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Verfahrenshilfe – Einzel – Beschluss, BFG vom 26.09.2024, VH/7100006/2024

Bewilligung der Verfahrenshilfe

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Mag. Corinna Engenhart über den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe der Antragstellerin ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Wolfgang Halm, Berggasse 10, 1090 Wien, vom für die Beschwerdeverfahren

  • betreffend die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme der Feststellungsverfahren von Einkünften gemäß § 188 BAO betreffend die Jahre 2007 bis 2010, Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO betreffend die Jahre 2007 bis 2010, Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren betreffend die Jahre 2009 und 2010, Umsatzsteuer betreffend die Jahre 2009 bis 2010 sowie die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlags 2010 für die Umsatzsteuer 2009 und die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlags 2011 für die Umsatzsteuer 2010 (hg. protokolliert zu GZ. RV/7103004/2016)

  • sowie betreffend die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme der Feststellungsverfahren von Einkünften gemäß § 188 BAO betreffend die Jahre 2011 bis 2015, Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO betreffend die Jahre 2011 bis 2016, Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren betreffend die Jahre 2011 bis 2015 sowie Umsatzsteuer betreffend die Jahre 2011 bis 2016 (hg. protokolliert zu GZ. RV/7102650/2024),

Steuernummer ***StNr.1***, den Beschluss:

I. Der Antragstellerin wird gemäß § 292 BAO Verfahrenshilfe bewilligt.

II. Die Bestellung des Verfahrenshelfers obliegt der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen. Diese wird hiervon gemäß § 292 Abs. 10 BAO - unter Hinweis auf den im Antrag geäußerten Wunsch der Antragstellerin, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dr. Wolfgang Halm, Berggasse 10, 1090 Wien, als Verfahrenshelfer auszuwählen - benachrichtigt.

III. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang

Mit Anbringen vom stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe hinsichtlich der am von der ***KG*** erhobenen Beschwerde (nunmehr hg. protokolliert zu GZ. RV/7102650/2024) und äußerte den Wunsch, dass von der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dr. Wolfgang Halm als Verfahrenshelfer ausgewählt werden möge.

Das angeführte Rechtsmittelverfahren sei mit äußerst schwierigen steuerrechtlichen Fragen behaftet. Es gehe einerseits um die Frage der Wiederaufnahme iSd § 303 BAO sowie andererseits auch um Fragen der amtswegigen Ermittlungspflicht iSd § 115 BAO.

Die ***KG*** sei mit Verfügung vom aus dem Firmenbuch gelöscht worden und ihr Vermögen auf die Antragstellerin übergegangen. Die Antragstellerin besitze keinerlei Vermögen und beziehe lediglich eine Alterspension von € 1.700,00, von welcher sie monatlich € 332,00 an Raten für ihren Rückstand bei der SVS (Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen) bezahlen müsse.

Am wurde der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Mit Mängelbehebungsauftrag vom wurde der Antragstellerin aufgetragen, die, dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe anhaftenden Mängel zu beheben, das bzw. die Beschwerdeverfahren, für die das bzw. die Verfahrenshilfe gewährt werden solle, genau zu bezeichnen, die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide stützt, zu bezeichnen sowie ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzustellen.

Innerhalb offener Frist gab die Antragstellerin bekannt, dass sich der Antrag auf beide beim Bundesfinanzgericht anhängigen Beschwerdeverfahren der ***KG*** beziehe (RV/7103004/2016 betreffend die Jahre 2007 bis 2010; RV/7102650/2024 betreffend die Jahre 2007 bis 2016) und die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide stütze, den Beschwerdevorbringen entnommen werden könnten.

Hinsichtlich der Wiederaufnahmebescheide liege nach Ansicht der Antragstellerin dahingehend eine Rechtswidrigkeit vor, als keine neuen Tatsachen hervorgekommen seien, insbesondere betreffend die Jahre 2007 bis 2010, weil bereits Vorprüfungen stattgefunden hätten. Zudem hätte die belangte Behörde die Wiederaufnahmegründe nicht einer dem Gesetz entsprechenden Weise dargelegt. Es sei nicht einmal nachzuvollziehen, auf welchen Wiederaufnahmegrund sie sich gestützt habe.

Bei den abgeleiteten Bescheiden bestehe die Rechtswidrigkeit darin, dass die Aufwendungen für Subunternehmer nur mit einem pauschalen Satz von 50 % anerkannt worden seien und die weiteren 50 % angeblich der Antragstellerin zugeflossen sein sollen. Dies entspreche weder den Tatsachen noch der Lebenserfahrung. Die belangte Behörde habe - entgegen der diesbezüglichen in § 184 BAO normierten Verpflichtung - unterlassen, die von ihr vorgenommene Schätzung nachvollziehbar zu dokumentieren bzw. zu begründen. Allein aufgrund von "Erfahrungswerten" könne ein solcher Prozentsatz nicht herangezogen werden. Jedenfalls hätte eine Personalbedarfsdeckungsrechnung durchgeführt werden müssen.

Da sich aus dem Akteninhalt ergebe, dass die ***KG*** nahezu ausschließlich für ***XY*** tätig geworden sei und auszuschließen sei, dass eine ***Institution der Gemeinde*** Schwarzaufträge erteile bzw. Schwarzzahlungen entgegennehme, könne nicht vom Vorliegen von Schwarzumsätzen ausgegangen werden. Im Rahmen der Betriebsprüfung seien auch keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen worden und es sei auch nicht festgestellt worden, dass die Buchhaltung der ***KG*** nicht ordnungsgemäß gewesen sei.

Daraus folge, dass eine ordnungsgemäße Buchhaltung samt vollständigem Belegwesen vorgelegen habe und daher die Betriebsprüfung dazu verpflichtet gewesen wäre, eine Personalbedarfsrechnung, welche eine betriebswirtschaftliche Methode darstellen würde, durchzuführen.

Im Zeitraum 2009 - 2016 habe die ***KG*** rund € 982.000, -- an Subunternehmer gezahlt. Von diesem Betrag seien Zahlungen von insgesamt rund € 406.000, -- (somit rund 41 %) mittels Banküberweisung durchgeführt worden, was bei der rechtswidrigen und die Verfahrensgrundsätze verletzenden Schätzung der Betriebsprüfung vollkommen unberücksichtigt geblieben sei.

Die Antragstellerin wies darauf hin, dass die belangte Behörde trotz mehrfacher Anträge keine Einsicht in den Bankkonten der Subunternehmer genommen und die entsprechenden Daten nicht beigeschafft habe und auch sonst die Beweisanträge der ***KG*** antizipiert beweisgewürdigt hätte.

Die angefochtenen Bescheide seien mit grober Rechtswidrigkeit behaftet, die schwierige Fragen des Steuerrechts betreffe. Dies mache eine fachkundige rechtliche Vertretung im weiteren Beschwerdeverfahren notwendig

Zur Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragstellerin war dem Schriftsatz ein Vermögensbekenntnis beigefügt. Zudem führte die Antragstellerin aus, dass für die steuerliche Vertretung in den gegenständlichen Beschwerdeverfahren Kosten in Höhe von mindestens € 6.000, -- (€ 5.000, -- + 20% USt) anfallen würden.

Abschließend regte die Antragstellerin an, aufgrund ihres hohen Alters und ihres eingeschränkten Einkommens gemäß § 206 BAO von der Festsetzung der Abgaben Abstand zu nehmen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die (ursprüngliche) Beschwerdeführerin der beim Bundesfinanzgericht anhängigen Beschwerdeverfahren RV/7103004/2016 und RV/7102650/2024, die ***KG***, wurde am , mit dem Vermerk, dass ihr Vermögen gemäß § 142 UGB durch die Antragstellerin übernommen wird, im Firmenbuch gelöscht.

Die Antragstellerin ist am ***Tag.Monat.*** 1940 geboren (somit knapp 84 Jahre alt) und verheiratet. Sie lebt im Haus ihrer Kinder, wo ihr 3 Räume und eine Küche zur Verfügung stehen und hat laut ihren Angaben im Vermögensbekenntnis monatliche Aufwendungen für die Benutzung der Wohnung in Höhe von € 700, --. Die Antragstellerin verfügt über € 500, -- in Bargeld und besitzt ansonsten keine Vermögenswerte. Sie hat laut ihren Angaben derzeit Abgabenschulden in Höhe von € 163.500, -- zzgl. Aussetzungszinsen in geschätzter Höhe von € 20.000, --. Weiters hat die Antragstellerin einen Zahlungsrückstand gegenüber der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen in Höhe von € 9. 629,84 und zahlt in diesem Zusammenhang monatliche Raten in Höhe von € 332, --.

Die Antragstellerin hat laut eigenen Angaben keine Unterhaltsverpflichtungen und bezieht eine Alterspension in Höhe von € 2.033,16 netto monatlich sowie Sonderzahlungen.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes kann die Antragstellerin die Kosten der Führung des Verfahrens durch einen beruflichen Parteienvertreter nicht ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhaltes bestreiten.

Die Rechtsverfolgung der Antragstellerin im Rahmen der antragsgegenständlichen Beschwerdeverfahren der ***KG*** (hg. protokolliert zu RV/7103004/2016 und RV/7102650/2024) stellt sich für das Bundesfinanzgericht weder als aussichtslos noch als mutwillig dar.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes bestehen bei beiden Beschwerdeverfahren besondere Schwierigkeiten betreffend die Ermittlung des umfangreichen und komplexen Sachverhalts und die von der Antragstellerin zu erbringenden Nachweise, sodass es für die Antragstellerin zur effektiven Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlich ist, durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter unterstützt zu werden. Die Antragstellerin wäre ohne einen solchen Beistand voraussichtlich nicht in der Lage, vor dem Bundesfinanzgericht ihren Standpunkt darzulegen und sich in zweckentsprechender Weise zu vertreten.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die vorgelegten Verwaltungsakten der antragsgegenständlichen Beschwerdeverfahren, den Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe, das vorgelegte Vermögensbekenntnis sowie die Einsichtnahme in die statistischen Auswertungen der Statistik Austria.

Zur Frage, ob die Tragung der Verfahrensführungskosten den notwendigen Unterhalt beeinträchtigen würde, ist Folgendes auszuführen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "als notwendiger Unterhalt ein zwischen dem "notdürftigen" und dem "standesgemäßen" Unterhalt liegender anzusehen, der abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen und dem "Existenzminimum" liegt und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestattet" (vgl. , sowie ErlRV 1352 BlgNR 25. GP, 18, die auf dieses Erkenntnis verweisen).

Die Antragstellerin hat laut eigenen Angaben keine Unterhaltsverpflichtungen und bezieht eine Alterspension in Höhe von € 2.033,16 netto monatlich sowie Sonderzahlungen. Das für sie maßgebliche monatliche "Existenzminimum" gemäß § 291a EO beträgt € 1.457,90 (vgl. Lohnpfändungstabellen für das Jahr 2024).

Das statistische monatliche Durchschnittsnettoeinkommen eines unselbstständig Erwerbstätigen lag im Jahr 2022 bei etwa € 2.330, -- (STATISTIK AUSTRIA, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung und Lohnsteuer-/DV-Daten. Erstellt am . - Einkommen inkl. anteiligem Urlaubs- und Weihnachtsgeld; https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/einkommen-und-soziale-lage/monatseinkommen, Abfrage am ). Unter Berücksichtigung der Inflation und deren Auswirkungen auf die Gehalts- und Lohnentwicklung (Inflationsbedingte Wertsteigerung im Ausmaß von 7,89 % von 2022 bis 2024 [Inflationsrechner, https://www.finanz.at/ratgeber/inflation/?calc=32445#Rechner, Abfrage am ]; Steigerung des Tariflohnindexes [August 2024] um 17% im Vergleich zum Jahresdurchschnitt 2022 [misst die Mindestlohnentwicklung in Österreich auf Basis von ausgewählten Lohn- und Gehaltspositionen; Wertsicherungsrechner der Statistik Austria https://www.statistik.at/Indexrechner/#/tli/wsr, Abfrage am ]) zieht das Bundesfinanzgericht als monatliches Durchschnittsnettoeinkommen eines unselbstständig Erwerbstätigen im Jahr 2024 einen Wert in Höhe von € 2.516,40 (108% von € 2.330, --) heran.

Demgemäß beträgt der vom BFG ermittelte Richtwert für den notwendigen Unterhalt, den die Antragstellerin für eine einfache Lebensführung benötigt, monatlich € 1.987,15 (Mittelwert zwischen 1.457,90 und 2.516,40).

Das von der Antragstellerin bezogene monatliche Nettopensionseinkommen in Höhe € 2.033,16 übersteigt knapp den Richtwert für den "notwendigen" Unterhalt. In Anbetracht der von der Antragstellerin an die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen zu leistenden monatlichen Raten in Höhe von € 332, -- und dem Umstand, dass sie lediglich über Ersparnisse in Form von € 500, -- an Bargeld verfügt, geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass der Antragstellerin kein Betrag zur freien Verfügung verbleibt, welcher als Ersparnis für anfallende Verfahrenskosten verwendet werden könnte.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände nimmt das Bundesfinanzgericht an, dass die Tragung der notwendigen Mittel zur Verfahrensführung (es würden jedenfalls noch die Kosten für die mündliche Verhandlung anfallen; aufgrund des umfangreichen zu beurteilendem Sachverhalt kann nicht ausgeschlossen werden, dass allenfalls die Abhaltung weiterer Verhandlungstermine bzw. die Durchführung eines Vorhalteverfahren notwendig sein wird) für die Antragstellerin nicht ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhaltes möglich ist.

In den antragsgegenständlichen Beschwerdeverfahren ist (unter anderem) strittig, ob aufwandsmäßig geltend gemachten Eingangsrechnungen der ***KG*** (deren Rechtsnachfolgerin die Antragstellerin ist) entsprechende Leistungen gegenüberstehen oder es sich um Schein- bzw. Deckungsrechnungen handelt, mit denen hohe Betriebsausgaben vorgetäuscht wurden um Lohn- und Sozialabgaben zu verkürzen bzw. nicht angemeldete Arbeiter zu bezahlen. Nach Ansicht der belangten Behörde soll es sich bei den rechnungsausstellenden Subfirmen um Scheinfirmen gehandelt haben und die vorgegebenen Barzahlungen seien nur fiktiv erfolgt. Da allein dieser Beschwerdepunkt insgesamt 16 (10 inländische und 6 ausländische) Subfirmen und Eingangsrechnungen aus einem Zeitraum von 10 Jahren (2007 - 2016) betrifft und die Frage, ob ein Subunternehmer als Scheinfirma zu beurteilen ist bzw. nur eine Schein- oder Deckungsrechnung ausgestellt oder tatsächlich Leistungen erbracht hat, generell umfangreiche Sachverhaltsfeststellungen erfordert, ist mit der Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesfinanzgericht zu rechnen, in dem auch die Antragstellerin umfassende Mitwirkungs- und Nachweispflichten treffen. Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass die Antragstellerin zur effektiven Wahrnehmung ihrer Rechte der Unterstützung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter bedarf und ohne diesen Beistand voraussichtlich nicht in der Lage ist, vor dem Bundesfinanzgericht ihren Standpunkt darzulegen und sich in zweckentsprechender Weise zu vertreten.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist für das Bundesfinanzgericht kein Umstand ersichtlich, der auf eine aussichtslose oder mutwillige Rechtsverfolgung der Antragstellerin schließen lassen würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu den Spruchpunkten I. und II. (Bewilligung der Verfahrenshilfe und Benachrichtigung der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen)

Gemäß § 292 Abs. 1 BAO ist auf Antrag einer Partei (§ 78), wenn zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenshilfe vom Verwaltungsgericht insoweit zu bewilligen,
1. als die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und
2. als die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Gemäß § 292 Abs. 7 Z 1 BAO kann der Antrag ab Erlassung des Bescheides, der mit Beschwerde angefochten werden soll, gestellt werden.

Gemäß § 292 Abs. 8 BAO hat der Antrag zu enthalten
1. die Bezeichnung des Bescheides (Abs. 7 Z 1) bzw. der Amtshandlung (Abs. 7 Z 2) bzw. der unterlassenen Amtshandlung (Abs. 7 Z 3),
2. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
3. die Entscheidung der Partei, ob der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder der Rechtsanwaltskammer die Bestellung des Verfahrenshelfers obliegt,
4. eine Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers und der wirtschaftlich Beteiligten.

Gemäß § 292 Abs. 10 BAO hat das Verwaltungsgericht über den Antrag mit Beschluss zu entscheiden. Hat das Gericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es die Kammer der Wirtschaftstreuhänder bzw. die Rechtsanwaltskammer hievon zu benachrichtigen.

Gemäß § 292 Abs. 11 BAO hat die Kammer der Wirtschaftstreuhänder bzw. die Rechtsanwaltskammer mit Beschluss den Wirtschaftstreuhänder bzw. Rechtsanwalt zu bestellen, dessen Kosten die Partei nicht zu tragen hat. Wünschen der Partei über die Auswahl der Person des Wirtschaftstreuhänders oder Rechtsanwaltes ist im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Wirtschaftstreuhänder bzw. Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen. Von der Bestellung sind die Abgabenbehörde und das Verwaltungsgericht zu verständigen.

Wird der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb einer für die Einbringung der Beschwerde (§ 243, § 283), des Vorlageantrages (§ 264) oder einer im Beschwerdeverfahren gegenüber dem Verwaltungsgericht einzuhaltenden Frist gestellt, so beginnt diese Frist gemäß § 292 Abs. 12 BAO mit dem Zeitpunkt, in dem
1. der Beschluss über die Bestellung des Wirtschaftstreuhänders bzw. Rechtsanwaltes zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid dem Wirtschaftstreuhänder bzw. Rechtsanwalt bzw.
2. der den Antrag nicht stattgebende Beschluss der Partei
zugestellt wurde, von neuem zu laufen.

Die Antragstellerin ist gemäß § 142 UGB Gesamtrechtsnachfolgerin der ***KG*** und als solche Partei iSd § 78 BAO der antragsgegenständlichen Beschwerdeverfahren.

Aus der Bestimmung des § 292 BAO folgt, dass das Bundesfinanzgericht im Einzelfall zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Verfahrenshilfe vorliegen (vgl. Rzeszut/Schury, Die Verfahrenshilfe in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, SWK 2017, S 89).

Nach § 292 Abs. 1 BAO ist zunächst Voraussetzung für die Bewilligung der Verfahrenshilfe, dass die im antragsgegenständlichen Beschwerdeverfahren zu entscheidenden Rechtsfragen "besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art" aufweisen. Der Begriff der besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art geht auf § 282 Abs. 1 BAO idF vor dem FVwGG 2012 zurück und soll nach den Gesetzesmaterialien sicherstellen, dass Verfahrenshilfe nur für überdurchschnittlich schwierige, durch ständige Judikatur noch nicht geklärte Rechtsfragen gewährt wird (ErlRV 1352 BlgNR 25. GP, 18).

Nach , ist die Bestimmung verfassungskonform wie folgt auszulegen: "Die Wendung "dass zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen" erfordert und erlaubt eine Prüfung, ob im konkreten Einzelfall für den Antragsteller besondere Schwierigkeiten bestehen. Dabei sind alle Umstände des Falles wie der Streitgegenstand, die begründeten Erfolgsaussichten des Rechtsschutzsuchenden, die Bedeutung des Rechtsstreites für diesen, die Komplexität des geltenden Rechtes und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeiten des Rechtsschutzsuchenden, sein Anliegen wirksam zu verteidigen, abzuwägen.

Damit schließt § 292 Abs. 1 BAO die Gewährung von Verfahrenshilfe im Einzelfall nicht schon deshalb aus, weil objektiv keine komplexe, besonders schwierige Frage rechtlicher Art vorliegt. In verfassungskonformer Auslegung können zum einen auch besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltes, also Fragen tatsächlicher Natur, einen Anspruch auf Verfahrenshilfe begründen, zumal Tatsachenfragen regelmäßig in Rechtsfragen münden; und zum anderen sind stets auch die Fähigkeiten des betroffenen Antragstellers zu berücksichtigen, sein Anliegen wirksam zu vertreten."

Wie im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung dargelegt, ist im Rahmen der antragsgegenständlichen Beschwerdeverfahren mit besonderen Schwierigkeiten bei der Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu rechnen. Es liegen somit besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher Natur vor, die gemäß der zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ebenfalls einen Anspruch auf Verfahrenshilfe begründen. Zudem geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die Antragstellerin nur mit Unterstützung eines berufsmäßigen Parteienvertreters fähig sein wird, ihr Anliegen wirksam zu vertreten.

Es liegen daher besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art iSd § 292 Abs. 1 BAO vor.

Das Fehlen finanzieller Mittel zur Bestreitung der Verfahrenskosten ist eine weitere Bewilligungsvoraussetzung der Verfahrenshilfe. Nur wer sich einen steuerlichen Vertreter nicht leisten kann, soll in den Genuss der Verfahrenshilfe kommen (vgl. Rzeszut/Schury, Die Verfahrenshilfe in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, SWK 2017, S 91).

Die rechtliche Beurteilung der Beeinträchtigung der Lebensführung obliegt dem Bundesfinanzgericht. Als notwendiger Unterhalt iSd § 292 Abs. 2 BAO ist jener anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt. Die Formulierung bildet die Bestimmungen des § 63 ZPO inhaltlich nach.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2016 (ErlRV 1352 BlgNR 25. GP, 18) wird zur Bestimmung des § 292 BAO ausgeführt:

"Ebenso wie nach § 77 Abs. 3 FinStrG, § 63 Abs. 1 ZPO und § 61 Abs. 2 StPO setzt die Bewilligung der Verfahrenshilfe bei natürlichen Personen nach § 292 Abs. 1 lit. a BAO voraus, dass die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten.

Die Definition des notwendigen Unterhaltes in § 292 Abs. 2 BAO entspricht jener in § 63 Abs. 1 zweiter Satz ZPO. Als notwendiger Unterhalt ist ein zwischen dem "notdürftigen" und dem "standesgemäßen" Unterhalt liegender anzusehen, der abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen und dem "Existenzminimum" liegt und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestattet (zB ; Fucik, ÖJZ 2012, 197)."

Wie im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung dargelegt, ist die Tragung der notwendigen Mittel zur Verfahrensführung für die Antragstellerin nicht ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhaltes iSd § 292 Abs. 2 BAO möglich.

Die Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe gemäß § 292 BAO waren daher im gegenständlichen Fall erfüllt.

Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung in den antragsgegenständlichen Beschwerdeverfahren dem Bundesfinanzgericht nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint, war die Verfahrenshilfe auch nicht gemäß § 292 Abs. 1 Z 2 BAO zu versagen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung folgt der dargestellten Judikatur des VwGH und des VfGH. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Belehrung und Hinweise

Dem Antragsteller steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Personen mit geringem Einkommen und Vermögen können einen Antrag auf Gebührenbefreiung und/oder auf kostenlose Beigebung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes stellen. Der Verfahrenshilfeantrag selbst ist gebührenfrei und muss nicht von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Es muss aber die Rechtssache, für die Verfahrenshilfe begehrt wird, angegeben und bekannt gegeben werden, ob die beschwerdeführende Partei von der Entrichtung der Eingabengebühr befreit werden will und/oder ob ihr eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt beigestellt werden soll. Das Antragsformular samt Vermögensbekenntnis kann beim Verfassungsgerichtshof elektronisch, postalisch oder persönlich eingebracht werden. Das Formular für postalische oder persönliche Einbringung liegt in der Geschäftsstelle des Verfassungsgerichtshofes auf; es kann auch von der Website des Verfassungsgerichtshofes (www.vfgh.gv.at; im Bereich Kompetenzen und Verfahren / Verfahrenshilfe) heruntergeladen werden. Die Einbringung per E-Mail ist keine zulässige Form der elektronischen Einbringung. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.

Dem Antragsteller steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Bundesfinanzgericht dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Bundesfinanzgericht, 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (in Abgaben- und Abgabenstrafsachen auch von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer) abzufassen und einzubringen. Bei entsprechend ungünstiger Einkommens- und Vermögenslage kann Verfahrenshilfe gewährt werden. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst. Der Antrag ist im Falle der ordentlichen Revision beim Bundesfinanzgericht einzubringen. Das Antragsformular ist elektronisch auf der Website des Bundesfinanzgerichtes (https://www.bfg.gv.at/public/faq.html) erhältlich. Zur Erhebung einer außerordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof (Postfach 50, 1016 Wien) einzubringen; bereits der Antrag hat diesfalls eine Begründung zu enthalten, warum die Revision für zulässig erachtet wird. Das Antragsformular für postalische oder persönliche Einbringung ist im Servicecenter des Verwaltungsgerichtshofes (Judenplatz 11, 1010 Wien) oder elektronisch auf der Website des Verwaltungsgerichtshofes (www.vwgh.gv.at; im Bereich Verfahren/Verfahrenshilfe) erhältlich, auf welche auch zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen verwiesen wird.

Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühren von 240,00 Euro ergeben sich aus § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985.

Die belangte Behörde ist nicht Partei des Verfahrens betreffend Gewährung der Verfahrenshilfe, ihr steht daher kein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss zu (vgl. ; ).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 292 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:VH.7100006.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at