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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.09.2024, RV/2100705/2022

Vorliegen ausreichender Wiederaufnahmegründe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BDO Assurance GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Am Belvedere 4, 1100 Wien, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend

1. Wiederaufnahme des Verfahrens der Vorsteuererstattung für 01-12/2012
2. Wiederaufnahme des Verfahrens der Vorsteuererstattung für 01-03/2013
3. Wiederaufnahme des Verfahrens der Vorsteuererstattung für 04-06/2013
4. Wiederaufnahme des Verfahrens der Vorsteuererstattung für 07-09/2013
5. Wiederaufnahme des Verfahrens der Vorsteuererstattung für 10-12/2013

Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In den angefochtenen Bescheiden wurden die Verfahren über die Erstattung von Vorsteuern für die einzelnen im Spruch bezeichneten Zeiträume wiederaufgenommen. Die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO erfolgte auf Grund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien. Daraus sei auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Sie wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt.

Der Außenprüfungsbericht vom umfasst die Zeiträume 1-12/2012 bis 4-6/2014 und führt unter den Feststellungen Folgendes aus:

"3. Feststellungen
anlässlich der Betriebsprüfung der Fa. Beschwerdeführerin - im Folgenden mit "Bf." abgekürzt.
Die Fa. Bf. ist ein in einem Drittland ansässiger Mobilfunkbetreiber. Sie verfügt in Österreich über keinen Sitz und keine Betriebsstätte. Die Mobilfunkbetreiberfirma Bf. Sitz in U., (=Drittland), beantragte für die Zeiträume 01-12/2012, 01-12/2013 und 04-06/2014 die Erstattung von Vorsteuern. Diese Vorsteuern resultieren aus Rechnungen österreichischer Mobiltelefonnetz-Betreiber (Provider) und betreffen die
Verrechnung bzw. Abrechnung von Roaminggebühren. Inhalt dieser Roamingleistungen ist die Zurverfügungstellung des österreichischen Mobiltelefonnetzes des jeweiligen österreichischen Providers an die Fa. E. zur Nutzung durch deren Kunden.
Die Umsatzsteuersatz in den U. beträgt "Null" Prozent, d.h. es gibt dort keine Umsatzsteuer.
Nach der Bestimmung des § 3a (sonstige Leistungen) Abs. 6
UStG 1994 wird eine sonstige Leistung - vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 - grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Gem. § 3a Abs. 13 UStG 1994 werden elektronisch erbrachte sonstige Leistungen sowie Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen an dem Ort ausgeführt, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, soweit diese Leistungen an einen Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 erbracht werden.
In dem Fall - wo die Leistung im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt - kommt die Telekommunikationsverordnung zur Anwendung - und damit einhergehend eine Verschiebung des Leistungsortes ins Inland, d.h. nach Österreich.
Somit macht das Bundesministerium für Finanzen von seinem Recht Gebrauch, wonach es gem.
§ 3a UStG 1994 zum Zweck der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen in Form von Nicht- oder Doppelbesteuerungen durch Verordnung bestimmen kann, dass sich der Ort einer im Abs. 10 genannten sonstigen Leistung abweichen von Abs. 9 und Abs. 12 danach bestimmt, wo dies sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird.
Die Verlagerung des Ortes der Leistung nach Österreich basiert auf der Verordnung des BM für Finanzen -
BGBl. II Nr. 383/2003, bzw. VO BGBl. II 1997/102 (wenn der Leistungsort dieser Leistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes liegt, dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt und im Inland genutzt oder ausgewertet wird).
Dies gilt dann sowohl für die Leistungen der inländischen Mobilnetzbetreiber an die Antragsteller, als auch für die Roamingleistungen der Antragsteller an deren Kunden im Drittland (betreffend die Nutzung inländischer Netze in Österreich). Es sind daher auch die vom ausländischen Antragsteller mit Aufschlag an seine Kunden weiterverrechneten Gebühren in Österreich steuerbar und steuerpflichtig. Darüber hinaus kann der Ort dieser sonstigen Leistung auch nicht gesplittet werden (siehe Berger/Wakounig, 4. Überarbeitete Auflage, Wien, 2010, S/92, § 3 a Abs. 1).
Der Drittlandunternehmer hat demzufolge in Österreich steuerbare und steuerpflichtige Leistungen, die das Erstattungsverfahren ausschließen. Der Drittlandunternehmer hat damit seine Umsätze im Veranlagungsverfahren zu erklären und kann dort die Vorsteuern aus den Rechnungen der österr. Netzbetreiber beantragen.
Somit kann diese Umsatzsteuer daher nicht im Wege der Vorsteuererstattung im vereinfachten Verfahren zurückgefordert werden.
Die Erstattungsverordnung BGBl 1995/279 kann nicht zur Anwendung kommen.
Nach mehrmaliger schriftlicher Aufforderung seitens der BP wurden folgende Gutschriften vorgelegt (alle vorgelegten Gutschriften stammen von "T.A. Group", und sie datieren alle vom ):
€ 25,21; € 30,93; € 20,67; € 19,26; € 15,41; € 19,10 und € 23,91.
Somit wurden Gutschriften in Höhe von insgesamt € 154,49 vorgelegt.
Bisherige Recherchen seitens der BP haben ergeben, dass in den Prüfungsjahren - alleine von einem einzigen österr. Telekommunikationsunternehmen - Gutschriften betreffend Roamingspesen mit Umsatzsteuer in Millionenhöhe an das geprüfte Unternehmen ausgestellt wurden. Weitere Recherchen sind zur Zeit noch im Laufen, und somit betragsmäßig noch nicht bekannt.
Nachweise darüber, dass die in den Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer bei den Erstattungsanträgen von der beantragten Vorsteuerrückerstattung in Abzug gebracht wurde, wurden keine erbracht.
Das ausländische Telekommunikationsunternehmen hat somit die Verpflichtung, sich in Österreich registrieren zu lassen und kann in der Folge die Vorsteuer (abzüglich der Steuer aus den Gutschriften) im Veranlagungsverfahren geltend machen - aber nicht im Rahmen des Erstattungsverfahrens. Im angeführten Prüfungszeitraum kommt es demzufolge zur Kürzung folgender Vorsteuerbeträge:
2012: € 1.086.413,11
1-3/2013, 4-6/2013, 7-9/2013 und 10-12/2013: € 932.782,34
4-6/2014: € 294.353,55
Summe € 2.313.549,00

Weitere Details und Informationen siehe Niederschrift!

4. Verfahrensabschluss und betragliche Auswirkung der Feststellungen:
Im Prüfungszeitraum kommt es zu einer Änderung der rechtskräftigen Bescheide.
(Zahlentabellen 2012 bis 1-5/2015 mit Vorsteuern von Null Euro werden nicht wiedergegeben.)
Hinsichtlich des Jahres 2012, 1-3/2013, 4-6/2013, 7-9/2013, 10-12/2013 und 4-6/2014 erfolgt eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Das Quartal 1-3/2104 wurde bereits geprüft.

5. Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 BAO:
Hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2012 und 2013 wurden Feststellungen getroffen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem.
§ 303 Abs. 1 BAO erforderlich machen.
Neu hervorgekommene Tatsachen bzw. Beweismittel waren insbesondere:
- Gutschriften, die beim Vorsteuer-Erstattungsantrag nicht in Abzug gebracht wurden
- die erstmalige Vorlage von Belegen/Rechnungen, Unterlagen und Verträgen
- erteilte Auskünfte
- Internetrechercheergebnisse
- durchgeführte Literaturrecherchen, aus denen die Nichtabzugsfähigkeit der Vorsteuerbeträge abzuleiten war.

Bei der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessensabwägung war dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen."

In ihrer Beschwerde führte die Beschwerdeführerin (Bf.) u.a. i.W. Folgendes aus:

"Laut Bescheidbegründung erfolgte die Wiederaufnahme des Verfahrens in den gegenständlichen Zeiträumen aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien. Bis zum heutigen Tag wurden jedoch Niederschrift bzw. Prüfungsbericht nicht an uns als steuerliche Vertretung der Bf. zugestellt, wodurch die in der Bescheidbegründung genannten neuen Sachverhalte nicht überprüfbar sind.
Wir beantragen daher die ursprünglich erlassenen Bescheide
- über die Erstattung von Vorsteuern für 01-12/2012 vom
- über die Erstattung von Vorsteuern für 01-03/2013 vom
- über die Erstattung von Vorsteuern für 04-06/2013 vom
- über die Erstattung von Vorsteuern für 07-09/2013 vom
- über die Erstattung von Vorsteuern für 10-12/2013 vom
in Rechtskraft erwachsen zu lassen.
Weiters beantragen wir die Vorsteuern für 04-06/2014 wie beantragt in Höhe von EUR 294.353,55 festzusetzen."

In der erlassenen abweisenden Beschwerdevorentscheidung führte das Finanzamt neben rechtlichen Erwägungen zur Wiederaufnahme des Verfahrens in tatsächlicher Hinsicht Folgendes aus:

"Der Umstand, dass im Zuge von Ermittlungen der Betriebsprüfung die Nichtanwendung des Erstattungsverfahrens festgestellt wurde, kann als neue Tatsache angesehen werden und waren dies Umstände, die im abgeschlossenen Verfahren bisher nicht bekannt waren. Die Geschäftsanalyse des Unternehmens bzw. die umsatzsteuerliche Beurteilung hinsichtlich der Besteuerung der Telekommunikationsdienstleistungen der Bf. an ihre Kunden waren Umstände, die im abgeschlossenen Verfahren bisher nicht bekannt waren.
Eine "wesentliche" neue Tatsache, die eine Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertigt, ist es eben gerade, dass sich durch die Prüfung eine Steuerpflicht in Österreich und damit die Anwendung des Umsatzsteuerveranlagungsverfahrens ergibt. Das Finanzamt setzte die Vorsteuern mit "0" fest, da es auf Grund der VO BGBl II 1997/102, BGBl II 383/2003 (VO zu Telekommunikationsdienstleistungen) zu einer Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich gekommen ist und die Erstattungs-VO somit nicht mehr Anwendung findet."

Salvatorisch verwies sie zusätzlich auf die weitere Begründung der Beschwerdevorentscheidung über die Sachbescheide.

Mit Schreiben vom stellt die Bf. den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und führte ergänzend u.a. Folgendes aus:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens wird vom Finanzamt damit begründet, dass neue Tatsachen hervorgekommen wären, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens erforderlich machen würden.
U.E. liegen im gegenständlichen Fall keine neuen Tatsachen und somit auch keine Wiederaufnahmegründe vor:
• Der Umstand, dass die Bf. ein ausländischer Telekommunikationsanbieter ist und Roamingleistungen von österreichischen Netzbetreibern bezieht und diese Leistungen an seine Kunden weiterverrechnet, war dem Finanzamt Graz-Stadt von Anfang an - auch aufgrund der übermittelten Eingangsrechnungen und der Formulare U5 und Verf 18 - bekannt. Es liegt somit keine neue Tatsache vor.
• Das Finanzamt verweist in seiner Bescheidbegründung auf das Vorliegen von Rabattvereinbarungen zwischen unserem Klienten und österreichischen Netzbetreibern.
Unser Mandant hat im verfahrensgegenständlichen Zeitraum auskunftsgemäß keine Rabatte von österreichischen Netzbetreibern erhalten, sodass auch diesbezüglich keine neuen Tatsachen vorliegen. Wir verweisen diesbezüglich auch auf die Ausführungen in unserer Beschwerde gegen die Festsetzung von Umsatzsteuer für die gegenständlichen Veranlagungszeiträume vom heutigen Tag.
Im Ergebnis liegt somit seit Beantragung der ursprünglichen VSt-Erstattung durch unseren Klienten ein unveränderter und dem Finanzamt von Anfang an bekannter Sachverhalt vor. Geändert hat sich einzig die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes durch das Finanzamt, welches nunmehr von einer Umsatzsteuerpflicht der Ausgangsumsätze in Österreich ausgeht. Eine derartige geänderte rechtliche Beurteilung stellt aber keinen Wiederaufnahmegrund dar (vgl. Ritz, BAO
6, § 303 Tz. 23 mwN).
Entsprechend den vorstehenden Ausführungen liegt daher kein Wiederaufnahmegrund iSd
§ 303 BAO vor und wir beantragen daher die ersatzlose Aufhebung der gegenständlichen Wiederaufnahmebescheide sowie der geänderten (negativen) Bescheide über die Erstattung von Vorsteuern."

In der weiteren Folge wurden die Beschwerden an das Bundesfinanzgericht vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus dem oa. Verfahrensgang. Auf Grund der Telekom-Verordnung des BMF und der entsprechenden Rz. der UStR (Verwaltungspraxis) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ermöglichung des Telefonierens im Inland durch ein drittländisches Telekommunikationsunternehmen einen steuerbaren und steuerpflichtigen Inlandsumsatz darstellt. Ausgehend von dieser Rechtsansicht wäre daher die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahren ausgeschlossen gewesen und daher könnten auf diesem Wege keine Vorsteuern erstattet werden.

Die Bf. hat in den seinerzeitigen Erstattungsverfahren unbestritten entsprechende Rechnungen inländischer Telekommunikationsunternehmen betreffend im Inland erbrachte Roamingleistungen zur Vorsteuererstattung eingereicht, die mit entsprechenden Bescheiden erstattet wurden.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiswürdigung gründet sich entsprechend auf der im Verfahrensgang dargestellten Aktenlage. Widersprechend zur damals geübten Verwaltungspraxis und Rechtslage (s.u.) wurden Vorsteuern erstattet, die im wiederaufgenommenen Verfahren rückgefordert wurden. Nachvollziehbare tatsächliche Wiederaufnahmegründe wurden in den angefochtenen Bescheiden nicht ausgeführt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Rechtsquellen:

§ 303 BAO:
(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2) …
[BGBl I 2013/14]

§ 307 BAO:
(1) Mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid ist unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
(2) (aufgehoben durch BGBl I 2002/97)
(3) Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.
[BGBl I 2009/20]

§ 3a UStG 1994 (bis BGBl. I 40/2014) lautet:

(13) Die im Abs. 14 bezeichneten sonstigen Leistungen werden ausgeführt:
a) Ist der Empfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Drittlandsgebiet ausgeführt;
b) ist der Empfänger einer in Abs. 14 Z 14 bezeichneten sonstigen Leistung ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn die Leistung von einem Unternehmer ausgeführt wird, der sein Unternehmen vom Drittlandsgebiet aus betreibt. Das gilt sinngemäß, wenn die Leistung von einer im Drittlandsgebiet gelegenen Betriebsstätte des Unternehmers ausgeführt wird.
(14) Sonstige Leistungen im Sinne des Abs. 13 sind:
1. Die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus urheberrechtlichen Vorschriften ergeben;
2. die Leistungen, die der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit dienen;
3. die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer sowie ähnliche Leistungen anderer Unternehmer;
4. die rechtliche, technische und wirtschaftliche Beratung;
5. die Datenverarbeitung;
6. die Überlassung von Informationen einschließlich gewerblicher Verfahren und Erfahrungen;
7. die sonstigen Leistungen der in § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a bis i und Z 9 lit. c bezeichneten Art;
8. die Gestellung von Personal;
9. der Verzicht, ein in diesem Absatz bezeichnetes Recht wahrzunehmen;
10. der Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben;
11. die Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände, ausgenommen Beförderungsmittel;
12. die Telekommunikationsdienste;
13. die Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen;
14. die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen;
15. die Gewährung des Zugangs zu einem Erdgasnetz im Gebiet der Gemeinschaft oder zu einem an ein solches Netz angeschlossenes Netz, zum Elektrizitätsnetz oder zu Wärme- oder Kältenetzen sowie die Fernleitung, Übertragung oder Verteilung über diese Netze und die Erbringung anderer unmittelbar damit verbundener Dienstleistungen.
(15) Erbringt ein Unternehmer, der sein Unternehmen vom Drittlandsgebiet aus betreibt,
1. die Vermietung von Beförderungsmitteln oder
2. eine sonstige Leistung, die im Abs. 14 Z 1 bis 13 und 15 bezeichnet ist, an eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ist, mit Sitz im Inland, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird. Das gilt sinngemäß, wenn die Leistung von einer im Drittlandsgebiet gelegenen Betriebsstätte ausgeführt wird.
(16) Der Bundesminister für Finanzen kann, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich nach Abs. 6, 7, 12 oder 13 lit. a bestimmt, der Ort der sonstigen Leistung danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach
1. statt im Inland als im Drittlandsgebiet gelegen und
2. statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen
behandelt werden. Das gilt nicht für Leistungen im Sinne des Abs. 14 Z 14, wenn der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ist, der keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat.

Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen für Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuer abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln. Auf Grund des § 21 Abs. 9 UStG 1994 erging die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 222/2009, "mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmen geschaffen wird", wenn der Unternehmer (von gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) keine Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 ausgeführt hat.

Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221:

Auf Grund des § 3a Abs. 10 Z 13 und 14 sowie Abs. 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663/1994, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003 wird verordnet:

§ 1. Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.
§ 2. Als Telekommunikationsdienste gelten solche Dienstleistungen, mit denen Übertragung, Ausstrahlung oder Empfang von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder sonstige elektromagnetische Medien gewährleistet werden; dazu gehören auch die Abtretung und Einräumung von Nutzungsrechten an Einrichtungen zur Übertragung, Ausstrahlung oder zum Empfang.
§ 3. (1) Die Verordnung ist auf Umsätze anzuwenden, die nach Ablauf des Tages, an dem die Verordnung im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, ausgeführt werden.
(2) Die
Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten, BGBl. II Nr. 102/1997, ist nicht mehr auf Umsätze anzuwenden, die nach Ablauf des Tages, an dem die Verordnung im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, ausgeführt werden.
(3) § 1 in der Fassung der Verordnung
BGBl. II Nr. 221/2009 ist auf Umsätze anzuwenden, die nach dem ausgeführt werden.

Umsatzsteuerrichtlinien (UStR)
Rz 643:
"Liegt der Ort der Telekommunikationsdienstleistung, Rundfunk- oder Fernsehdienstleistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes und unterliegt die Leistung dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung, so wird sie nach der VO des BM für Finanzen,
BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird. Das gilt unabhängig davon, ob die Leistung an einen Unternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 1 und 2 UStG 1994 oder an einen Nichtunternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 3 UStG 1994 erbracht wird.
Die österreichischen Netzanbieter haben die Möglichkeit, sich hinsichtlich der von ihnen erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen an Drittlandsunternehmer auf das für sie günstigere EU-Recht zu berufen. Eine Berufung ist jedoch nur in solchen Fällen möglich, in denen Telekommunikationsdienstleistungen an Empfänger im Drittland erbracht werden und diese Leistungen im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen. Letztere Voraussetzung ist vom österreichischen Netzanbieter nachzuweisen, wobei dies beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen kann.
Beispiel:
Ein österreichischer Mobilfunkbetreiber schließt mit einem Mobilfunkbetreiber mit Sitz im Drittland einen Vertrag ab, wonach die beiden Vertragsparteien den jeweils berechtigten Kunden der anderen Vertragspartei die Möglichkeit geben, Telekommunikationsleistungen auf dem von ihnen betriebenen Netz zu erhalten (Roaming-Vertrag). Der Kunde des Drittlandsunternehmers telefoniert in Österreich. Die Telekommunikationsdienstleistung unterliegt im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung.
Der Ort der Leistung des österreichischen Unternehmers beurteilt sich zunächst nach
§ 3a Abs. 6 UStG 1994 und liegt nach dieser Bestimmung im Drittland, da die Leistung einem Unternehmer gegenüber erbracht wird. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich.

Wird die Leistung einem Unternehmer im Drittland oder einem Nichtunternehmer im Drittland gegenüber erbracht, liegt der Ort der Leistung gemäß
§ 3a Abs. 6 oder Abs. 13 UStG 1994 idF ab (bis : § 3a Abs. 13 lit. a oder Abs. 7 UStG 1994) jeweils im Drittland. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich."

3. Zu Spruchpunkt I (Stattgabe Wiederaufnahme des Verfahrens)

Auf Grund der oa. Verordnung des BMF und der entsprechenden Rz. der UStR (Verwaltungspraxis) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ermöglichung des Telefonierens im Inland durch ein drittländisches Telekommunikationsunternehmen einen steuerbaren und steuerpflichtigen Inlandsumsatz darstellt. Diese Rechtsansicht wurde auch vom VwGH geteilt (). Ausgehend von dieser Rechtsansicht ist daher die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens ausgeschlossen und daher könnten auf diesem Wege keine Vorsteuern erstattet werden. Die Bf. hat in den seinerzeitigen Erstattungsverfahren entsprechende Rechnungen inländischer Telekommunikationsunternehmen betreffend im Inland erbrachte Roamingleistungen zur Vorsteuererstattung eingereicht, die nach den Ausführungen der Außenprüfung auch mit entsprechenden Bescheiden erstattet wurden.
Bereits aus den Rechnungen kann unschwer auf einen inländischen Leistungsort und damit auf die Unzulässigkeit des Erstattungsverfahrens geschlossen werden. Daraus ist zu erkennen, dass die Kunden der Bf. im Inland telefoniert haben. Somit war der belangten Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht bekannt, dass die Bf. aus der Ermöglichung des Telefonierens im Inland steuerbare und steuerpflichtige Umsätze erzielt hat. Trotz dieses - ein Vorsteuererstattungsverfahren hindernden Umstandes (kurz zusammengefasst: Erzielen von steuerpflichtigen Umsätzen) - wurden Vorsteuererstattungen gewährt. Damit wurden in den Wiederaufnahmebescheiden keine neuen Tatsachen aufgezeigt.
In den angefochtenen Bescheiden finden sich in Tz. 3 des Berichtes über die Außenprüfung nahezu ausschließlich rechtliche Würdigungen zu den neu erlassenen Sachbescheiden. In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:

Nach der Rechtsprechung des VwGH gehört der maßgebliche Wiederaufnahmetatbestand in den Spruch des Bescheides (; , 90/13/0027; , 91/14/0165; , 96/16/0135). Lässt der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen, so ist die Begründung als Auslegungsbehelf heranzuziehen. Entsprechend der Judikatur des VwGH () erscheint es ausreichend, dass der Wiederaufnahmetatbestand dem Betriebsprüfungsbericht zu entnehmen ist.

Die Wiederaufnahmegründe sind in der Begründung anzuführen. Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil nach der Judikatur des VwGH (; , 90/14/0044; , 91/14/0165; , 93/14/0187, 0188) sich die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann (Verbot des Nachschiebens von Wiederaufnahmegründe im Rechtsmittelverfahren).
Im gegenständlichen Fall sind im angefochtenen Bescheid als Wiederaufnahmegründe zu wertende Rabatte aus Gutschriften von insgesamt 154,49 € vom 1.9.2014 ausdrücklich angeführt. Diese vermag die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide der Zeiträume 2012-2013 nicht zu tragen, da sie außerhalb der Zeiträume der angefochtenen Bescheide liegt.

Die allgemein gehaltenen Hinweise auf die laufenden Ermittlungen entsprechen nicht dem Konkretisierungsgebot der angesprochenen "neuen Tatsachen". Laufende Ermittlungen sind bloß Ermittlungen und keine festgestellten Tatsachen, um eine Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens ausreichend begründen zu können.

Daran vermag auch die bei den späteren Festsetzungsbescheiden vom betreffend 1-12/2012, 1-12/2013 und 1-12/2014 angesprochene und beigeschlossene Überprüfungsliste der GBP vom November 2017 nichts zu ändern, weil es sich hierbei um "nachgeschobene" (d.h. nach Erlassung der angefochtenen Bescheide hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel) handelt und im Bescheiderlassungszeitpunkt noch nicht bekannt waren.
"Neue" Wiederaufnahmegründe könnten (nach der Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides mit Beschwerdevorentscheidung oder mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes) neuerlich zu einer Verfügung der Wiederaufnahme durch die Abgabenbehörde führen. Eine zweite Wiederaufnahme kann sich nicht auf denselben Wiederaufnahmegrund wie die erste, gescheiterte Wiederaufnahme stützen (vgl. ). Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidungen bestehende Änderungsbefugnis (§ 263 Abs. 1) ident ist mit jener für Erkenntnisse (§ 279 Abs. 3). Weiters ist im Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung) zu befinden.
Die Begründung der Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens hat nicht nur für den Zeitraum (Bescheid) die entsprechenden Wiederaufnahmsgründe anzugeben, sondern auch die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel darzustellen ().
Die Wiederaufnahme eines Abgabenverfahrens führt zur gänzlichen Beseitigung jenes Bescheides, der das wiederaufgenommene Verfahren seinerzeit zum Abschluss gebracht hat. Der frühere Bescheid tritt durch eine (erfolgreiche) Wiederaufnahme des Verfahrens zur Gänze außer Kraft ().

Der Wiederaufnahmebescheid und der neue Sachbescheid sind zwei getrennt () zu beurteilende Bescheide, die jeder für sich einer Bescheidbeschwerde zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können (; , 2000/14/0142; , 2006/15/0367; , 2007/15/0041; ).

Mit der Aufhebung der Bescheide über die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens treten die aufgehobenen Sachbescheide (Erstattungsbescheide) wieder in Wirksamkeit.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

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