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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.09.2024, RV/2100854/2022

Matura-Nachtermine: keine krankheitsbedingte Unterbrechung, wenn davor schon die Anspruchsvoraussetzungen der Berufsausbildung iSd FLAG nicht vorliegen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für ***1***, geb. xx.xx.2002, für den Zeitraum Dezember 2021 bis Jänner 2022, SV-Nr. ***2***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe für das im Spruch genannte Kind teilte die Beschwerdeführerin (Bf.) am mit, dass ihre Tochter ***1*** im Juni 2020 die Matura außer Mathematik bestanden habe, beim Septembertermin sei sie krank gewesen, im Jänner habe sie nicht bestanden.

Im Ermittlungsverfahren vor dem Finanzamt teilte die Bf. am ergänzend mit, dass ihre Tochter nicht in der Lage gewesen sei zur Prüfung anzutreten, wegen ihrer Prüfungsangst nehme sie nun therapeutische Hilfe in Anspruch, um im Herbst zur Mathematik-Matura antreten zu können.
Beigelegt wurden die Bestätigung der psychosozialen Beratungsstelle ***3*** vom über die klinisch-psychologische Behandlung der Tochter bei Frau Mag. ***4*** seit und die Rechnung der Institut für Familienförderung GmbH vom über eine psychologisch-therapeutische Beratung & Coaching.

Am teilte die Bf. mit, dass ihre Tochter auch zum aktuellen Maturatermin krank gewesen sei und den nächsten Antrittstermin zur Matura am wahrnehmen werde. Derzeit besuche sie die Universität als außerordentliche Studentin der Rechtswissenschaften, dieses Studium werde im Jänner nach der Mathematik-Matura von ihr als ordentliches Studium weiter betrieben werden.
Beigelegt wurden die Bestätigung von Frau Dr. ***5***, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom , dass die Tochter der Bf. am die Schule nicht besuchen könne und die Studienzeitbestätigung der Universität ***6*** vom über den Besuch einzelner Lehrveranstaltungen als außerordentliches Studium im Wintersemester 2021.

Am teilte die Bf. mit, dass ihre Tochter am noch nicht in der Lage gewesen sei zur mündlichen Reifeprüfung anzutreten, sie werde im Juni 2022 antreten.
Beigelegt war der ärztliche Befundbericht der Frau Dr. ***7***, Ärztin für Allgemeinmedizin, ÖÄK-Diplome f. psychosoziale, psychosomatische und psychotherapeutische Medizin, vom über die seit med. psychotherapeutische Behandlung der Tochter der Bf. in ihrer Praxis und dass es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, wie geplant die mündliche Mathematik Matura am abzulegen.

Das Finanzamt stellte die Auszahlung der Familienbeihilfe für die Tochter der Bf. ab Februar 2022 ein und mit Bescheid vom wurde die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für die im Spruch genannte Tochter für den Zeitraum Dezember 2021 bis Jänner 2022 rückgefordert mit folgender Begründung:
"Familienbeihilfe steht bei einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung zu. Wann gilt die Ausbildung als ernsthaft und zielstrebig?
• Das Kind verwendet die volle Zeit dafür
• Das Kind tritt in angemessener Zeit zu Prüfungen an
Bei Ihrem Kind trifft das nicht zu.
Die Rückforderung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2020 bis März 2021 unterbleibt aufgrund gesetzlicher Vorgaben (§ 15 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Weiters unterbleibt die Rückforderung für den Zeitraum April 2021 bis November 2021 aufgrund einer weiteren Aktion aufgrund COVID
."Dagegen erhob die Beschwerdeführerin die Beschwerde mit der Begründung:
"Meine Tochter ***1*** besuchte das Borg ***3***, hat die Klassen nie wiederholt und immer zielstrebig gelernt. Im Coronajahr 2019 hatte sie ihre Matura, alle Prüfungen bestanden, außer Mathematik, in Folge dieser nichtbestandenen Prüfung begann bei Ihr eine ziemlich heftige Angststörung mit schlimmen Panikattacken, sofort nahm sie ärztliche Hilfe in Anspruch, jedoch konnte sie aufgrund dieser enormen Angststörung die Mathematik Matura nicht ablegen. Seit November 2022 ist meine Tochter regelmäßig in Psychotherapie bei Frau Dr. ***7*** in ***8***, wobei sie auch seit Jänner ein Medikament einnehmen muss, aber es hat sich eine Besserung eingestellt, sodass sie Anfang Juni ihre Prüfung ablegen kann.
Sie hat auch bis heute zielstrebig Mathe gelernt, ist auf der
***9*** Uni als außerordentliche Studentin zugelassen, sie kann Vorlesungen absolvieren, und die Uni besuchen, dafür habe ich seit Herbst 778 € an Studiengebühren bezahlt, wenn sie die Mathe Matura abgelegt hat wird sie sich als ordentliche Studentin umschreiben lassen, das Fachgebiet ist Rechtswissenschaft.
Die Therapeutin ist eine Ärztin und von der Krankenkasse anerkannt, die Kosten übernimmt einen Teil die Krankenkasse
."
Beigelegt war nochmals der ärztliche Befundbericht der Frau Dr. ***7***, Ärztin für Allgemeinmedizin, ÖÄK-Diplome f. psychosoziale, psychosomatische und psychotherapeutische Medizin, vom .

Am reichte die Bf. den ärztlichen Befundbericht der Frau Dr. ***7*** vom nach, wonach ihre Tochter an einer ausgeprägten Form einer Angst- und Panikstörung, sowie an einem depressiven Zustandsbild, welche medikamentös und psychotherapeutisch behandelt werde, leide. Mittlerweile sei es erfreulicherweise zu einer deutlichen Stabilisierung ihres Zustandes gekommen, sodass zu erwarten sei, dass sie Anfang Juni 2022 die noch ausstehende letzte Teilprüfung (Mathematik) für ihre Matura ablegen werde. Anschließend möchte sie ein Studium der Rechtswissenschaften an der ***9***-Universität in ***6*** beginnen, wobei sie bereits als außerordentliche Hörerin in diesem Semester Vorlesungen besucht habe. Die Patientin sei fest entschlossen, ihre Ausbildung wieder regulär aufzunehmen und abzuschließen.

Ergänzend zur Beschwerde reichte die Bf. am das Reifeprüfungszeugnis über die bestandene Reifeprüfung ihrer Tochter am nach.

Im weiteren Ermittlungsverfahren vor dem Finanzamt teilte die Bf. mit:
"Sie hat die Mathe Matura im Jahr 2020 schriftlich und danach mündlich nicht bestanden, im Jänner 2021 nochmals schriftlich nicht bestanden, danach ist ihre Angsterkrankung noch stärker geworden, sodass sie sich in Therapie begeben musste, und auch medikamentös behandelt wurde.
Sie hat sich in der Zwischenzeit auf die Mathe Matura (Nachhilfe) trotz Ihrer Angsterkrankung vorbereitet, und heuer trat eine Besserung ein, sodass sie am 1. Juni die Mathe Matura bestanden hat.
Sie hat sich bei der
***9*** Uni ***6*** für das Jus Studium eingeschrieben."
Beigelegt war die Bestätigung des BORG ***3*** vom , dass die Tochter der Bf. zu folgenden Prüfungen im Rahmen der Reifeprüfung angetreten ist und diese nicht bestanden hat:
Mai 2020 - Mathematik
Jänner 2021 - Mathematik.
Weiters wurden nochmals das Reifeprüfungszeugnis und der ärztliche Befundbericht der Frau Dr. ***7*** vom , ergänzend die Bestätigung der Frau Dr. ***7*** vom über die Inanspruchnahme von 26 Therapieeinheiten (med. psychotherapeutische Beratungsgespräche) der Tochter im Zeitraum bis vorgelegt.

Am legte die Beschwerdeführer das Studienblatt der Universität ***6*** für das Wintersemester 2022/23 über die Meldung ihrer Tochter für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften vor.

In der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. In der Begründung wurde unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b bis e FLAG 1967 ausgeführt:
"Familienbeihilfenanspruch besteht nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antritt.
Ihre Tochter
***1*** wurde im 04/2020 18 Jahre alt.
Die Familienbeihilfe für den Zeitraum 05/2020 - 03/2021 steht Ihnen gemäß § 15 FLAG zu.
Die Familienbeihilfe für den Zeitraum 04/2021 - 11/2021 wurde aufgrund einer Covid Aktion nicht rückgefordert.
Gemäß der aktuellen Bestätigung des BORG
***3*** vom hat ***1*** die Reifeprüfung im Fach Mathematik im 05/2020 nicht bestanden. Der Herbsttermin 09/2020 wurde nicht wahrgenommen. Der nächste Antritt erfolgte 01/2021 und war wieder negativ.
Der Sommertermin 06/2021 sowie der Herbsttermin 09/2021 wurden wieder nicht wahrgenommen.
***1*** hat die Reifeprüfung im 06/2022 bestanden.
Eine Ernsthaftigkeit der Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 kann im aktuellen Fall nicht festgestellt werden, weil nicht alle Prüfungstermine wahrgenommen wurden. Eine Berücksichtigung ihrer Erkrankung als Hindernisgrund ist im Falle einer Schulausbildung im Gesetz nicht vorgesehen
."

Daraufhin wurde von der Beschwerdeführerin der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) gestellt und ergänzend ausgeführt:
"In der Beschwerdevorentscheidung wird festgehalten, dass die Ernsthaftigkeit der Berufsausbildung meiner Tochter im Sinne des FLAG 1967 nicht festgestellt werden konnte, da nicht alle Prüfungstermine wahrgenommen wurden.
Entgegen diesen Ausführungen kann festgehalten werden, dass durch den ersten negativen Maturantritt meiner Tochter im Mai 2020 eine attestierte Angststörung bei ihr verursacht wurde.
Durch dieses unvorhergesehene Ereignis im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 war es meiner Tochter nicht möglich den folgenden Maturatermin im September 2020 wahrzunehmen. Die vom Gesetzgeber geforderte Ernsthaftigkeit mit der sie dennoch ihre Schulausbildung weiterverfolgt hat, zeigte sich deutlich durch ihren nächsten Antritt zur Matura der bereits im Jänner 2021 erfolgte.
Trotz bis dorthin stetig in Anspruch genommener professioneller Nachhilfe, war der Antritt negativ und verschlimmerte nachweislich die zuvor bereits attestierte Angststörung. Dadurch bedingt, war es meiner Tochter nicht möglich die Maturatermine im Juni sowie im September 2021 wahrzunehmen.
Dennoch zeigte sich die Ernsthaftigkeit mit der sie auch in diesem Zeitraum ihre Berufsausbildung verfolgt hat, deutlich durch die stetige psychologische Betreuung um ihre Angststörung zu heilen sowie die weiterhin in Anspruch genommene professionelle Nachhilfe.
Folglich war die vom Gesetzgeber geforderte Ernsthaftigkeit mit der die Berufsausbildung zu verfolgen ist stetig gegeben und gebührt daher die Familienbeihilfe auch für den Zeitraum der Rückforderung.
Ich beantrage eine mündliche Verhandlung und/oder die Entscheidung durch den Senat
."
Beigelegt waren wiederum der ärztliche Befundbericht der Dr. ***7*** vom , ergänzend der ärztliche Befundbericht der Dr. ***7*** vom und die Honorarnoten der Lernbetreuung und Nachhilfe Martetschläger vom und vom über vier Stunden Nachhilfe Mathematik - online - im Dezember 2021 und sechs Stunden im Jänner 2022.

Auf Grund eines Auskunftsersuchens des Finanzamtes teilte das BORG ***3*** mit:
"Zeitlicher Ablauf der Matura von ***1***:
Juni 2020: Antritt zur Matura, alle Prüfungsgebiete außer Mathematik wurden positiv erledigt - Verweis auf 1. Nebentermin 2020
: 1. Nebentermin Antritt zur Mathematik-Prüfung - negative Beurteilung - Verweis auf Kompensationsprüfung
: Krankmeldung m. ärztlichem Attest - Verweis auf nächsten Termin
: Krankmeldung m. ärztlichem Attest - Verweis auf nächsten Termin
: Krankmeldung m. ärztlichem Attest - Verweis auf nächsten Termin
: Antritt zur Kompensationsprüfung mit positiver Beurteilung."

Auf Grund weiterer Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes (BFG) teilte die Direktorin des BORG ***3*** ergänzend mit, dass der Termin der ausstehenden Kompensationsprüfung der Tochter der Bf. am gewesen sei. Zur Mathematikprüfung an diesem Nachtermin habe die Tochter der Bf. jedoch nicht antreten können, vielmehr wurde die übermittelte ärztliche Bestätigung der Frau Dr. ***5***, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom vorgelegt, wonach die Tochter vom bis unbestimmte Zeit die Schule nicht besuchen könne.

Das Bundesfinanzgericht richtete in der Folge das Ergänzungsersuchen vom an die Bf. zwecks Abklärung der unklaren Formulierung hinsichtlich des Antrages "auf mündlichen Verhandlungund/oder Entscheidung durch den Senat" und mit dem Ersuchen um Stellungnahme zu den angeführten Schullaufbahndaten der Tochter sowie um Bekanntgabe der Lernintensität der Tochter zwischen dem 1. und dem 2. Nachtermin.

Dieses Ergänzungsersuchen wurde von der Beschwerdeführerin nicht beantwortet.

Der mündlichen Verhandlung am vor dem Bundesfinanzgericht blieb die Beschwerdeführerin trotz rechtswirksamer Zustellung der Ladung unentschuldigt fern.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1) Antrag auf mündliche Verhandlung und/oder Entscheidung durch den Senat

Der Ausdruck "und/oder" drückt aus, dass eine Verknüpfung oder eine Alternative angeboten wird. So bedeutet zB "geben sie uns bitte ihre Adresse und/oder Telefonnummer bekannt", ein Dreifaches
- ihre Adresse und die Telefonnummer,
- oder nur die Adresse
- oder nur die Telefonnummer.

Da die Beschwerdeführerin trotz Ersuchen des BFG nicht mitteilte, welche der möglichen Varianten sie beantragen möchte, ist nur die Wortinterpretation heranzuziehen, weil der Begriff und/oder nur die Auslegung einer Dreifachvariante zulässt, sodass andere Auslegungsmethoden nicht greifen können.

Die Erledigung konnte damit durch den Senat und mündliche Verhandlung, durch den Senat (ohne mündliche Verhandlung) oder in mündlicher Verhandlung (ohne Senat) erfolgen (vgl. , und , dort: mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter). Es war daher nach mündlicher Verhandlung durch die Einzelrichterin zu entscheiden.

2) Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. […]

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt: Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 idgF steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag zu. […] Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird, fallen. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. Diese der Rechtsprechung des VwGH entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des StudFG liegen (vgl. zB und , mwN).

Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges sind für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Hiezu gehören beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, oder Urlaube und Schulferien. Bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung bleibt der Familienbeihilfe-Anspruch nicht bestehen, weil in einem solchen Fall die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht ist ( mwN); (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 38).

Ist das Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, ist nach der (überwiegenden) Judikatur des UFS und des BFG als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden (s zB -F/07; ; RV/1708W/05; ), wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt.
ME liegt eine Berufsausbildung iSd FLAG - analog zum Besuch einer AHS und BHS - generell nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt. Auch das BFG nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an, insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden, um von einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 zu sprechen (s zB ). Wenn bei einer 25 Wochenstunden umfassenden Schulausbildung die Hälfte der Unterrichtsgegenstände infolge Abwesenheit vom Unterricht nicht beurteilt wird, ist davon auszugehen, dass die Berufsausbildung nicht die überwiegende Zeit des Schülers in Anspruch genommen hat (); (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 40).

Lt. dem Akteninhalt ergeben sich folgende Schullaufbahndaten im Zsh. mit der von der Tochter der Beschwerdeführerin bestandenen Matura:
Mai/Juni 2020: erstmaliger Antritt zur Matura - alle Prüfungen außer Mathematik positiv
: 1. Nebentermin - Antritt zur Mathematikprüfung > negativ
: kein Prüfungsantritt wegen Krankmeldung mit ärztlicher Bestätigung
: kein Prüfungsantritt wegen Krankmeldung mit ärztlichem Attest
: kein Prüfungsantritt wegen Krankmeldung mit ärztlichem Attest
: kein Prüfungsantritt wegen Krankmeldung mit ärztlichem Attest
: Antritt zur Kompensationsprüfung > positiv (Reifeprüfung bestanden),
ab dem WS 2022/23 Universität: Studium der Rechtswissenschaften.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH und des BFG liegt bei nicht positiv bestandener Matura eine Berufsausbildung iSd FLAG, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, jedenfalls bis zum 1. Nachtermin im Herbst vor.

Bei der Prüfung, ob danach die Voraussetzungen einer Berufsausbildung nach dem FLAG vorliegen, ist im vorliegenden Fall nicht davon auszugehen, dass die Vorbereitung auf lediglich einen Prüfungsgegenstand im Zeitraum zwischen dem 1. Nachtermin im September 2020 und dem 2. Nachtermin im Jänner 2021 (ca. 4 ½ Monate) die überwiegende Zeit der Tochter der Bf. in Anspruch genommen hat.

Die erste ärztliche Bestätigung über eine Krankmeldung der Tochter wurde Ende Jänner 2021 ausgestellt, ihre psychotherapeutische Therapie begann aber erst im Juni 2021.

Deshalb kann hier nicht von einer krankheitsbedingten Unterbrechung einer Berufsausbildung der Tochter iSd FLAG ausgegangen werden, da ein bereits vorher entstandener Anspruch auf Familienbeihilfe nicht vorliegt. Dies wäre aber die Voraussetzung für die Weitergewährung der Familienbeihilfe während einer begrenzten krankheitsbedingten Unterbrechung einer Berufsausbildung.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass durch die Erkrankung der Tochter ein unvorhergesehenes Ereignis iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vorliegen würde, greift im ggst Fall nicht, da diese Regelung nur im Fall einer Unterbrechung eines Studiums anwendbar ist.

Nur auf Grund der Corona-Krisensituation erhielt die Beschwerdeführerin gemäß § 15 FLAG für die Tochter bis März 2021 die Familienbeihilfe, obwohl nach dem 1. Matura-Nachtermin die Anspruchsvoraussetzung nach § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 nicht erfüllt sind.

Da die Beschwerdeführerin weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht hat, dass im hier maßgeblichen Zeitraum die Berufsausbildung ihrer Tochter in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch genommen hat, erweist sich der Rückforderungsbescheid des Finanzamtes als nicht rechtswidrig.
Die Tochter der Beschwerdeführerin hat somit im beschwerdeggst. Zeitraum keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 absolviert. Da aber die Familienbeihilfe in diesem Zeitraum von der Beschwerdeführerin bezogen wurde, musste diese rückgefordert werden.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat (vgl. etwa ; , 1019/77; , 2006/15/0076; , 2008/15/0323; , 2009/15/0089; , 2008/15/0329; , 2007/13/0120; , 2012/16/0047).
Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an (vgl. etwa ; , 98/13/0067), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; , 2005/13/0142); (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 26 Rz 12f).

Die Verpflichtung zur Rückerstattung zu Unrecht bezogener Beihilfen ist also von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft. § 26 Abs. 1 FLAG 1967 normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. ).

Bezüglich der Kinderabsetzbeträge ist festzustellen, dass diese gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 dann gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige auch Familienbeihilfe bezieht. Der Kinderabsetzbetrag ist somit derart mit der Familienbeihilfe verknüpft, dass ein unrechtmäßiger Bezug der Familienbeihilfe auch den gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlten Kinderabsetzbetrag unrechtmäßig macht. Die Kinderabsetzbeträge waren somit zusammen mit der Familienbeihilfe gemäß § 26 FLAG zurückzufordern.

Auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes, der gesetzlichen Bestimmungen und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war über die Beschwerde wie im Spruch zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im Beschwerdefall kein Rechtsproblem strittig ist, sondern der als erwiesen anzunehmende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde sowie das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht, ist gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

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