Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.09.2024, RV/7102633/2019

Fahrtkosten als Betriebsausgaben beim Vorliegen von zwei Wohnsitzen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Richter1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den zu Steuernummer ***BF1StNr1*** ergangenen Bescheid des Finanzamtes Waldviertel, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Einkommensteuer 2017 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF) ***Bf1*** bezog im Jahr 2017 Pensionseinkünfte und war daneben auf Werkvertragsbasis für die ***Auftraggeber1*** tätig.

Am erließ das damalige Finanzamt Waldviertel, nunmehr Finanzamt Österreich, (belangte Behörde) den verfahrensgegenständlichen Einkommensteuerbescheid für 2017. Als Ausgaben wurde in Zusammenhang mit den Werkvertragseinkünften ein Pauschbetrag iHv 6 % gem. § 17 Abs 1 EStG berücksichtigt.

Der BF erhob mit elektronischem Anbringen vom gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte die Anerkennung von Fahrtkosten iHv € 2.587,20.

Mit Vorhalt vom forderte die belangte Behörde den BF auf, Nachweise für die gefahrenen Kilometer in Zusammenhang mit der Tätigkeit bei der ***Auftraggeber1***, wie Fahrtenbücher, etc., vorzulegen.

Am legte der BF bei der belangten Behörde ein Fahrtenbuch für das Jahr 2017 vor, aus dem sich ergibt, dass er grundsätzlich die Fahrten von ***Hauptwohnsitz1*** angetreten habe und ihm für eine Fahrt zu seinem Auftraggeber somit 107 km pro Richtung angefallen seien.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend wurde angeführt, dass die Kilometer laut Fahrtenbuch nicht mit den Kilometern laut Begutachtung gem. § 57a KFG ("Pickerl-Gutachten") übereinstimmten. Zudem seien auch noch zu einem Zeitpunkt Fahrten mit fortlaufendem Kilometerstand aufgezeichnet worden, als das Fahrzeug bereits abgemeldet gewesen sei. Außerdem erscheine es wenig glaubhaft, dass für relativ geringe Einnahmen von € 4.400,00 in einem Zeitraum von ca. 10 Monaten 6.160 km zurückgelegt würden.

Am erhob der BF dagegen einen Vorlageantrag, in dem er ausführte, die Fahrten hätten tatsächlich in dem von ihm angegebenen Ausmaß stattgefunden. Er sei zunächst von einer steuerfreien Zuverdienstgrenze von monatlich € 400,00 ausgegangen, was ihm vom Finanzamt auch bestätigt worden sei, weshalb er seine Arbeitstage mit seinem Auftraggeber entsprechend abgestimmt habe. Er räumte ein, damals kein Fahrtenbuch geführt zu haben, weil er nicht gewusst habe, eines führen zu müssen. Die Fahrten seien größtenteils mit dem angegebenen PKW, aber auch mit dem PKW seiner Frau und seinem neuen PKW durchgeführt worden. Die Arbeitstage seien "Fakt" und könnten bei dem Auftraggeber nachgefragt werden, auf diesen basiere auch die Honorarnote. Die angegebenen Kilometer entsprächen der tatsächlichen Fahrtstrecke seines Wohnsitzes zum Firmensitz. Eine Überprüfung über das Fahrtenbuch halte er nicht für ausreichend, eine Überprüfung über die ***Auftraggeber1*** bzw. "Google-Maps" würde seine Angaben bestätigen.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor. In der Beschwerdevorlage wurde ergänzend vorgebracht, dass der BF im gegenständlichen Zeitraum laut zentralem Melderegister einen Nebenwohnsitz in ***Nebenwohnsitz1*** hatte, wo auch seine Gattin ihren Hauptwohnsitz hatte. Die Behörde stelle nicht in Frage, dass der BF Leistungen erbracht haben müsse und bestreite auch nicht, dass ihm grundsätzlich Fahrtkosten erwachsen seien. Da der BF jedoch eine Wohnung in der Nähe des Arbeitsortes zur Verfügung stehen hatte, erscheine es wahrscheinlicher, dass die Fahrten von dort angetreten worden seien. Da die Höhe der Betriebsausgaben nicht nachgewiesen worden sei, sei diese nach § 184 BAO zu schätzen, wobei die Behörde davon ausgehe, die Fahrtkosten seien mit der Basispauschalierung iHv 6 % abgegolten, weshalb die Abweisung der Beschwerde beantragt werde.

Eine Gegenäußerung wurde vom BF nicht erstattet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der BF befand sich im Jahr 2017 in Alterspension. In diesem Jahr wurde er an insgesamt 30 Tagen auf Werksvertragsbasis für seinen vormaligen Arbeitgeber, die ***Auftraggeber1***, tätig, wobei seine Aufgabe darin bestand, seine Nachfolgerin bei diversen Angelegenheiten anzuleiten und zu unterstützen. Hierfür erhielt er von seinem Auftraggeber Zahlungen im Gesamtausmaß von € 4.400,00, die nach § 109a EStG dem Finanzamt mitgeteilt wurden.

In diesem Zeitraum hatte er einen Wohnsitz in ***Hauptwohnsitz1*** (im zentralen Melderegister als Hauptwohnsitz gemeldet) und einen Wohnsitz in ***Nebenwohnsitz1*** (im zentralen Melderegister als Nebenwohnsitz gemeldet). Seine Gattin hatte laut zentralem Melderegister lediglich einen Hauptwohnsitz in ***Nebenwohnsitz1*** gemeldet.

Seine Fahrten trat er jeweils von seinem Wohnsitz in ***Nebenwohnsitz1*** an.

Grundsätzlich, nämlich an 28 Tagen, fuhr der BF mit dem KFZ in die ***Adresse Auftraggeber1*** und zurück, um seine Leistungen aus dem Werkvertrag zu erbringen. Die einfache Strecke hierfür beträgt 11 km.

An einem Tag fuhr er im Rahmen seines Werkvertrages nach ***Stadt1*** und zurück, wofür er eine einfache Strecke von 82 km zurücklegen musste. Eine genaue Zieladresse geht aus den vorgelegten Unterlagen nicht hervor.

An einem Tag fuhr er im Rahmen seines Werkvertrages nach ***Stadt2*** und zurück, wofür er eine einfache Strecke von 53 km zurücklegen musste. Eine genaue Zieladresse geht aus den Unterlagen nicht hervor.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist grundsätzlich unstrittig. Strittig ist lediglich das Ausmaß der im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit zurückgelegten Kilometer.

Der Umstand, dass der BF die Fahrten von seinem Wohnsitz in ***Nebenwohnsitz1*** angetreten ist, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Da der BF über einen Wohnsitz in der Nähe seines Auftraggebers verfügte, ist es als lebensfremd anzusehen, dass er freiwillig fast die zehnfache Fahrtstrecke auf sich nimmt, zudem ja auch seine Gattin, die im Übrigen noch erwerbstätig war, ihren Hauptwohnsitz an dieser Adresse hatte. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der BF davon ausgegangen ist, der Zuverdienst wäre steuerfrei, da ein wirtschaftlich denkender Mensch dennoch bestrebt ist, seinen eigenen Aufwand möglichst gering zu halten. Da sich der BF außerdem bereits im Ruhestand befunden hat und auch keine weiteren Auftraggeber hatte, aufgrund derer es günstiger gewesen wäre, sich am anderen Wohnsitz aufzuhalten, gibt es keinen ersichtlichen betrieblichen Grund, weshalb er sämtliche Fahrten, wie von ihm behauptet, von der Adresse ***Hauptwohnsitz1*** antreten hätte sollen. Auch der BF hat weder ein Grund angeführt, noch Nachweise vorgelegt, aufgrund derer ein Abweichen von der allgemeinen Lebenserfahrung als glaubhaft erscheint. Der einzige im Rahmen des Abgabenverfahrens durch den BF vorgelegte Nachweis war ein nachgeschriebenes Fahrtenbuch. Der BF hat jedoch nicht darauf hingewiesen, dass dieses Fahrtenbuch nachträglich verfasst wurde, wodurch er gegen die abgabenrechtliche Offenlegungspflicht des § 119 BAO verstoßen hat. Zudem hat er in diesem Fahrtenbuch auch noch frei erfundene Kilometerstände eingetragen, um dessen vermeintliche Authentizität zu erhöhen, woraus auf einen subjektiven, zumindest bedingten, Täuschungsvorsatz zu schließen ist. Erst nachdem die belangte Behörde ihm Beweise vorgehalten hat, die seine Angaben widerlegen, hat er zugegeben, dass dieses Fahrtenbuch nachträglich verfasst wurde. Aus diesem Verhalten ist ersichtlich, dass der BF gewillt ist, zu seinem eigenen Vorteil die Unwahrheit anzugeben und hierfür sogar fingierte Beweismittel herzustellen, weshalb seine Angaben mangels weiteren Nachweises als unglaubwürdig angesehen werden.

Die Anzahl der Fahrten und die Fahrtziele ergeben sich aus den Aufzeichnungen des BF, die in dieser Hinsicht in Hinblick auf die Höhe der erzielten Einnahmen grundsätzlich glaubhaft erscheinen und auch von der belangten Behörde nicht in Frage gestellt wurden.

Die Streckenlänge wurde - wie vom BF vorgeschlagen und von der belangten Behörde nicht abgelehnt - mit dem in Google-Maps (maps.google.com) zur Verfügung gestellten Routenplaner ermittelt, wobei jeweils die zeitmäßig kürzeste Strecke angenommen wurde, da erfahrungsgemäß mit einem KFZ ein geringer Umweg in Kauf genommen wird, wenn sich dadurch die Fahrtzeit verkürzt. Da für die Fahrten in ***Stadt1*** und ***Stadt2*** keine konkreten Zieladressen angegeben wurden, wurden im Schätzungswege die vom Routenplaner bei Eingabe des Städtenamens ohne Adresse angenommenen Zieladressen angesetzt. Für ***Stadt1*** ist das die Kreuzung ***Kreuzung Stadt1*** und für ***Stadt2*** die Kreuzung ***Kreuzung Stadt2***. Auch hinsichtlich dieser Fahrten ist davon auszugehen, dass der BF diese von seinem Wohnsitz in der ***Nebenwohnsitz1*** angetreten hat, obwohl er im Fahrtenbuch ***Hauptwohnsitz1*** als Ausgangsort angegeben hat, weil er den Umstand der Vorliegens eines zum Haupttätigkeitsort näheren Wohnsitzes verschleiern wollte und daher für diese zwei Fahrten geringere Betriebsausgaben in Kauf genommen hat. In Hinblick auf die hierdurch geschätzte Gesamtstrecke erscheint die, im Übrigen nicht näher begründete, "Schätzung" der belangten Behörde, dass Fahrtkosten lediglich im Ausmaß der Pauschalierung iSd § 17 Abs 1 TS 1 EStG vorliegen, als zu tief gegriffen.

Es wird aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen, dass der BF, nachdem er ein eigenes KFZ besaß, diese Fahrten grundsätzlich mit seinem PKW durchgeführt hat. Dies wurde von der belangten Behörde auch nicht bestritten. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass der BF einzelne Fahrten mit dem PKW seiner Gattin zurückgelegt hat und hierfür nicht die Kosten getragen hat, allerdings in einem so geringen Ausmaß, dass dieser Umstand durch die immanente Schätzungsungenauigkeit aufgewogen wird, zumal eine konkrete Anzahl an nicht mit dem eigenen PKW zurückgelegter Fahrten weder vom BF noch von der belangten Behörde behauptet wurde und mangels entsprechender Aufzeichnungen auch nicht ermittelbar ist.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gem. § 4 Abs 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.

Bei betrieblicher Verwendung eines nicht im Betriebsvermögen befindlichen (also überwiegend privat genutzten) Fahrzeuges sind grundsätzlich die Aufwendungen in tatsächlicher Höhe als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Nach der Verwaltungspraxis bestehen aber keine Bedenken, bei betrieblichen Fahrten von nicht mehr als 30.000 km im Jahr das amtliche Kilometergeld anstelle der tatsächlichen Kosten anzusetzen (vgl. mit Verweis auf Jakom/Lenneis, EStG, 2013, § 4, Rz 330 "Kfz-Aufwendungen")

Nach § 184 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Nach § 184 Abs 2 BAO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

Führt ein Steuerpflichtiger, der Anspruch darauf erhebt, dass ein Teil der Aufwendungen für seinen Personenkraftwagen als Betriebsausgabe anerkannt wird, kein Fahrtenbuch und kann er den Umfang seiner aus beruflichen Gründen unternommenen Fahrten auch nicht annähernd glaubhaft machen, so ist die Behörde zur Schätzung des betrieblichen Anteils dieser Aufwendungen berechtigt ().

Nachdem der BF keine Unterlagen vorlegen konnte, die zum Nachweis des vollständigen Ausmaßes der beruflichen Fahrten und der in diesem Zusammenhang angefallenen Kosten geeignet waren, jedoch feststeht, dass Fahrtkosten für berufliche Zwecke angefallen sind, sind die Betriebsausgaben im Schätzungswege zu ermitteln.

Unter Zugrundelegung der oben angeführten Überlegungen ergibt sich, dass der BF betrieblich veranlasste Fahrten zwischen seinem Wohnort und seinem Auftraggeber mit dem Privat-PKW im Ausmaß von insgesamt geschätzt 886 km zurückgelegt hat.

Mangels konkreter Zahlen wird das amtliche Kilometergeld von € 0,42/km herangezogen. Hierdurch ergeben sich Fahrtkosten von € 372,12, die dem BF in diesem Zusammenhang als Betriebsausgaben anzuerkennen sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Fall lediglich eine Sachverhaltsfrage vorlag, die unter Anwendung der angeführten Rechtsnormen und einheitlichen Rechtsprechung des VwGH zu lösen war, war die Revision als unzulässig zu erklären.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102633.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at