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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.08.2024, RV/3100300/2024

Zahlungen aus Wetterderivaten sind weder Betriebseinnahmen (Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988) noch Einkünfte aus Spekulationsgeschäften (Einkommensteuer 2008)

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/15/0070.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid Finanzamtes F (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2008 zu Steuernummer *** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird dahin abgeändert, dass die Einkommensteuer mit EUR 0,- für ein Einkommen von EUR -22.169,01 festgesetzt wird. Die Bemessungsgrundlagen sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheiden vom verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme des (mit Einkommensteuerbescheid vom abgeschlossenen) Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2008 und erließ einen neuen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008, in dem es die Einkommensteuer abweichend von der eingereichten Abgabenerklärung für ein Einkommen von EUR 30.100,30 mit EUR 7.973,53 festsetzte. Die Begründung dazu lautet: "In Ihrer Steuererklärung wurde neben Ihrem Verlustvortrag auch der noch offene Verlustvortrag Ihres verstorbenen Vaters geltend gemacht. Dies ist nicht möglich, da der Betrieb bereits im Jahr 2006, also noch zu Lebzeiten Ihres Vaters, geschenkt wurde. Im Zuge einer Schenkung geht der Verlustvortrag des Geschenkgebers nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger über. … Am wurden EUR 36.940,- an die H GmbH überwiesen. Es wurden dabei sogenannte Wetterderivate gekauft. Hierbei handelt es sich lt. Auskunft der H GmbH um ein Versicherungsprodukt, wonach insbesondere Betrieben die Möglichkeit geboten wurde, sich - wie im vorliegenden Fall - gegen Mindereinnahmen auf Grund der geringen Schneelage zu versichern. Somit stellen die Einnahmen aus diesem Produkt in Höhe von EUR 110.000,- Betriebseinnahmen dar. Die Einnahmen werden den beiden Betrieben Betrieb_2 und Betrieb_1 so zugerechnet, wie die bisher als Privateinlage erfassten Beträge zugewiesen wurden; d.h. Einnahme Betrieb_2 EUR 90.000,- und Einnahme Betrieb_1 EUR 20.000,-. Andererseits ist natürlich der Ankauf dieser Wetterderivate als Aufwand zu erfassen. Hier erfolgt die Erfassung im Verhältnis der den Betrieben zugeordneten Einnahmen. Somit steht im Betrieb der Betrieb_2 noch ein Aufwand von EUR 30.224,- und bei der Betrieb_1 ein solcher von EUR 6.716,- zu."

In seiner Berufung vom wendete der Beschwerdeführer wie folgt ein: "…Die Derivatseinzahlung wurde privat geleistet und nicht als Betriebsausgabe erfasst. Damit ist völlig klar, dass die Privatperson ein Derivat gekauft hat. Dies nunmehr als "Betriebsausgabe" nachzuerfassen, ist unmöglich und unrichtig. … Grundsätzlich wird damit in die Gestaltungsfreiheit und Finanzautonomie der Person des Derivatkäufers unberechtigt eingegriffen. Ein Derivat ist ein Finanzprodukt beliebiger Art, das auf einem Markt Chancen einräumt, bzw. Kursschwankungen unterworfen ist. Im vorliegenden Fall wird in Form einer Wette auf Schneefall oder nicht, ein Produkt angeboten, das mit Totalverlust, bzw. je nach Schneehöhe verschiedene Erträge bringt. Nur und ausschließlich die natürliche Person hat zu entscheiden, ob dies für seinen Betrieb oder für sein privates Risiko geeignet ist. Sozusagen ein Betriebsaufwand - Kauf einer sprachlich geschönten "Versicherung im betrieblichen Bereich" erfolgt. Der mit dem Kauf dieses Wetterderivates entweder erfolgende Totalverlust oder ein Gewinn ist dann entweder ein Privatverlust, bzw. Privatgewinn oder bei betrieblicher Anschaffung ein betrieblicher Verlust oder Gewinn. Die gewählte Variante war durch Nichtansatz des Aufwandes im betrieblichen Bereich somit klar erkennbar eine private Angelegenheit. Eine nachträgliche Erfassung und Zwangszuweisung in den betrieblichen Bereich zur Versteuerung dieses privaten Gewinnes ist daher unrichtig…".

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom ab und begründete dies wie folgt: "In einem Telefongespräch vom mit Herrn X von der H GmbH hat dieser bestätigt, dass es sich beim verkauften Produkt "Wetterderivat" um ein Versicherungsprodukt handelt, welches eine Versicherungsleistung für den Fall des Einnahmenausfalles - in diesem Fall eben auf Grund des Wetters (Schneelage) - verspricht. Er hat in diesem Gespräch auch eingeräumt, dass dieses Produkt bei Interesse auch an Privatpersonen verkauft worden wäre. Seiner Ansicht nach sei dies aber für Privatpersonen auf Grund der Höhe der zu leistenden Prämie uninteressant und auch nicht in Anspruch genommen worden. Hierzu wird auch festgehalten, dass sämtlicher - dem Finanzamt F vorliegender - Schriftverkehr an die Firma Bf adressiert ist. Auch die Vollmacht zur Umsetzung von Wetterderivaten ist mit einem Firmenstempel versehen. Hinsichtlich der Berufungseinwendung, dass die Derivatseinzahlung auch privat geleistet wurde, wird festgehalten, dass die Einzahlung nicht von einem Privatkonto weg erfolgte, sondern über das Firmenkonto. Hier ist jedoch richtig, dass die Zahlung im Zuge der Verbuchung als Privateinnahme erfasst wurde. Da die Verbuchung des Monates Jänner - bedingt dadurch, dass die UVA für diesen Monat erst mit 15. März fällig war - erfahrungsgemäß erst gegen Ende Februar bzw. Anfang März durchgeführt wird, war zu diesem Zeitpunkt bereits absehbar, dass aus dem Wetterderivat ein entsprechendes positives Ergebnis zu erwarten sein wird. Somit war es planbar, dass diesfalls die Prämie als Privatentnahme behandelt wurde. Zur Verifizierung dieses Sachverhaltes wurde das buchhalterische Erfassungsprotokoll abverlangt, welches allerdings nicht vorgelegt wurde. … Zusammenfassend wird festgestellt, dass sowohl die Prämienzahlung für das Wetterderivat als auch der daraus erfolgte Zufluss nach ihrem tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalt betriebliche Vorgänge darstellen und daher steuerlich entsprechend zu berücksichtigen waren…".

Der Beschwerdeführer beantragte am die Vorlage seiner Berufung an den Unabhängigen Finanzsenat und brachte weiter vor, die Buchungstheorie des Finanzamtes zur Rechtfertigung als betrieblicher Vorgang sei spekulativer als die Derivatsspekulation auf die Schneehöhe. Der Wetterlös sei nicht umsatzbezogen, sondern ein Vielfaches des Wetteinsatzes gewesen.

Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung von nicht weiter konkretisierten Sonderausgaben sowie des Alleinverdienerabsetzbetrages mit zwei Kinderfreibeträgen.

Mit Schreiben vom forderte die Referentin des Unabhängigen Finanzsenates das Finanzamt zur Stellungnahme und Vorlage von Unterlagen auf wie folgt:

"Lt. Schreiben der H GmbH vom wurde das Wetterderivat über die Swiss Re in New York bei der Börse gekauft. Bei dem Wetterderivat handelt es sich um ein Finanzinstrument der Gattung Futures, welches in der Transaktionsform Termingeschäft oder Option ausgestaltet sein kann… Nach den vorliegenden Unterlagen … wurde das gegenständliche Wetterderivat als unbedingtes, wenn auch gegen einen "Preis" verkauftes, Termingeschäft ausgestaltet. … Für die Einordnung eines Wirtschaftsgutes in das notwendige BV ist Voraussetzung, dass das Wirtschaftsgut nach seiner objektiven Beschaffenheit zum Einsatz im Betrieb bestimmt ist, ein nur mittelbarer Bezug zum Betrieb reicht nicht aus. Wetterderivate beruhen auf 7 flexibel gestaltbaren Parametern. Hinzu kommen noch die Festlegung von Messstellen und Vorgaben zur Durchführung der Messungen. Ohne nähere Kenntnis darüber, auf welcher Grundlage und zufolge welcher Überlegungen die Festlegung der einzelnen Parameter erfolgt ist, könnte … eine Entscheidung darüber, ob der Abschluss des Wetterderivat-Vertrages geeignet war, ein Betriebsrisiko dem Grunde und Umfang nach konkret abzusichern, nicht getroffen werden. … Ob und welches Risiko oder Risiken (Umsatzausfälle, Kostenentstehung) abgefedert werden sollte, wie das Risiko bewertet wurde, welche Elemente und Überlegungen die Wahl der maßgeblichen Parameter-Werte bestimmten, inwiefern und inwieweit diese gewählte Ausgestaltung des Wetterderivats den Risikotransfer unter unternehmerischen Gesichtspunkten sohin zu verwirklichen geeignet war, erschließt sich nicht. … Wird der in der Berufungsvorentscheidung vertretene Rechtsstandpunkt aufrechterhalten, … wird gebeten, die zur Stützung dieser Ansicht entsprechend erforderlichen Ermittlungen nachzuholen… Dabei wird sich auch die Frage nach einer periodenrichtigen Berücksichtigung des Preises für das Wetterderivat stellen. Der Ankauf des Wetterderivats war bereits im Herbst 2007 (genaues Datum nicht aktenkundig) vertraglich eingegangen und an der Börse realisiert worden, die Zahlung des Preises erfolgte durch den Berufungswerber … erst in 2008. Die Abgabenbehörde erster Instanz hat trotz Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 die Zahlung des Preises erst im Jahr der Zahlung als Aufwand berücksichtigt, indem sie im Einkommensteuerbescheid 2008 die Einkünfte aus dem Wetterderivat vermindert um diese Zahlung gewinnwirksam ansetzte (EUR 110.000,- abzüglich EUR 36.940,-)."

Das Finanzamt brachte mit Schreiben vom und unter Weiterleitung einer Stellungnahme des Beschwerdeführers vor, dass eine periodengerechte Gewinnermittlung (bezogen auf die Anschaffung des Wetterderivates im Jahr 2007) aus verwaltungsökonomischen Gründen nicht stattgefunden habe. Für den Fall, dass das Wetterderivat nicht als notwendiges Betriebsvermögen eingestuft werde, werde dessen Erfassung im Rahmen eines Spekulationsgeschäftes nach § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 beantragt.

Mit Schreiben vom forderte die Referentin des Unabhängigen Finanzsenates den Beschwerdeführer zur Stellungnahme zum Vorbringen des Finanzamtes betreffend die Erfassung des Wetterderivates im Rahmen der sonstigen Einkünfte als Spekulationsgeschäft sowie zur Vorlage von Belegen zur beantragten Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages mit zwei Kinderfreibeträgen sowie von Sonderausgaben auf.

Der Beschwerdeführer replizierte darauf mit Schreiben vom und brachte vor, dass das Wetterderivat nicht im Rahmen eines Spekulationsgewinnes zu erfassen sei. Der Antrag auf Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages mit 2 Kindern werde zurückgenommen. An Sonderausgaben seien EUR 273,60 für Unfallversicherung 2008 zu berücksichtigen.

Diese Rechtssache wurde mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom der ursprünglich zuständigen Gerichtsabteilung GA *** zum Stichtag abgenommen und jener der nunmehr einschreitenden Richterin übertragen. Mit Erkenntnis vom gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und setzte die Einkommensteuer mit EUR 0,- für ein Einkommen von EUR -22.169,01 fest. Aufgrund einer vom Finanzamt erhobenen außerordentlichen Revision hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom zu Ra 2024/15/0028 auf.

Das Bundesfinanzgericht erteilte dem Finanzamt mit Beschluss vom den Auftrag, Ermittlungen zur Existenz einer Beschneiungsanlage im Schigebiete Ort_1, zum Sommerbetrieb der Liftanlagen und zur Lage der beiden Betriebe im Schigebiet durchzuführen. Das Finanzamt übermittelte die Ergebnisse seiner Nachforschungen am .

Die erkennende Richterin vernahm den Beschwerdeführer am zum Sachverhalt ein und setzte das Finanzamt von dessen Aussagen am selben Tag in Kenntnis. Das Finanzamt erstattete keine Stellungnahme zur übermittelten Niederschrift.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer betrieb im Jahr 2008 als Einzelunternehmer zwei Gastgewerbebetriebe und ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG 1988.

Der Beschwerdeführer hat die "Betrieb_1" im Jahr 2006 von seinem Vater übernommen. Der Betrieb wurde im Streitjahr und wird nach wie vor während des ganzen Jahres geführt und ist regelmäßig von Mitte Mai bis Mitte Oktober und von Mitte Dezember bis Ostern geöffnet. Die "Betrieb_1" liegt auf 1.200 m Seehöhe in einem nach Nord-Nord-West ausgerichteten, geneigten Gelände. Der Betrieb wird durch eine auch im Winter befahrbare Straße erschlossen und liegt am Vierersessellift und an der Talabfahrt 6a nach Ort_2. Die Talabfahrt 6a nach Ort_2 wird seit 1998 und wurde auch im Streitjahr 2008 künstlich beschneit.

Der Beschwerdeführer hatte die "Betrieb_2" im Streitjahr und bis 2014 gepachtet. Auch dieser Betrieb wurde ganzjährig geführt und war regelmäßig und auch im Streitjahr von Mitte Mai bis Mitte Oktober und von Mitte Dezember bis Ostern geöffnet. Der Betrieb liegt direkt an der Mittelstation der von Ort_1 kommenden Gondelbahn und an der Haupt-Abfahrtspiste, welche in Ort_1 endet. Diese Schipiste wurde seit 1988 und auch im Streitjahr 2008 künstlich beschneit. Die "Betrieb_2" liegt auf 1.200 m Seehöhe in einem nach Norden ausgerichteten, geneigten Gelände. Die von Ort_1 kommende Gondelbahn ("H-Bahn") war im Jahr 2007 von bis und im Jahr 2008 vom bis in Betrieb.

Der Beschwerdeführer erwarb im Jahr 2007 zwei sogenannte "Wetterderivate" von der H GmbH und bezahlte dafür am EUR 36.940,-. Im Jahr 2008 erhielt der Beschwerdeführer aus diesen "Wetterderivaten" von der H GmbH Zahlungen von insgesamt EUR 110.000,-. Diese Tatsachen sind zwischen den Parteien unstrittig.

Die "Wetterderivate" waren laut bei den Verwaltungsakten befindlichen Angeboten der H GmbH vom (bzw. laut weiteren, hinsichtlich der Beträge unveränderten Angeboten vom ) wie folgt ausgestaltet:

1) "Produkt: Call Spread - Nicht Ski Tage NST. Absicherungsperiode: - (93 Tage); Wetterstation: Ort_3 …; Nicht Ski Tag Definition: Ein NST ist definiert als eins (1) wenn die tägliche Schneedeckenhöhe bei der Wetterstation Ort_3 kleiner kleiner gleich 20 cm ist; Nicht Ski Tag Index: Die Summe der NST während der Absicherungsperiode; Beginn der Auszahlung (Strike Selbstbehalt): 45 NST; Auszahlung pro NST: EUR 2.500,-; Maximale Auszahlung: EUR 120.000,- oder 48 NST; Schadensauszahlung: 30 Tage nach Absicherungs-Periode; Preis für kleiner gleich 20 cm, EUR 36.090,-…"

2) "Produkt: Call Spread - Nicht Ski Tage NST. Absicherungsperiode - (20 Tage; Wetterstation: Ort_3…; Nicht Ski Tag Definition: Ein NST ist definiert als eins (1), wenn die tägliche Schneedeckenhöhe bei der Wetterstation Ort_3 größer gleich 100 cm ist; Nicht Ski Tag Index: Die Summe der NST während der Absicherungsperiode; Beginn der Auszahlung (Strike Selbstbehalt): 10 NST; Auszahlung pro NST: EUR 2.500,-; Maximale Auszahlung: EUR 25.000,- oder 10 NST; Schadensauszahlung: 30 Tage nach Absicherungs-Periode; Preis für größer gleich 100 cm, EUR 3.350,-…".

Der Beschwerdeführer hat die in den "Wetterderivaten" genannte Wetterstation Ort_3 unter mehreren zur Verfügung stehenden Wetterstationen ausgewählt. Die Wetterstation Ort_3 liegt auf einem nach Süden gerichteten Hang in 750 m Seehöhe und ist von der "Betrieb_1" ca. 11 km Luftlinie entfernt.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den im Streitjahr vom Beschwerdeführer geführten Betrieben ergeben sich aus dessen glaubwürdigen Angaben (vgl. insbesondere die Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers vom ), denen das Finanzamt nicht entgegengetreten ist. Nicht festgestellt werden konnte, dass es sich bei einem oder beiden Betrieben des Beschwerdeführers um eine "Skihütte" handeln würde. Keine der beiden Parteien hat diesbezügliches Vorbringen erstattet. Aus dem Akteninhalt und den Ermittlungsergebnissen des Bundesfinanzgerichts ergeben sich keinerlei dahingehende Hinweise. Das Bundesfinanzgericht ist an die diesbezügliche Sachverhaltsannahme des Verwaltungsgerichtshofes nicht gebunden.

Die Feststellung zum Sommerbetrieb der von Ort_1 kommenden Gondelbahn ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers (vgl. die Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers vom ) und eines Mitarbeiters des Liftbetreibers (vgl. die Beantwortung des Ermittlungsauftrages vom ).

Die Feststellung zur Entfernung der Wetterstation Ort_3 (BFG-Akt Seite 64: geographische Koordinaten 47.31.30 Breite, 12.16.43 Länge) vom Betrieb "Betrieb_1" und Wohnsitz des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Messprotokollen (BFG-Akt Seiten 52-65) sowie einer Längenmessung auf www_1 . Die Feststellungen zur Lage der Meßstation bzw. der Betriebe des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem auf www_2 veröffentlichten Kartenmaterial.

Die Feststellungen zur künstlichen Beschneiung im Schigebiet Ort_1 - Ort_2 gründen sich auf die Aussage des Beschwerdeführers (vgl. Niederschrift über seine Einvernahme am ) und die Stellungnahme eines Mitarbeiters des Liftbetreibers (vgl. die Beantwortung des Ermittlungsauftrages des Finanzamtes vom ).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Nach § 2 EStG 1988 ist der Einkommensteuer jenes Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Einkommen ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten und nach Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen (Abs. 2). Der Einkommensteuer unterliegen unter anderem Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 23 EStG 1988) und sonstige Einkünfte im Sinn des § 29 EStG 1988 (Abs. 3).

Der Beschwerdeführer erzielte im Jahr 2008 aus der Bewirtschaftung von zwei Gastgewerbebetrieben Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Voraussetzung für die Qualifikation der zugeflossenen Zahlung von EUR 110.000,- als Betriebseinnahmen im Rahmen dieser Betriebe ist, dass es sich bei den angeschafften "Wetterderivaten" um notwendiges Betriebsvermögen eines oder beider Betriebe handelt. Eine Widmung von Wirtschaftsgütern als gewillkürtes Betriebsvermögen scheidet im Fall des Beschwerdeführers aus, da dieser seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermittelte (§ 5 Abs. 1 zweiter Satz EStG e contrario). Bei Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens muss einerseits ein sachlicher Zusammenhang zum Betrieb und andererseits wirtschaftliches Eigentum des Betriebsinhabers vorliegen (Marschner in Jakom, EStG, 14.A. 2021, Rz 72 f zu § 4 mit Judikaturhinweisen). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehören alle Wirtschaftsgüter, die objektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind, zum notwendigen Betriebsvermögen. Dabei sind die Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes, die Besonderheiten des Betriebes und des Berufszweiges des Abgabepflichtigen sowie die Verkehrsauffassung maßgebend ( mwN).

Das Vorbringen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung, das "Wetterderivat" sei ein Versicherungsprodukt, welches eine Versicherungsleistung für den Fall des Einnahmenausfalls aufgrund des Wetters (Schneelage) verspreche, geht am festgestellten unstrittigen Sachverhalt vorbei: Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung sagt die H GmbH eine Geldleistung für den Fall zu, dass eine bestimmte Anzahl von Nicht-Ski-Tagen eintritt. Ein Nicht-Ski-Tag ist wiederum allein dadurch definiert, dass eine im Vorhinein festgelegte Schneehöhe an einem bestimmten Punkt über- oder unterschritten wird. Es ist keinerlei Bezug zu einem wetterbedingten Einnahmenausfall auf Seiten des Beschwerdeführers erkennbar (so auch das Vorbringen im Vorlageantrag). Der Beschwerdeführer hat dazu weiter angegeben (vgl. Niederschrift über die Einvernahme vom ), dass die natürliche Schneehöhe allein für seine Betriebe eine irrelevante Größe ist, zumal die beiden an seinen Betrieben vorbeiführenden Schipisten im Winter seit Jahrzehnten künstlich beschneit werden. Dem Beschwerdeführer ist dahin zu folgen, dass mit den "Wetterderivaten" keinerlei typische betriebliche Risiken im Sinn einer Versicherung abgedeckt wurden, sondern dass deren spekulativer Charakter eindeutig im Vordergrund steht.

Das Vorbringen, ein bestimmtes Bank- oder Versicherungsprodukt sei aufgrund der Höhe der zu leistenden Prämie für Privatpersonen uninteressant, ist in seiner Allgemeinheit weder haltbar noch geeignet, die betriebliche Notwendigkeit seiner Anschaffung zu belegen. Es ist eine notorische Tatsache, dass die Vermögensverhältnisse innerhalb der österreichischen Bevölkerung stark divergieren. Ebenso ist es eine notorische Tatsache, dass die Finanzkraft österreichischer (Tourismus-)Betriebe nicht einheitlich als hoch angesehen werden kann. Im Übrigen zitiert das Finanzamt eine Auskunftsperson dahin, dass das Produkt bei Interesse auch an Privatpersonen verkauft worden wäre.

Eine Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen liegt nicht schon deshalb vor, weil eine Beteiligung mit betrieblichen Mitteln angeschafft wurde. Fehlt es an einem Zusammenhang des Beteiligungserwerbs mit dem Betrieb des Steuerpflichtigen, ist von einer Entnahme von Betriebsvermögen auszugehen ( mwN). Nichts anderes kann für die "Wetterderivate" gelten. Das Vorbringen des Finanzamtes, die Verwendung des Firmenstempels auf der Vollmacht zur Umsetzung von Wetterderivaten sei ein Indiz für die Betriebsnotwendigkeit der Anschaffung der Wetterderivate, überzeugt angesichts der Darstellung des Beschwerdeführers nicht: Dieser bringt vor (vgl. Niederschrift über die Einvernahme vom ), er habe immer wieder freies Geld vom Betriebskonto für private Anschaffungen verwendet und dies buchhalterisch als Privatentnahme deklariert. Er habe die "Wetterderivate" vor Beginn der Wintersaison gekauft und dafür ebenfalls verfügbares Geld vom Betriebskonto verwendet. Im Zuge der Jahresabschlussarbeiten habe der damit befasste Steuerberater ihm ausdrücklich gesagt, dass die Schneewette nichts im Betrieb verloren habe und die Umbuchung auf das Privatkonto vorgenommen. Das Vorbringen des Finanzamtes, der Beschwerdeführer habe zum Zeitpunkt der Umbuchung bereits absehen können, dass er einen Gewinn aus den Wetterderivaten erzielen würde, ist dem gegenüber reine Spekulation und wurde nicht weiter belegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass das Bundesfinanzgericht sich mit den Besonderheiten der Betriebe des Beschwerdeführers in Hinblick auf eine Absicherung des betriebswirtschaftlichen Risikos aufgrund des Wetters bzw. einer volatilen Schneelage auseinanderzusetzen hat. Beide Betriebe des Beschwerdeführers wurden (auch im Streitjahr) ganzjährig geführt. Die "Wetterderivate" mit ihren "Absicherungsperioden" - und - sind nicht geeignet, während der Sommersaison entstehende betriebswirtschaftliche Risiken welcher Art auch immer auszugleichen. Im Winter führt an beiden Betrieben jeweils eine seit Jahrzehnten und auch im Streitjahr künstlich beschneite Piste (Talabfahrt) vorbei. Das betriebswirtschaftliche Risiko einer "volatilen Schneelage" ist schon angesichts dieser objektiven Umstände als vernachlässigbar einzustufen. Dies wird durch das Vorbringen des Beschwerdeführers untermauert, dass die Höhe der Naturschneedecke isoliert betrachtet für seine Betriebe völlig irrelevant ist.

Beiden Betrieben des Beschwerdeführers ist gemeinsam, dass sie auf 1.200 m Seehöhe in nach Norden bzw. Nord-Nord-Westen ausgerichtetem Gelände gelegen sind. Der vom Beschwerdeführer für die Wetterderivate ausgewählte Messpunkt ist hingegen über 400 m tiefer und auf einem nach Süden ausgerichteten Hang gelegen. Es ist eine notorische Tatsache, dass auf zur Sonne geneigten Hängen gefallener Schnee schneller und früher schmilzt als auf von der Sonne weggeneigten Hängen gefallener Schnee. Der Beschwerdeführer hat zur Auswahl der Messstation vorgebracht, dass er aufgrund seiner langjährigen Beobachtungen sehr gut abschätzen konnte, wie sich die Schneelage bei der von ihm ausgewählten Messstation üblicherweise entwickelte ("Für mich war das Risiko subjektiv sehr gering. Es war für mich wie Lottospielen mit sehr hohen Gewinnchancen."). Keine der Parteien hat auch nur behauptet, dass die Schneelage an der gewählten Messstation jener im Bereich der Betriebe des Beschwerdeführers entsprechen würde, zumal die Benützbarkeit an den Betrieben vorbeiführenden Schipisten im Winter seit Jahrzehnten durch künstliche Beschneiung sichergestellt war. Diese Umstände sprechen gegen eine Eignung der "Wetterderivate", den Beschwerdeführer gegen betriebswirtschaftliche Risken abzusichern.

Insgesamt ergibt sich, dass die "Wetterderivate" nicht dem notwendigen Betriebsvermögen des Beschwerdeführers zuzuordnen sind. Die im Jahr 2008 zugeflossene Zahlung von EUR 110.000,- ist keine Betriebseinnahme des Beschwerdeführers.

§ 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 idF BGBl I Nr 2/2001 lautet: "Spekulationsgeschäfte sind:

1. …

2. Termingeschäfte einschließlich Differenzgeschäfte, weiters innerhalb von einem Jahr abgewickelte Optionsgeschäfte einschließlich geschriebene Optionen und Swaphandelsgeschäfte. …"

Das Finanzamt hat sein Vorbringen, die Einkünfte seien - falls keine Betriebsvermögenseigenschaft der "Wetterderivate" angenommen würde - als solche aus Spekulationsgeschäften zu erfassen, nicht weiter konkretisiert und auch nicht dargelegt, weshalb ein Tatbestand der angezogenen Bestimmung des § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 verwirklicht worden wäre. Termin-, Differenz- und Optionsgeschäfte sind derivative Finanzkontrakte, deren Wert bzw. wirtschaftlicher Erfolg vom Preis sowie den Preisschwankungen und -erwartungen eines zugrundeliegenden Basisinstruments (zB Aktie, Anleihe, Devisen, Index) abgeleitet wird (Kanduth-Kristen in Jakom, EStG, 3.A. 2010, Rz 19 zu § 30; zum Differenzkontrakt). Nach diesem Verständnis ist eine naturgegebene, vom Menschen nicht beeinflussbare Größe (wie die Schneehöhe an einem bestimmten Punkt und an einem bestimmten Tag) nicht gleichzusetzen mit dem Preis, den Preisschwankungen und -erwartungen von Wertpapieren, Währungen oder Indizes. Letztere werden im weitesten Sinn durch menschliches Handeln bestimmt und beeinflusst. Daher ist eine Wette auf eine bestimmte Schneehöhe zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. über eine bestimmte Zeitspanne derartigen derivativen Finanzkontrakten nicht vergleichbar. Der Tatbestand des § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 ist daher nicht erfüllt. Eine Besteuerung des zugeflossenen Betrages von EUR 110.000,- als Spekulationseinkünfte kommt nicht in Betracht.

Bei den Bemessungsgrundlagen waren Sonderausgaben in Höhe der nachgewiesenen Prämienzahlung für eine Unfallversicherung von EUR 273,60 zu berücksichtigen. Der Beschwerde war insgesamt Folge zu geben. Der Einkommensteuerbescheid 2008 war wie folgt abzuändern:

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)

Die zu lösenden Rechtsfragen waren keine von grundsätzlicher Bedeutung, zumal die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen durch Lehre und Rechtsprechung ausreichend geklärt ist und das verfahrensgegenständliche Wirtschaftsgut seit 2008 nicht mehr am Markt angeboten wird. Die hier maßgebliche Regelung der Spekulationsbesteuerung ist nicht mehr in Kraft und es ist angesichts der verstrichenen Zeit auszuschließen, dass noch weitere Beschwerdeverfahren mit diesem Streitgegenstand zu entscheiden sein werden.

Innsbruck, am

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ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100300.2024

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