreters auf Gewährung von Entgelt, Entschädigung für persönliche Bemühungen und Aufwandersatz zu entscheiden. Auf Antrag hat das Gericht die zur Befriedigung dieser Ansprüche aus den Einkünften oder dem Vermögen des Pflegebefohlenen notwendigen Verfügungen zu treffen, erforderlichenfalls den Pflegebefohlenen zu einer entsprechenden Leistung zu verpflichten. Beantragt der gesetzliche Vertreter Vorschüsse auf Entgelt, Entschädigung oder Aufwandersatz, so hat sie ihm das Gericht zu gewähren, soweit er bescheinigt, dass dies die ordnungsgemäße Vermögensverwaltung fördert.

(3) Die Entscheidung über die Rechnung beschränkt nicht das Recht des Pflegebefohlenen, Ansprüche, die sich aus der Vermögensverwaltung ergeben, auf dem streitigen Rechtsweg geltend zu machen.

3.1.2. Erwägungen

Im aufhebenden Erkenntnis () verwies der VwGH auf die Entscheidungsgründe in , als einem dem Beschwerdefall vergleichbaren Fall.

Der VwGH hielt in Ra 2019/13/0025 fest, dass Leistungen eines Rechtsanwalts, die dieser als vom Gericht bestellter Sachwalter erbringt, nach dem UStG steuerpflichtig sind, da das nationale Recht keine Befreiungsbestimmung vorsieht (Rz 20).

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob ein Rechtsanwalt unter unmittelbarer Anwendung des Art 132 Abs 1 lit. g der Richtlinie 2006/112/EG eine unechte Steuerbefreiung geltend machen kann.

Nach der Judikatur des EuGH (C-174/11) können die selbständigen Leistungen einer Krankenschwester in der ambulanten Pflege als "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden" im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. g der sechsten Richtlinie angesehen werden. Die angeführten Leistungen einer Krankenschwester sind nach Ansicht des erkennenden Richters aber nicht mit der beschwerdegegenständlichen Tätigkeit des Bf als gerichtlich bestellter Sachwalter vergleichbar. Vom VwGH wird - unter Hinweis auf EuGH C-846/19 - die Tätigkeit des Sachwalters zwar als mit Gemeinwohlinteressen verbunden angesehen, wodurch aber noch nicht automatisch auch eine Einrichtung mit sozialem Charakter iSd Art 132 Abs. 1 lit g MwStSystRL gegeben ist.

Lt. EuGH sind die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen in der MwStSystRL umschrieben sind, eng auszulegen, da diese Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl entsprechend zur Sechsten Richtlinie , United Utilities, Rn 21; , C-141/00, Kügler, Rn 28 und Rn 37).

Wie aus der Rechtsprechung des EuGH hervorgeht, ist die Prüfung, ob ein Mitgliedstaat das ihm von der Richtlinie eingeräumte Ermessen beachtet, allerdings nicht nur anhand der nationalen Gesetze vorzunehmen, sondern auch unter Berücksichtigung der Praxis der zuständigen Verwaltung in ähnlichen Fällen (vgl , Kügler, Rn 56 f). Es ist daher im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung im Beschwerdefall wesentlich, ob andere Steuerpflichtige, die unter vergleichbaren Umständen wie die Bf Sachwalterleistungen erbringen, von der im Streitzeitraum geübten allgemeinen Verwaltungspraxis bereits als Einrichtungen mit sozialem Charakter iSd Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL anerkannt und deswegen von der Umsatzsteuer befreit wurden (vgl , Rn 41).

Wenn in der allgemeinen Verwaltungspraxis etwa gemeinnützige Vereine gestützt auf Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt und deswegen - also auf Basis dieser konkreten Richtlinienbestimmung - von der Umsatzsteuer befreit worden wären, müsste diese Begünstigung auch den anderen Sachwaltern, die unter denselben Bedingungen tätig werden, gewährt werden (Lachmayer, Umsatzsteuerpflicht eines Sachwalters, iFamZ 2022, 77 [79]).

Der VwGH führte zu Sachwaltertätigkeiten von Rechtsanwälten mit umfangreichen Verweisen auf das , Administration de l'Enregistrement, des Domaines et de la TVA, wie folgt aus () aus:

Dem Grunde nach liegen bei den Leistungen als vom Gericht bestellter Sachwalter gemäß § 268 Abs. 1 ABGB eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen iSd Art 132 Abs 1 MwStSystRL vor (Rz 29). Es ist aber zu beachten, dass Tätigkeiten der Beratung rechtlicher Art, die mit den speziellen Kenntnissen eines Anwalts verbunden sind, nicht in den Bereich der Steuerbefreiung fallen, selbst wenn sie im Kontext der einer nicht geschäftsfähigen Person geleisteten Unterstützung erbracht werden (siehe Rz 28).

Der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist zum Vorliegen einer "als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung" als weitere Voraussetzung zur Anwendung des Art 132 Abs 1 lit. g MwStSystRL folgendes zu entnehmen:

Der nationale Gesetzgeber hat von der Möglichkeit der Beschränkung der Befreiung auf Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, für die Leistungen eines Sachwalters keinen Gebrauch gemacht (Rz 33). Damit ist ein (gewinnorientierter) Rechtsanwalt nicht per se von der Befreiung ausgeschlossen.

Die gerichtliche Bestellung eines Rechtsanwalts zum Sachwalter im Einzelfall begründet noch nicht die Anerkennung dieses (konkreten) Rechtsanwalts als "Einrichtung mit sozialem Charakter". Es ist nicht ausreichend, wenn dieser auch Leistungen mit sozialem Charakter erbringt. Entscheidend ist, ob ein Rechtsanwalt sein Unternehmen unter Bedingungen betreibt, die eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter rechtfertigen (Rz 34).

Für die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter ist nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt nur mehr Leistungen als Sachwalter erbringt. Anwaltliche Leistungen im Rahmen von Sachwalterschaften oder auch außerhalb sind aber steuerlich nicht begünstigt (Rz 35).

Ob eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter zu erfolgen hat, ist anhand sämtlicher maßgeblicher Umstände zu prüfen. Wenn eines dieser Kriterien, die sich in EuGH C 846/19, Rn. 70 und Rn. 83 bis 87, finden, nicht erfüllt ist, schließt dies eine Anerkennung im Rahmen der Gesamtabwägung nicht jedenfalls aus (Rz 36 ff).

Zu den einzelnen vom EuGH genannten Kriterien hielt der VwGH fest:

1. In Österreich liegen entsprechende spezifische Vorschriften vor, wonach ein Sachwalter vom Gericht zu bestellen ist, wenn eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist, alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen vermag (§ 268 Abs 1 ABGB). Die Tätigkeit des Sachwalters wird vom Gericht regelmäßig überprüft; der Sachwalter hat hierzu in angemessenen Abständen (mindestens jährlich) dem Gericht zu berichten (§ 130 AußStrG). Das Entgelt (und die "Entschädigung") des Sachwalters werden gemäß § 137 Abs 2 AußStrG vom Gericht festgesetzt (Rz 37).

2. Dass mit der Tätigkeit des Sachwalters Gemeinwohlinteresse verbunden ist, ist unbestritten und evident (Rz 38 mit Verweis auf ).

3. Die Kosten der Leistungen werden jedoch in Österreich nicht von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen. Das Entgelt (und die Entschädigung) des Sachwalters sind nach der österreichischen Rechtslage von der betroffenen Person selbst zu tragen. Diese Ansprüche des Sachwalters bestehen insoweit nicht, als durch sie die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Pflegebefohlenen gefährdet wäre (Rz 38 und 39).

4. Nicht beurteilen konnte der VwGH aufgrund fehlender Feststellungen des Bundesfinanzgerichts die hinsichtlich der Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität wesentliche Frage, ob anderen Steuerpflichtigen (etwa gemeinnützigen Vereinen) unter entsprechenden Umständen bereits eine vergleichbare Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter gewährt wurde. Es kommt dazu insbesondere auch auf die Praxis der Verwaltung in ähnlichen Fällen an (Rz 40).

Im fortgesetzten Verfahren war daher obgenannter Pkt. 4 zu überprüfen und im Anschluss eine Gesamtabwägung der angeführten Aspekte vorzunehmen. Zu diesem Zweck wurde im Hinblick auf das VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2019/13/0014 die Abgabenbehörde um eine Stellungnahme ersucht, ob anderen Steuerpflichtigen (etwa gemeinnützigen Vereinen) unter vergleichbaren Umständen bereits eine entsprechende Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter gewährt wurde.

In der Vorhaltsbeantwortung vom führte die Abgabenbehörde dazu Folgendes aus:

Gem. § 1 Abs. 1 der VO der Bundesministerin für Justiz über die Feststellung der Eignung von Vereinen, zum Sachwalter bestellt zu werden sowie Patientenanwälte und Bewohnervertreter namhaft zu machen, BGBl. II Nr. 117/2007, wurde im streitigen Zeitraum eine derartige Eignung für vierVereine festgestellt.

Nach der im Streitzeitraum geltenden Rechtslage und geübten allgemeinen Verwaltungspraxis wurde jedoch kein Steuerpflichtiger (weder Sachwaltervereine noch andere Steuerpflichtige), der Sachwalterleistungen erbracht hat, als Einrichtung mit sozialem Charakter iSd Art. 132 Abs. 1 lit. g RL 2006/112/EG anerkannt und deswegen von der Umsatzsteuer befreit. Diese Beurteilung entspricht den im Streitzeitraum anzuwendenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie der ständigen Rechtsprechung des EuGH, wonach eine unternehmerische Tätigkeit zu verneinen ist, wenn sich der Steuerpflichtige nicht "marktkonform" verhält. In seinem Urteil vom , C-846/19, EQ, hat der EuGH zur Frage der unternehmerischen Tätigkeit ausgeführt, dass diese Prüfung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände vorzunehmen ist, unter denen diese Tätigkeit ausgeübt wird und diese Prüfung letzten Endes dem vorlegenden Gericht Vorbehalten (vgl. , EQ Rn 53 und Rn 54 mVA , Enkler). Bei dieser Prüfung ist das Vorliegen der Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen mit dem Fehlen jeglicher Gewinnerzielungsabsicht nicht nur ein Indiz für das Fehlen einer unternehmerischen Tätigkeit (vgl. Schlussantrag zu EuGH C-846/19, EQ, Rn 102), sondern auch ein maßgebliches Kriterium worin sich die Ausübungsmodalitäten der nicht unternehmerisch tätigen Vereine von denen des Beschwerdeführers unterscheiden.

Diese Ausführungen gelten sinngemäß auch für andere Steuerpflichtige, wie beispielsweise nahe Angehörige, die vom Gericht zum Sachwalter bestellt werden. Sofern solche Personen mit ihren Sachwaltertätigkeiten überhaupt unternehmerisch tätig sind, sind ihre Leistungen steuerpflichtig, außer es kommt die (persönliche) Kleinunternehmerbefreiung zur Anwendung.

Da somit feststeht, dass es im Beschwerdezeitraum für Steuerpflichtige keine Anerkennungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter iSd Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL gab, die von der Umsatzsteuer befreit wurden und nach Maßgabe der einschlägigen zivilrechtlichen Bestimmungen, wonach die Entgelte und Entschädigung des Sachwalters nicht von öffentlichen Stellen, sondern grundsätzlich von der betroffenen Person selbst zu tragen sind, liegen im Ergebnis allerdings keine für die Annahme einer zwingenden unionsrechtlichen Umsatzsteuerbefreiung hinreichenden Anhaltspunkte vor (vgl. ).

Der VwGH misst für die Anerkennung von als Sachwalter tätigen Rechtsanwälten als Einrichtung mit sozialem Charakter der Wahrung der Steuerneutralität entscheidende Bedeutung bei (, Rn 40 und 41). Vom BFG (RV/7100763/2022) wurde diese Frage im Hinblick auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität ausgelegt. Dieser sieht vor, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Da bislang weder gemeinnützige Sachwaltervereine noch andere Personen in den Genuss der USt Befreiung iSd Art 132 Abs. 1 lit g MwStSystRL gekommen waren, wird auch der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht verletzt.

Das österreichische Umsatzsteuerrecht sieht nicht vor, dass ein (anderer als die in § 6 Abs 1 Z 7, 18, 23 oder 24 UStG 1994 aufgezählten) Rechtsträger als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt würde (vgl , Rn 34), weshalb insoweit bei der Umsetzung des Art 132 Abs 1 lit g MwStSystRL kein Widerspruch der Bestimmungen des UStG 1994 mit dem Grundsatz der Steuerneutralität ersichtlich ist (vgl. ).

Somit sprechen für eine Anerkennung des Bf als Einrichtung mit sozialem Charakter aber lediglich das Bestehen spezifischer Vorschriften und das mit dessen Tätigkeit verbundene Gemeinwohlinteresse. Zudem sind das Entgelt und die Entschädigung des Sachwalters in Österreich nicht von öffentlichen Stellen, sondern grundsätzlich von der betroffenen Person selbst zu tragen (vgl dazu auch Lachmayer, Umsatzsteuerpflicht eines Sachwalters, iFamZ 2022, 77 [78]). Ebenso spricht der Vergleich mit der steuerlichen Behandlung anderer Steuerpflichtiger bzgl. des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität gegen eine Anerkennung der Bf als Einrichtung mit sozialem Charakter.

Der Umstand, dass vom Bf lt. Vorhaltsbeantwortung (zu RV/5100234/2019_USt 2016) "ca. drei Viertel des Kanzleibetriebes, d.h. auch die Kosten sämtlicher Mitarbeiter der Erbringung von Sachwalterleistungen dienen bzw. mit selbständigen Sozialarbeiter- Organisationen (bspw. MIK-OG, die Adventmission, Auftragssozialarbeit DSA Werner Opat, MOBET -Verein für mobile Betreuung) zusammengearbeitet wird", reicht nach der zitierten Judikatur noch nicht aus, um vom Vorliegen einer Einrichtung mit sozialem Charakter ausgehen zu können. Zudem kommen die angeführten Organisationen lt. belangter Behörde (vgl. Vorhaltsbeantwortung vom ) gem. der zitierten VO der Bundesministerin für Justiz gar nicht für eine Bestellung als Sachwalter in Betracht.

Bei den übrigen vom Bf eingewendeten Punkten ist aufgrund der Rechtsprechung festzuhalten, dass die Sachwaltertätigkeit eines Rechtsanwalts zwar unbestritten dem Gemeinwohl dient, aber deshalb - auch bei gerichtlicher Bestellung - damit noch nicht automatisch die Anerkennung als "Einrichtung mit sozialem Charakter" verbunden ist. Es ist dabei nicht ausreichend, wenn der Bf - wie aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich - als Sachwalter unstrittig häufig Leistungen mit sozialem Charakter erbringt. Ein Rechtsanwalt müsste demnach sein Unternehmen unter Bedingungen betreiben, die eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter rechtfertigt. Ein Nachweis für das Vorliegen dieser Voraussetzung konnte vom Bf im vorliegenden Fall aber nicht erbracht werden. Bei Abwägung sämtlicher Aspekte sind nach Ansicht des erkennenden Richters somit die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit im konkreten Fall nicht gegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da dem VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2019/13/0025 im fortgesetzten Verfahren durch das BFG Rechnung getragen wurde, war eine Revision nicht zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



EuGH, C-846/19






ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100055.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at