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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.09.2024, RV/1100180/2023

Besteuerung der von einem Angestellten eines liechtensteinischen Casinos als Anteil aus dem Tronc bezogenen Trinkgelder

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr*** vertreten durch Mag. ***S***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, ***Bf-StNr***, zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Beschwerdevorentscheidung abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2022 fest, wobei eine von der liechtensteinischen Arbeitgeberin ausbezahlte Teuerungsprämie abweichend von der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugerechnet wurde.

2. Dagegen erhob der steuerliche Vertreter unter Anschluss entsprechender Beilagen Beschwerde und beantragte, die im Dezember ausbezahlte Teuerungsprämie in Höhe von 1.000,00 CHF (980,39 €) gemäß § 124b Z 408 EStG 1988 steuerfrei zu belassen, da es sich um einen Inflationsbonus handle und die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Einmalzahlung vorlägen. Andernfalls läge, da es sich nicht um einen laufenden Bezug handle, ein begünstigt zu besteuernder sonstiger Bezug gemäß § 67 EStG 1988 vor.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung änderte das Finanzamt den Bescheid insoweit ab, als es zwar die Teuerungsprämie als steuerfrei behandelte, gleichzeitig aber die Steuerfreiheit der im Bruttolohn enthaltenen Trinkgelder versagte. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass unter ortsüblichen Trinkgeldern solche im Sinne der allgemeinen Verkehrsauffassung zu verstehen seien und die Benennung als "Trinkgeld" alleine noch nicht zu einer Qualifizierung als steuerbefreites Trinkgeld führe. Maßgeblich sei vielmehr der wirtschaftliche Gehalt. Liege eine gesetzliche Bestimmung oder eine lohngestaltende Vorschrift vor, die eine Annahme von Trinkgeldern durch den Arbeitnehmer selbst verbiete und komme es in der Folge zu einer Verteilung durch den Arbeitgeber an die Arbeitnehmer, lägen keine "Trinkgelder" im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 16a erster Satz EStG 1988 vor. Dem wirtschaftlichen Gehalt nach handle es sich vielmehr um (steuerpflichtiges) Arbeitsentgelt, selbst wenn die Cagnotte nach der Intention des einzelnen Kunden (Spielers) als "Trinkgeldsubstitut" anzusehen sei.

4. Mit Vorlageantrag wurde die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt. Begründend führte der steuerliche Vertreter aus, der Beschwerdeführer sei bei der ***C*** Aktiengesellschaft als Inspektor im Spielcasinobetrieb tätig. Die von den Besuchern des Casinos für die Mitarbeiter überlassenen Trinkgelder würden vom Betreiber des Casinos in einen gemeinsamen Topf geworfen und nach Ablauf des jeweiligen Monats auf die Mitarbeiter aufgeteilt (sog. "Tronc-System"). Gemeinsam mit der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2022 seien dem Finanzamt eine Aufstellung sämtlicher Bezüge sowie sämtliche Lohnabrechnungen vorgelegt worden. Wie aus dieser Aufstellung ersichtlich sei, seien dem Beschwerdeführer im Jahr 2022 neben den laufenden Bezügen Trinkgelder in Höhe von insgesamt 2.977,35 CHF (ds. 4,29% der Bruttobezüge) weitergeleitet worden. Es handle sich dabei sowohl der Verkehrsauffassung als auch der Höhe nach durchwegs um "ortsübliche Trinkgelder". Dass die Trinkgelder im Wege des Tronc-Systems an die Mitarbeiter weitergeleitet würden, sei für die Steuerbefreiung nicht schädlich. Die Trinkgelder seien im Lohnausweis ausgewiesen, weil diese AHV-pflichtig seien. Die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 setze voraus, dass Trinkgelder freiwillig (ohne Rechtsanspruch) von einem Dritten (also nicht vom Arbeitgeber in der festgelegten Höhe bestimmt; Hinweis auf LStR Rz 92e bis Rz 92g) einem Arbeitnehmer nach § 47 Abs. 1 EStG 1988 im Rahmen der Arbeitsleistung gezahlt würden. Die Befreiung gelte auch, wenn das Trinkgeld in einen gemeinsamen "Topf" geworfen und anschließend aufgeteilt werde (Tronk-System). Nach Rz 92f LStR müsse das Trinkgeld dem Arbeitnehmer von dritter Seite zugewendet werden. Trinkgeld von dritter Seite liege auch vor, wenn dieses von anderen Arbeitnehmern (zB Zählkellnern) oder vom Arbeitgeber selbst entgegengenommen und an die Arbeitnehmer weitergegeben werde. Trinkgeld von dritter Seite liege daher auch dann vor, wenn der Arbeitgeber Kreditkartentrinkgelder an die Arbeitnehmer weitergebe. Es seien daher keine Gründe ersichtlich, weshalb die Steuerfreiheit gemäß § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 im Beschwerdefall nicht zur Anwendung kommen sollte.

5. Auf Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes legte der steuerliche Vertreter den Arbeitsvertrag sowie das Tronc-Reglement der ***C*** AG vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist mit Arbeitsvertrag vom bei der ***C*** AG in Liechtenstein als Dealer/Inspektor angestellt. Die Aufgaben sind im Einzelnen in der Stellenbeschreibung festgehalten. Neben dem vereinbarten Grundlohn hat er Anspruch auf einen Anteil am Tronc, welcher sich nach dem jeweils geltenden Tronc-Reglement richtet und als Teil des Bruttolohnes gilt (Punkt 4. des Arbeitsvertrages).

Dem Tronc-Reglement der ***C*** AG zufolge setzt sich der Tronc aus allen Zuwendungen finanzieller Art zusammen, welche die Kunden den Casinomitarbeitern zukommen lassen, wobei die Mitarbeiter - abgesehen von den in Punkt 2. geregelten Ausnahmen - dazu verpflichtet sind, alle erhaltenen finanziellen Zuwendungen wie Trinkgelder uä. dem dafür aufgestellten Behälter zuzuführen (Punkt 1.). Der Tronc wird immer zum Ende des Monats ausgezahlt. Der im Tronc befindliche Betrag wird zwischen dem Arbeitgeber (81 %) und den Mitarbeitern (19 %) aufgeteilt, der Anteil in Höhe von 19 % daraufhin unter den Mitarbeitern im Verhältnis zum jeweiligen Grundgehalt aufgeteilt (Punkt 3.).

Im Jahr 2019 wurde dem Beschwerdeführer aus dem Tronc den Lohnabrechnungen zufolge ein Betrag von insgesamt 2.977,35 CHF ausbezahlt, welcher im Jahresbruttolohn (73.364,35 CHF) enthalten ist.

Weiters bezog er im Streitjahr eine als "Inflationsbonus" bezeichnete Zahlung in Höhe von 1.000,00 CHF.

2. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 sind von der Einkommensteuer befreit:

"Ortsübliche Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist. Dies gilt nicht, wenn auf Grund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen Arbeitnehmern die direkte Annahme von Trinkgeldern untersagt ist."

Art. 32 des liechtensteinischen Geldspielgesetzes (GSG), LGBl. 2010 Nr. 235, enthält bezüglich Trinkgeldern folgende Regelung:

"1) Trinkgelder, die für einen von der Spielbank festgelegten Kreis der Angestellten bestimmt sind, sind in die speziell dafür vorgesehenen Behälter (Tronc) einzulegen und mit gesonderter Abrechnung zu erfassen und zu belegen. Sie sind nicht Bestandteil des Bruttospielertrages. Die Spielbank legt die Verteilung des Tronc in einem Reglement fest.

2) Individuelle Trinkgelder und Zuwendungen anderer Art dürfen ausschliesslich die Mitarbeiter im persönlichen Dienstleistungsbereich annehmen, insbesondere das Restaurant- oder Garderobenpersonal."

Mit Erkenntnis vom , G 19/08, hat der Verfassungsgerichtshof, nachdem er aufgrund einer anhängigen Beschwerde eines Arbeitnehmers eines (inländischen) Casinos, dem es nach § 27 Abs. 3 GlücksspielG untersagt war, von den Spielern Zuwendungen entgegenzunehmen, von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 eingeleitet hatte, die Regelung sowohl hinsichtlich des ersten als auch des zweiten Satzes als verfassungskonform beurteilt. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, die Bestimmung betreffe Einkünfte, bei denen aufgrund der bestehenden, im Einzelnen angeführten Besonderheiten ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für die Normierung einer Steuerbefreiung bestehe. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Satzes des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 hielt der Verfassungsgerichtshof fest, dass es bei dieser Ausnahme primär um eine steuerliche Regelung für die Fälle gehe, in denen zwar Trinkgelder zulässigerweise geleistet würden, dem Arbeitnehmer selbst aber die direkte Annahme verboten sei, so dass es zwangsläufig bei der Entgegennahme und Verteilung der Trinkgelder zu einer Einschaltung des Arbeitgebers kommen müsse. Dies unterscheide den geregelten Fall von freiwilligen "Tronc-Systemen", bei denen bloß aus Gründen der gerechteren bzw. einfacheren Verteilung eine Zusammenfassung der geleisteten Trinkgelder erfolge und die Verteilung unter Einschaltung des Arbeitgebers nach einem im Voraus vereinbarten Schlüssel vorgenommen werde, für die Arbeitnehmer aber die Möglichkeit bestehe, jederzeit zu einem System der "Selbstverwaltung" unter Ausschaltung des Arbeitgebers zurückzukehren. Derartige Unterschiede rechtfertigten aber auch eine unterschiedliche steuerliche Behandlung, erhalte doch das Trinkgeld im zweiten Fall zwangsläufig stärker den Charakter eines Lohnbestandteiles im traditionellen Sinn, den der Gesetzgeber daher zulässigerweise in die Steuerpflicht einbeziehen dürfe, auch wenn er im Übrigen Arbeitnehmertrinkgelder von der Besteuerung freistelle.

Nach der gegebenen Sachlage zählte der Beschwerdeführer zu dem im Regelement der ***C*** AG festgelegten Kreis der Angestellten, die einen Anteil am sogenannten Tronc erhalten. Die Annahme individueller Trinkgelder war ihm nach Art. 32 Abs. 2 des liechtensteinischen Geldspielgesetzes untersagt. Dementsprechend war er nach Punkt 1. des Tronc-Reglements verpflichtet, die erhaltenen Trinkgelder in den dafür vorgesehenen Behälter einzulegen. Damit stand einer Steuerbefreiung der ihm von der Arbeitgeberin ausbezahlten anteiligen Trinkgelder aus dem Tronc aber die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 16a zweiter Satz EStG 1988 entgegen. Die vom steuerlichen Vertreter im Vorlageantrag angeführten, unter die Steuerbefreiung fallenden Trinkgelder vermögen daran nichts zu ändern, kam es im Unterschied dazu bei der Entgegennahme und Verteilung der Trinkgelder doch auch gegenständlich zwangsläufig zu einer Einschaltung der Arbeitgeberin.

Zudem hat das Bundesfinanzgericht auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anwendung des § 3 Abs. 1 Z 16a erster Satz EStG 1988 bei Angestellten eines liechtensteinischen Casinos bereits wiederholt verneint, da es sich aufgrund des angewendeten Verteilungssystems nicht mehr um Zuwendungen der Kunden an einzelne Arbeitnehmer aus Anlass einer von diesen Personen erbrachten Dienstleistung handle, sondern vielmehr ein Rechtsanspruch gegenüber der Arbeitgeberin auf einen Anteil aus dem Tronc, der Teil des Bruttolohnes sei, bestünde (vgl. ua. , mwN, , mwN, und ).

Die vom Beschwerdeführer bezogenen Anteile aus dem Tronc waren sohin wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung als steuerpflichtige Lohnbestandteile zu erfassen und war der angefochtene Bescheid insoweit daher abzuändern.

Ebenso war der Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der Beurteilung des im Dezember 2022 unter dem Titel "Inflationsbonus" ausbezahlten Betrages in Höhe von 1.000,00 CHF als nach § 124b Z 408 lit. a EStG 1988 steuerfreie Zulage zu folgen, ergaben sich aus der Aktenlage doch keine Hinweise dafür, dass die gesetzlich normierten Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen.

Insgesamt war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Beschwerdefall strittige Frage der Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 wurde auf Grundlage der im Erkenntnis angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung sowie von nicht über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen beurteilt. Die Steuerfreiheit der ausbezahlten Teuerungszulage ergibt sich aus dem Vorliegen der in § 124b Z 408 lit. a EStG 1988 normierten Voraussetzungen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt und ist eine (ordentliche) Revision daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

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