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Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 23.09.2024, RS/7100183/2024

Säumnisbeschwerde und Zustellbevollmächtigung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RS/7100183/2024-RS1
Eine Ablehnung nach § 84 Abs. 1 BAO kann sich nur auf das Recht zur aktiven Vertretungshandlung beziehen. Keinesfalls umfasst eine Ablehnung nach § 84 BAO auch eine Zustellbevollmächtigung, diese bleibt vielmehr aufrecht.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Martina Salzinger in der Beschwerdesache ***1***, betreffend die Säumnisbeschwerde vom wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das ***FA*** betreffend den Antrag vom auf Arbeitnehmerveranlagung für 2022 beschlossen:

Das Säumnisbeschwerdeverfahren wird gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz Bundesabgabenordnung (BAO) eingestellt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I.Mit Fax-Nachricht vom langte beim Bundesfinanzgericht eine Säumnisbeschwerde betreffend Herrn ***Bf1*** (in der Folge als Beschwerdeführer bezeichnet und mit Bf. abgekürzt) ein, in der von der ***2*** als dessen steuerliche Vertretung auszugsweise folgendes vorgebracht wurde:

"…Mit Einreichung vom wurde für den Antragsteller unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Antrag auf Durchführung der ANV für 2022 gestellt. …Es wird anwaltlich versichert, dass die Formulare bei Versendung unterzeichnet wurden. Der Antrag wurde mit der Post im üblichen Geschäftsbetrieb der Bevollmächtigten am Tag der Erstellung oder am Folgetag versandt. Ein Rücklauf ist nicht erfolgt, so dass wir davon ausgehen, dass der Antrag innerhalb der üblichen Postlaufzeit eingegangen ist. Bis heute erfolgte keine Rückäußerung zu dem gestellten Antrag. Seit der Einreichung des Antrags sind mehr als sechs Monate vergangen, so dass die Behörde die Verpflichtung zur Entscheidung verletzt hat…"

Dem Schreiben wurden beigefügt:

a)Schreiben vom an das ***FA***, wonach der Bf. durch seine rechtsfreundliche Vertretung die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2022 beantrage;
b)ausgefüllte Formulare L1 und L1-WAI-2022 (jeweils nicht unterfertigt);
c)ausgefülltes und mit Unterschriften versehenes Formular E9 betreffend 2022;
d)zwischen der ***2*** und dem Bf. abgeschlossene und unterschriebene Vollmacht zur Zahlungsabwicklung vom ;
e)unterfertigte Mitteilung vom über die Bankverbindung;
f)unterschriebene Vollmacht vom , wonach der Bf. die ***2*** zur mündlichen und schriftlichen Vertretung "in allen Steuerangelegenheiten …" bevollmächtige. Demnach sei die Gesellschaft berechtigt, verbindliche Erklärungen abzugeben, Anträge zu stellen sowie Rechtsmittel einzulegen zurückzunehmen oder darauf zu verzichten. Ausdrücklich wurde eine Empfangsvollmacht erteilt.

II.Das Säumnisbeschwerdeverfahren ist in § 284 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, in der hier maßgebenden Fassung, folgendermaßen geregelt:

"(1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.

(5) Das Verwaltungsgericht kann sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Abgabenbehörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Abgabenbehörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst.

(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.

(7) Sinngemäß sind anzuwenden:
a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),
b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),
c) § 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),
d) § 266 (Vorlage der Akten),
e) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),
f) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),
g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),
h) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses)."

III.Durch Einsichtnahme in die Finanzamtsdatenbank stellte das Bundesfinanzgericht Folgendes fest:

a)Im elektronischen System des Finanzamtes ist der Eingang des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung für 2022 mit erfasst. Die diesbezüglich eingescannten Unterlagen entsprechen jenen, die dem Bundesfinanzgericht per Fax übermittelt worden sind. Die dem Finanzamt gesendeten Formulare tragen ausnahmslos Unterschriften.

b)Das Finanzamt erließ einen mit datierten und persönlich an den Bf. an dessen ***3*** Anschrift gerichteten Mängelbehebungsauftrag, mit welchem dem Bf. die Behebung der Mängel (Fehlen der Unterschrift gem. § 85 Abs. 2 BAO, Bekanntgabe von IBAN des Bankkontos) bis zum aufgetragen wurde.

c)Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurde der Antrag vom auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2022 gemäß § 85 Abs. 2 BAO mangels Mängelbehebung als zurückgenommen erklärt. Der Bescheid wurde ebenfalls direkt an den Bf. und an dessen Anschrift in ***4*** adressiert.

d)Aufgrund der dem Finanzamt übermittelten und in der Datenbank auch hochgeladenen Unterlagen geht hervor, dass der Bf. der ***2*** Vertretungsvollmacht samt Berechtigung zum Empfang von sämtlichen ihn betreffenden Schriftstücken erteilt hat und diese daher als Zustellbevollmächtigte gilt.

IV. Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat nach § 9 Abs. 3 ZustG die Behörde diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Wird daher ein Zustellungsbevollmächtigter im Sinne des § 9 ZustG namhaft gemacht, so hat dies zur Folge, dass rechtswirksam nur an den Bevollmächtigten, nicht mehr auch an die Partei selbst zugestellt werden kann. Der Zustellungsbevollmächtigte ist in der Zustellverfügung grundsätzlich als Empfänger (§ 2 Z. 1 ZustG) zu bezeichnen. Unterbleibt entgegen § 9 Abs. 3 Satz 1 ZustG eine Bezeichnung des Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger und erfolgt die Zustellung an den Vertretenen selbst, so ist sie unwirksam. Der Zustellmangel, dass der Zustellungsbevollmächtigte von der Behörde fälschlicherweise nicht als Empfänger bezeichnet wird, kann nur dadurch heilen, dass das zuzustellende Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt, wobei die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht dafür die Beweislast trägt (siehe ).

Zu beachten ist, dass im Bereich der Zustellung nicht erforderlich ist, dass der Zustellbevollmächtigte auch geschäftsmäßiger Parteienvertreter ist. Eine Ablehnung nach § 84 Abs. 1 BAO kann sich daher nur auf das Recht zur aktiven Vertretungshandlung beziehen. Keinesfalls umfasst eine Ablehnung nach § 84 BAO auch eine Zustellbevollmächtigung. Diese bleibt vielmehr aufrecht.

V. Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung.

Im gegenständlichen Fall steht außer Zweifel, dass der Bf. der ***2*** eine Zustellungsvollmacht erteilt hat und das Finanzamt zum Zeitpunkt der Ausfertigung sowohl des Mängelbehebungsauftrages vom als auch der Zurückgenommenerklärung vom Kenntnis vom bestehenden Vollmachtsverhältnis hatte. Ein den Bf. betreffender Bescheid wäre daher an den Bf. zu Handen der ***2*** als Zustellungsbevollmächtigte zu adressieren und zuzustellen gewesen.

Die Behörde hat jedoch nachweislich die Zustellung dieser Bescheide ungeachtet der bestehenden Zustellbevollmächtigung direkt an den Bf. an dessen Adresse in ***4*** verfügt. Beide Bescheide sind demzufolge mit einem Zustellmangel nach § 9 Abs. 3 Zustellgesetz behaftet. Aus der Aktenlage und aus dem Telefonat mit der Steuerberatungskanzlei am ergibt sich weiters, dass der zustellungsbevollmächtigten ***2*** die Original-Unterlagen nie zugekommen sind.

Daraus folgt, dass sowohl der Mängelbehebungsauftrag vom als auch die Zurückgenommenerklärung vom nie zugestellt worden und damit unwirksam geblieben sind bzw. keinerlei Rechtwirkungen entfaltet haben. Der streitgegenständliche Antrag auf Erledigung der Arbeitnehmerveranlagung für 2022 vom war daher weiterhin unerledigt. Weil das Finanzamt damit mehr als sechs Monate nach dem Einlangen des Anbringens untätig geblieben ist, war der Bf. berechtigt, eine Säumnisbeschwerde gem. § 284 Abs. 1 BAO an das Bundesfinanzgericht zu erheben.

VI. Dem Finanzamt wurde somit gemäß § 284 Abs. 2 BAO mit Beschluss vom aufgetragen, zur vorliegenden Säumnisbeschwerde binnen drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde (somit bis längstens bis ) die versäumte Entscheidung zu erlassen und eine Abschrift dieser vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

Gegenständlich ergibt sich aus der Finanzamtsdatenbank, dass dem gegenständlichen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung 2022 mit dem an die zustellbevollmächtigte Kanzlei zugestellten Einkommensteuerbescheid vom entsprochen worden ist. Dies wurde mit Schreiben der steuerlichen Vertretung vom auch bestätigend festgehalten.

Auf Grund der Nachholung der säumigen Entscheidung durch die Behörde, war das Säumnisbeschwerdeverfahren vom Verwaltungsgericht einzustellen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich keine über die Bedeutung des Einzelfalles hinausgehenden Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG stellten.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 84 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RS.7100183.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at