Sache des Bescheidbeschwerdeverfahrens in der Familienbeihilfe - der im Abweisungsbescheid genannte Antrag wurde nicht eingebracht
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe vom für ***1*** ab Oktober 2023, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Am brachte der Beschwerdeführer über FinanzOnline eine Beschwerde ein. Das Feld "Art des Bescheides" füllte er mit "Covid-19 Verlägerter Anspruch auf Familienbeihilfe ***1***" aus und beim Bescheiddatum gab er den an. Im Text führte er im Wesentlichen an, seiner Tochter werde mit die Familienbeihilfe aufgrund ihres 24. Lebensjahres nicht mehr gewährt. Die Tochter von Bekannten sei ebenfalls im Herbst 1999 geboren, studiere auch noch und habe die Verlängerung bekommen. Er bitte den Fall seiner Tochter nochmal zu prüfen.
2. Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Familienbeihilfe vom , eingebracht am , für seine Tochter ab Oktober 2023 ab und begründete, das Verlängerungssemester im Zusammenhang mit der COVID-19 Krise werde nur gewährt, wenn im Sommersemester 2020 ein Studium betrieben werde. Die Tochter des Beschwerdeführers habe erst im Wintersemester 2020/2021 mit dem Studium begonnen, sie habe im September 2023 das 24. Lebensjahr vollendet und somit sei ein Anspruch auf Familienbeihilfe im Oktober 2023 nicht mehr gegeben.
3. Am langte gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Finanzamt ein. Der Beschwerdeführer brachte vor, seine Tochter habe im Covid-Jahr 2020 die Handelsakademie mit Matura abgeschlossen und somit die Berufsausbildungen mehrerer kaufmännischer Berufe abgeschlossen. Sie habe im selben Coronasommer 2020 mit ihrer weiteren Berufsausbildung - ein Bachelorstudium in Wirtschaftswissenschaften - begonnen, weshalb seine Tochter vollumfänglich in die Regelung des § 2 Abs. 9 lit a, b und c FLAG 1967 falle.
4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte es nach Anführung des Wortlautes der Abs. 1 lit b und 9 lit b des § 2 FLAG 1967 aus, das Covid-Semester, das zu einer Verlängerung führe, sei das Sommersemester 2020. Aufgrund des Ausbruches der Corona-Krise und der Umstellung auf Distance Learning sei im Sommersemester 2020 von einer Beeinträchtigung auszugehen gewesen. Die Tochter des Beschwerdeführers sei im Sommersemester 2020 Schülerin an der Handelsakademie gewesen und habe diese Ausbildung in der vorgesehenen Zeit mit der Reife- und Diplomprüfung im Juni 2020 abgeschlossen. Das Studium sei erst im Wintersemester 2020/2021 begonnen worden. Für Ausbildungen, die ab dem Wintersemester 2020/2021 begonnen worden seien, gelte nicht die Annahme, dass eine Covid-Beeinträchtigung vorgelegen habe.
5. Am langte eine (neuerliche) "Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom " beim Finanzamt ein, welche das Finanzamt als Vorlageantrag wertete. Darin brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, § 2 Abs. 9 lit a FLAG spreche von einer Berufsausbildung und nicht ausschließlich von einem Studium. Somit treffe dieser Absatz vollumfänglich auf seine Tochter zu. Zudem habe sie ihre Berufsausbildung auf der Universität ohne Unterbrechung im Sommersemester 2020 fortgesetzt.
6. Der Verfahrensgang und somit der Sachverhalt ergeben sich eindeutig aus den angeführten Unterlagen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)
Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe (abgesehen vom Fall des § 10a FLAG 1967 anlässlich der Geburt eines Kindes) nur auf Antrag gewährt. Da der Beschwerdeführer am keinen Antrag iSd § 10 Abs. 1 FLAG 1967 gestellt hat, durfte das Finanzamt einen derartigen Antrag auch nicht abweisen. Das richtige Datum eines Anbringens sowie dessen Einlangen oder Postaufgabe ist nicht nur für die Identifizierbarkeit des Anbringens, sondern auch für die Berechnung von Fristenläufen maßgebend (etwa § 284 BAO oder § 10 Abs. 3 FLAG 1967; vgl. ; ).
Als Sache des Beschwerdeverfahrens, somit als Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, ist jene Angelegenheit anzusehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (vgl. für viele etwa ; ).
Anders als etwa bei mangelhaften Eingaben, die auch vom Bundesfinanzgericht gemäß § 269 Abs. 1 BAO i.V.m. § 85 Abs. 2 BAO einem Mängelbehebungsverfahren unterzogen werden können, oder bei einer Entscheidung "in der Sache" durch Änderung des Spruches des angefochtenen Bescheides gemäß § 279 Abs. 1 BAO ist es dem Bundesfinanzgericht im Bescheidbeschwerdeverfahren verwehrt, durch Änderung des Antragsdatums, auf das sich ein antragsbedürftiger Bescheid in seinem Spruch bezieht, den Prozessgegenstand auszutauschen (vgl. m.w.N.).
Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst die Angabe eines fehlerhaften Antragsdatums im Spruch eines Bescheids unbeachtlich, wenn sich aus dem Zusammenhang des Bescheids eindeutig ergibt, dass ein anderes Datum gemeint war, selbst wenn dieser offensichtliche Fehler von der Behörde nicht gemäß § 293 BAO berichtigt wurde ().
Das Finanzamt hat im hier anhängigen Verfahren einen (Erst)Antrag vom abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat am jedoch keinen Antrag auf Familienbeihilfe für seine Tochter gestellt. Zudem hat er mit FinanzOnline-Eingabe vom (auf diese Eingabe des Beschwerdeführers ist offenbar das Finanzamt tätig geworden) eindeutig eine Beschwerde eingebracht, weshalb nicht von einer unbeachtlichen Angabe eines fehlerhaften Antragsdatums im Spruch eines Bescheides auszugehen ist. Somit ist der Abweisungsbescheid vom aber zweifellos rechtswidrig und daher gemäß § 279 Abs. 1 BAO ersatzlos auszuheben.
Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren gemäß § 279 Abs 2 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat. Somit ist vom Finanzamt die Beschwerde vom einer Erledigung zuzuführen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 10 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100319.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at