Verspätungszuschlag aus Vorsteuerberichtigungen aus Entgeltsminderungen ausländischer Unternehmer
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH, Renngasse 1 Tür Freyung, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom und betreffend
1. Verspätungszuschlag zu Vorauszahlungen 1-12/2015 an Umsatzsteuer i.H.v. 346,29 €
2. Verspätungszuschlag zu Vorauszahlungen 1-12/2016 an Umsatzsteuer i.H.v. 572,62 €
3. Verspätungszuschlag zu Vorauszahlungen 1-12/2017 an Umsatzsteuer i.H.v. 2.509,78 €
sowie die Bescheide vom betreffend
4. Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2015 iHv. 3.870,51 €
5. Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2016 iHv. 3.806,76 €
6. Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2017 iHv. 3.926,93 €
Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide (4.-6.) werden wird aufgehoben.
Die gegen die Bescheide 1.-3. (Verspätungszuschlag USt-Vorauszahlungen) überreichten Beschwerde werden unter I. miterledigt. Sie sind mit der Erlassung der Bescheide 4.-6. aus dem Rechtsbestand geschieden.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Hinsichtlich des Verfahrensganges wird auf das gleichzeitig erlassene Erkenntnis RV/2100452/2021 (Umsatzsteuer 20152017) verwiesen. Es wurden sowohl gegen Verspätungszuschlagbescheide als auch gegen die Sachbescheide Beschwerden überreicht.
In dieser führt die Bf. aus, dass durch Verspätungszuschläge gem. § 135 BAO die nicht fristgerechte Abgabe von Abgabenerklärungen durch einen Steuerpflichtigen sanktioniert werde. Gegenständlich lägen die Voraussetzungen für die Verhängung von Verspätungszuschlägen bereits deshalb nicht vor, weil im Fall des Vorliegens von Entgeltsminderungen keine Verpflichtung der Bf. zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen oder Jahreserklärungen bestünde, da die gegenständlichen Entgeltsminderungen ausschließlich im Rahmen der Vorsteuererstattungsanträge zu melden gewesen wären.
Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab und führte unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen aus, dass ihres Erachtens die Verspätung nicht entschuldbar sei, weil die Bf. ihre nach ihren persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hätte.
In ihrem Vorlageantrag bestritt die Bf. die zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen zu haben, weil die Nichteinreichung von Abgabenerklärungen auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruhte.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren RV/2100452/2021 wiederholte die Bf. ihre vorgebrachten Argumente.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Sachverhalt ist den erlassenen Bescheiden zu entnehmen. Die Festsetzung der Verspätungszuschläge erfolgte anlässlich der Erlassung der Jahresbescheide.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ist als unstrittig anzusehen und ergibt sich aus der Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
3.1.1. Rechtsquellen:
Bundesabgabenordnung (BAO)
§ 135
Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, kann die Abgabenbehörde einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst berechnete Betrag. Dies gilt sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Verspätungszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.
3.1.2. rechtliche Erwägungen
Gemäß § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist.
Der gesetzliche Zweck der Festsetzung von Verspätungszuschlägen besteht darin, den rechtzeitigen Eingang der Abgabenerklärungen und damit die zeitgerechte Festsetzung und die Entrichtung der Abgabe sicherzustellen. Mit Verspätungszuschlägen wird die Säumnis bei Erfüllung der Abgabenerklärungspflicht und die daraus für die Finanzverwaltung/den Fiskus entstehenden Folgen und Risken geahndet ().
Im Übrigen liegt die Festsetzung von Verspätungszuschlägen dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen (), wobei ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht die Annahme eines für das Ermessen wesentlichen Verschuldens ausschließen kann ().
Die Bf. hat Erstattungsanträge eingereicht, weil sie die Auffassung vertreten hat, dass die VO 383/2003 idF 221/2009 unionsrechtswidrig sei. Dass es sich dabei um eine vertretbare Rechtsansicht handelt, ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass das BFG in der Rechtssache "SK Telekom" deshalb ein Vorabentscheidungsersuchen eingebracht hat.
Mit einem Verspätungszuschlag soll nur das Fehlverhalten, Abgabenerklärungen nicht fristgerecht einzubringen, sanktioniert werden. Keinesfalls soll ein drohender Verspätungszuschlag Abgabepflichtige daran hindern, eine andere Rechtsauffassung als das Finanzamt zu vertreten. In vergleichbaren Fällen ausländischer Telekommunikationsdienstleister wurden die Verspätungszuschläge ebenfalls aufgehoben (s.a. ; , RV/2100186/2022; , RV/2100382/2021; , RV/2100326/2022; , RV/2100302/2022).
Da die Verspätungszuschlagsbescheide zu den Jahresbescheiden 2015-2017 mit den Verspätungszuschlagsbescheiden zu den Vorauszahlungsbescheiden 1-12/2015, 1-12/2016 und 4/2017 buchungstechnisch gegenverrechnet wurden, waren diese nicht mehr im Rechtsbestand. Die gegen die Vorauszahlungbescheide gerichteten Beschwerden galten auch gegen die entsprechenden Jahresbescheide gerichtet, weshalb auch die (Jahres-) Verspätungszuschlagsbescheide in einem miterledigt wurden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100583.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at