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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.08.2024, RV/7104767/2019

Nichtfestsetzung von Abgaben gemäß § 206 Abs. 1 lit. b BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren Umsatzsteuer 2012, Festsetzung von Umsatzsteuer für 12/2016 sowie Körperschaftsteuer 2012 und Sachbescheide betreffend Umsatzsteuer 2012, Körperschaftsteuer 2012, die Festsetzung von Umsatzsteuer für 10-12/2015 und 12/2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Von der Festsetzung dieser Abgaben wird gemäß § 206 Abs. 1 lit b BAO Abstand genommen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Nach der Aktenlage fand bei der Beschwerdeführerin eine den Prüfungszeitraum 2012 bis 2014 und den Nachschauzeitraum 1/2015 bis 12/2016 umfassende Außenprüfung statt (Bericht vom ). Gegen die auf Grundlage der Feststellungen dieser Prüfung am ergangenen Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren Umsatzsteuer 2012, Festsetzung von Umsatzsteuer für 12/2016 sowie Körperschaftsteuer 2012 und Sachbescheide betreffend Umsatzsteuer 2012, Körperschaftsteuer 2012, die Festsetzung von Umsatzsteuer für 10-12/2015 und 12/2016 sowie gegen den Haftungs- und Abgabenbescheid (Kapitalertragsteuer) für die Jahre 2013, 2015 und 2016 wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren Umsatzsteuer 2012, Festsetzung von Umsatzsteuer für 12/2016 sowie Körperschaftsteuer 2012 und Sachbescheide betreffend Umsatzsteuer 2012, Körperschaftsteuer 2012, die Festsetzung von Umsatzsteuer für 10-12/2015 und 12/2016 als unbegründet ab und gab der Beschwerde gegen den Haftungs- und Abgabenbescheid (Kapitalertragsteuer) für die Jahre 2013, 2015 und 2016 statt.

Die (damalige) steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin brachte mit Schreiben vom fristgerecht einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren Umsatzsteuer 2012, Festsetzung von Umsatzsteuer für 12/2016 sowie Körperschaftsteuer 2012 und Sachbescheide betreffend Umsatzsteuer 2012, Körperschaftsteuer 2012, die Festsetzung von Umsatzsteuer für 10-12/2015 und 12/2016 zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht ein.

Das Finanzamt legte die Beschwerde am zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 206 Abs. 1 lit b BAO, BGBl. Nr. 194/1961, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2013, kann die Abgabenbehörde von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen, soweit im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch gegenüber dem Abgabenschuldner nicht durchsetzbar sein wird.

Nach Abs. 2 leg.cit. erlischt durch die Abstandnahme (Abs. 1) der Abgabenanspruch (§ 4) nicht. Die Abstandnahme berührt nicht die Befugnis, diesbezügliche persönliche Haftungen gegenüber Haftungspflichtigen geltend zu machen.

Auf § 206 BAO gestützte Abstandnahmen von der Abgabenfestsetzung können auch in Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte erfolgen (vgl. Ritz, BAO6, § 206 Tz 2 und § 279 Tz 14).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat eine Abstandnahme von der Festsetzung von Abgaben zur Voraussetzung, dass die Abgabenbehörde Erhebungen durchgeführt hat und dass diese eindeutig ergeben, dass die Abgaben uneinbringlich sind, wobei die Uneinbringlichkeit nicht nur beim Abgabenschuldner selbst, sondern auch bei allenfalls als Mitschuldner oder Haftende in Betracht kommenden Personen gegeben sein muss (vgl. ).

Aus dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin ist ein fälliger und in Vollstreckung befindlicher Rückstand in Höhe von 112.850,05 Euro ersichtlich. Auf Grund des o.a. Beschwerdeverfahrens ist die Einhebung von Abgaben in Höhe von insgesamt 110.649,17 Euro ausgesetzt. Auf Grund des vorliegenden Rechtsstreits kann sich somit kein Rückzahlungsanspruch ergeben.

Die letzten Abgabenerklärungen wurden für das Jahr 2018 eingereicht. Die Vollmacht der steuerlichen Vertretung wurde zurückgelegt. Der laut Aktenvermerk der Außenprüfung wirtschaftlich handelnde und verantwortliche Geschäftsführer ***1***, geboren ***5*** hat laut Zentralem Melderegister (ZMR-Zahl ***2***) keinen Wohnsitz in Österreich. Aus der Datenbank der Finanzverwaltung zur St.Nr. ***3*** ist ersichtlich, dass ***1*** nach Rumänien verzogen ist.

Maßnahmen nach § 206 BAO liegen im Ermessen der für die Abgabenfestsetzung zuständigen Abgabenbehörde bzw. der Verwaltungsgerichte (vgl. Ritz, BAO6, § 206 Tz 1).

Gemäß § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen und müssen sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Zur Zweckmäßigkeit im Sinne des § 20 BAO gehört auch die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie (vgl. Ritz, BAO6, § 20 Tz 7).

Angesichts der im gegenständlichen Fall fehlenden Einbringungsmöglichkeiten war es dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltungsführung entsprechend geboten, mit der Abstandnahme von der Festsetzung vorzugehen, da der mit dem Umfang des durchzuführenden Beschwerdeverfahrens verbundene Verwaltungsaufwand nicht mehr verhältnismäßig wäre. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung steht der Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung nicht entgegen. Durch die Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung wird der gesetzliche Abgabenanspruch als solches nämlich nicht "vernichtet", sondern es wird lediglich - wegen Uneinbringlichkeit - auf seine Durchsetzung gegenüber der Beschwerdeführerin verzichtet (vgl. ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfolge, dass das Bundesfinanzgericht von der Festsetzung einer Abgabe ganz oder teilweise Abstand nehmen kann, wenn der Abgabenanspruch gegenüber der Abgabenschuldnerin nicht durchsetzbar sein wird, ergibt sich aus dem klaren Gesetzeswortlaut des § 206 Abs. 1 lit b BAO. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104767.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at