Rückforderung von Familienbeihilfe, da eine ernsthaft und zielstrebige Schulausbildung nicht nachgewiesen wurde
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum November 2022 bis Juni 2023, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird teilweise stattgeben und die Rückforderung für den Zeitraum November 2022 bis Februar 2023 wird aufgehoben.
Die Beschwerde wird, soweit sie die Rückforderung für den Zeitraum März 2023 bis Juni 2023 betrifft, gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog für seine Tochter T., geb. 2002, bis Juni 2023 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.
T. besucht seit dem Schuljahr 2022/23 besucht T. eine Handelsakademie für Berufstätige (Abendschule) in Wien.
Laut vorgelegtem Semesterzeugnis vom wurde die Tochter im Wintersemester 2022/23 in Gegenständen im Umfang von 23 Wochenstunden und laut Semesterzeugnis vom im Sommersemester 2023 in Gegenständen im Umfang von 18 Wochenstunden beurteilt.
Das Finanzamt forderte die für T. für den Zeitraum November 2022 bis Juni 2023 bezogenen Familienbeihilfe- und Kinderabsetzbeträge mit Bescheid vom zurück. Mit gleichem Bescheid wurde für A., B. und C. für den Zeitraum November 2022 bis Juni 2023 die anteilige Geschwisterstaffel zurückgefordert.
Begründend stellte das Finanzamt bezüglich T. fest, dass eine Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben werden müsse. Da für den Bezug der Familienbeihilfe mindestens 20 Stunden Zeitaufwand in der Woche Voraussetzung seien, bestünde für den oben angeführten Zeitraum kein Anspruch auf die Familienbeihilfe.
Der Bf. brachte in seiner Beschwerde vom vor, dass seine Tochter T. von September 2022 bis jetzt die Abendschule der BHAK Wien 10 besuche und heuer an der Handelsakademie maturiere. Sie habe im Wintersemester eine Wochenstunde von über 20 Stunden (genaue Angabe: 22 Wochenstunden) gehabt und die Schule regelmäßig besucht. Im Sommersemester habe sie jedoch weniger als 20 Wochenstunden gehabt, da das Sommersemester keine zusätzlichen Wochenstunden angeboten habe. Er stelle daher den Antrag, diesen Betrag bei der Berechnung des Rückzahlungsbetrages zu berücksichtigen.
Im Anhang übermittelte der Bf. die Schulbesuchsbestätigung von T. vom über das 6. Semester (Anzahl der Wochenstunden 22).
Im Zuge eines Vorhalteverfahrens legte der Bf. zwei Semesterzeugnisse, datiert mit und (Schuljahr 2022/23) vor.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde für den Zeitraum November 2022 bis Februar 2023 statt. Für den Zeitraum März 2023 bis Juni 2023 wurde die Beschwerde abgewiesen.
Begründend führte das Finanzamt aus:
"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG 1967) haben Anspruch auf Familienbeihilfe unter anderem Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Der Begriff" Berufsausbildung " ist im Gesetz selbst nicht erläutert. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen darunter jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird.
Entscheidend ist nicht nur die Art der Ausbildung, sondern auch deren zeitlicher Umfang. Die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. Davon ist dann auszugehen, wenn mindestens 20 Theorie- bzw Praxisstunden wöchentlich erbracht werden plus Zeiten für allfällige Lern-, Haus- und Vorbereitungsarbeiten.
Als Zeiten der Berufsausbildung sind jedoch nur solche Zeiten anzusehen, in denen aus objektiv erkennbaren Umständen geschlossen werden kann, dass eine Ausbildung für den Beruf auch tatsächlich erfolgt ist. Das Vorliegen rein formaler Erfordernisse (Schul- bzw. Inskriptionsbestätigung) genügt nicht, um eine Berufsausbildung nachzuweisen. Vielmehr muss eine Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben werden. Dies wird nur dann anzunehmen sein, wenn das Kind innerhalb eines angemessenen Zeitraumes zu den erforderlichen Prüfungen antritt. Berufsausbildung liegt somit nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist
Laut vorliegendem Semesterzeugnis der HAK für Berufstätige vom wurden im Sommersemester 2023 Gegenstände im Umfang vom 18 Wochenstunden beurteilt.
Wie bereits ausgeführt kommt es für die Qualifikation einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht nur auf das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Ausbildungserfolg an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. , mwN).
Von der Bindung der vollen Arbeitskraft kann wohl nur dann ausgegangen werden, wenn die Bildungsmaßnahme durch den Kursbesuch, die Vor- und Nachbereitungszeiten und die Prüfungsteilnahmen ein zeitliches Ausmaß in Anspruch nehmen, das zumindest annähernd dem eines Vollzeitdienstverhältnisses entspricht.
Da im Sommersemester 2023 das Vorliegen einer Berufsausbildung im quantitativ erforderlichen Ausmaß nicht nachgewiesen wurde, ist davon auszugehen, dass sich die Tochter im Zeitraum von März 2023 bis Juni 2023 nicht in einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG befand und die Anspruchsvoraussetzungen für diesen Zeitraum somit nicht Vorlagen.
Wer Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge gemäß § 26 FLAG 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 ESTG 1988 zurückzuzahlen.
Da die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe im angeführten Zeitraum nicht Vorlagen, erfolgte die Rückforderung zu Recht."
Am langte beim Finanzamt das unten wiedergegebene Schreiben des Bf. ein, welches vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet wurde.
"Der Bescheid ist hinsichtlich der ausgewiesenen Sonderausgaben unrichtig, denn meine Tochter T. K. hat von September 2022 bis jetzt die Abendschule der BHAK Wien 10 besucht und hat jetzt sogar heuer an der Handelsakademie maturiert. Das Reifeprüfungszeugnis geben wir Ihnen Mitte September ab, da sie es noch nicht bekommen hat, da sie Ihre Diplomarbeit noch nicht abgegeben hat. Ihre Noten stehen jedoch fest:
Deutsch: "Gut", Mathematik: "Genügend", Bfk: "Genügend", Islam: "Sehr gut", Englisch "Gut, FIRI: "Gut". Im Sommersemester hatte sie jedoch weniger als 20 Wochenstunden, da das Sommersemester keine zusätzlichen Wochenstunden angeboten hat. Jedoch können wir anhand von ihren Hausaufgaben und Lernzeiten beweisen, dass sie sogar im Sommersemester viel Fleiß und Bemühung zeigen musste.
Ich stelle daher den Antrag, den Ablauf des Anspruchsendes von T. K. bei der Berechnung zu berücksichtigen."
Im Anhang übermittelte der Bf. diverse Hausaufgaben mit Angabe der Lernzeiten.
Vorgelegt wurde weiters das Externistenprüfungszeugnis über die Zulassungsprüfung zur Externistenreife- und Diplomprüfung der Handelsakademie gemäß § 9 Abs. 3 der Verordnung über die Externistenprüfungen im Pflichtgegenstand Finanz- und Risikomanagement vom .
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Feststellungen:
Die Tochter des Bf. besucht seit dem Schuljahr 2022/23 eine Handelsakademie für Berufstätige (Abendschule) in Wien.
Laut Homepage der Schule (https://www.bhakwien10.at/ ) findet der Schulbesuch von Montag bis Freitag von 17:50 bis 21:45 Uhr statt und dauert die Ausbildung acht Semester (modules Ausbildungssystem).
Die Berufsreifeprüfung besteht aus 4 Teilprüfungen:
Mathematik ; Deutsch; Lebende Fremdsprache; Fachbereich (dieser bezieht sich auf die berufliche Erstausbildung)
Folgende Wochenstunden sind pro Semester vorgesehen:
Laut vorgelegtem Semesterzeugnis vom wurde T. im Wintersemester 2022/23 in Gegenständen im Umfang von 23 Wochenstunden beurteilt und laut Semesterzeugnis vom im Sommersemester 2023 in Gegenständen im Umfang von 18 Wochenstunden.
Beweiswürdigung:
Strittig ist, ob die Tochter des Bf. im Streitzeitraum März 2023 bis Juni 2023 die Berufsausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben hat.
Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, welche die Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (vgl. zBVwGH , 2006/15/0178, , ).
Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten ().
Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist der Monat (§ 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967).
Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. ).
Das Finanzamt gab der Beschwerde des Bf. mit Beschwerdevorentscheidung vom insoweit teilweise statt, als es die Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträge nur mehr für den Zeitraum März 2023 bis Juni 2023 zurückforderte. Für den Zeitraum November 2022 bis Februar 2023 wurde der Beschwerde stattgegeben.
Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Gemäß § 10 Abs 2 Satz 2 FLAG 1967 idF BGBl I 2015/50 erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 ist für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge § 26 FLAG 1967 anzuwenden.
Rechtliche Beurteilung:
In Auslegung des Beihilfentatbestandes nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 (außerhalb der Sonderbestimmungen dieses Tatbestandes betreffend Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen) hat der Verwaltungsgerichtshof zum Begriff "Berufsausbildung" folgende Rechtsprechung entwickelt, welche für die Beurteilung heranzuziehen ist:
• Begriff "Berufsausbildung"
Unter den Begriff der Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG fallen alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. , ). Zur Berufsausbildung gehört zweifellos die allgemein bildende Schulausbildung (, Verweis auf Burkert-Hackl-Wohlmann-Galletta, Der Familienlastenausgleich, Kommentar, zu § 2, Seite 6).
• Ziel einer Berufsausbildung
Ziel einer Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufs zu erlangen (vgl. ). Dazu gehört regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation (vgl. , , ).
• Ernstliches und zielstrebiges Bemühen um den Ausbildungserfolg
Es muss ein ernstliches, zielstrebiges und nach außen erkennbares Bemühen um einen Ausbildungserfolg erkennbar sein, um von einer Berufsausbildung sprechen zu können. Ein solches Bemühen manifestiert sich insbesondere im Antreten zu Prüfungen ().
Es kommt nicht darauf an, ob die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen tatsächlich gelingt (vgl. , ).
Ein ernstliches und zielstrebiges Bemühen wird auch nicht schon in Abrede zu stellen sein, wenn ein Kind mit vorgesehenen Prüfungen durch einige Zeit in Verzug gerät. Eine Ausbildung jedoch, bei der schon bald nach ihrem Beginn Prüfungen abzulegen sind, bei der das Kind aber während langer Zeit zu keiner Prüfung antritt, kann nicht als Berufsausbildung gewertet werden (vgl. ).
Der Antritt zu den erforderlichen Prüfungen bzw. Vorprüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung (vgl. , ). Das anspruchsvermittelnde Kind muss durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen (vgl. zB , ).
Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist (vgl. , , ).
Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich allein nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen (vgl. , ). Ebenso stellt die bloße Anmeldung zum Unterricht bzw. der fallweise Besuch einer Schule keine Berufsausbildung iSd Gesetzes dar (vgl. ).
• Qualitatives und quantitatives Element
Eine anzuerkennende Berufsausbildung weist ein qualitatives und ein quantitatives Element auf, sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang sind zu prüfen (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 36). Bei kursmäßigen Veranstaltungen kommt es zur Frage der Berufsausbildung darauf an, dass sich die Ausbildung in quantitativer Hinsicht vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privaten Interessen unterscheidet (vgl. , ).
Maßgeblich ist der erforderliche zeitliche Einsatz während des Lehrganges, der - soll eine Berufsausbildung vorliegen - so beschaffen sein muss, dass die "volle Zeit" des Kindes in Anspruch genommen wird (vgl. , , , vgl. auch Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz 36, vgl. weiters die Erkenntnisse des , , ).
Berufsreifeprüfung
Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Berufsreifeprüfung (BGBl. I Nr. 68/1997) und der Novelle aus dem Jahre 2000 (BGBl. I Nr. 52/2000) besteht für
LehrabsolventInnen mit abgelegter Lehrabschlussprüfung,
AbsolventInnen mindestens dreijähriger berufsbildender mittlerer Schulen
AbsolventInnen von Gesundheits- und Krankenpflegeschulen,
AbsolventInnen mindestens 30 Monate dauernder Schulen für den medizinisch-technischen Fachdienst sowie für
AbsolventInnen der land- und forstwirtschaftlichen Facharbeiterprüfung die Möglichkeit, auf Basis des im Rahmen der Berufsausübung erworbenen praxisbezogenen Wissens die Berufsreifeprüfung abzulegen.
Die Berufsreifeprüfung ist der Reifeprüfung an höheren Schulen insofern gleichwertig, als sie uneingeschränkt zum Studium an österreichischen Universitäten und Fachhochschulen sowie zum Besuch von Kollegs etc berechtigt und im Bundesdienst als Erfüllung der Erfordernisse für eine Einstufung in den gehobenen Dienst gilt.
Die Berufsreifeprüfung setzt sich aus 4 Teilprüfungen zusammen: Deutsch, Mathematik, eine lebende Fremdsprache nach Wahl als Teile der Allgemeinbildung, sowie einem Fachgebiet aus der beruflichen Praxis.
Der vollständige Abschluss ist erst nach erfolgreich abgeschlossener Lehrausbildung möglich und darf gemäß § 4 Abs. 3 Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung frühestens mit dem Erreichen des 19. Lebensjahres absolviert werden.
Die Vorbereitungszeit für die Berufsreifeprüfung bzw. Gewährung der Familienbeihilfe ist im Erlass des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie vom , FB 100, GZ 51 0104/4-VI/1/98 wie folgt geregelt:
"Bei Beantragung der Familienbeihilfe sind vom Finanzamt daher neben der Zulassung zur Berufsreifeprüfung jedenfalls auch die Angabe der (des) jeweiligen Prüfungstermine(s) sowie der Beleg (zB Kursbestätigung) oder die Glaubhaftmachung (bei Selbststudium) des tatsächlichen Vorbereitungsbeginns abzuverlangen. Die Familienbeihilfe ist immer zurück gerechnet vom Prüfungstermin zu gewähren, und zwar für längstens 16 Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in vier Gegenständen vorgesehen sind, für längstens zwölf Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in drei Gegenständen vorgesehen sind, für längstens acht Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in zwei Gegenständen vorgesehen sind, und für längstens vier Monate, wenn in diesem Zeitraum eine Teilprüfung in einem Gegenstand vorgesehen ist.
Voraussetzung ist aber, dass im jeweiligen Zeitraum tatsächlich eine Prüfungsvorbereitung vorliegt, denn eine Familienbeihilfengewährung über den tatsächlichen Vorbereitungsbeginn hinaus ist nicht möglich. Kann andererseits wegen Überschreitung der zur Verfügung stehenden Zeit Familienbeihilfe nicht für den gesamten Vorbereitungszeitraum gewährt werden, sind nur solche Monate zu zählen, die überwiegend in die Vorbereitungszeit fallen.
Die Aufteilung des Bezugszeitraumes hängt vom zeitlichen Abstand der einzelnen Teilprüfungen ab, eine Verlängerung wegen erforderlicher Wiederholungsprüfungen über die vier Monate pro Prüfung ist nicht möglich."
In diesem Erlass führt das Bundesministerium aus, in Kontaktnahme mit dem zuständigen Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten sei unter Berücksichtigung des zu bewältigenden Lehrstoffs erhoben worden, eine ernsthafte und zielstrebige Berufsausbildung im Sinne des FLAG sei für höchstens vier Vorbereitungsmonate bis zur jeweiligen Teilprüfung anzunehmen.
Nach Lehre und Judikatur wird angenommen, dass die Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung dann die volle Zeit in Anspruch nimmt, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand von mindestens 30 Stunden auf Kurse und Vorbereitungen auf eine Prüfung entfällt.
Vgl. Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2, III. Einzelne Tatbestände für volljährige Kinder (Abs 1 lit b-l) [Rz 28 - 139]:
"Ist das Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, wie etwa auch bei der Berufsreifeprüfung(…), ist nach der (überwiegenden) Judikatur des UFS und des BFG als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden (s zB -F/07; ; ; ), wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt."
Eine Berufsausbildung isd FLAG liege - analog zum Besuch einer AHS und BHS - generell nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt.
Weiters wird in Lehre und Judikatur angenommen, eine Vorbereitungszeit von vier Monaten sei - im Vergleich zur Ablegung der Matura an einer AHS/BHS - ausreichend. Die wöchentliche Unterrichtsdauer an der Oberstufe einer derartigen Schulde betrage rund 30 bis 35 Unterrichtsstunden; demgegenüber umfasse die Dauer der Vorbereitungskurse für die Ablegung der Berufsreifeprüfung weniger als die Hälfte dieses Stundenumfangs. Daher sei erkennbar, dass die Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung weit weniger Zeit in Anspruch nehme als der Besuch einer höheren Schule. Die Ausbildungsintensität sei nicht vergleichbar. Es könne eindeutig davon ausgegangen werden, dass unter der Prämisse, dass der Schüler seinen vollen Lerneinsatz dem jeweils einzelnen Gegenstand widmen, also Kurse im Umfang von rund 30 Wochenstunden besuchen hätte können, eine Vorbereitungszeit von vier Monaten pro Prüfung ausreichend gewesen wäre (vgl. Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, a.a.O.; -F/07; ; ; ).
Das Bundesfinanzgericht nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an (vgl. ), insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden (vgl. ; "Echtstunden" zu 60 Minuten, ), um von einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 zu sprechen (vgl. ; ).
Die Rückforderung für den Zeitraum März 2023 bis Juni 2023 wurde vom Finanzamt damit begründet, dass im Sommersemester 2023 das Vorliegen einer Berufsausbildung im quantitativ erforderlichen Ausmaß nicht nachgewiesen worden sei. Es sei davon auszugehen, dass sich die Tochter im Zeitraum von März 2023 bis Juni 2023 nicht in einer Berufsausbildung iSd FLAG befunden habe und die Anspruchsvoraussetzungen für diesen Zeitraum somit nicht vorlagen. T. sei im Streitzeitraum März 2023 bis Juni 2023 laut vorgelegtem Semesterzeugnis vom im Wintersemester 2022/23 in Gegenständen im Umfang von 23 Wochenstunden und im Sommersemester 2023 laut Semesterzeugnis vom in Gegenständen im Umfang von 18 Wochenstunden beurteilt worden.
Nach der Judikatur des VwGH besteht bei Begünstigungsvorschriften und in Fällen, in denen die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind, eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Die amtswegige Ermittlungspflicht tritt daher gegenüber der Behauptungs- und Mitwirkungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund (vgl. zB , vgl. auch ).
Der Bf. hat für den Zeitraum ab Mai 2023 keine Nachweise für Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiten vorgelegt. Auch das Reifeprüfungszeugnis wurde, obwohl vom Bf. angegeben, dass dieses im September 2023 ausgestellt werde, bislang nicht vorgelegt.
Der Bf. brachte darüber hinaus auch nicht vor, dass die Ausbildung im Sommersemester 2023 die volle Zeit seiner Tochter beansprucht hat. Die 20 Wochenstunden im Sommersemester 2023 wurden damit begründet, dass in diesem Semester keine zusätzlichen Wochenstunden angeboten worden seien.
Das Bundesfinanzgericht schließt sich daher in freier Beweiswürdigung der Ansicht des Finanzamtes an, dass T. ihre Schulausbildung im Rückforderungszeitraum März 2023 bis Juni 2023 nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben hat.
Rückerstattung von zu Unrecht bezogenen Beträgen
§ 26 FLAG normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat; ohne Rücksicht darauf, ob die bezogenen Beträge gutgläubig empfangen wurden oder ob die Rückzahlung eine Härte bedeutet. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Geldbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. , ).
Die Rückforderung gemäß § 26 Abs. 1 FLAG ist keine Ermessensentscheidung. Billigkeitsüberlegungen sind daher im Rückforderungsverfahren nach § 26 Abs. 1 FLAG vom Finanzamt oder vom Bundesfinanzgericht nicht anzustellen (vgl. und , jeweils unter Hinweis auf ). Dem Bundesfinanzgericht kommt auch keine Anweisungsbefugnis iSd § 26 Abs. 4 FLAG zu.
Zusammenfassend wird festgestellt, dass der Bf. für den Zeitraum März 2023 bis Juni 2023 keinerlei Nachweise vorgelegt hat, woraus zu schließen gewesen wäre, dass die Tochter ihre Schulausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben hat.
Der Bf. hat daher für den Zeitraum März 2023 bis Juni 2023 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, weshalb das Finanzamt zu Recht die diesbezüglichen Beträge zurückgefordert hat.
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit der Revision
Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 BVG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Ob ein Kind eine Berufsausbildung ernsthaft und zielstrebig absolviert, ist eine Tatfrage, welche in freier Beweiswürdigung zu beantworten ist. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich. Betreffend das Bestehen der Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge folgt das Bundesfinanzgericht der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103578.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at