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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 09.07.2024, RV/7102061/2024

Bescheid weist im Kopf und Fertigungsklausel ein im Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr existentes Finanzamt aus

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den undatierten Bescheid des im Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr existenten Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf, versendet durch das Finanzamt Österreich am betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zur Steuernummer ***1*** beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Begründung

Mit Schriftsatz vom brachte der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) beim "Finanzamt Wien, z.H. Frau ***S***, FA 08-***xxx***, Marxergasse 4, 1030 Wien" folgende Bescheidbeschwerde ein:

"Betreff: Zusendung Haftungsbescheid

Abgabenkonto ***BF1StNr1***

Sehr geehrte Frau ***S***,

zwischen dem 05.01. und wurde mir eine undatierte Kopie eines Haftungsbescheides zugestellt.

Bezugnehmend auf die Geschehnisse zwischen 2016 und 2022 kann ich diese Zustellung nicht einordnen.

Ich gehe davon aus, dass der Bescheid erneut nicht wirksam zugestellt wurde. Andernfalls lege ich hiermit rein vorsorglich fristgerecht Widerspruch ein. (….)"

Die weitere Begründung wird mangels Entscheidungsrelevanz nicht wiedergegeben.

Der angefochtene undatierte Haftungsbescheid, mit dem der Bf. als Haftungspflichtiger für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der "***Firma1***" im Ausmaß von € 96.250,50 gemäß §§ 9 und 80 BAO in Anspruch genommen wird, weist als bescheiderlassende Behörde das (ehemalige) Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf aus.

Anmerkung BFG: Dieser Bescheid wurde bereits im Mai 2017 versendet, wurde jedoch mit dem Vermerk "Empfänger an der angegebenen Adresse nicht zu ermitteln" retourniert.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt Österreich, DST Nr. 08, die Beschwerde als unbegründet ab.

Mit einem an das Finanzamt Österreich adressierten Schriftsatz vom beantragte der Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Die Vorlage der Beschwerde an das BFG erfolgte mit Vorlagebericht vom .

Erwägungen:

Gemäß § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gemäß § 96 Abs. 1 BAO müssen alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, dass die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist.

§ 323b BAO trägt die Überschrift "Übergangsbestimmungen im Zusammenhang mit der Finanz-Organisationsreform 2020" und normiert:

(1) Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes. Das Zollamt Österreich tritt am an die Stelle der am zuständig gewesenen Zollämter.

(2) Die am bei einem Finanzamt oder Zollamt anhängigen Verfahren werden von der jeweils am zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.

(3) Eine vor dem von der zuständigen Abgabenbehörde des Bundes genehmigte Erledigung, die erst nach dem wirksam wird, gilt als Erledigung der im Zeitpunkt des Wirksamwerdens für die jeweilige Angelegenheit zuständigen Abgabenbehörde.

(6) Bis können Anbringen, für deren Behandlung entweder das Finanzamt Österreich, das Finanzamt für Großbetriebe oder das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig ist, auch unter Verwendung der Bezeichnung der Finanzämter gemäß § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 (AVOG 2010 - DV), BGBl. II Nr. 165/2010, in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 375/2016, sowie unter Verwendung der zum kundgemachten Anschriften der Finanzämter wirksam eingebracht werden.

Im Zeitpunkt der Erlassung (Zustellung) des Haftungsbescheides - das war im Jänner 2022 - war das Finanzamt 12/13/14 Purkersdorf rechtlich nicht mehr existent, Rechtsnachfolger ist seit das Finanzamt Österreich.

Die Bezeichnung der Behörde ist ein wesentliches Merkmal, dessen Fehlen zur absoluten Nichtigkeit führt (). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Erfordernis der Bezeichnung der Behörde Rechnung getragen, wenn - nach objektiven Gesichtspunkten für jedermann, also unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Adressaten des Schriftstückes - erkennbar ist, von welcher Behörde die Erledigung erlassen wurde (vgl. ; , 2002/16/0231, jeweils mwN). Ob und welcher Behörde eine Erledigung zuzurechnen ist, ist somit anhand ihres äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfes, des Spruches und seiner Einleitung, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung zu beurteilen (vgl. , mwN). Es ist demnach nicht von Bedeutung, an welcher Stelle der Erledigung die Behörde genannt ist (vgl. ; , 2008/15/0008, jeweils mwN).

Der hier in Rede stehende Haftungsbescheid weist sowohl im Kopf als auch in der Signatur das (nicht mehr existente) Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf aus. In der Rechtsmittelbelehrung wird ausgeführt, dass gegen diesen Bescheid …bei dem vorbezeichneten Amt das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht werden kann.

Die Anführung der Behörde auf dem Kuvert reicht nicht aus (, A 32/97).

§ 323b BAO normiert zwar, dass eine vor dem von der zuständigen Abgabenbehörde des Bundes genehmigte Erledigung, die erst nach dem wirksam wird, als Erledigung der im Zeitpunkt des Wirksamwerdens für die jeweilige Angelegenheit zuständigen Abgabenbehörde gilt, allerdings handelt es sich hier um eine Übergangsbestimmung. Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass eine noch vor dem approbierte Erledigung, die aufgrund des Postlaufes erst nach dem wirksam (zugestellt) wird, nichtig ist.

Nach Ansicht des BFG kann diese Bestimmung nicht unter den vorliegenden Fall subsumiert werden, da hier, wie sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Akten ergibt, der Haftungsbescheid bereits im Jahr 2017 approbiert und nunmehr mangels bisheriger wirksamer Zustellung im Jahr 2022 unverändert neuerlich versendet wurde.

Weiters sieht die in § 323b Abs. 6 BAO enthaltene Übergangsbestimmung vor, dass Anbringen, für deren Behandlung das Finanzamt Österreich zuständig ist, bis zum auch unter Verwendung der Bezeichnung der Finanzämter gemäß § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 (AVOG 2010 - DV), BGBl. II Nr. 165/2010, in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 375/2016, sowie unter Verwendung der zum kundgemachten Anschriften der Finanzämter wirksam eingebracht werden können.

Vor diesem Hintergrund kann es nicht zulässig sein, dass ein im Jahr 2021 versendeter Bescheid, der eine nicht mehr bestehende Abgabenbehörde ausweist, Rechtswirkungen entfaltet, hingegen eine an die in diesem Bescheid ausgewiesene Behörde gerichtete Beschwerde (§ 323b Abs. 6 BAO zufolge) unzulässig wäre.

Bemerkt wird, dass die Beschwerde an "das Finanzamt Wien" gerichtet ist.

Der hier gegenständlich im Jänner 2022 vom Finanzamt Österreich, Dienststelle Wien 12/13/14 Purkersdorf, versendete undatierte Haftungsbescheid weist eine nicht mehr existente Behörde aus und ist somit absolut nichtig.

Da eine Bescheidbeschwerde bei mangelnder Bescheidqualität unzulässig ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage, ob § 323b Abs. 3 BAO für diesen Fall anwendbar ist, wird eine ordentliche Revision zugelassen, da weder eine höchstgerichtliche noch eine Judikatur des Bundesfinanzgerichtes vorliegt. Darüber hinaus ist eine ordentliche Revision gegen diesen Beschluss mangels Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323b Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 96 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise






, A 32/97
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102061.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at