Anspruchszinsen wegen verspäteter Entrichtung einer Anzahlung gem. § 205 Abs. 3 BAO und überhöhten Einkommensteuervorauszahlungen für ein Vorjahr
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Monika Kofler in der Beschwerdesache Dr. VN1 VN2 NN, Adresse, vertreten durch XXX, Adresse-Stb, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2022 Steuernummer StNr zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2021 und Folgejahre gegenüber Dr. VN1 NN, in der Folge kurz mit Bf. bezeichnet, in Höhe von 40.662,00 Euro fest.
Die steuerliche Vertretung, des Bf., StV, empfahl diesem mit Schreiben vom , zwecks Vermeidung von Anspruchszinsen bis zum eine freiwillige Abschlagszahlung für 2022 in Höhe von 97.000,00 Euro zu leisten.
Am leistete der Bf. diese Zahlung für das Jahr 2022 in Höhe von 97.000,00 Euro.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für 2022 gegenüber dem Bf. in Höhe von 143.527,00 Euro fest. Es ergab sich eine Nachforderung in Höhe von 5.865,00 Euro, die sich wie folgt errechnete:
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt weiters gegenüber dem Bf. folgende Anspruchszinsen fest:
Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. Beschwerde und wendete ein, aufgrund eines Fehlers der Steuerberatungskanzlei den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen erhalten zu haben. Die Steuerberatungskanzlei habe (ihn) beinahe 3 Monate zu spät in Kenntnis gesetzt, dass Anspruchszinsen zu zahlen seien, wenn nach dem 30.9. eine Steuerschuld aus dem Vorjahr bestehe. Aufgrund des "Fremdverschuldens" ersuchte der Bf., die Abgabenschuld in Höhe von 1.613,63 Euro zu erlassen.
Das Finanzamt erließ am eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und verwies auf § 205 BAO. Begründend führte das Finanzamt aus, das Argument Fremdverschulden stelle keinen tauglichen Beschwerdegrund dar. Ein etwaiger Fehler eines selbst gewählten Vertreters könne gesetzlich an Sachverhalte anknüpfende Rechtsfolgen nicht unterdrücken. Haftungen für etwaige Fehler seien nicht im Abgabenverfahren zu berücksichtigen, sondern im Zivilrechtsweg zu klären.
Der Bf. stellte einen Vorlageantrag und verwies auf ein nunmehr bestehendes Guthaben von beinahe 60.000,00 Euro. Er ersuchte um eine Gutschrift im Kulanzweg.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt und Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ist im Hinblick auf die für 2022 festgesetzte Einkommensteuer und die darauf laut Anspruchszinsenbescheid für 2022 entrichteten Einkommensteuervorauszahlungen bzw. Anzahlungen unstrittig.
Laut Abgabeninformationssystem bestand im Zeitraum, für welchen Anspruchszinsen festgesetzt wurden, lediglich kurzfristig ein Guthaben aufgrund der geleisteten Einkommensteuervorauszahlung 04-06/2024 am , welche jedoch mit der am fälligen, später verbuchten Vorschreibung der Einkommensteuervorauszahlung verrechnet wurde.
Strittig ist, ob eine verspätete Information des Bf. durch seinen Steuerberater betreffend die gesetzliche Regelung der Anspruchszinsen, allenfalls im Wege der Kulanz, bei der Festsetzung der Anspruchszinsen berücksichtigt werden kann.
Der Bf. beruft sich dabei auch auf ein Guthaben aufgrund der bescheidmäßig festgesetzten Einkommensteuer für das Jahr 2023, welches am auf dem Abgabenkonto verbucht wurde. Dieses resultiert (hauptsächlich) aus den Zahlungen aufgrund des Bescheides vom , mit welchem die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2023 und Folgejahre mit 57.114,00 Euro festgesetzt wurden.
Laut Einkommensteuerbescheid vom für 2023 betrug das steuerpflichtige Einkommen des Bf. nach Abzug von Sonderausgaben (eine Beschwerdevorentscheidung war im Abgabeninformationssystem noch nicht ausgewiesen) 47.301,22 Euro. Nach Berechnung der Einkommensteuer und Abzug der anrechenbaren Lohnsteuer errechnete sich ein Guthaben in Höhe von 1.670,00 Euro.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 4 Bundesabgabenordnung (BAO) gelten folgende gesetzlichen Bestimmungen:
"(1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
(2) Der Abgabenanspruch entsteht insbesondere
a)bei der Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer
1.für die Vorauszahlungen mit Beginn des Kalendervierteljahres, für das die Vorauszahlungen zu entrichten sind, oder, wenn die Abgabepflicht erst im Lauf des Kalendervierteljahres begründet wird, mit der Begründung der Abgabepflicht;
2.für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach Z 1 schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht;
3.für Steuerabzugsbeträge im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte;
(Anm.: lit. b aufgehoben durch BGBl. I Nr. 14/2013)
c)bei sonstigen jährlich wiederkehrend zu entrichtenden Abgaben und Beiträgen mit dem Beginn des Kalenderjahres, für das die Abgabe (der Beitrag) erhoben wird.
(3) In Abgabenvorschriften enthaltene Bestimmungen über den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches (der Steuerschuld) bleiben unberührt.
(4) Der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ist ohne Einfluß auf die Entstehung des Abgabenanspruches."
Gemäß § 205 BAO gelten betreffend die Anspruchszinsen folgende gesetzlichen Bestimmungen:
"(1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus
a)Aufhebungen von Abgabenbescheiden,
b)Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,
c)auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 oder 4 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.
(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.
(3) Der Abgabepflichtige kann, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Anzahlungen sowie Mehrbeträge zu bisher bekannt gegebenen Anzahlungen gelten für die Verrechnung nach § 214 am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig. Wird eine Anzahlung in gegenüber der bisher bekannt gegebenen Anzahlung verminderter Höhe bekannt gegeben, so wirkt die hieraus entstehende, auf die bisherige Anzahlung zu verrechnende Gutschrift auf den Tag der Bekanntgabe der verminderten Anzahlung zurück. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen. Soweit keine solche Verrechnung zu erfolgen hat, sind die Anzahlungen gutzuschreiben; die Gutschrift wird mit Bekanntgabe des im Abs. 1 genannten Bescheides wirksam. Mit Ablauf des Zeitraumes des Abs. 2 dritter Satz sind noch nicht verrechnete und nicht bereits gutgeschriebene Anzahlungen gutzuschreiben.
(4) Die Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen (Nachforderungszinsen) wird durch Anzahlungen in ihrer jeweils maßgeblichen Höhe vermindert. Anzahlungen (Abs. 3) mindern die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen nur insoweit, als sie entrichtet sind.
(5) Differenzbeträge zu Gunsten des Abgabepflichtigen sind nur insoweit zu verzinsen (Gutschriftszinsen), als die nach Abs. 1 gegenüberzustellenden Beträge entrichtet sind. Bei im Abzugsweg zu erhebenden Steuern findet eine Verzinsung von Gutschriften nur insoweit statt, als die betreffenden Abgaben entrichtet wurden.
(6) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Nachforderungszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen,
a)als der Differenzbetrag (Abs. 1) Folge eines rückwirkenden Ereignisses (§ 295a) ist und die Zinsen die Zeit vor Eintritt des Ereignisses betreffen oder
b)als ein Guthaben (§ 215 Abs. 4) auf dem Abgabenkonto bestanden hat."
Gemäß § 215 BAO gilt Folgendes:
"(1) Ein sich aus der Gebarung (§ 213) unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen ist zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
(2) Verbleibt nach der in Abs. 1 vorgesehenen Tilgung von Schuldigkeiten bei einer Abgabenbehörde des Bundes ein Guthaben, ist dieses zunächst zur Tilgung dieser Behörde bekannter und fälliger Abgabenschuldigkeiten des Abgabepflichtigen bei einer anderen Abgabenbehörde des Bundes zu verwenden, soweit deren Einhebung nicht ausgesetzt ist. In weiterer Folge ist ein solches Guthaben zur Tilgung dieser Behörde bekannter fälliger Geldstrafen, Wertersätze sowie im Finanzstrafverfahren angefallener sonstiger Geldansprüche bei einer Finanzstrafbehörde zu verwenden. Die für Zwecke dieser Tilgung erforderliche Verarbeitung von personenbezogenen Daten, wie insbesondere der automationsunterstützte Datenaustausch zwischen den beteiligten Behörden, ist zulässig.
(3) Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so ist ein nach Anwendung der Abs. 1 und 2 noch verbleibendes Guthaben unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen zugunsten derjenigen zu verwenden, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes im eigenen Namen über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.
(4) Soweit Guthaben nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, sind sie nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen."
Im Hinblick darauf, dass es sich bei dem für den Beschwerdezeitraum ausgewiesenen Guthaben betreffend die Einkommensteuervorauszahlung 04-06/2024 um eine gewidmete, bereits fällige Einkommensteuervorauszahlung handelte und lediglich später eine Verbuchung erfolgte, war dieses Guthaben nicht zu berücksichtigen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2007/15/0175, betreffend Abgabennachsicht zu § 205 BAO wie folgt ausgeführt:
"Anspruchszinsen im Sinne des § 205 BAO (BGBl. I Nr. 142/2000) sind eine objektive Rechtsfolge, um (mögliche) Zinsvorteile oder Zinsnachteile auszugleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben (vgl. Ritz, BAO3, § 205 Tz. 2). Die Bestimmung berücksichtigt nicht die Gründe, aus welchen im Einzelfall Differenzbeträge an Einkommensteuer, die sich aus Abgabenbescheiden ergeben, nicht bis 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres entrichtet wurden. Insbesondere kommt es nicht auf ein Verschulden des Abgabepflichtigen am Entstehen zinsenrelevanter Nachforderungen an. Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er die Ursachen,die zur Abgabenentrichtung nach dem dort genannten Zeitpunkt geführt haben, im Anwendungsbereich des § 205 BAO grundsätzlich als unmaßgeblich erachtet hat."
Das vom Bf. erwähnte Guthaben betreffend die Einkommensteuer 2023 entstand in dieser Höhe erst im August 2024 und konnte sich auf die vorher angefallenen Anspruchszinsen nicht auswirken. Eine Verzinsung wäre erst ab Oktober des Folgejahres (für 2023, also ab Oktober 2024) erfolgt. Da die "Bekanntgabe des Bescheides" (§ 205 Abs. 1 BAO) früher erfolgte, waren keine Anspruchszinsen festzusetzen. Es wurden für 2023 daher keine Gutschriftszinsen festgesetzt, mit denen eine Verrechnung erfolgen können hätte.
Ursächlich für das Guthaben laut Einkommensteuerbescheid 2023 waren die im Verhältnis zum Einkommen zu hohen Vorauszahlungen an Einkommensteuer, welche mit Bescheid festgelegt worden waren.
Der Bf. hat 2023 im Gegensatz zu den Vorjahren kein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit erklärt. Aus dem vorgelegten Akt des Finanzamtes und dem Vorbringen des Bf. geht auch nicht hervor, dass er einen Antrag auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen gestellt hätte.
Die Berechnung der Anspruchszinsen entspricht den geltenden gesetzlichen Bestimmungen. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Hinweis:
Der Bf. hat in der Beschwerde ersucht, "die Abgabenschuld … zu erlassen". Wenn der Bf. einen Antrag auf Abgabennachsicht (§ 236 BAO) stellen möchte, kann er sich an seine steuerliche Vertretung oder an das Finanzamt wenden.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, liegt aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen und des angeführten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor.
Wien, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103261.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at