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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.09.2024, RV/7100567/2023

Studienwechsel

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***BE*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 27. May 2020 gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Familienbeihilfe für die Tochter ***1*** ab 8/2019, SVNr ***2***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde betreffend den Monat 8/2019 wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde betreffend den Zeitraum ab 9/2019 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird insoweit aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am stellte die Beschwerdeführerin (Bf) einen Antrag auf Neugewährung der Familienbeihilfe für ihre Tochter ***1*** ab 8/2019 aufgrund des neu begonnenen Bachelorstudiums Personalmanagement an der FHWien der WKW und auf Weitergewährung der Familienbeihilfe für ihre Tochter ***3*** ab 10/2019. Im Antrag wurde die Frage nach der überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten der Töchter mit "nein" beantwortet.

Mit Abweisungsbescheid vom wurde der Antrag mit der Begründung, dass mangels überwiegender Tragung der Unterhaltskosten ein Anspruch der Bf nicht bestehe, abgewiesen.

Dagegen erhob die Bf mit Schriftsatz vom fristgerecht Beschwerde (2. Covid-19-Gesetz) und legte dar, dass sie doch die Unterhaltskosten der Töchter überwiegend trage.

Das Finanzamt gab der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom teilweise statt und der angefochtene Bescheid wurde dahingehend abgeändert, dass hinsichtlich der Tochter ***3*** die Familienbeihilfe gewährt wurde und hinsichtlich der Tochter ***1*** die Beschwerde abgewiesen wurde. Sie habe das Studium nach dem vierten gemeldeten Semester gewechselt. Dies stelle einen schädlichen Studienwechsel iSd § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG dar, sodass Familienbeihilfe erst nach einer Wartezeit von vier Semestern zustehen könne.

Mit Schriftsatz vom stellte die Bf einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht hinsichtlich jenes Teils der Entscheidung betreffend ***1***. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die Tochter das Studium des Wirtschaftsrechts im Wintersemester 2016/17 begonnen habe. Sie habe dort ein Semester lang studiert. Aus finanziellen Gründen habe sie nach dem ersten Semester mit eine Vollzeit-Arbeitsstelle (40 Wochenstunden) angenommen. Sie habe ab diesem Zeitpunkt keine Familienbeihilfe mehr bezogen. Neben der Berufstätigkeit sei es ihr nicht möglich gewesen, das Studium fortzusetzen, sei aber noch zwei Semester für das Studium rückgemeldet gewesen. Für das Sommersemester 2018 sei sie nicht mehr gemeldet gewesen. Offiziell habe das Studium am geendet. Im September 2019 habe sie das Bachelorstudium Personalmanagement aufgenommen, das sie sehr erfolgreich studiere. Das Studium sei daher nach dem ersten Semester, allenfalls ab dem zweiten gewechselt worden. Auch sei Familienbeihilfe nur für ein Semester bezogen worden, sodass nach den Durchführungsrichtlinien zum FLAG 1967 nur dieses in die Berechnung der Wartezeit einzubeziehen sei. Weiters sei auch der finanzielle Zwang zur Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses als unabwendbares Ereignis zu werten, das den Studienwechsel ohne Verschulden der Studierenden zwingend herbeigeführt habe.

Das Finanzamt legte mit Vorlagebericht vom die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte, nach ausführlicher Stellungnahme, der Beschwerde stattzugeben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf beantragte die Familienbeihilfe für ihre am TT.7.1996 geborene Tochter, ***1***, ab August 2019.

Die nahm im Wintersemester 2019 das Bachelorstudium Personalmanagement an der FHWien der WKW auf (Studienbeginn laut Studienblatt ). Im Dezember 2019 lag ein Studienerfolg von 18 ECTS vor.

Die Bf trug im Zeitraum September 2019 bis (zumindest) Mai 2020 die überwiegenden Unterhaltskosten für ihre nicht haushaltszugehörige Tochter.

Im Wintersemester 2016 begann die Tochter das Bachelorstudium Wirtschaftsrecht an der WU Wien. Im Sommersemester 2017 und Wintersemester war die Tochter für dieses Studium weiterhin gemeldet. Im Sommersemester 2018 erfolgte keine Rückmeldung mehr und das Studium wurde damit offiziell am beendet. Im ersten Semester wurde eine Studienleistung von 8 ECTS erbracht, danach wurden keine ECTS mehr absolviert. Es ist als erwiesen anzusehen, dass dieses Studium nach dem ersten Semester nicht mehr aktiv betrieben wurde. Familienbeihilfe wurde für ein Semester bezogen.

Am nahm die Tochter der Bf eine Vollzeit-Arbeitsstelle an.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Akt.

Die überwiegende Tragung der Unterhaltskosten im Zeitraum September 2019 bis Mai 2020 durch die Bf ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen.

Dass das Bachelorstudium Wirtschaftsrecht bereits nach dem ersten Semester nicht weiter aktiv betrieben wurde, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Aus der Studienzeitbestätigung der WU Wien vom geht hervor, dass die Tochter der Bf in diesem Studium im WS 2016, SS 2017 und WS 2017 gemeldet war und das Studium am beendet wurde. Nach den im Beihilfenprogramm FABIAN ausgewiesenen Studiendaten wurde im Wintersemester 2016 eine Studienleistung im Ausmaß von 8 ECTS erbracht. Nachdem nach dem ersten Semester keine weiteren ECTS Punkte erreicht wurden und die Tochter der Bf am eine Vollzeit-Arbeitsstelle annahm, erscheint das Vorbringen der Bf glaubhaft, dass dieses Studium nach dem ersten Semester nicht weiter aktiv betrieben wurde und im SS 2017 und WS 2017 nur noch formale Fortsetzungsmeldungen vorlagen. Dies steht im Einklang mit der vom Finanzamt im Vorlagebericht vertretenen Ansicht.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Der gegenständliche Abweisungsbescheid ist ein Sammelbescheid, mit dem über den Familienbeihilfenanspruch hinsichtlich der Töchter ***3*** ab 10/2019 und ***1*** ab 8/2019 abgesprochen wird. Es liegen zwei der Rechtskraft fähige, gesondert anfechtbare Bescheide in einer Ausfertigung vor (vgl. zB ; Ritz, BAO7 § 93 Rz 31).

Der Vorlageantrag richtet sich ausdrücklich gegen die Beschwerdevorentscheidung vom soweit sie über den Familienbeihilfenanspruch für die Tochter ***1*** abspricht. Die betreffend die Tochter ***3*** stattgebende - die diesbezügliche Aufhebung des angefochtenen Abweisungsbescheides nicht ausdrücklich aussprechende - Beschwerdevorentscheidung vom ist daher in Rechtskraft erwachsen.

Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. zB ).

Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endzeitpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nicht ändert ().

Der Streitzeitraum wird daher durch den in der Beschwerde bekämpften Bescheid des Finanzamtes definiert. Da im Erstbescheid nur der Beginn des Zeitraums genannt wird ("ab Aug. 2019") ist für das Ende des Streitzeitraums grundsätzlich das Datum des Ergehens des Bescheides, nämlich April 2020, maßgeblich.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl.Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. ...Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. …

Gemäß § 17 Abs. 1 StudFG liegt ein günstiger Studienerfolg nicht vor, wenn der Studierende
1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder
2. das Studium nach dem jeweils dritten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder
3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Die Familienbeihilfe wird nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Das FLAG 1967 enthält keine Definition eines Studienwechsels und verweist in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nur für den Fall, dass ein Studienwechsel vorliegt, auf § 17 StudFG, welche Bestimmung aber auch keine abschließende Definition des Studienwechsels enthält. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Studienwechsel im Sinne des § 17 StudFG vor, wenn der Studierende das von ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des StudFG fallendes Studium beginnt. ().

Die Tochter der Bf hat das Studium an der WU Wien mit dem Wintersemester 2016 begonnen und war in diesem Studium bis einschließlich Wintersemester 2017 gemeldet. Sie war somit über einen Zeitraum von drei Semestern im Studium an der WU Wien gemeldet. Aktiv betrieb sie dieses Studium nur im Wintersemester 2016. Im Sommersemester 2017 und Wintersemester 2017 erfolgten lediglich Fortsetzungsmeldungen als reiner Formalakt, sodass diesbezüglich keine Berufsausbildung vorlag (vgl. -G/03; ; ; siehe auch , wonach keine Berufsausbildung vorliegt, wenn im ersten Studienjahr über die Aufnahme als ordentlicher Hörer hinaus keine Aktivität in Richtung eines Studiums gesetzt wird). Das Studium wurde somit nach einem Semester abgebrochen. Ein "schädlicher" Studienwechsel nach § 17 Abs. 1 Z. 2 StudFG liegt nicht vor.

Die Bf beantragte die Familienbeihilfe ab 8/2019 (Studienbeginn laut Studienblatt ). Da für diesen Monat die überwiegende Tragung der Unterhaltskosten durch die Bf nicht nachgewiesen wurde, bestand gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 für diesen Monat kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Ab September 2019 waren die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und stand Familienbeihilfe zu.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100567.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at