Herabsetzung eines Säumniszuschlages
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Paugger Steuerberatung GmbH, Wollzeile 18 Tür 16, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Herabsetzung eines Säumniszuschlages, Steuernummer ***BFStNr***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der mit Bescheid vom festgesetzte Säumniszuschlag gemäß § 217 Abs. 7 BAO auf € 0,00 herabgesetzt wird.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des mit Bescheid vom festgesetzten Säumniszuschlages i.H.v. € 3.054,78 sowie der mit Bescheid vom festgesetzten Pfändungsgebühr einschließlich Auslagenersatz i.H.v. € 1.007,86. Sie begründete dies damit, dass sie ein Ratenansuchen eingebracht habe, welches abgewiesen worden sei. Mangels Zustellung des diesbezüglichen Bescheides sei ihr dies jedoch nicht bekannt gewesen. Laut telefonischer Auskunft der belangten Behörde sei der Bescheid "mit Databox" zugestellt worden; im Zuge einer Abfrage der Databox sei der Bescheid jedoch dort nicht auffindbar gewesen. Es liege daher ein unvorhersehbarer Umstand vor, der bei der Beurteilung des Antragsbegehrens zu berücksichtigen sei. Zudem habe die Beschwerdeführerin die angebotenen Raten tatsächlich entrichtet.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag auf Stornierung des Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO ab. Sie begründete dies damit, dass die Beschwerdeführerin nicht ausreichend dargelegt habe, dass sie kein grobes Verschulden i.S.d. § 217 Abs. 7 BAO betreffend die Vorschreibung des Säumniszuschlages vom trifft. Zudem würden Bescheide im Zahlungserleichterungsverfahren nicht per Databox zugestellt, sondern postalisch versendet. Es sei daher auszuschließen, dass ein Mitarbeiter der belangten Behörde eine gegenteilige Auskunft erteilt hat. Der Bescheid über die Abweisung des Zahlungserleichterungsansuchens habe eine Nachfrist zur Entrichtung der rückständigen Abgabenschuldigkeiten bis normiert. Da diese Nachfrist nicht eingehalten worden sei, sei die Vorschreibung des Säumniszuschlages die gesetzliche Folge gewesen.
Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom , in der die Beschwerdeführerin nochmals geltend macht, dass sie nie über die Abweisung ihres Antrages vom (Zahlungserleichterungsansuchen) informiert worden sei. Dass Bescheide im Zahlungserleichterungsverfahren postalisch versendet werden, erkläre, weshalb die abweisende Erledigung des Antrages nicht in der Databox vorhanden war. Der diesbezügliche Bescheid sei jedoch auch im Postwege weder bei der steuerlichen Vertretung noch bei der Beschwerdeführerin selbst eingelangt, weshalb ihr auch eine Pflicht zur Entrichtung des verbliebenen Rückstandes bis nicht bekannt habe sein können.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde ab. Begründend führte sie aus, dass die Beschwerdeführerin in ihrem ursprünglichen Antrag vom nicht auf einen fehlenden postalischen Eingang hingewiesen habe. Dieser sei lediglich damit begründet worden, dass der Bescheid über die Abweisung des Zahlungserleichterungsansuchens nicht im elektronischen Postkorb auffindbar gewesen sei. Durch die postalische Zusendung sei die Nachfrist jedoch gesetzeskonform gesetzt worden.
Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin (infolge Hemmung der Beschwerdefrist gem. § 245 Abs. 3 u. 4 BAO fristgerecht) Vorlageantrag gemäß § 264 BAO.
Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurden den Parteien ergänzende Unterlagen abverlangt, u.a. der Beschwerdeführerin das Posteingangsbuch ihrer steuerlichen Vertretung. Diese legte einen Auszug aus dem (elektronischen) Posteingangsbuch für den Zeitraum bis vor, der der belangten Behörde am zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme binnen 14 Tagen übermittelt wurde. Die belangte Behörde äußerte sich hierzu nicht.
Anzumerken ist, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid lediglich über den Antrag auf Herabsetzung des Säumniszuschlages entschieden hat. Der gleichzeitig gestellte Antrag auf Aufhebung der Pfändungsgebühr und des Barauslagenersatzes ist daher nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, da die dem Bundesfinanzgericht in § 279 Abs. 1 BAO eingeräumte Änderungsbefugnis durch die "Sache", also jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat, begrenzt ist (; , Ra 2018/16/0121).
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Veranlagung der Körperschaftsteuer 2019 ergab für die Beschwerdeführerin eine Nachforderung i.H.v. € 203.652,00, fällig bis zum . Mit Zahlungserleichterungsansuchen vom beantragte sie, diesen Betrag in monatlichen Raten à € 17.000,00 entrichten zu können. Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde dieses Zahlungserleichterungsansuchen ab und setzte zur Entrichtung der rückständigen Abgabenschuldigkeiten eine Frist bis . Sie verfügte die Zustellung dieses Bescheides im Postwege ohne Zustellnachweis an die Beschwerdeführerin zu Handen ihrer steuerlichen Vertretung, welche über eine Zustellvollmacht verfügte. Der Bescheid vom langte bei der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin nicht ein.
Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde einen ersten Säumniszuschlag i.H.v. € 3.054,78 (2 %) von der zum damaligen Zeitpunkt aushaftenden restlichen Körperschaftsteuer 2019 i.H.v. € 152.739,00 fest. Die Reduktion gegenüber dem ursprünglichen Betrag von € 203.652,00 ergab sich durch Gutschriften aufgrund der UVAs für Jänner 2022 i.H.v. € 6.979,83 (gebucht am ) und Februar 2022 i.H.v. € 3.229,55 (gebucht am ) sowie eine Zahlung der Beschwerdeführerin vom i.H.v. € 40.703,62. Nach Erhalt des Bescheides vom setzte sich die Vertreterin der Beschwerdeführerin telefonisch mit der belangten Behörde in Verbindung und erfuhr dadurch erstmals, dass das Zahlungserleichterungsansuchen vom abgewiesen wurde.
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen gründen sich i.W. Auf den Akteninhalt. Die genannten Schriftsätze und Bescheide liegen dem Bundesfinanzgericht vor. Das Fälligkeitsdatum der Nachforderung aus der Veranlagung der KöSt 2019 sowie die USt-Gutschriften und die Zahlung der Beschwerdeführerin sind dem Abgabenkonto entnommen. Dass die Vertreterin der Beschwerdeführerin nach Zustellung des Bescheides vom (Festsetzung eines Säumniszuschlages) telefonisch mit der belangten Behörde Kontakt aufgenommen und dort erfahren hat, dass das Zahlungserleichterungsansuchen vom abgewiesen wurde, bringt sie in ihrem Antrag vom glaubhaft und unwidersprochen vor. Ob der kontaktierte Mitarbeiter der belangten Behörde hierbei die (unzutreffende) Auskunft erteilt hat, dass der Bescheid vom in die Databox zugestellt wurde, ist ohne rechtliche Relevanz und kann daher dahingestellt bleiben.
Strittig war lediglich, ob der Beschwerdeführerin der Bescheid vom (Abweisung des Zahlungserleichterungsansuchens) zugegangen ist. Die belangte Behörde hat die Zustellung des Bescheides ohne Zustellnachweis z.Hd. der steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin verfügt; nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist er dort jedoch nicht eingelangt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 ZustG hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folgen zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (; , 2007/16/0175). Der Beweis, dass der Beschwerdeführerin der Bescheid vom zugestellt worden wäre, wurde nicht erbracht. Mit dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Auszug aus dem Posteingangsbuch für den Zeitraum bis liegt vielmehr ein deutliches Indiz dafür vor, dass der Bescheid tatsächlich nicht in der Kanzlei der Beschwerdeführervertreterin eingelangt ist, zumal in diesem Auszug mit Ausnahme des Bescheides vom sämtliche im gegenständlichen Verfahren aktenkundigen Bescheide der belangten Behörde aus dem genannten Zeitraum aufscheinen (nämlich der SZ-Bescheid vom , der Pfändungsgebühren-Bescheid vom und der beschwerdegegenständliche Bescheid vom sowie die aus dem Abgabenkonto mit Datum ersichtlichen Bescheide über die Festsetzung der KöSt 2019, der USt 2019 und der KöSt-Vorauszahlung 01-03/22). Demnach war die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführerin der Bescheid vom , mit dem ihr Zahlungserleichterungsansuchen vom abgewiesen wurde, nicht zugestellt wurde.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Wird ein Ansuchen um Zahlungserleichterung vor dem Ablauf der für die Entrichtung der Abgabe zur Verfügung stehenden Frist eingebracht, dürfen bis zur Erledigung des Ansuchens Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet werden (Hemmung der Einbringung; § 230 Abs. 3 BAO). Dies hat auch zur Folge, dass Säumniszuschläge für die Abgabenschuldigkeiten, deren Einbringung gehemmt ist, nicht zu entrichten sind (§ 217 Abs. 4 lit. b BAO).
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin das Zahlungserleichterungsansuchen zur KöSt 2019 am , sohin vor Fälligkeit der Abgabe () eingebracht, sodass die Einbringung der KöSt 2019 gehemmt wurde. Der hierüber ergangene Bescheid vom wurde der Beschwerdeführerin nicht zugestellt, sodass er rechtlich nicht existent wurde und das Zahlungserleichterungsansuchen nach wie vor unerledigt ist (vgl. ; , 94/16/0010). Die Hemmung dauert daher bis heute an bzw. würde bis heute andauern, wenn die KöSt 2019 noch offen wäre. Ein Säumniszuschlag zur KöSt 2019 hätte demnach nicht festgesetzt werden dürfen.
Der Bescheid vom über die Festsetzung des Säumniszuschlages zur KöSt 2019 wurde von der Beschwerdeführerin nicht bekämpft und ist daher in Rechtskraft erwachsen. Stattdessen hat sie unter Hinweis darauf, dass sie von der Abweisung des Zahlungserleichterungsansuchens keine Kenntnis hatte und es sich hierbei um einen unvorhersehbaren Umstand handle, beantragt, den Säumniszuschlag aufzuheben. Dies kann als Antrag auf Herabsetzung des Säumniszuschlages (auf € 0,00) i.S.d. § 217 Abs. 7 BAO interpretiert werden und wurde von der belangten Behörde zutreffenderweise auch tatsächlich in diesem Sinne verstanden. Nach dieser Bestimmung ist ein Säumniszuschlag insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als den Abgabepflichtigen an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Nachdem die Beschwerdeführerin mangels Zustellung des Bescheides vom bis zum Telefonat mit der belangten Behörde keine Kenntnis von der Abweisung ihres Zahlungserleichterungsansuchens hatte, musste sie davon ausgehen, dass die Einbringung der KöSt 2019 nach wie vor gehemmt ist (was mangels wirksamer Erledigung des Zahlungserleichterungsansuchens auch tatsächlich der Fall war) und diese Abgabe daher vorerst nicht entrichtet werden muss. Die Beschwerdeführerin trifft daher kein Verschulden (und damit jedenfalls kein grobes Verschulden i.S.d. § 217 Abs. 7 BAO) an der (vorerst) nicht vollständigen Entrichtung der KöSt 2019, wobei anzumerken ist, dass bei Erlassung des SZ-Bescheides am durch die USt-Gutschriften für Jänner und Februar 2022 sowie die Zahlung vom insg. € 50.913,00 entrichtet waren, was (abgesehen von einer geringfügigen Differenz) jenem Betrag entspricht, den die Beschwerdeführer nach der von ihr angebotenen Ratenzahlung bis zu diesem Zeitpunkt zu entrichten gehabt hätte (drei Monatsraten à € 17.000,00 = € 51.000,00).
Soweit die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung und im Vorlagebericht offenbar die Auffassung vertritt, der Antrag auf Herabsetzung des Säumniszuschlages sei deswegen abzuweisen, weil die Beschwerdeführerin darin zunächst lediglich vorgebracht habe, der Bescheid vom über die Abweisung des Zahlungserleichterungsansuchens sei im elektronischen Postkorb (Databox) nicht auffindbar gewesen auffindbar gewesen, und auf einen fehlenden postalischen Eingang nicht (bzw. erst in der Beschwerde) hingewiesen habe, ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin im Antrag von vorbringt, von der Abweisung des Zahlungserleichterungsansuchens mangels Erhalt des Bescheides vom keine Kenntnis gehabt zu haben sowie dass dieser unvorhersehbare Umstand bei der beantragten Aufhebung des Säumniszuschlages zu berücksichtigen sei. Damit hat die Beschwerdeführerin hinreichend klar dargelegt, dass ihr ein allfälliges (in Wahrheit ohnedies nicht eingetretenes) Ende der Hemmung der Einbringung nicht bekannt sein konnte (was rechtlich ein mangelndes Verschulden an der Nichtzahlung zur Folge hat) und sie aus diesem Grunde die Herabsetzung des Säumniszuschlages auf € 0,00 begehrt. Dass die Beschwerdeführerin bereits im ursprünglichen Antrag vorbringt, der Bescheid vom sei ihr (auch) im Postwege nicht zugestellt worden, kann hierbei nicht ernsthaft gefordert werden. Der Antrag ist daher ausreichend begründet. Das im Vorlagebericht weiters enthaltene Vorbringen, wonach es in der Verantwortung der steuerlichen Vertretung liegen würde, wenn diese die Beschwerdeführerin nicht über die Abweisung des Zahlungserleichterungsansuchens informiert haben sollte, geht von einer wirksamen Zustellung des Bescheides aus, die aber - wie oben ausgeführt - hier nicht vorliegt.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abzuändern war, dass der mit Bescheid vom festgesetzte Säumniszuschlag gemäß § 217 Abs. 7 BAO auf € 0,00 herabgesetzt wird.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die hier maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von welcher das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen ist, hinreichend geklärt. Ob ein (grobes) Verschulden an einer Säumnis vorliegt, hängt zudem immer maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles ab. Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung waren daher nicht zu lösen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100925.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at