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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.09.2024, RV/5100212/2024

Voraussetzung für eine Antragstellung iSd § 1 Abs. 4 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Feichtenschlager in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmer-veranlagung für das Jahr 2022 abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass EU/EWR-BürgerInnen, die in Österreich weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, gemäß § 1 Abs. 4 BAO auf Antrag als unbeschränkt behandelt werden können. Dies würde nur dann gelten, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der Österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11.000,00 € betragen würden.
Da die ausländischen Einkünfte laut Angaben des Beschwerdeführers 21.399,00 € betragen würden, wäre der Antrag abzuweisen.

In der Beschwerde vom wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer kein weiteres ausländisches Einkommen hätte, sondern nur Einkünfte in Österreich. Die E9-Bestätigung und eine Aufenthaltsbestätigung würden übermittelt.

Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt um Auskunft, um welche Einkünfte es sich handeln würde (Nachweis) und um Aufklärung darüber, warum das Formular E9 mit 0,00 € übermittelt worden sei.

Am gab der Beschwerdeführer dazu Folgendes bekannt: "Das ist ein Missverständnis, denn ich habe die Steuern selbst eingereicht und diese nicht verstanden, deshalb habe ich dort die österreichische Einkommen geschrieben. Ich habe in der Slowakei kein Einkommen."

Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt um Übermittlung des Formulars L1, L1i, das Formular L9 alleine sei nicht ausreichend.
Im Fall der Beantragung einer Pendlerpauschale sei das Formular L33 zu übermitteln.

Am gab der Beschwerdeführer Folgendes bekannt: "anbei haben Sie das L1, L1i, welche ich habe schon mit E9 Formular mitgesendet. Was geht um Pendlerpauschale, da hatte ich eine Arbeitsadresse in Deutschland, ich fuhr mit meinem eigenen Auto, Kosten für Unterkunft wurden von meinem Arbeitgeber übernommen. Im Anhang sende ich eine Bestätigung. Leider kann ich Ihnen die vorherige Firma nicht beweisen, da ich die Unterkunft dort selbst bezahlen musste, aber ich habe keine Möglichkeit mehr, dies zu dokumentieren. Ich glaube, dass ich Ihnen alles Nötige übermittelt habe und ich warte, dass mein Antrag bearbeitet wird, da eine solche Wartezeit nicht normal ist und ich mich beim Ombudsmann melden werde. Vielen Dank!"

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde vom als unbegründet ab. Ergänzend zum Erstbescheid wurde ausgeführt, dass ein Steuerpflichtiger einen Wohnsitz im Inland habe, wenn er eine Wohnung innehabe, die darauf schließen lasse, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen werden.
Einen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hätten Personen, die sich im Bundesgebiet nicht nur vorübergehend (Urlaub, Geschäftsreise, Besuch, etc.), sondern offensichtlich für längere Zeit (mehr als sechs Monate) aufhalten würden. Ein durchgehender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten sei jedenfalls als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen und begründe die unbeschränkte Steuerpflicht.
Da der Beschwerde weder einen Wohnsitz in Österreich inne habe noch einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe (Beschäftigungsverhältnis in Österreich nicht mehr als sechs Monate) und die ausländischen Einkünfte 13.187,15 € (Fa. ***) betragen würden, wäre die Beschwerde abzuweisen.

Mit Schreiben vom brachte der Beschwerdeführer ein Rechtsmittel gegen die Beschwerdevorentscheidung vom ein und führte aus, dass er in einem Unternehmen gearbeitet habe, das ihn in Österreich angestellt und nach Deutschland geschickt habe, um dort zu arbeiten. Sämtliche Abgaben, Versicherungen und Steuern seien nur in Österreich bezahlt worden. Bei diesem Unternehmen sei er bis angemeldet gewesen. Seit sei er bei der ***DG1*** wieder angemeldet und in Österreich. Das würde bedeuten, dass er seit sieben Monaten in Österreich sei, unbeschränkt steuerpflichtig sei und Anspruch auf Steuerrückerstattung habe.

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in der Slowakei in AdrBF (vgl. Bestätigung über Wohnsitz und/oder gewöhnlichen Aufenthalt der Gemeinde ***G*** vom und eigene Angaben des Beschwerdeführers im Formular L 1i).

Die Slowakei ist seit Mitglied der Europäischen Union.

In Österreich scheint für den Beschwerdeführer keine Eintragung im zentralen Melderegister aus (vgl. Abfrage vom ).

In der Zeit von bis bezog er steuerpflichtige Einkünfte in Höhe von 10.917,80 € von der Firma ***DG2*** s.r.o. mit Sitz in Bratislava. Die einbehaltene Lohnsteuer betrug 1.179,50 € (vgl. Lohnzettel der Firma ***DG2*** s.r.o.).
Nicht nachvollziehbar ist, warum der Beschwerdeführer eine Bescheinigung der slowakischen Steuerbehörde vorlegte, aus der hervorgeht, dass er im Jahr 2022 keine Einkünfte erzielte, die in der Slowakei der Besteuerung unterliegen, zumal die Firma ***DG2*** s.r.o. Lohnsteuer iHv 1.179,50 € einbehalten hat.

In der Zeit von bis bezog er steuerpflichtige Einkünfte in Höhe von 13.187,15 € von der Firma ***DG1***. Von dieser Firma wurde der Beschwerdeführer zur Arbeitsverrichtung nach Deutschland entsandt, wo der Dienstgeber für die Kosten der Unterkunft zur Gänze aufkam (vgl. Bestätigung der ***DG1*** vom ). Es wurde keine Lohnsteuer einbehalten (vgl. Lohnzettel der Firma ***DG1*** für 2022). Es handelt sich dabei um einen Lohnzettel L8. Diese Art von Lohnzettel wird ausgestellt, wenn Österreich gemäß einem Doppelbesteuerungs-abkommen für Einkünfte, die unter § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 fallen, kein Besteuerungsrecht hat (Befreiungsmethode) und der Arbeitgeber die Lohnsteuer unterjährig nicht einbehält.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I.

§ 1 EStG 1988 (in der für den Beschwerdezeitraum relevanten Fassung) normiert:
(1) Einkommensteuerpflichtig sind nur natürliche Personen.
(2) Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
(3) Beschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte. Beschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98, aufgezählten Einkünfte.
(4) Auf Antrag werden auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11.000 Euro betragen. Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten in diesem Zusammenhang als nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegend. Die Höhe der nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Abgabenbehörde nachzuweisen. Der Antrag kann bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bescheides gestellt werden.

Nach der Grundregel des Art. 15 Abs. 1 DBA-Deutschland dürfen Einkünfte aus unselbständiger (nichtselbständiger) Arbeit nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Staat ausgeführt.

Gegenständlich wurde die Arbeit für die ***DG1*** vom Beschwerdeführer in Deutschland - also nicht in Österreich - ausgeführt. Damit ist unbestritten, dass das Besteuerungsrecht für diese Tätigkeit in Deutschland aufgrund des zwischen Österreich und Deutschland bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland zugewiesen wird. Diese Einkünfte sind in Österreich von der Einkommensteuer befreit (Doppelbesteuerungsabkommen mit Befreiungsmethode). Aus dem vorgelegten Lohnzettel der ***DG1*** geht hervor, dass keine Lohnsteuer einbehalten wurde, das heißt, das Doppelbesteuerungsabkommen wurde direkt angewendet.

Im Rechtssatz zur Entscheidung vom , 2008/13/0201, hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgesprochen: "§ 1 Abs. 4 zweiter Satz EStG 1988 stellt auf das Welteinkommen ab (vgl. Doralt, EStG9 (2005), § 1 Tz 61, und die Bezugnahmen auf Judikatur des EuGH bei Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, 43. Lieferung (März 2009), § 1 Tz 21, Seite 39) und verlangt seine Teilung in einen der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Teil einerseits und die übrigen Einkünfte andererseits."

Eine derartige Aufteilung ist gegenständlich nicht möglich, weil der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall im Jahr 2022 keine Einkünfte erzielt hat, die der österreichischen Einkommensteuer unterliegen würden. Für diese Feststellung ist es irrelevant, ob er 10.917,80 € in Bratislava erhalten hat, wie dies aus dem Lohnzettel der Firma ***DG2*** s.r.o. hervorgeht oder ob er in der Slowakei im Jahr 2022 keine Einkünfte erhalten hat, wie dies aus der Bescheinigung der slowakischen Steuerbehörde hervorgeht, zumal diese Einkünfte jedenfalls nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegen würden.
In diesem Zusammenhang sei noch auf Folgendes hingewiesen: Will ein Abgabepflichtiger steuerliche Begünstigungen in Anspruch nehmen (dazu zählt auch ein Antrag iSd § 1 Abs. 4 EStG 1988), so liegt die Behauptungs- und Beweispflicht bei ihm. Ihn trifft die erhöhte Mitwirkungspflicht. Die diesbezügliche Frage des Finanzamtes vom hinsichtlich der Diskrepanz zwischen Lohnzettel und Bestätigung der slowakischen Finanzbehörde blieb unbeantwortet.

Für die Anwendung des § 1 Abs. 4 EStG 1988 fehlt bereits die Grundvoraussetzung, nämlich das Vorliegen von Einkünften, die der österreichischen Einkommensteuer unterliegen.

Der Beschwerdeführer hat in der Slowakei Einkünfte iHv 10.917,80 € und in Deutschland iHv 13.187,15 € bezogen. Die Anwendung des § 1 Abs. 4 EStG 1988 kann nur zur Anwendung kommen, wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11.000 € betragen. Selbst bei Außerachtlassung der Einkünfte in der Slowakei (unterschiedliche Angaben laut Lohnzettel und laut Bestätigung der Finanzbehörde), liegen die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte jedenfalls über 11.000,00 € (zumindest 13.187,15 €).

Der gegenständliche Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich wurde daher vom Finanzamt zu Recht abgewiesen.

2.2. Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Versagung der Option in die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 ergibt sich als (Rechts-)Folge mangels Vorliegen der in der genannten Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen. Eine diesbezügliche uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt nicht vor.
Eine ordentliche Revision ist demnach nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100212.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at