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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.09.2024, RV/7100518/2023

Alleinerzieherabsetzbetrag; Lebensgemeinschaft

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 Steuernummer, ***BFStNr***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und die Einkommensteuer 2021 mit € -734,00 (Gutschrift) festgesetzt. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In seiner Erklärung zu Arbeitnehmerveranlagung 2021 beantragte der Beschwerdeführer die Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages für ein Kind. Im hierüber ergangenen Bescheid vom wurde die Einkommensteuer 2021 mit € -358,00 (Gutschrift) festgesetzt. Hierbei wurde der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt, weil die belangte Behörde davon ausging, dass der Beschwerdeführer im Veranlagungsjahr für mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft mit einer Partnerin gelebt habe.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom , in welcher der Beschwerdeführer vorbringt, dass er im Jahr 2021 lediglich einen Nebenwohnsitz in ***A-Adr***, gehabt habe, um diese Wohnung im Bedarfsfall für seinen Sohn zu reservieren, dass er jedoch mit der dort wohnhaften Dame keine Beziehung unterhalten habe. Sein ordentlicher Wohnsitz sei immer in ***Bf-Adr alt***, gewesen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid zulasten des Beschwerdeführers dahingehend ab, dass auch die geltend gemachten Gewerkschaftsbeiträge i.H.v. € 480,00 (diese seien bereits vom Arbeitgeber im Rahmen der Lohnverrechnung berücksichtigt worden), sonstige Werbungskosten i.H.v. € 47,00 (hierbei handle es sich um Umzugskosten und Kontoführungsgebühren, die steuerlich nicht berücksichtigt werden könnten) und Renten bzw. dauernde Lasten i.H.v. € 400,00 (hierbei handle es sich um Versicherungen, die im Jahr 2021 steuerlich nicht mehr anerkannt werden könnten) nicht berücksichtigt wurden. Hinsichtlich des Alleinerzieherabsetzbetrages ging die belangte Behörde weiterhin davon aus, dass der Beschwerdeführer im Veranlagungsjahr mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft in einer Partnerin gelebt habe. Die Einkommensteuer 2021 wurde demnach mit € -240,00 (Gutschrift) festgesetzt.

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer Vorlageantrag gemäß § 264 BAO, in dem er bekämpft, dass ihm der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zuerkannt wurde. Er macht geltend, dass Frau ***A*** damals nicht seine Partnerin gewesen sei und er nur kurz dort gewohnt habe. Die übrigen Punkte, in denen der angefochtene Bescheid durch die Beschwerdevorentscheidung abgeändert wurde, werden im Vorlageantrag nicht bekämpft.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer lebte mit seiner früheren Ehegattin und dem gemeinsamen Sohn in ***Bf-Adr alt***. Da der Beschwerdeführer und seine frühere Ehegattin wollten, dass ihr Sohn in eine Wohnung im schräg gegenüber liegenden Haus ***A-Adr***, zieht, haben sie gegenüber der Eigentümerin dieses Hauses (eine Genossenschaft) ihr diesbezügliches Interesse angemeldet. Die frühere Ehegattin des Beschwerdeführers ist im Juli 2018 verstorben. In der Folge lernte der Beschwerdeführer über eine Dating-Plattform ***A*** kennen, mit der er zunächst eine freundschaftliche Beziehung unterhielt. Aus dieser freundschaftliche Beziehung entwickelte sich etwa 2019/2020 eine Liebesbeziehung.

Ende 2020 informierte die Eigentümerin des Hauses ***A-Adr***, den Beschwerdeführer, dass nun eine Wohnung frei wäre und zur Verfügung stünde. Da der Sohn des Beschwerdeführers, der den Tod seiner Mutter noch nicht verarbeitet hatte, vorerst nicht alleine wohnen, sondern bei seinem Vater bleiben wollte, mietete und bezog ***A***, die bis dahin in ***A-Adr alt1*** (Hauptwohnsitz), und ***A-Adr alt2*** (Nebenwohnsitz) gewohnt hatte, ab die Wohnung ***A-Adr*** im Ausmaß von ca. 45 bis 50 m². Per meldete auch der Beschwerdeführer einen Nebenwohnsitz in dieser Wohnung.

Die Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und ***A*** war zunächst dadurch charakterisiert, dass sie gemeinsam ausgegangen sind, Ausflüge unternommen haben und auch gemeinsam auf Urlaub gefahren sind, wobei die Kosten für Ausflüge teilweise auch gemeinsam übernommen wurden. Der Beschwerdeführer nächtigte etwa ein- bis zweimal pro Woche bei ***A*** in der Wohnung ***A-Adr***. Umgekehrt kam es nicht vor, dass ***A*** in der Wohnung des Beschwerdeführers ***Bf-Adr alt***, nächtigte, da der Sohn des Beschwerdeführers dies nicht wollte. Sowohl der Beschwerdeführer als auch ***A*** behielten zunächst ihre jeweiligen Wohnungen und kamen für die damit verbundenen Haushaltskosten alleine auf.

Zur Mitte des Jahres 2021 fassten der Beschwerdeführer und ***A*** den Entschluss, zusammenzuziehen. Sie sahen sich nach einer geeigneten Wohnung um und stießen auf ein Haus in ***Bf-Adr*** welches zum Verkauf stand. Sie erwarben dieses Haus mit Kaufvertrag vom und bewohnen es seit gemeinsam. Anlässlich des Hauskaufes haben sie sich auch (erstmals) in Lebensversicherungen wechselseitig als Begünstigte eingesetzt. Der Sohn des Beschwerdeführers fand etwa zu jener Zeit, als der Beschwerdeführer mit ***A*** nach ***BF-Adr*** zog, eine Freundin. Dies sowie der Umstand, dass der Arbeitsplatz des Beschwerdeführers nur ca. 5 Minuten von der Wohnung ***Bf-Adr alt***, entfernt ist, sodass er im Bedarfsfall rasch und häufig bei seinem Sohn sein kann, haben es ermöglicht, dass dieser nun alleine dort wohnt. Mittlerweile sind der Beschwerdeführer und ***A*** (nunmehr ***Bf***) verheiratet.

Der Beschwerdeführer bezog für seinen Sohn im gesamten Jahr 2021 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen gründen sich i.W. Auf die Aussage der Zeugin ***Bf-Ehegattin*** (vorm. ***A***), welche unter Wahrheitspflicht ihre Beziehung zum Beschwerdeführer beschrieben und hierbei einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat. Abweichende Beweisergebnisse liegen lediglich insoweit vor, als der Beschwerdeführer angegeben hat, seine nunmehrige Ehegattin (erst) im Jahr 2020 kennen gelernt zu haben und nicht in ihrer Wohnung ***A-Adr***, genächtigt zu haben. In diesen Punkten erschien dem Gericht die Aussage des Beschwerdeführers, der offenbar bestrebt war, seine Beziehung zu ***A*** weniger eng darzustellen, als sie tatsächlich war, nicht glaubwürdig. Es liegen jedoch keinerlei Beweisergebnisse dafür vor, dass der Beschwerdeführer und ***A*** bereits vor September 2021 einen gemeinsamen Haushalt bewohnt haben. Insbesondere bedeutet der Umstand, dass der Beschwerdeführer ab einen Nebenwohnsitz in der Wohnung ***A-Adr***, gemeldet hatte, nicht, dass er dort im gemeinsamen Haushalt mit ***A*** gewohnt hat. Die polizeiliche Meldung ist lediglich ein Indiz. Maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse, die hier darin bestanden, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in dieser Wohnung über Besuche (wenn auch häufig und mit Nächtigung) nicht hinausgegangen ist.

Die Feststellungen zu den jeweiligen Wohnsitzen des Beschwerdeführers und seiner nunmehrigen Ehegattin sowie zum Kauf des Hauses in ***BF-Adr*** gründen sich auf die Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeugin ***Bf-Ehegattin*** (vorm. ***A***) und auf die Abfrage des zentralen Melderegisters sowie des Grundbuches.

Dass der Beschwerdeführer bis September 2022 (und sohin während des gesamten Jahres 2021) Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag bezogen hat, wurde von der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung vom bestätigt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gem. § 33 Abs. 4 Z. 2 EStG 1988 steht Alleinerziehenden ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser belief sich im beschwerdegegenständlichen Jahr 2021 für ein Kind auf € 494,00. Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind i.S.d. § 106 EStG 1988, für das dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 zusteht (dies ist dann der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen Familienbeihilfe gewährt wird), mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.

Der Alleinerzieherabsetzbetrag gebührt demnach nicht, wenn der Steuerpflichtige zumindest sechs Monate im Kalenderjahr in einer Lebensgemeinschaft lebt. Bei der Lebensgemeinschaft handelt es sich um einen eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen eine Geschlechtsgemeinschaft, eine Wohnungsgemeinschaft und eine Wirtschaftsgemeinschaft. Hierbei müssen nicht immer alle drei Merkmale zugleich vorliegen; jedes dieser Merkmale kann mehr oder weniger stark ausgeprägt sein oder auch ganz fehlen (). Allerdings kommt der Wohnungsgemeinschaft nach der Rechtsprechung eine zentrale Bedeutung zu. Ohne Wohnungsgemeinschaft kann nur in Ausnahmefällen eine Lebensgemeinschaft angenommen werden, etwa wenn die Partner aus beruflichen Gründen getrennt wohnen (vgl. EFSlg 57.270: ) oder wenn einer der Partner wegen Krankheit oder Behinderung dauerhaft in einem Pflegeheim untergebracht ist (UFS Linz , RV/0565-L/05).

Im vorliegenden Fall ist für die Zeit vor September 2021 eine solche Ausnahmesituation, die es rechtfertigen würde, trotz getrennter Wohnungen eine Lebensgemeinschaft anzunehmen, nicht erkennbar. Auch eine Wirtschaftsgemeinschaft war praktisch nicht vorhanden. Der Beschwerdeführer und ***A*** haben ihre Bedürfnisse des täglichen Lebens und die Mittel zur Haushaltsführung grundsätzlich jeder für sich bestritten und nur Kosten i.Z.m. Ausflügen hin und wieder gemeinsam getragen. Was sohin verbleibt, ist eine bloße Geschlechtsgemeinschaft, gemeinsame Unternehmungen und - wenn auch häufige - Aufenthalte des Beschwerdeführers in der Wohnung von ***A***. Dies geht nicht über das hinaus, was üblicherweise als intimes Verhältnis bezeichnet wird und rechtfertigt daher nicht die Annahme einer Lebensgemeinschaft (EFSlg 38.826: ). Eine Lebensgemeinschaft kann vielmehr erst ab September 2021 angenommen werden, als der Beschwerdeführer und ***A*** das gemeinsam angeschaffte Haus in ***BF-Adr*** bezogen haben.

Der Beschwerdeführer hat daher im Kalenderjahr 2021 während des Zeitraumes Jänner bis August, sohin mehr als sechs Monate mit seinem Sohn nicht in einer Gemeinschaft mit einer Partnerin gelebt und für diesen Zeitraum auch Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für seinen Sohn bezogen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z. 2 EStG 1988 liegen daher vor und war sohin der Beschwerde dahingehend stattzugeben, dass der Alleinerzieherabsetzbetrag zuerkannt wird.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Strittig war, ob die Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und ***A*** auch vor September 2021 als Lebensgemeinschaft zu qualifizieren ist. Unter welchen Voraussetzungen eine Lebensgemeinschaft angenommen werden kann, ist durch die zitierte Rechtsprechung hinreichend klargestellt. Ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall erfüllt sind, ist keine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage. Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung waren daher nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100518.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at