Familienheimfahrten bei ständig wechselndem Arbeitsort
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Patrick Brandstetter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:
I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden diese einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Österreich die Einkommensteuer des Beschwerdeführers für das Jahr 2019 fest. Nach Eingang einer internationalen Kontrollmitteilung über Einkünfte des Beschwerdeführers in Deutschland hob das Finanzamt Österreich den Bescheid vom mit Bescheid vom gem. § 299 BAO auf und erließ es zeitgleich einen neuen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019.
Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer am Beschwerde ein und führte er darin aus, dass er nunmehr die Einkünfte aus Deutschland korrekt eingegeben habe und er Familienheimfahrten hinsichtlich der Beschäftigungen in ***Gemeinde4*** und ***Gemeinde2*** begehre. Zudem beantrage er die Pendlerpauschale.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt Österreich den bekämpften Einkommensteuerbescheid vom dahingehend ab, dass sowohl die Einkünfte aus Deutschland als auch die Pendlerpauschale bei der Festsetzung der Einkommensteuer entsprechend dem Beschwerdevorbringen berücksichtigt wurden. In Bezug auf die Familienheimfahrten führte das Finanzamt Österreich aus, dass deren Voraussetzungen nicht vorliegen würden, wenn keine "doppelte Haushaltsführung" im Sinne des Einkommensteuergesetzes vorliege.
In Reaktion auf diese Beschwerdevorentscheidung brachte der Beschwerdeführer am einen Vorlageantrag ein und führte er darin ausschließlich aus, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung gegeben seien und daher die Familienheimfahrten bei der Festsetzung der Einkommensteuer zu berücksichtigen seien.
In einer Stellungnahme vom merkte das Finanzamt Österreich an, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung erfüllt seien und monatliche Familienheimfahrten zu berücksichtigen seien.
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer hatte im Jahr 2019 seinen Hauptwohnsitz in der Gemeinde ***Gemeinde1*** in Niederösterreich. In der Umgebung dieser Gemeinde leben die Familie, die Freunde und die Bekannten des Beschwerdeführers.
Im Jahr 2019 war der Beschwerdeführer in Österreich bei Arbeitgebern wie folgt beschäftigt.
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Von | Bis | Arbeitgeber | Arbeitsort |
***AG1*** | ***Gemeinde2*** | ||
***AG2*** | ***Gemeinde3*** | ||
***AG3*** | ***Gemeinde4*** | ||
***AG4*** | ***Gemeinde4*** | ||
***AG3*** | ***Gemeinde4*** | ||
***AG5*** | ***Gemeinde5*** | ||
***AG6*** | ***Gemeinde5*** | ||
***AG1*** | ***Gemeinde2*** |
Während seiner Beschäftigung bei Arbeitgebern in ***Gemeinde2*** und ***Gemeinde4*** erhielt der Beschwerdeführer von den Arbeitgebern für die Dauer der Beschäftigung eine Unterkunft zur Verfügung gestellt und tätigte der Beschwerdeführer in jenen Monaten, in denen er bei Arbeitgebern im Bundesland Salzburg beschäftigt war, zumindest eine Heimfahrt zu seinem Hauptwohnsitz in der Gemeinde ***Gemeinde1*** in Niederösterreich.
Die Entfernungen zwischen dem Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers und ***Gemeinde2*** sowie ***Gemeinde4*** betragen betreffend ***Gemeinde2*** 370 km und betreffend ***Gemeinde4*** 379 km.
Die Fahrzeit mit dem Pkw hinsichtlich der Strecke Hauptwohnsitz - ***Gemeinde2*** beträgt 4 Stunden und 17 Minuten.
Die Fahrzeit mit dem Pkw hinsichtlich der Strecke Hauptwohnsitz - ***Gemeinde4*** beträgt 4 Stunden und 28 Minuten.
Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen in Bezug auf den Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers gründen auf den Daten des Zentralen Melderegisters sowie die damit übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen eines Telefonats am .
Die Feststellungen hinsichtlich des Umstands, dass die Familie, Freunde und Bekannten des Beschwerdeführers in der Gegend um seinen Hauptwohnsitz leben, wurden anhand der glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen des Telefonats am getroffen, denen das Finanzamt Österreich nicht entgegentrat.
Die tabellarische Darstellung der Beschäftigung des Beschwerdeführers in Österreich im Jahr 2019 hat seine Grundlage in den dem Finanzamt Österreich übermittelten Lohnzetteldaten der Arbeitgeber des Beschwerdeführers, die dem bekämpften Bescheid entnommen werden konnten.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in jenen Monaten, in denen er bei Arbeitgebern im Bundesland Salzburg beschäftigt war, zumindest eine Heimfahrt zu seinem Hauptwohnsitz in Niederösterreich tätigte, konnte aufgrund des glaubhaften Vorbringens des Beschwerdeführers in seinem Vorlageantrag und im Telefonat am getroffen werden.
Ebenso fußt die Sachverhaltsfeststellung, dass der Beschwerdeführer von seinen Arbeitgebern im Bundesland Salzburg eine Unterkunft für die Dauer der Beschäftigung zur Verfügung gestellt bekam, auf den diesbezüglichen glaubhaften Ausführungen des Beschwerdeführers im Rahmen des Vorlageantrags.
Die Sachverhaltsfeststellungen hinsichtlich der Distanz und der Fahrzeit zwischen dem Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers und den Orten ***Gemeinde2*** sowie ***Gemeinde4*** wurden anhand der Routenplanfunktion des Internetdienstes "google.maps" getroffen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Gem. § 16 Abs. 1 1. Satz EStG 1988 in der Fassung des BGBl. I Nr. 103/2019 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 in der Fassung des BGBl. I Nr. 118/2015 dürfen bei den einzelnen Einkünften Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen, nicht abgezogen werden.
§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 in der Fassung des BGBl. I Nr. 103/2019 lautet:
"Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c:
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Bei mindestens 2 km bis 20 km | 372 Euro jährlich, |
bei mehr als 20 km bis 40 km | 1 476 Euro jährlich, |
bei mehr als 40 km bis 60 km | 2 568 Euro jährlich, |
bei mehr als 60 km | 3 672 Euro jährlich. |
"
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist auf den Fall des Beschwerdeführers das Folgende auszuführen.
Nachdem das Finanzamt Österreich in der Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der Beschwerdepunkte Pendlerpauschale und Einkünfte aus Deutschland dem Begehren des Beschwerdeführers vollinhaltlich nachkam und der Beschwerdeführer in seinem Vorlageantrag ausschließlich die unterlassene Berücksichtigung von Familienheimfahrten durch das Finanzamt Österreich monierte, war zum einen der bekämpfte Einkommensteuerbescheid betreffend die Punkte Pendlerpauschale und Einkünfte aus Deutschland im Sinne der Beschwerdevorentscheidung, die dem diesbezüglichen Begehren des Beschwerdeführers vollinhaltlich nachkam, abzuändern und verblieb zum anderen nur mehr die Frage der Berücksichtigung von Familienheimfahrten als streitgegenständlich.
Zu den Werbungskosten zählen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für Familienheimfahrten, solange ebendiese als durch die Einkünfteerzielung veranlasst gelten. Dies ist dann der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (). Bei ständig wechselnden Arbeitsorten liegt eine solche Unzumutbarkeit der Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung vor ().
Die Aufwendungen für Familienheimfahrten sind allerdings in zweifacher Hinsicht begrenzt. So hat zum einen der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen festgehalten, dass bei einem alleinstehenden Steuerpflichtigen, sollten keine besonderen Umstände vorliegen, üblicherweise monatliche Heimfahrten zum Familienwohnsitz ausreichen, um dort nach dem Rechten zu sehen (; , 88/14/0081; , 96/15/0259).
Zum anderen dürfen Kosten der Fahrten zwischen dem Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 insoweit nicht bei den einzelnen Einkünften abgezogen werden, als sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen. Dieser jährliche Höchstbetrag ist auf Monatsbeträge umzurechnen, wobei ein voller Monatsbetrag auch für angefangene Monate der auswertigen Tätigkeit zusteht (ErlRV 72 BlgNR XX. GP, S. 265; ). Da nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 die höchste Pendlerpauschale im streitgegenständlichen Zeitraum EUR 3.672 betrug, beträgt der monatliche Betrag im beschwerdegegenständlichen Fall sohin EUR 306,00.
Angesichts der Entfernung zwischen den Arbeitsorten des Beschwerdeführers im Bundesland Salzburg und dessen Familienwohnsitz in Niederösterreich, der Fahrzeit zwischen dem Familienwohnsitz und den Arbeitsorten im Bundesland Salzburg sowie der ständig wechselnden Arbeitgebern konnte dem Beschwerdeführer im Jahr 2019 weder zugemutet werden, täglich von den Arbeitsorten im Bundesland Salzburg zum Familienwohnsitz in Niederösterreich zurückzukehren, noch den Familienwohnsitz von Niederösterreich in übliche Entfernung zu den Arbeitsorten im Bundesland Salzburg zu verlegen. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung waren demnach im Fall des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Beschäftigungen bei Arbeitgeber im Bundesland Salzburg erfüllt, da dem Beschwerdeführer von diesen Arbeitgebern während der Dauer seiner Beschäftigung auch eine Unterkunft zur Verfügung gestellt bekam und reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs für Aufwendungen in Form von doppelter Haushaltsführung bereits ein (Untermiet)Zimmer aus ().
Dies bedingt, dass dem Beschwerdeführer als alleinstehende Person entsprechend der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs für den Zeitraum seiner Beschäftigung bei Arbeitgebern im Bundesland Salzburg eine Heimfahrt zu seinem Familienwohnsitz in Niederösterreich pro Monat als Familienheimfahrt zusteht, lagen doch keine besonderen Umstände vor, die eine erhöhte Anzahl an Heimfahrten notwendig gemacht hätten. Da der Beschwerdeführer in den Monaten Jänner bis August sowie November bis Dezember bei Arbeitgebern in ***Gemeinde2*** bzw. in ***Gemeinde4*** beschäftigt war und in diesen Monaten auch tatsächlich zumindest eine Heimfahrt tätigte, waren bei der Veranlagung der Einkommensteuer des Beschwerdeführers für das Jahr 2019 Aufwendungen für zehn Heimfahrten als Werbungskosten in Form von Familienheimfahrten zu berücksichtigen.
Ausgehend von der festgestellten Distanz zwischen dem Familienwohnsitz des Beschwerdeführers und den Arbeitsorten ***Gemeinde2*** und ***Gemeinde4*** im Ausmaß von 370 km bzw. 379 km ergeben sich bei Ansatz des amtlichen Kilometergelds in Höhe von EUR 0,42 Aufwendungen des Beschwerdeführers für Familienheimfahrten betreffend die Strecke ***Gemeinde2*** - Familienwohnsitz - ***Gemeinde2*** in Höhe von EUR 310,80 (370 km x 2 x 0,42 = 310,80) sowie betreffend die Strecke ***Gemeinde4*** - Familienwohnsitz - ***Gemeinde4*** in Höhe von EUR 318,36 (379 km x 2 x 0,42 = 318,36). Da beide diese Beträge den monatlich umgerechneten Höchstbetrag in Höhe von EUR 306,00 übersteigen, konnte für die Monate Jänner bis August sowie November bis Dezember gem. § 20 Abs.1 Z 2 lit. e EStG 1988 jeweils nur der monatliche Höchstbetrag im Ausmaß von EUR 306,00 als Aufwendungen für Familienheimfahrten berücksichtigt werden. Folglich war der bekämpfte Einkommensteuerbescheid zusätzlich zu den Änderungen entsprechend der Beschwerdevorentscheidung bezüglich Pendlerpauschale und Einkünfte aus Deutschland noch dergestalt abzuändern, als bei der Veranlagung der Einkommensteuer des Beschwerdeführers für das Jahr 2019 zusätzlich Aufwendungen in Höhe von insgesamt EUR 3.060,00 für Familienheimfahrten als Werbungskosten zu berücksichtigen waren.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Revision gegen das vorliegende Erkenntnis ist nicht zulässig, da die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits durch die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshof beantwortet wurden und wich das Bundesfinanzgericht von dieser Rechtsprechung im gegenständlichen Erkenntnis nicht ab.
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 und § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 eine eindeutige Rechtslage geschaffen, hinsichtlich derer keine Auslegungsschwierigkeiten bestehen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102709.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at