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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 12.07.2024, RV/2100058/2023

Melbourne Abkommen nicht relevant für Leistungsort von Telekom-Leistungen

Beachte

Revision eingebracht.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2100058/2023-RS1
Die vom EuGH getroffene Feststellung, die Telekom-VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 entspreche dem Unionsrecht, hat auch im Lichte des Melbourne-Abkommens Gültigkeit.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***Ri***, die Richterin ***Ri1*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Porzellangasse 51, 1090 Wien,

über die Beschwerde zu Steuernummer***BF1StNr1*** vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Umsatzsteuer 2013 und vom betreffend Umsatzsteuer 2014 - 2016 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin ist ein Telekommunikationsunternehmen aus dem Drittland.
Am hat die Bf. für das Jahr 2013 eine Umsatzsteuer-Erklärung abgegeben und darin steuerpflichtige Umsätze von rund ***x*** Euro erklärt, Vorsteuern im Ausmaß von rund ***y*** Euro geltend gemacht und Berichtigungen gem. § 16 im Ausmaß von rund ***z*** Euro vorgenommen. Am wurde die Bf. erklärungsgemäß veranlagt.
Für das Jahr 2014 hat die Bf. am einen Antrag auf Erstattung von Vorsteuern eingebracht, der mit Bescheid vom abgewiesen wurde. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen. Am hat die Bf. eine Umsatzsteuer-Erklärung für das Jahr 2014 eingebracht.
Am hat die Bf. eine Umsatzsteuer-Erklärung für das Jahr 2015 eingebracht.
Am hat die Bf. eine Umsatzsteuer-Erklärung für das Jahr 2016 eingebracht.

Im Jahr 2018 kam es zu einer abgabenbehördlichen Außenprüfung der Jahre 2013 - 2016, in dessen Gefolge es zu einer erstmaligen Veranlagung der Jahre 2014 - 2016 und einer Wiederaufnahme des Verfahrens zur USt 2013 kam. Dabei hat das Finanzamt laut Außenprüfungsbericht vom Folgendes festgestellt:

"Die ***Bf*** AG (***Bf***) mit Sitz in dem Drittland hat im Prüfungszeitraum 2013 bis 2016 von den österreichischen Netzbetreibern ***1***, ***2*** und ***3*** für Roaminggebühren Rechnungen mit 20 % Umsatzsteuer erhalten. Die Vorsteuern werden vom geprüften Unternehmen im Veranlagungsverfahren - ab 2015 aufgrund der für das geprüfte Unternehmen unklaren Rechtslage noch zusätzlich im Erstattungsverfahren - geltend gemacht. (…)

In allen Prüfungsjahren (2013 bis 2016) wurden von der ***Bf*** die an in Österreich ansässige Unternehmer erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen als Reverse Charge Umsätze erklärt. Die an Nichtunternehmer erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen wurden vom geprüften Unternehmen in den Jahren 2013 bis 2014 als steuerpflichtige Umsätze (20%) behandelt. Stichproben mit inländischen Rechnungsadressen für den gesamten Prüfungszeitraum liegen der Außenprüfung (AP) vor. Aufgrund des nach den Angaben des geprüften Unternehmens nicht immer eindeutig zuordenbaren Wohnsitzes der Nichtunternehmer wurde die Bemessungsgrundlage von der ***Bf*** geschätzt. Dabei wurde auf die in den maßgeblichen Ausgangsrechnungen ausgewiesenen Bruttobeträge (inkl. Drittlands-ischer Umsatzsteuer) zusätzlich 20% österreichische Umsatzsteuer aufgeschlagen und abgeführt, ohne sie jemals den Kunden in Rechnung zu stellen.
Ab dem Jahr 2015 beruft sich die ***Bf*** auf die SIM-Kartenregistrierung in dem Drittland und behandelt die an Nichtunternehmer erbrachten Telekommunikationsleistungen in Österreich nicht steuerbar. In diesem Zusammenhang stehen die für die Zeiträume ab eingereichten Erstattungsanträge."

Das Finanzamt ging in weiterer Folge davon aus, dass die Telekommunikationsdienstleistungen der Bf. durch deren Drittlands- und österreichische Kunden in Österreich genutzt oder ausgewertet wurden und sich damit der Leistungsort durch die VO BGBl II 383/2003 nach Österreich verlagert hat.

Weiters heißt es im Bericht:

"Das geprüfte Unternehmen hat von den österreichischen Telekommunikationsgesellschaften ***1***, ***2*** und ***3*** einmal im Jahr eine nachträgliche Rabattgutschrift erhalten. Aufgrund der von ***1*** und ***2*** für diese Vorgänge ausgestellten Belege hat die ***Bf*** gem. § 16 UStG entsprechende Vorsteuersteuerberichtigungen in den Jahren 2013 bis 2016 durchgeführt (KZ 067 der jeweiligen Umsatzsteuerjahreserklärung). Zu den von ***3*** an die ***Bf*** rückerstatteten Discounts liegen keine entsprechenden Credit Notes mit Ausweis der Umsatzsteuer vor, weshalb das geprüfte Unternehmen nach eigenen Angaben diese im Gegensatz zu den Vorsteuerminderungen aus den Gutschriften von ***1*** und ***2*** bisher nicht erklärt hat.

Da aufgrund der Feststellungen der AP auch von ***3*** tatsächlich Rabattgutschriften in Höhe von ***a*** € in den Jahren 2013 bis 2016 gewährt wurden, werden diese von der AP entsprechend berücksichtigt."

Als Folge dieser Feststellungen nahm das Finanzamt das Verfahren zur Umsatzsteuer 2013 wieder auf und schätzte im Umsatzsteuer-Bescheid 2013 vom bzw. den Umsatzsteuer-Bescheiden 2014 - 2016 vom die Umsätze im Inland, indem es zur Bemessungsgrundlage der Vorsteuern (Nettobetrag der Eingangsleistungen) 30% Gewinnaufschlag dazu schätzte. Von den so steuerbaren Umsätzen schätzte das Finanzamt, dass 30% der Kunden Unternehmer waren, für die es zum Übergang der Steuerschuld kam. Die verbleibenden steuerbaren Umsätze im Inland wurden mit dem Normalsteuersatz versteuert. Die bisher von der Bf. bekannt gegebenen Vorsteuern wurden in Abzug gebracht und die Vorsteuerberichtigungen angesetzt.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom wandte sich die Bf. gegen die Rechtsmeinung, die Bf. hätte Umsätze in Österreich erzielt:

[...]

In den Beschwerdejahren 2013 bis 2016 seien ca 200 sog "Wochenaufenthalter" und Grenzgänger, die ihren Wohnort außerhalb dem Drittland hatten, aber in dem Drittland arbeiteten, Kunden der ***Bf*** gewesen. Im Vergleich zu den rund 5 Millionen Drittlands- Kunden sei dies geringfügig. Ansonsten habe die ***Bf*** ihren Kunden im Ausland Telefonie nur via Roaming ermöglicht, weshalb keine Wettbewerbssituation zu österreichischen Telekommunikationsanbietern entstehe. Der Anteil der Telefonie in Österreich mache 0,03% des Gesamtumsatzes aus.

Der Hauptteil der Auslandsnutzung der Telekommunikationskunden werde im Rahmen von sog "Bundles" angeboten und abgerechnet. Diese Bundles würden Inlands- und Auslandstelefonate und -datennutzung umfassen. Es bestehe auch die Möglichkeit, zusätzliche Roamingpakete (Nutzung von Telekommunikations- und/oder Datenminuten im Ausland) zu erwerben, jedoch würden auch diese zusätzlichen Roamingpakete üblicherweise nach Regionen gebündelt, dh, der Kunde zahle für die Nutzung zB. in ganz Europa und nicht nur in Österreich. Dementsprechend umfasse dieses Bruttoentgelt sämtliche Entgeltsbestandteile wie zB Grundgebühr, Gespräche und Datenroaming in dem Drittland und außerhalb dem Drittland (regional beschränkt oder sogar weltweit) und "der auf Österreich entfallende Anteil war und ist nicht ermittelbar ".

Die Bf. habe in ihren Umsatzsteuererklärungen die Umsätze mit Kunden mit Wohnsitz in Österreich 2013 und 2014 ordnungsgemäß erklärt (Reverse Charge an Unternehmer, 20% USt an Nichtunternehmer). Ab dem Jahr 2015 habe die Bf. auf Grund der Tatsache, dass alle von ihr ausgegebenen SIM-Karten den Ländercode dem Drittland tragen, die an Nichtunternehmer erbrachten Telekommunikationsleistungen als in Österreich nicht steuerbar behandelt.

In Bezug auf die Steuerpflicht im Inland sei die Bf. in den Jahren 2013 und 2014 hinsichtlich des Umfanges anderer Ansicht als das Finanzamt: Aufgrund der Verrechnung der Leistungen in "Bundles" sei ein Herausrechnen des auf Österreich entfallenden Teiles faktisch unmöglich. In rechtlicher Hinsicht sei außerdem eine einheitliche Leistung gegeben.

Hinsichtlich der Jahre 2015 und 2016 sei der VwGH zum Ergebnis gekommen, dass es zu keiner Leistungsortsverlagerung kommen dürfe.

Im Umsatzsteuerbescheid 2013 sei außerdem ein unzutreffendes Vorsoll ausgewiesen.

Zusammengefasst bringt die Bf. vor:

"Im Ergebnis liegt der Leistungsort für Telekommunikationsdienstleistungen, welche die ***Bf*** in den beschwerdegegenständlichen Jahren 2013 bis 2016 an außerhalb Österreichs ansässige Abonnenten erbringt, gemäß § 3a Abs 6 UStG (unternehmerische Abonnenten) bzw § 3a Abs 13 UStG (nicht-unternehmerische Abonnenten) außerhalb Österreichs.

Für an diese Abonnenten der ***Bf*** erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen kommt es auf Basis der Verordnung BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221 zu keiner Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei den Abnehmern um Private oder Unternehmer handelt.

Im Ergebnis hat die ***Bf*** daher in den Zeiträumen 1-12/2015 und 1-12/2016 keine steuerpflichtigen Leistungen in Österreich erbracht bzw nur Umsätze in Österreich erbracht, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht. Es liegen daher die Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung BGBl 1995/279 idF BGBl II 2014/158 vor und ist daher die Erstattung der Vorsteuern zu gewähren. Dazu ist jedoch noch keine bescheidmäßige Erledigung ergangen und halten wir daher die gegenständlichen Erstattungsanträge aufrecht und beantragen, dass das FA die Vorsteuern für das Jahr 2015 sowie für das Jahr 2016 wie beantragt (sehen Sie bitte Kapitel 6 lit c unten) erstattet."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt mit Verweis auf , SK Telekom sowie und 2019/15/0010, -7 die Beschwerde ab.

Mit Schreiben vom beantragte die Bf. innerhalb verlängerter Frist die Vorlage der Beschwerde an das BFG und verwies inhaltlich auf die bereits eingegangene Beschwerde bzw. kündigte ein weiteres Vorbringen an.

Mit Schreiben des wurde die Bf. aufgefordert, die Beschwerde unter Bezugnahme auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu ergänzen und gegebenenfalls die tatsächlichen, sich aus dem Rechenwerk ergebenden Besteuerungsgrundlagen bekannt zu geben.

Im ergänzenden Schreiben vom führte die Bf. aus, dass die Besteuerung der Bf. aus verschiedenen Gründen nicht rechtmäßig sei:

Melbourne Agreement

In rechtlicher Sicht sei im Beschwerdefall jedenfalls zu prüfen, ob nicht ein einschlägiges völkerrechtliches Abkommen (wie in Rn 46 des , SK Telekom erwähnt) gegen die einfachgesetzlich vorgesehene Leistungsortsverlagerung spricht.

Der hier einschlägige Art 6.1.3. des Melbourne Agreements laute:

"Where, in accordance with the national law of a country, a fiscal tax is levied on collection charges for international telecommunication services, this tax shall normally be collected only in respect of international services billed to customers in that country, unless other arrangements are made to meet special circumstances."

Frei übersetzt durch die Bf. bedeute das: "Wird nach dem nationalen Recht eines Staates eine Steuer auf Erhebungsgebühren für internationale Telekommunikationsdienste erhoben, so wird diese Steuer in der Regel nur für internationale Dienste erhoben, die Kunden in diesem Land in Rechnung gestellt werden, es sei denn, es werden aufgrund besonderer Umstände andere Vereinbarungen getroffen ".

Diese Bestimmung sei als Leistungsortregelung zu verstehen, die einen Besteuerungsverzicht (wie auch in DBA vorgesehen) festlege, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden.

Da Österreich das Agreement ohne Vorbehalt ratifiziert habe, seien diese "International Telecommunication Regulations" verbindlich. Aufgrund der Ratifizierung des Melbourne Agreements durch Österreich und dem Drittland verhindere das Melbourne Agreement die Ausübung des der Telekomdienstleistungs-VO zugrundeliegende Wahlrecht gem. Art 59a MwSt-RL. Die innerstaatliche Verordnung sei durch das Melbourne Agreement verdrängt und es komme zu keiner Verlagerung des Leistungsortes.

Besteuerung der verschiedenen angebotenen Leistungen

Bundles

In den Streitjahren habe die Bf. ihre Leistungen im Wesentlichen als sog. "Bundles" angeboten, die Telefonie und Datennutzung im In- und (EU) Ausland ermöglicht hätten. Zu einer gesonderten Verrechnung von Roamingleistungen sei es nicht gekommen.

Diese Bundles seien aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers als einheitliche Leistung anzusehen (vgl. EuGH Deco Proteste, Frenetikexito, Purple Parking, CPP (Card Protection Plan ltd), Stadion Amsterdam).

Diese einheitliche Leistung bestehe darin, gegen einen Pauschalpreis einerseits in dem Drittland Telekommunikationsleistungen zur Verfügung zu stellen und andererseits die Möglichkeit einzuräumen, ohne zusätzliche Kosten und ohne gesonderte oder konkludente Vereinbarung und ohne gesonderte Verrechnung Telekommunikationsdienstleistungen im Ausland zu nutzen. Aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers handle es sich um eine einheitliche Leistung gegen ein einheitliches Entgelt.

Roamingleistungen würden sich nicht objektiv von den Mobilfunkdienstleistungen trennen lassen, die im Herkunftsland erbracht werden (vgl. Generalanwalt Saugmandsgaard in der Rs SK Telekom). Eine Trennung der Leistungen in einen in- und einen ausländischen Teil sei künstlich und widerspreche dem EU-Recht. Der EuGH sei in der Rs SK Telekom immer davon ausgegangen, dass die Roamingleistungen gesondert verrechnet würden.

Die Telefonie in dem Drittland stelle die Hauptleistung dar, die Möglichkeit, im Ausland zu telefonieren sei eine unselbständige Nebenleistung, die das Schicksal der Hauptleistung teile, weshalb die Leistungen in dem Drittland steuerbar seien bzw. die Telekom-VO nicht anwendbar sei.

Roamingpakete

Neben den Bundles habe es auch das Angebot gegeben, zusätzlich zur Telefonie bzw. Internetnutzung in dem Drittland mittels gesonderter Vereinbarung Roamingpakete für das (gesamte) EU Ausland abzuschließen, wobei mittels Pauschale unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch abgerechnet worden sei.

Auch in diesem Fall handle es sich um eine einheitliche Leistung (Roaming in der gesamten EU), deren Leistungsort gem. § 3a Abs 6 bzw. 7 öUStG 1994 in dem Drittland liege. Auch Art 24b lit b MwSt-DVO sehe vor, dass bei Telekom-Leistungen die Vermutung gelte, dass die Leistung in dem Land erbracht würde, dessen Ländercode die SIM-Card hätte. Der etwaige geringfügige Verbrauch in Österreich habe keinen Einfluss auf den Leistungsort.

Einzelverrechnungen

Nur im Falle der Einzelverrechnung könne überhaupt eine Besteuerung in Österreich in Betracht kommen.

Tatsächliche Besteuerungsgrundlagen

Zur Frage des BFG nach den tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen erklärte die Bf., dass die Ermittlung eines auf die Nutzung von Mobiltelefonen in Österreich entfallenden Entgelts faktisch unmöglich sei, weil die Kunden entweder im Rahmen sog. "Bundles" die Möglichkeit hatten, ohne Abschluss eines gesonderten Vertrages im gesamten EU-Raum zu telefonieren oder nach Abschluss eines gesonderten Roaming-Vertrages in bestimmten Regionen (zB "Europa") zu telefonieren.

Zusammenfassend ergäbe sich folgende Beurteilung:

"-> Roamingleistungen, die an Unternehmer iSv § 3a Abs 5 Z 1 und Z 2 UStG, die ihr Unternehmen außerhalb Österreichs betreiben, bzw an Nicht-Unternehmer iSv § 3a Abs 5 Z 3 UStG mit Sitz /Wohnsitz / gewöhnlichem Aufenthalt in dem Drittland erbracht wurden, sind in völkerrechtskonformer Auslegung des § 3a Abs 16 UStG iVm der Verordnung BGBl II Nr 383/2003 idF BGBl II Nr 221/2009 ("TelcoDL-VO") keiner Besteuerung in Österreich zu unterwerfen.

Geht man hingegen davon aus, dass das Melbourne Agreement keinen völkerrechtlichen Vertrag iSd Rs Sk Telecom darstellt, muss zwischen den verschiedenen Leistungen, die ***Bf*** ihren Kunden angeboten hat, unterschieden werden:

-> Bei den Bundles handelt es sich um eine komplexe einheitliche Leistung, die aus einer Hauptleistung, der Nutzung dem Drittland Mobilfunknetzwerkes, und einer Nebenleistung, dem Roaming im (EU-)Ausland, bestand. Der Leistungsort der Bundles richtet sich im Falle einer Leistung an
o einen Unternehmer iSv § 3a Abs 5 Z 1 oder Z 2 UStG gem § 3a Abs 6 UStG nach dem Ort, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die feste örtliche Niederlassung eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der festen örtlichen Niederlassung maßgebend;
o an einen Nicht-Unternehmer iSv § 3a Abs 5 Z 3 UStG gem § 3a Abs 7 UStG iVm § 3a Abs 13 UStG nach dem Ort, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Da die Regelungen zur Leistungsortsverlagerung gem § 3a Abs 16 UStG iVm der TelcoDL-VO nicht nur auf einen Teil der einheitlichen Leistung angewandt werden können, während der Rest der einheitlichen Leistung nach den allgemeinen Leistungsortsregeln beurteilt wird, und auf Grund des Umstandes, dass die auf Österreich entfallende Nutzung grds verhältnismäßig gering sein dürfte, kommen die Regelungen zur Leistungsortsverlagerung im Falle der Bundles nicht zur Anwendung.

Liegt der Leistungsort der enthaltenen Hauptleistung gem § 3a Abs 6 UStG bzw § 3a Abs 7 UStG iVm § 3a Abs 13 UStG in dem Drittland, dürfen die gesamten iZm Bundles erzielten Umsätze in Österreich nicht mit Umsatzsteuer belastet werden.

-> Bei den Roamingpaketen handelt es sich um eine vom Grundvertrag separate sui generis Leistung. Da es bezüglich dieser Leistungspakete nur einen Leistungsort geben kann, würde eine Bestimmung des Leistungsortes auf Basis der Orte, an denen die tatsächliche Nutzung der Telekommunikationsleistungen erfolgt, zu einer künstlichen Aufspaltung der Leistung führen. Diese wäre sodann an mehreren Orten umsatzsteuerbar.

Dies führt dazu, dass für die Anwendung der Regelungen zur Leistungsortsverlagerung gem § 3a Abs 16 UStG iVm der TelcoDL-VO kein Raum bleibt. Die Bestimmung des Leistungsortes hat daher nach den allgemeinen Leistungsortregelungen, die immer dann zur Anwendung gelangen, wenn keine speziellere Leistungsortregelung angewandt werden kann bzw anzuwenden ist, zu erfolgen.

Liegt der Leistungsort gem § 3a Abs 6 UStG bzw § 3a Abs 7 UStG iVm § 3a Abs 13 UStG in dem Drittland, dürfen die gesamten iZm den Roamingpaketen erzielten Umsätze in Österreich nicht mit Umsatzsteuer belastet werden."

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am erläuterte der steuerliche Vertreter nochmals, warum seiner Ansicht nach die Telekom-Verordnung BGBl 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 nicht anwendbar sei: Wie schriftlich ausgeführt, widerspreche sie der zwingenden Anordnung des Art 6.1.3. des Melbourne-Abkommens. Da der EuGH in seinem Urteil in der Rs SK Telekom Rz 46 die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht ausdrücklich auf die Fälle beschränkt hat, denen keine völkerrechtlichen Verträge entgegenstehen, sei eine Unionsrechtskonformität nicht gegeben.

Das Finanzamt entgegnete, dass das Wort "shall" in Art 6.1.3. des Melbourne-Abkommens als "sollen" zu verstehen sei, was der steuerliche Vertreter mit einem Hinweis auf einen ehemaligen Übersetzer des EuGH verneinte. Abgesehen von der fehlenden zwingenden völkerrechtlichen Anordnung sehe es der Stufenbau der Rechtsordnung nach Ansicht des Finanzamtes auch nicht vor, innerstaatliches Recht aufgrund völkerrechtlicher Abkommen unangewendet zu lassen.

Schließlich ergäbe sich nach Ansicht der steuerlichen Vertretung aus der Historie der Leistungsortsregelungen, dass der Richtliniengeber bei der Definition des Leistungsortes das Melbourne-Abkommen immer mitgedacht hätte und dieses daher auch für die Interpretation der aktuellen Bestimmung heranzuziehen sei.

Mit Mail vom reichte die Bf. folgendes verschriftlichtes Vorbringen der mündlichen Verhandlung nach:

- Art 6.1.3. des Melbourne-Abkommens sei laut einem ehemaligen Übersetzter und späteren Mitarbeiter des EuGH (Büro Dr. Berger) wie folgt zu übersetzen:

6.1.3 Wird nach dem nationalen Recht eines Landes eine Steuer auf Gebühren für internationale Telekommunikationsdienstleistungen erhoben, wird diese Steuer in der Regel nur in Bezug auf internationale Dienstleistungen erhoben, die Kunden in diesem Land in Rechnung gestellt werden, es sei denn, es werden andere Regelungen getroffen, um besonderen Umständen Rechnung zu tragen.

Daher sei die Formulierung "wird diese Steuer […] erhoben" als ein rechtliches Muss zu verstehen.

Zur Genese der Leistungsortsregelungen führt der steuerliche Vertreter aus:

"Wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, besteht zwischen dem Melbourne Agreement und den Vorschriften betreffend Telekommunikationsdienstleistungen der MwSt-RL (Richtlinie 77/388/EG) ein direkter Zusammenhang. Die Kommission, als jenes Organ der EU (bzw ihrer Vorgängerorganisationen), das zur Unterbreitung von Vorschlägen zur Änderung der MwStSyst-RL berechtigt ist, hat uE Sinn und Zweck des Melbourne Agreements im Rahmen der Erarbeitung der entsprechenden Vorschläge zu Änderungen der MwSt-RL berücksichtigt. Zur Ermittlung von Sinn und Zweck der Regelungen der MwSt-RL betreffend Telekommunikationsdienstleistungen ist uE daher das Melbourne Agreement zwingend mitzuberücksichtigen."

Diese Ansicht zeige sich aus folgenden Umständen:

Artikel 9 der RL 77/388/EGW idF der RL 1999/49/EG habe weder eine Definition der Telekommunikationsdienstleistungen, noch besondere Leistungsortsregelungen bezüglich Telekom-Leistungen enthalten. Im Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf das für Telekommunikationsdienstleistungen anwendbare Mehrwertsteuersystem vom (97/0030 CNS) habe die Kommission erstmals auf das Melbourne Agreement Bezug genommen, indem in Punkt d (Analyse der technischen Lösungsmöglichkeiten) angeführt wird, dass die Übereinkunft von Melbourne eine Steuerbefreiung vorschlage, um Probleme zu vermeiden. Weiters kam die Kommission zum Schluss, dass die geeignetste Definition von Telekommunikationsdienstleistungen angesichts der Ziele des vorliegenden Vorschlags die Definition der Übereinkunft von Melbourne sei, die auch übernommen wurde.

Die Bf. führte weiters aus:

"Hinsichtlich der oben dargestellten Neufassung der MwSt-RL möchten wir daher folgende Punkte festhalten:

* während Art 9 der RL 77/388/EG idFd RL 1999/49/EG noch den Unternehmerort (Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat") als Leistungsort für Telekommunikationsdienstleistungen vorsieht, sieht Art 9 der RL 77/388/EG idFd RL 1999/59/EG überwiegend den Empfängerort (Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder seinen Wohnsitz hat) als Leistungsort vor;

* Art 9 Abs 4 regelt nunmehr, dass Telekommunikationsdienstleistungen, die an Nicht-Steuerpflichtige, die in der Gemeinschaft ansässig sind, erbracht werden, nunmehr zwingend im Gebiet der Gemeinschaft umsatzsteuerbar sind;

* für Telekommunikationsdienstleistungen an Steuerpflichtige, die an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistenden ansässige Steuerpflichtige, erbracht werden, sieht Art 9 Abs 2 lit e der RL 77/388/EG idFd RL 1999/59/EG als Leistungsort ebenfalls den Empfängerort vor.

Die Wahlmöglichkeiten in Art 9 Abs 3 der RL 77/388/EG wurden hingegen unverändert weitergeführt und nicht an die Neuregelungen iZm Telekommunikationsdienstleistungen angepasst. Ob es sich hierbei um ein Versehen oder einen bewusst gesetzten Rechtsgebungsakt handelt, kann nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden. Da jedoch sowohl der Kommission, als auch dem Rat, als auch den damaligen Mitgliedstaaten das Melbourne Agreement bekannt war und dieses in den Rechtsgebungsprozess eingeflossen ist (siehe weiterführend unten Pkt 3.3), sprechen uE die besseren Argumente dafür, dass es sich um einen bewusst gesetzten bzw unterlassenen Rechtsgebungsakt gehandelt hat.

Dies da, sowohl der Kommission, als auch dem Rat, als auch den damaligen Mitgliedsstaaten bewusst war, dass Art 6.1.3. des Melbourne Agreements einer Ausübung des in Art 9 Abs 3 der RL 77/388/EG idFd RL 1999/59/EG eingeräumten Wahlrechts zur Verlagerung des Leistungsortes für Leistungen an im Drittland "ansässige" Steuerpflichtige bzw Nicht-Steuerpflichtige in den jeweiligen Mitgliedstaat im Lichte des Melbourne Agreement nicht ausgeübt werden kann, sodass es keiner diesbezüglichen Klarstellung in Art 9 Abs 3 der MwSt-RL bedurfte."

(…)

"Festzuhalten ist daher, dass

(i) sowohl die Kommission als auch der Rat der Europäischen Union das Melbourne Agreement im Zuge der Neufassung der Leistungsortsregelungen iZm Telekommunikationsdienstleistungen berücksichtigen wollten und auch haben;

(ii) wenn die Leistung durch einen Telekommunikationsdienstleister mit Sitz in Drittland A an einen Nicht-Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in Drittland A erbracht wird, die Leistung nach den oben dargestellten Leistungsortsregelungen iSd MwSt-RL im Drittland A umsatzsteuerbar ist;

(iii) die mit RL 1999/59/EG eingeführten Leistungsortsregelungen eine Art 6.1.3. des Melbourne Agreements entsprechende Besteuerung bewirken;

(iv) der EuGH in der Rs SK Telecom, C-593/19, ebenfalls, zumindest indirekt, in Rn 46 auf das Melbourne Agreement verwiesen hat."

Die RL 1999/59/EG stimme vom Ergebnis her mit dem Melbourne-Agreement überein.

Der Erwägungsgrund 22 der RL 2006/112/EG ("Sämtliche Telekommunikationsdienstleistungen, die in der Gemeinschaft in Anspruch genommen werden, sollten besteuert werden, um Wettbewerbsverzerrungen in diesem Bereich vorzubeugen" ) sei in Hinblick auf den Umstand, dass Art 9 der 6. EG-RL auf "Nutzung und Auswertung" spricht, dahingehend zu verstehen, dass "die Kommission unter "in Anspruch genommen" etwas anderes versteht als die "Nutzung oder Auswertung". UE ist der Wendung "in der Gemeinschaft in Anspruch genommen" daher die Bedeutung "an in der Gemeinschaft ansässige Personen" beizumessen. Dies, da Satz 2 und Satz 3 des Erwägungsgrundes ausdrücklich auf "ansässige Steuerpflichtige" bzw "ansässige Dienstleistungsempfänger" verweisen. ".

In der Stammfassung des Art 59 MwSt-RL (RL 2006/112/EG) sei dementsprechend nur iZm Leistungen durch einen nicht in der EU ansässigen Steuerpflichtigen an Nicht-Steuerpflichtige mit Sitz in der EU eine zwingende Verlagerung des Leistungsortes vorgesehen gewesen.

Auch die in RL 2008/8/EG ab wirksamen Leistungsortsregelungen des Art 45 und Art 59 MwSt-RL würden diesem Gedanken folgen. Art 59a lit b MwSt-RL (Verlagerungsmöglichkeit in die Union) sei gem. Art 59b MwSt-RL nur anzuwenden auf Leistungen an in der Union ansässige Nichtsteuerpflichtige. Damit entsprächen die Leistungsortsregelungen weiterhin dem Melbourne-Agreement.

Mit Neufassung des Art 58 der MwSt-RL ab 2015 liege der Leistungsort iZm Telekommunikationsdienstleistungen, die an Nicht-Steuerpflichtige erbracht werden, stets an jenem Ort, an dem der Nicht-Steuerpflichtige seinen Wohnsitz hat. Damit konnte auch Art 59b MwSt-RL gestrichen werden.

Aus innerstaatlicher Sicht sei daher das Melbourne Agreement maßgeblich für die Interpretation der Telekom-VO, da die Anwendung der Bestimmungen der MwSt-RL zu Telekommunikationsdienstleistungen auch deren Sinn und dem Zweck folgend das Melbourne Agreement zu berücksichtigen habe. Die Telekom-VO verstoße im Anwendungsbereich des Melbourne Agreements gegen die Regelungen der MwSt-RL und sei daher hinsichtlich der von der Bf. erbrachten Leistungen, hinsichtlich derer der Leistungsort ohne Anwendung der Telekom-VO in dem Drittland liegt, nicht anwendbar. Dies trotz der unionsrechtlichen Regelung, da das Melbourne Agreement nicht auf alle Drittstaaten anwendbar sei und die Wahlmöglichkeit daher nur für die Staaten gelte, die das Melbourne-Agreement nicht unterfertigt haben.

Es sei unstrittig, dass der Kommission und den Mitgliedstaaten bewusst gewesen sei, dass - auch wenn eine Ausübung des Wahlrechts iZm den Telekommunikationsdienstleistungen vom Wortlaut her umfasst ist - eine Ausübung des Wahlrechts Sinn und Zweck der Neuregelungen zu den Leistungsorten und den damit verfolgten Zielen widersprechen würde. Dementsprechend habe der EuGH in Rz 46 auch darauf verwiesen, dass die Ausübung des Wahlrechts dennoch Sinn und Zweck der Regelungen zu den Telekommunikationsdienstleistungen widersprechen könnte.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Die Beschwerdeführerin ist ein Telekom-Unternehmen in dem Drittland. In den Streitjahren 2013 - 2016 hat es die Bf. ihren Kunden ermöglicht, mit ihren Mobiltelefonen auch in Österreich Telekommunikationsdienstleistungen (Anrufe, Nutzung von Internet) in Anspruch zu nehmen (AP-Bericht, Beschwerde).

Die Leistungen wurden im Wesentlichen im Rahmen von sog. "Bundles" angeboten, bei denen den Kunden gegen Zahlung eines Pauschalentgelts Telekomdienste in dem Drittland und im gesamten EU-Ausland angeboten wurden (Schreiben der Bf. vom ). Daneben wurden noch "Roamingpakete" für das gesamte EU-Ausland angeboten, bei denen die Kunden gegen Zahlung eines pauschalen Entgelts auch in der gesamten EU telefonieren konnten (Schreiben der Bf. vom ). Das Finanzamt hat diesen Umstand in der mündlichen Verhandlung am nicht bestritten.

Der Bf. wurden von den österreichischen Telekommunikationsunternehmen ***1***, ***2*** und ***3*** Roamingdienstleistungen in Rechnung gestellt. Die Unternehmen haben einmal jährlich auf ihre Leistungen Rabatte gewährt, die zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage gem. § 16 UStG geführt haben. Diese Entgeltsminderungen wurden von der Bf. nur in einem Fall nicht erklärt (AP-Bericht, mündliche Verhandlung).

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Rechtslage

§ 3a UStG 1994:

(6) idF BGBl 112/2012 bzw. BGBl 118/2015 gleichlautend

Eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 1 und 2 ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 und Art. 3a an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend.

(13) idF BGBl 112/2012 (Jahre 2013 - 2014):

Die im Abs. 14 bezeichneten sonstigen Leistungen werden ausgeführt:

a) Ist der Empfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Drittlandsgebiet ausgeführt;

b) ist der Empfänger einer in Abs. 14 Z 14 bezeichneten sonstigen Leistung ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn die Leistung von einem Unternehmer ausgeführt wird, der sein Unternehmen vom Drittlandsgebiet aus betreibt. Das gilt sinngemäß, wenn die Leistung von einer im Drittlandsgebiet gelegenen Betriebsstätte des Unternehmers ausgeführt wird.

(13) idF BGBl 118/2015 (ab 2015):

Elektronisch erbrachte sonstige Leistungen sowie Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen werden an dem Ort ausgeführt, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, soweit diese Leistungen an einen Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 erbracht werden.

§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009, im Folgenden "Telekom-VO", bestimmt:

"Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird ."

2.2. Leistungsort

Der Ort einer Telekommunikationsdienstleistung verlagert sich laut § 1 Telekom-VO von einem Ort außerhalb des Gemeinschaftsgebietes (definiert nach §3a UStG 1994) nach Österreich, wenn die Leistung im Inland genutzt oder ausgewertet wird.

Laut , "SK Telecom Co. Ltd" (im Folgenden kurz: EuGH Rs SK Telekom) ist auch das Unionsrecht in diesem Sinne auszulegen:

"Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom mit Wirkung vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren "tatsächliche Nutzung oder Auswertung" im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen. "

Die von der Bf. ins Treffen geführten Punkte sind nicht geeignet, eine abweichende Ansicht zu begründen:

Rn. 46 des Urteils in der Rs SK Telekom

Die Bf. vermeint, dass aus Rn. 46 des Urteils in der Rs SK Telekom hervorgehe, dass eine Leistungsortsverlagerung nicht zulässig sei, da sich aus dem einschlägigen völkerrechtlichen Melbourne-Abkommen mit dem Drittland Anderes ergäbe.

Rn 45 des Urteils, in dem die Besteuerung im Drittland überhaupt erst releviert wird, repliziert ausdrücklich auf Nr. 88 der Schlussanträge des Generalanwaltes. Darin heißt es:

"Der Ausdruck "Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung und Wettbewerbsverzerrungen" bezieht sich in Wahrheit auf die steuerliche Behandlung auf Unionsebene. Mit anderen Worten setzt die Inanspruchnahme der durch Art. 59a der Richtlinie 2006/112 eröffneten Möglichkeiten durch einen Mitgliedstaat voraus, dass ein Fall von Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrung auf Unionsebene vorliegt. "

Wenn der EuGH daher in Rn. 46 schreibt, dass sich Anderes aus einem einschlägigen völkerrechtlichen Abkommen mit diesem Drittland ergeben könne, bezieht sich dieses "Anderes" auf die Aussage in Rn. 45: Für die Leistungsortsbestimmung ist die Steuerregelung nicht zu berücksichtigen, der diese Dienstleistungen in dem betreffenden Drittland unterliegen. Damit sich im Verhältnis dazu etwas Anderes ergeben kann, müsste es ein Abkommen geben, das vorsieht, dass die Staaten auf die nationalen Steuergesetze des jeweiligen anderen Staates Rücksicht nehmen müssen. Dafür gibt es im Melbourne-Abkommen jedoch keine Anhaltspunkte.

Auch wird dieser mögliche Einwand ("Anderes könnte sich zwar aus einem einschlägigen völkerrechtlichen Abkommen mit diesem Drittland ergeben") vom EuGH selbst in den folgenden Randnummern entkräftet:

Mangels eines entsprechenden Hinweises kann laut Rn. 47 nicht davon ausgegangen werden, dass es die Absicht des Unionsgesetzgebers war, die Anwendung der Unionsvorschriften auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer vom nationalen Steuerrecht der Drittländer abhängig zu machen.

Eine Auslegung, nach der die Mitgliedstaaten grundsätzlich von der durch Art. 59a Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen können, ohne die steuerliche Behandlung berücksichtigen zu müssen, der die Dienstleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des betreffenden Drittlands unterliegen, wird im Übrigen durch den Ansatz des Mehrwertsteuerausschusses bestätigt, eines nach Art. 398 dieser Richtlinie eingesetzten beratenden Ausschusses, dessen Leitlinien zwar nicht verbindlich sind, aber doch als Auslegungshilfe zur Mehrwertsteuerrichtlinie dienen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom , Weindel Logistik Service, C-621/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:814, Rn. 48). (Rn. 48)

Aus den Leitlinien dieses Ausschusses (89. Sitzung vom , Dokument B - taxud.d.1[2010]176579 - 645) geht nämlich hervor, dass dieser einstimmig der Auffassung war, dass die Inanspruchnahme der in Art. 59a Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit der Mitgliedstaaten, in ihrem Gebiet tatsächlich genutzte und ausgewertete Dienstleistungen zu besteuern, nicht davon abhängt, welcher steuerlichen Behandlung diese Dienstleistungen außerhalb der Union unterliegen. Insbesondere soll die Tatsache, dass eine Dienstleistung in einem Drittland nach den dort gültigen Vorschriften besteuert wird, einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, diese Dienstleistung zu besteuern, wenn die tatsächliche Nutzung und Auswertung in seinem Gebiet erfolgt (Rn 49).

Folglich steht es den Mitgliedstaaten frei, von der durch Art. 59a Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen, wenn dies lediglich dazu dient, einer Nichtbesteuerung innerhalb der Union abzuhelfen (Rn. 44).

Melbourne Abkommen als unionsrechtlich zu beachtendes völkerrechtliches Abkommen

Nach Ansicht der Bf. verbiete es Art 6.1.3. des Melbourne Agreements, den Leistungsort im Beschwerdefall in das Inland zu verlagern, da es als Leistungsortregelung zu verstehen sei, die einen Besteuerungsverzicht (wie auch in DBA vorgesehen) festlege, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden.

Das Melbourne-Abkommen stammt aus dem Jahr 1988 und wurde damit zu einem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen andere waren, als sie es heute sind: Im Abkommen ist beispielsweise von "administration" bzw. laut Fußnote "or recognized private operating agency(ies)" die Rede (also von Verwaltungen und anerkannten privaten Anbietern; vgl. 6.1.1. oder 6.1.2.) und die Entgelte werden dementsprechend als Gebühren bezeichnet, während die Telekombranche heute fast vollständig privatisiert ist und Entgelte verrechnet.

Gleichzeitig ist zweifelhaft, ob das Melbourne-Abkommen überhaupt Roamingdienstleistungen umfassen kann. Bedenkt man, dass im Jahr 1983 das erste Handy seine offizielle Zulassung erhielt und erst im Jahr 1992 das erste GSM-fähige Handy auf den Markt kam (vgl https://www.swb.de/ueber-swb/swb-magazin/wohnen/erstes-handy#:~:text=Am%2017.%20Oktober%201973%20reichte,Artikel%20Erfinder%20des%20Telefons%20empfehlen abgerufen am , 12:05 Uhr), ist es naheliegend, dass die in Art 6.1.3. des Melbourne Abkommens geregelten "collection charges for international telecommunication services" eher Telefonate ins Ausland betreffen, als Telefonate im Ausland, weil zu diesem Zeitpunkt das Telefonieren mittels Mobiltelefon im Ausland noch gar nicht Stand der Technik gewesen ist.

Auch der Interpretation der Bf., Art 6.1.3. des Melbourne Abkommens sei als zwingende Leistungsortregelung zu verstehen, die einen Besteuerungsverzicht festlege, kann nicht gefolgt werden: Bereits aus der Wortfolge "this tax shall normally be collected" ist abzuleiten, dass es hier um eine grundsätzliche Zuordnung geht, von der Ausnahmen bestehen. Dazu passt auch der letzte Satzteil, der lautet: "unless other arrangements are made to meet special circumstances". "Normally", also üblicherweise ist es so, außer andere Regelungen werden getroffen, um besonderen Umständen Rechnung zu tragen. Gerade die Einführung neuer Technologien, die das Telefonieren im Ausland über Roaming überhaupt erst ermöglichte, ist nach Ansicht des BFG ein solcher besonderer Umstand, der andere Regelungen begründet.

Soweit die Bf. in der mündlichen Verhandlung vorbrachte, die Mitgliedstaaten hätten bei der Bestimmung der Leistungsorte das Melbourne-Abkommen immer mitgedacht und daher bewusst den Leistungsort von Telekommunikationsdienstleistungen nicht verlagert, widerspricht diese Sichtweise ausdrücklich dem 22. Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie (vgl dazu bereits den in , "SK Telecom", Rn 3 angegebenen unionsrechtlichen Rahmen):

"Sämtliche Telekommunikationsdienstleistungen, die in der Europäischen Union in Anspruch genommen werden, sollten besteuert werden, um Wettbewerbsverzerrungen in diesem Bereich vorzubeugen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten Telekommunikationsdienstleistungen, die an in der Union ansässige Steuerpflichtige oder an in Drittländern ansässige Dienstleistungsempfänger erbracht werden, grundsätzlich an dem Ort besteuert werden, an dem der Dienstleistungsempfänger ansässig ist. Damit Telekommunikationsdienstleistungen, die von in Drittgebieten oder Drittländern ansässigen Steuerpflichtigen an in der Union ansässige Nichtsteuerpflichtige erbracht und in der Union tatsächlich genutzt oder ausgewertet werden, einheitlich besteuert werden, sollten die Mitgliedstaaten jedoch festlegen, dass sich der Ort der Dienstleistungen in der Union befindet. "

Anders als die Bf. vermeint, ist die Wortfolge "in der Union tatsächlich genutzt oder ausgewertet" durchaus wörtlich zu verstehen. Hätte der Unionsgesetzgeber gewollt, dass mit "Telekommunikationsdienstleistungen, die in der Gemeinschaft in Anspruch genommen werden" nur solche gemeint sind, die "an in der Gemeinschaft ansässige Personen erbracht werden" (so das Vorbringen der Bf.), ergäbe der gesamte Erwägungsgrund 22 der RL 2006/112/EG keinen Sinn: Telekommunikationsdienstleistungen an Nichtunternehmer aus der EU werden nämlich bereits grundsätzlich an dem Ort besteuert, an dem der Dienstleistungsempfänger ansässig ist. Es bedarf ergo keiner Änderung des Leistungsortes.

Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass die vom EuGH getroffene Feststellung, die Telekom-VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 entspreche dem Unionsrecht, auch im Lichte des Melbourne-Abkommens Gültigkeit hat.

Bundles und Roamingpakete als einheitliche Leistung mit Leistungsort Drittland

Die Bf. führt weiters aus, dass ihre Leistungen im Rahmen von Bundles als einheitliche Leistungen zu verstehen seien, die einheitlich in dem Drittland zu besteuern seien, weil die Nebenleistung des Roamings das Schicksal der Hauptleistung Telefonie in dem Drittland teile.

Eine unselbständige Nebenleistung ist nach der Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn verschiedene Leistungen nach dem Willen der Parteien so eng miteinander verbunden sind, dass die eine nicht ohne die andere erbracht werden kann bzw. eine Leistung nur dazu dient, die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, die Hauptleistung also ermöglicht, abrundet oder ergänzt (vgl Ruppe/Achatz, UStG 19945 § 1 Tz 31 unter Verweis auf die Judikatur). Dabei kommt es auf die Verrechnung nicht an (vgl abermals Ruppe/Achatz, UStG 19945 § 1 Tz 36 mwN).

Die Leistung der Bf. besteht in der Ermöglichung von Telefonie und Internetnutzung in dem Drittland und im EU-Ausland, genauer gesagt dem Zustandekommen von Telefon- und Internetverbindungen. Insofern werden von Anfang an keine verschiedenen Leistungen erbracht, die einander ergänzen, sondern eine Vielzahl gleichartiger Leistungen.

Diese Vielzahl an Leistungen ist für Zwecke der Bestimmung des Leistungsortes nach denselben Regelungen zu prüfen, nämlich nach § 3a Abs 6 und 13 UStG 1994 bzw. § 1 Telekom-VO. Dabei kommt man hinsichtlich einzelner Telefonate oder Datennutzungen zu unterschiedlichen Ergebnissen: Wird beispielsweise von einer Privatperson ein Telefongespräch in dem Drittland geführt, so liegt der Leistungsort gem. §3a UStG 1994 in dem Drittland, während bei einem Gespräch derselben Person in Österreich der Leistungsort gem. § 1 Telekom-VO in Österreich liegt.

Nichts anderes ergibt sich, wenn man die Leistung der Bf. als Leistungsbereitschaft versteht, da die Leistungsbereitschaft bereits als Ausführung der Leistung angesehen wird (vgl Ruppe/Achatz, UStG 19945, § 1 Tz 25 unter Hinweis auf die Judikatur des VwGH und des EuGH).

Wird für mehrere Leistungen ein einheitliches Entgelt (Pauschalentgelt) verrechnet, so ist das Entgelt auf die einzelnen Leistungen aufzuteilen (vgl oder zu Leistungen mit unterschiedlichen Steuersätzen bzw die in Ruppe/Achatz, UStG 19945, § 10 Tz 27 wiedergegebene Rechtsprechung des EuGH). Allenfalls muss die Aufteilung im Schätzweg erfolgen.

Da im Beschwerdefall keine eigene Leistung sui generis, sondern eine Vielzahl an Einzelleistungen gegen ein Pauschalentgelt erbracht wird, ist das Pauschalentgelt auf einen in- und einen ausländischen Anteil aufzuteilen.

2.3. Schätzung

Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind (§ 184 Abs 1 BAO).

Im Beschwerdefall hat die Bf. keine Umsätze bekannt gegeben, weder für dem Drittland, noch für Österreich. Im ergänzenden Schreiben vom erklärte die Bf., dass eine Aufteilung faktisch unmöglich sei. Das Finanzamt musste daher eine Schätzung vornehmen.

Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen.

Auch mit Pauschalentgelten werden alle Leistungen eines Unternehmers abgegolten. Soweit die Bf. ihren Kunden daher für das Roaming in Österreich keine gesonderten Entgelte in Rechnung gestellt hat, ist davon auszugehen, dass sie ihrer Preisgestaltung ihre Kosten zugrundegelegt hat und damit die Roamingentgelte kalkulatorisch Eingang in die Pauschalentgelte ("Bundles") gefunden haben. Das Pauschalentgelt ist im o.a. Sinne aufzuteilen.

Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei. Es ist jene Methode (allenfalls mehrere Methoden kombiniert) zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint ( unter Verweis auf Ritz, BAO3, § 184 Tz 3 und 12).

Im Beschwerdefall erscheint die gewählte Gewinnaufschlag-Methode geeignet zu sein, den tatsächlichen Gegebenheiten nahe zu kommen, da die Bf. die Roaminggebühren unstrittig an ihre Kunden im Rahmen von Bundles weiterverrechnet.
Entgelte wurden nicht bekannt gegeben und daher ist eine Aufteilung der Gesamtentgelte des Unternehmens unmöglich. Aus den Erklärungen der Bf. ergibt sich weiters, dass die Bf. mit Ausnahme der Roaminggebühren keine Kosten im Inland hatte. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Bf. auch ihrer internen Kosten- bzw. Preiskalkulation die anfallenden Roaminggebühren zugrunde gelegt hat.

Dass Unternehmer Kosten mit Aufschlag weiterverrechnen liegt in der Natur des Unternehmers, der ja bestrebt ist, Gewinne (Überschüsse) zu erzielen. Nachdem das Finanzamt die Höhe des Aufschlages von 30% auch mit veröffentlichten Kosten anderer Unternehmer verglichen hat, ist es wahrscheinlich, dass es damit den wahren Besteuerungsgrundlagen nahekommt.

Überdies hat das Finanzamt geschätzt, dass ein Teil der Leistungen an Unternehmer erbracht wurde, für die es zum Übergang der Steuerschuld gem. § 19 UStG 1994 gekommen ist.

Gegen die Höhe der Schätzung wurden keine weiteren substantiierten Einwendungen vorgebracht.

Die Schätzung der Umsätze ist für die Streitjahre 2013 - 2016 geboten und die Schätzung wurde so vorgenommen, dass sie den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahekommt.

2.4. "Vorsoll-Fehler"

Soweit die Bf. vorbringt, dass im Umsatzsteuerbescheid 2013 ein falsches Vorsoll berücksichtigt worden sei, ist sie auf die Möglichkeit eines Abrechnungsbescheides gem. § 216 BAO zu verweisen:

[...]

Das Finanzamt hat diesbezüglich mitgeteilt, dass am eine Buchung auf dem Abgabenkonto erfolgt sei, die keinem Bescheid zuordenbar sei. Diesbezüglich wäre ein Abrechnungsbescheid gem. § 216 BAO zu beantragen.

2.5. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall gibt es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob das Melbourne-Agreement Auswirkungen auf die Unionsrechtskonformität der Telekom-VO hat, weshalb die Revision zuzulassen war.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100058.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at