Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.09.2024, RV/2100184/2024

Antrag auf Wiedereinsetzung wegen eingewandtem Zustellmangel im Vorsteuererstattungsverfahren: gesetzliches Erfordernis des § 308 BAO nicht erfüllt; spätestens gleichzeitige Nachholung der versäumten Handlung mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2100184/2024-RS1
Die versäumte Handlung ist spätestens gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung nachzuholen. Wenn der Antrag auf Vorsteuererstattung über das eingerichtete elektronische Portal zu stellen ist, kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung eine Kopie des Antrages auf Vorsteuererstattung als Nachweis beigelegt werden. Eine Nachholung der versäumten Handlung erst mit der Beschwerde ist nicht zulässig.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin*** in der Beschwerdesache des Beschwerdeführers, mit Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO betreffend den Antrag auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01-12/2021 vom , Steuernummer ***XXX*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang chronologisch:

Strittig ist, ob die Voraussetzungen des Antrages auf Wiedereinsetzung vorliegen.

Der Beschwerdeführer (kurz Bf.) ist ein Unternehmer, der sein Unternehmen in Deutschland betreibt.

Der Bf. hat am einen Antrag auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01 - 11/2021 in Höhe von € 106,42 eingebracht (OZ 1).

Mit Schreiben vom ersuchte der Bf. bei der Abgabenbehörde zu seinem Vorsteuererstattungsantrag vom um Auskunft, weshalb die beantragte "Vorsteuervergütungssumme" von 106,42 € nicht erstattet worden sei. Es sei lediglich eine Steuernummer ***XXX*** mitgeteilt worden.

Mit E-Mail vom ersuchte der Bf. bei der Abgabenbehörde um Mitteilung, weshalb der Antrag auf Vorsteuererstattung abgelehnt werden könne, ohne dem Antragsteller einen Bescheid mit entsprechender Rechtsbehelfsbelehrung zu schicken. Er hätte einen Jahresantrag gestellt, wenn er darüber informiert worden wäre, dass sein Antrag abgelehnt worden sei. Er bitte um Mitteilung der Rechtsgrundlage, weshalb kein Ablehnungsbescheid erlassen worden sei und werde sich an nächst höherer Stelle darüber beschweren.

Im E-Mail der Abgabenbehörde vom wurde dem Bf. mitgeteilt, dass der in der Anlage erneut übersendete Bescheid über die Zurückweisung des Vorsteuerrückerstattungsantrages am elektronisch übermittelt wurde.

Der Bf. teilte der Abgabenbehörde mit E-Mail vom mit, dass er diesen Bescheid niemals erhalten habe. Andernfalls hätte er umgehend gegen diesen Bescheid ein Rechtsmittel eingelegt. Er hätte nur in Papierform die Mitteilung einer Steuernummer erhalten. Sonst habe er nie etwas gehört. Andernfalls hätte er auch keinen Brief in Papierform an die Abgabenbehörde geschrieben. Er beantrage die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und würde dann eine Jahreserklärung nachreichen, sofern dies elektronisch noch möglich sei.

Mit E-Mail vom wurde dem Bf. von der Abgabenbehörde mitgeteilt, dass ein Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 308 BAO schriftlich per Post oder Fax eingebracht werden müsse. Das Einbringen per E-Mail sei nicht zulässig. Der Wiedereinsetzungsantrag müsse außerdem die in § 309a BAO angeführten Inhaltserfordernisse beinhalten.

Mit Schreiben des Bf. vom , eingelangt bei der Abgabenbehörde am , beantragte der Bf. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäߧ 308 BAO betreffend die Frist zur Einreichung des Antrages auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01- 12/2021 (OZ 2).
In der Begründung wurde vom Bf. ausgeführt, dassihm auf seine Anfrage mit E-Mail vom von der Abgabenbehörde mitgeteilt worden sei, dass sein Antrag abgelehnt worden sei, da dieser unter € 450,- (gemeint € 400,-) betragen habe. Mit Email vom wurde mitgeteilt, dass der Bescheid über die Zurückweisung des Vorsteuerrückerstattungsantrages angeblich am elektronisch übermittelt worden sei.
Den Bescheid vom
über die Abweisung des Antrages auf Vorsteuererstattung für den Zeitraum 01-11/2021 habeer niemals erhalten. Der Zugang werde bestritten. Der Bf. habe nur in Papierform auf dem Postweg eine Mitteilung der Steuernummer (Schreiben vom ) erhalten, nachdem er sich nach einem Jahr auf schriftlichem Weg in Papierform mit Schreiben vom nachzufragen erlaubte, was mit dem Antrag los sei. Eine Wiedereinsetzung der Abgabefrist für eine Jahreserklärung sei daher zu gewähren. Denn wäre der Bescheid tatsächlich am zugestellt worden, hätte er noch Gelegenheit gehabt, einen Jahresantrag in der Frist bis zum zu stellen. Durch den offensichtlichen Übermittlungsfehler der Behörde wurde die Frist zur Einreichung einer Jahreserklärung zum versäumt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde mit Bescheid vom zurückgewiesen (OZ 3). Begründend wurde ausgeführt, dass der beantragte Erstattungsbetrag den Mindestbetrag für den betreffenden Erstattungszeitraum von mindestens € 400,- nicht übersteige (§ 3 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995).
Dieser Bescheid ist dem Bf. laut elektronischer Signatur am zugestellt worden. Mit Zustellnachweis (Übernahmebestätigung laut internationalem Rückschein vom ) wurde der Bescheid postalisch (erneut) zugestellt (OZ 4).

Mit Schreiben vom ersuchte der Bf. unter Hinweis auf seinen Antrag auf Wiedereinsetzungsantrag vom um Mitteilung des Bearbeitungsstandes, um eine Eingangsbestätigung sowie um Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages bis , da am die Jahresfrist wieder ablaufe.

Daraufhin wurde dem Bf. von der Abgabenbehörde mitgeteilt, dass der Antrag vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO betreffend die Frist zur Einreichung eines Antrages auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01-12/2021 beim Finanzamt Österreich eingelangt und in Kürze erledigt werde.

Mit E-Mail vom teilte der Bf. mit, dass er Beschwerde einreichen werde. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei abgewiesen worden, da er nicht zeitgleich mit dem Antrag auch den Antrag auf Vorsteuererstattung eingereicht habe. Es sei ihm nur geschrieben worden, dass die Inhaltserfordernisse nach § 309a BAO erfüllt sein müssen. Er habe sich diese Vorschrift durchgelesen und habe diese Inhaltserfordernisse erfüllt. In dem Paragrafen sei nichts darüber gestanden, dass der Vorsteuererstattungsantrag miteinzureichen sei. Er hätte darauf hingewiesen werden müssen.

Mit fristgerechter Beschwerde vom (OZ 5) führte der Bf. zusammengefasst aus, dass nachdem Frau X nicht erwähnt hatte, dass gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen sei, er diese zunächst auch nicht für notwendig gehalten habe. Vielmehr hätte er mit Schreiben vom an seinen Wiedereinsetzungsantrag erinnert. Dabei habe er um Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages bis gebeten, da am die Jahresfrist wieder ablaufe. Er hätte nach Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrags den Vorsteuerrückerstattungsantrag für 2021 bis 30.09.2023 (gemeint ) nachgeholt.
Die Frist zur Abgabe eines Vorsteuerrückerstattungsantrags zum sei nur versäumt worden, weil der Bescheid über die Zurückweisung des Vorsteuererstattungsantrags durch die Behörde elektronisch nicht zugestellt worden sei oder auf eine falsche Email Adresse zugestellt worden sei. Erst auf Nachfrage per Post in Papierform habe der Bf. die Information erhalten, dass der Bescheid angeblich am zugestellt worden sei. Tatsächlich habe er niemals diese Email erhalten.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom (OZ 6) wurde die Beschwerde abgewiesen und begründend zusammengefasst, dass das E-Mail, mit welchem die Wiedereinsetzung gemäß § 308 BAO in den vorigen Stand beantragt worden sei, da der Bf. diesen Bescheid niemals erhalten hätte, ein rechtliches Nichts darstelle.
Der Bf. sei im Zuge des Wiedereinsetzungsantrages vom der in § 308 Abs. 3 letzter Satz BAO normierten Verpflichtung gewesen, die darin bestehe, dass im Fall der Versäumung einer Frist spätestens gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die versäumte Handlung nachzuholen sei, nicht nachgekommen. Ein Nachholen der versäumten Handlung im Rahmen der Beschwerde führe nicht zu einer Sanierung des ursprünglich eingebrachten Wiedereinsetzungsantrages. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor und sei die Beschwerde abzuweisen.

Gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung brachte der Bf. fristgerecht den Vorlageantrag (OZ 8) ein, in dem er zusammengefasst ausführte, dass er zu keiner Zeit irgendeine Benachrichtigung erhalten habe, dass dieses Schreiben abholen sei. Der Antrag sei daher fristwahrend gestellt worden. Nachdem die Voraussetzungen für eine Vorsteuererstattung dem Grunde nach bestehen würden, die Vorsteuererstattung nur wegen der 400 € Grenze nicht gewährt worden seien, der Ablehnungsbescheid nicht zugestellt worden sei bzw. erst auf Nachfrage nach Verstreichen der Frist für die Einreichung eines Vorsteuererstattungsjahresantrages (für den die 400 € Grenze nicht gelte), könnemit der Begründung des Verstreichens der Abgabefrist der Vorsteuererstattung nicht abgelehnt werden. Der Fehler der Nichtzustellung des Ablehnungsbescheides habe die Behörde zu vertreten. Es sei versucht worden, den Antrag nachzuholen (siehe Anlage). Allerdings sei wenig später die Meldung gekommen, dass der Antrag zurückgewiesen worden sei. Es wäre auch mit Antrag auf Wiedereinsetzung nicht möglich gewesen den Antrag nachzuholen, da der abgelaufen war.
Beiliegend wurde der Antrag auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01 - 12/2021 vom sowie die Mitteilung der Zurückweisung durch den Mitgliedstaat der Erstattung vom , in welchem mitgeteilt wurde, dass der Mitgliedstaat der Erstattung der e Änderungs-/Korrekturantrag nicht zur Bearbeitung entgegengenommen wurde, übermittelt.

Der elektronische Akt wurde am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und in der Stellungnahme von der Abgabenbehörde ausgeführt:

"1. Übergang der Zuständigkeit auf das Bundesfinanzgericht:
Wie bereits im Sachverhalt dargelegt, wurde die Beschwerdevorentscheidung vom nachweislich am mit internationalem Rückschein verschickt (siehe Aufgabeschein vom ). Wie auf der Seite 2 des Vorlageantrages vom ersichtlich, handelt es sich bei dem am zur Abholung hinterlegten Dokument vom Finanzamt Österreich um die Beschwerdevorentscheidung vom . Dies ist anhand der auf dem Benachrichtigungssticker der Deutschen Post abgedruckten Nummer "
R*******" ersichtlich - diese deckt sich mit der Nummer auf dem Aufgabeschein. Die am hinterlegte Beschwerdevorentscheidung dürfte jedoch bis zum vom Empfänger nicht abgeholt worden sein. Laut eigener Angaben des Beschwerdeführers ist diese Beschwerdevorentscheidung erst am zugestellt worden. Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokumentes nicht nachweisen, so gilt es als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist (§ 8 des deutschen Verwaltungszustellungsgesetzes). Da der ho. Abgabenbehörde kein Rückschein (Zustellnachweis) zur Beschwerdevorentscheidung aus Deutschland übermittelt wurde, muss mangels eines gegenteiligen Nachweises von einer rechtswirksamen Zustellung der Beschwerdevorentscheidung durch tatsächliches Zukommen am ausgegangen werden. Mit der (fristgerechten) Einbringung eines Vorlageantrages am ist somit die Entscheidung über die Beschwerde auf das Bundesfinanzgericht übergegangen.

2. Stellungnahme zur beantragten Abweisung der Beschwerde
Das von der ho. Abgabenbehörde am an den Beschwerdeführer gesendete E-Mail diente lediglich der gesetzlich nicht verpflichtend vorgesehenen Information an den Beschwerdeführer, dass der am per E-Mail eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO keine Entscheidungspflicht der Abgabenbehörde auslöst. Dieses serviceorientierte Verhalten der ho. Abgabenbehörde, wonach ein Wiedereinsetzungsantrag gem. § 308 BAO schriftlich einzubringen ist und gewisse Angaben zu enthalten hat, hatte insbesondere den Zweck, den Beschwerdeführer angesichts der in § 308 Abs. 3 Satz 1 BAO normierten 3-Monatsfrist zu einer fristgerechten und korrekten Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages zu verhelfen und ihn nicht im Irrglauben darüber zu lassen, dass über den per E-Mail eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag auch tatsächlich abgesprochen wird und letztlich eine Fristversäumnis vorliegen würde. In der E-Mail vom wurden sowohl der § 308 BAO als auch der § 309a BAO, somit die beiden für den Beschwerdeführer wesentlichen Paragraphen im Zusammenhang mit einem Wiedereinsetzungsantrag angeführt. Beim Beschwerdeführer handelt es sich laut dessen Homepage um einen seit 2002 tätigen Steuerberater, der 2006/2007 zusätzlich den Studiengang MBA International Taxation abgeschlossen hat. Es ist ihm somit aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit bzw. Qualifikationen durchaus zuzumuten, dass er bei Stellung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zunächst die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und deren Voraussetzungen näher studiert. Eine Unachtsamkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich der Voraussetzungen für einen gültigen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stad gem. § 308 BAO kann nicht zu Lasten der Abgabenbehörde gehen. Gemäß § 113 BAO haben die Abgabenbehörden den Parteien, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, auf Verlangen die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und sie über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren. Unabhängig davon, dass kein Verlangen seitens des Beschwerdeführers vorgelegen ist, besteht bei analoger Anwendung des § 113 BAO aufgrund der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers als berufsmäßiger Parteienvertreter auch keine Rechtsbelehrungspflicht seitens der Abgabenbehörde. Der Beschwerdeführer ist im Zuge des Wiedereinsetzungsantrages vom der in § 308 Abs. 3 letzter Satz BAO normierten Verpflichtung, die darin besteht, dass im Fall der Versäumung einer Frist spätestens gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die versäumte Handlung nachzuholen ist, nicht nachgekommen. Ein Nachholen der versäumten Handlung im Rahmen der Beschwerde führt nicht zu einer Sanierung des ursprünglich eingebrachten Wiedereinsetzungsantrages. Wenn der Beschwerdeführer im Vorlageantrag ausführt, dass er unter Verweis auf eine Anlage zum Vorlageantrag versucht hätte, "den Antrag nachzuholen", so sei hierzu auszuführen, dass dieser im Zuge der gegenständlichen Beschwerde gestellte Antrag auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01 - 12/2021 vom (Seite 3 ff im Vorlageantrag) durch den Mitgliedstaat der Erstattung (Österreich) nicht angenommen und zurückgewiesen wurde (Seite 5 im Vorlageantrag). Eine solche Zurückweisung im Sinne einer Nichtannahme des Antrages durch den Mitgliedstaat der Erstattung erfolgt aber nicht mittels Bescheid, sondern stellt diese Zurückweisung nur eine Information an den Antragsteller da, dass über den Antrag überhaupt nicht entschieden werden wird. Wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerde ausführt, dass er nach Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages den Vorsteuererstattungsantrag für 2021 bis nachgeholt hätte, so wird hierzu auf den Wortlaut des § 308 Abs. 3 letzter Satz BAO hingewiesen, wonach der Antragsteller die versäumte Handlung im Fall der Versäumung einer Frist spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen hat. Die gewollte Vorgehensweise des Beschwerdeführers findet in der gesetzlichen Bestimmung somit keine Deckung. Darüber hinaus sei nur der Vollständigkeit halber zu erwähnen, dass der lediglich das Fristende für die Einbringung eines Vorsteuererstattungsantrages für das Jahr 2022, keinesfalls jedoch für das Jahr 2021 darstellt (siehe § 3 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995). Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO wird die Abweisung der Beschwerde beantragt."

Mit Schreiben vom wurde dem Bundesfinanzgericht vom Bf. moniert, dass ihm die Behörde betreffend seinen Vorsteuererstattungsantrag zur Last lege, den Vorsteuererstattungsantrag nicht zusammen mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung eingebracht zu haben. Mit Schreiben vom habe er das Finanzamt hingewiesen, dass der Vorsteuererstattungantrag zurückgewiesen worden sei. Es sei gar nicht möglich den Vorsteuererstattungsantrag zusammen mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung abzugeben und werde Unmögliches verlangt. Eine Antwort auf sein Schreiben vom habe er vom Finanzamt nicht erhalten.

Mit Schreiben des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Abgabenbehörde das Schreiben des Bf. übermittelt und die Behörde aufgefordert folgende Fragen zu beantworten:

"Im Vorlagebericht teilen Sie mit, dass der Vorsteuererstattungsantrag vom auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01-11/2021 iHv € 106,42 mit Bescheid vom zurückgewiesen wurde. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer am elektronisch zugestellt worden (keine Fehlermeldung) und sei unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.
Der Bf. gibt in der Beschwerde mit Datum an, der Bescheid über die Zurückweisung des Vorsteuererstattungsantrags durch die Behörde sei elektronisch nicht zugestellt worden oder auf eine falsche Email Adresse zugestellt worden sei. Erst auf Nachfrage per Post in Papierform erhielt er die Information, dass der Bescheid angeblich am zugestellt worden sei. Tatsächlich habe er niemals diese Email erhalten.
Stellt die vom Bf. im Vorsteuererstattungsantrag bekannt gegebene E-Mail-Adresse "
xxx@xxxx.de" die Adresse für die elektronische Kommunikation im Vorsteuererstattungsverfahren im Sinne des Art. 8 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen, dar?
Wurde auf diese Adresse zugestellt? Übermitteln Sie Unterlagen zum Nachweis der Zustellung.
Der Bf. gibt in dem der Beschwerde beiliegenden Antrag auf Vorsteuererstattung (Eingangsstempel ) die E-Mail Adresse (
xxx@yyy.de) an, wobei er ausführt, diesmal habe er die Option der Zustellung des Bescheides auf dem Postweg gewählt, nicht mehr elektronisch. Denn das funktioniere nicht.
Besteht eine solche Optionsmöglichkeit zur Wahl der Zustellung bei Anträgen im Vorsteuererstattungsverfahren? Übermittlung diesbezüglicher Unterlagen/Nachweise."

Mit Schreiben vom nahm das Finanzamt zum zuvor genannten Schreiben des Bf. und des Bundesfinanzgerichtes Stellung und führte zusammengefasst aus, dass gemäß § 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen werde, BGBl. Nr. 279/1995, der Erstattungszeitraum nach Wahl des Unternehmers ein Zeitraum von mindestens drei Monaten bis zu höchstens einem Kalenderjahr sei.
Der Beschwerdeführer habe am einen Antrag auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01-11/2021 eingebracht. Im Schreiben des Beschwerdeführers vom sei dargelegt worden, dass er anschließend am im Zuge der Beschwerde gegen den Bescheid über die Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß
§ 308 BAO elektronisch einen Änderungs-/Korrekturantrag auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01-12/2021 eingebracht habe. Dieser Korrekturantrag vom sei vom Mitgliedstaat der Erstattung nicht angenommen worden, weil der Antragsteller beim Vorsteuererstattungsantrag vom den Zeitraum 1-11/2021 und beim berichtigten Antrag vom den Zeitraum 1-12/2021 gewählt hat. Ein Änderungs- bzw. Korrekturantrag werde vom österreichischen Portal nur dann angenommen, wenn die Antragsnummer, der Zeitraum bzw. die Sequenznummern mit dem zu ändernden Antrag übereinstimmen. Die auf der Seite 2 des Vorbringens des Beschwerdeführers vom ersichtliche "Zurückweisung durch den Mitgliedstaat der Erstattung" erfolge nicht mittels eines Bescheides. Diese "Zurückweisung" stelle nur eine Information an den Antragsteller dar, dass der Antrag abgelehnt worden sei.
Es sei für den Beschwerdeführer jedenfalls technisch möglich gewesen, (spätestens) zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag am elektronisch einen neuen Antrag auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01-12/2021 einzubringen. Die Einbringung mehrerer Vorsteuererstattungsanträge in einem Jahr sei keine Besonderheit und technisch jederzeit möglich. Selbst ein Erstattungsantrag für das gesamte Kalenderjahr zusätzlich zu bereits zuvor erfolgten quartalsmäßigen Erstattungsanträgen ist zulässig und technisch möglich (vgl. Wisiak in BFGjournal 2022,
196).
Selbst das Nachholen der versäumten Handlung iSd § 308 Abs. 3 letzter Satz BAO im Zuge der Beschwerde gegen den Bescheid über die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages hätte zu keiner Sanierung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO vom geführt.

Zum Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes führte die Abgabenbehörde zusammengefasst aus, dass die vom Beschwerdeführer im Vorsteuererstattungsantrag bekannt gegebene E-Mail- Adresse xxx@xxxx.de die Adresse für die elektronische Kommunikation im gegenständlichen Vorsteuererstattungsverfahren darstelle. Zum Nachweis über die an diese E-Mail-Adresse rechtswirksam erfolgte Zustellung des Bescheides vom über die Zurückweisung des Antrages vom auf Erstattung der abziehbaren Vorsteuern gemäß der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 222/2009 für den Zeitraum 01-11/2021, werde ein E-Mail-Verkehr mit der "Verfahrensbetreuung DiBe" übermittelt, aus dem hervorgehe, dass es keine Fehlermeldung im Zusammenhang mit der Zustellung des Bescheides vom gegeben hat.
Ein ausländischer Unternehmer mit Sitz in Deutschland habe keine Möglichkeit im Vorsteuererstattungsverfahren, in eine Zustellung per Post oder dergleichen zu optieren. § 3 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen werde, BGBl. Nr. 279/1995, sehe ausdrücklich vor, dass Bescheide im Erstattungsverfahren elektronisch über das in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer ansässig sei, eingerichtete elektronische Portal oder per E-Mail zugestellt werden können. Zustellungen an ein in Deutschland ansässiges Unternehmen würden ausschließlich per E-Mail erfolgen, wobei mit dem Absenden des E-Mails die Zustellung als bewirkt gelte (§ 3 Abs. 1 letzter Satz der Verordnung des Bundesministers für Finanzen mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen werde, BGBl. Nr. 279/1995).
In dem Schreiben beiliegenden E-Mail vom der "DiBe -Verfahrensbetreuung" wird mitgeteilt:
"Die Zustellung erfolgt an die im Antrag angegebene Mailadresse (Kontaktdaten). Sollte diese Mailadresse im Zeitpunkt der Bescheiderstellung nicht mehr gültig sein, bekommen wir in unseren MI-Postkorb eine Mitteilung über ein Zustellproblem und dann informieren wir das FA68 darüber. Zur Antragsnummer ****** konnte in den Mails keine solche Mitteilung gefunden werden. Im Antrag ist übrigensdiese E-Mail-Adresse angeführt: xxx@xxxx.de. Google hat diese Seite gefunden: Steuer office xxx - Kontakt (steueroffice). Hier ist dieselbe E-Mail-Adresse angeführt. Die Startseite wurde am , 22:01 aktualisiert, daher ist anzunehmen, dass die E-Mail-Adresse auch aktuell ist."

Die Stellungnahme wurde dem Bf. zur Wahrung des Parteiengehörs vom Bundesfinanzgericht mit Schreiben vom zur Rückäußerung übermittelt. Das Bundesfinanzgericht hat per E - Mail am (xxx@xxxx.de) Rückfrage gehalten, da ein Rückscheinabschnitt bis zu diesem Datum nicht beim Bundesfinanzgericht eingelangt war.
Mit E-Mail am wurde vom Bf. mitgeteilt, dass er kein Schreiben erhalten habe und ersucht, ihm dieses nochmals postalisch zuzustellen. Mit Schreiben vom wurde dem Ersuchen des Bf. vom Bundesfinanzgericht entsprochen und wurden sämtliche Schreiben erneut postalisch an den Bf. übersendet. Das Schreiben wurde am zugestellt. Eine Rückäußerung zum Schreiben erfolgte durch den Bf. binnen der vom Bundesfinanzgericht im Schreiben angeführten Frist bis nicht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. ist ein Unternehmer (diplomierter Betriebswirt FH und Steuerberater - MBA Int. Tax) , der sein Unternehmen, eine Steuerberatungskanzlei "Steueroffice X@X", in Deutschland betreibt und seit dem Jahr 2002 als Steuerberater tätig ist.

Der Antrag auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01 - 11/2021 vom wurde am zurückgewiesen und dem Bf. an die von ihm im Antrag angegebene E- Mail Adresse zugestellt.

Am wurde postalisch ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO betreffend die Frist zur Einreichung eines Antrages auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01-12/2021, datiert mit , eingebracht. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde der Abgabenbehörde am vom Bf. per E-Mail (E-Mail Adresse xxx@xxxx.de ) übermittelt.
Der postalische Antrag auf Wiedereinsetzung erfolgte aufgrund der Information der Abgabenbehörde an den Bf. im E-Mail vom , dass ein Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 308 BAO schriftlich per Post oder Fax eingebracht und der Wiedereinsetzungsantrag außerdem die in § 309a BAO angeführten Inhaltserfordernisse beinhalten muss.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO wurde von der Abgabenbehörde mit Bescheid vom mit der Begründung, dass der Bf. es unterlassen hat, spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen (§ 308 Abs. 3 letzter Satz BAO), zurückgewiesen.

Mit Datum wurde vom Bf. der Antrag auf Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1- 12/2021 gestellt. Als E-Mail Adresse wurde im Antrag
X@X angeführt. Der im Zuge der gegenständlichen Beschwerde gestellte Antrag auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01 - 12/2021 vom wurde durch den Mitgliedstaat der Erstattung (Österreich) nicht angenommen und zurückgewiesen.
Die Mitteilung der Zurückweisung durch den Mitgliedstaat der Erstattung, in welchem mitgeteilt wurde, dass vom Mitgliedstaat der Erstattung der Änderungs-/Korrekturantrag nicht zur Bearbeitung entgegen genommen wurde, erfolgte ebenfalls am .

Dieser zuvor angeführte Vorsteuererstattungsantrag mit Datum vom wurde der Abgabenbehörde vom Bf. beiliegend zur gegenständlichen Beschwerde vom übermittelt.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten elektronischen Verwaltungsakt und den vorgelegten Dokumenten und Eingaben des durchgeführten Vorhalteverfahrens des Bundesfinanzgerichtes (siehe Verfahrensverlauf) sowie aus der Einsichtnahme des Bundesfinanzgerichts in das Abgabeninformationssystem des Bundes und den Internetabfragen. Die Feststellungen zur Unternehmertätigkeit des Bf. sind aus der Homepage des Bf. (http://www.steueroffice) ersichtlich.

Wenn der Bf. vorbringt, dass er aufgrund eines offensichtlichen Übermittlungsfehlers betreffend den Zurückweisungsbescheid vom es verabsäumte, die Frist zur Einreichung einer Jahreserklärung der Vorsteuererstattung zum zu wahren, so wird diesbezüglich auf den detailliert im Verfahrensverlauf dargestellten E-Mail-Verkehr mit der Verfahrensbetreuung verwiesen, aus dem hervorgeht, dass die Zustellung rechtswirksam erfolgte und keine diesbezügliche Fehlermeldung vorliegt. Eine Fehlermeldung liegt nicht vor und ist daher von einer ordnungsgemäßen Zustellung an die vom Bf. angeführte E-Mail Adresse auszugehen.

Für das Bundesfinanzgericht haben sich - in Wahrnehmung seiner amtswegigen Ermittlungspflicht - keine Anhaltspunkte ergeben, an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zu zweifeln. Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gesetzliche Grundlagen:

Die Bekanntgabe erfolgt gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Nach § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind.

§ 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 16/2021 (im Folgenden kurz: VO) lautet:

(1)Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat denErstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. Nr. L 44 S. 23) festgelegten Angaben enthält. Die Abgabenbehörde kann zusätzliche Informationen anfordern, welche auch die Einreichung des Originals oder einer Durchschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokumentes umfassen können. Diese Anforderung kann auch mit E-Mail erfolgen. Die Zustellung des E-Mails gilt mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist.

(2) Der zu erstattende Betrag muss mindestens 400 Euro betragen. Das gilt nicht, wenn der Erstattungszeitraum das Kalenderjahr oder der letzte Zeitraum eines Kalenderjahres ist. Für diese Erstattungszeiträume muss der zu erstattende Betrag mindestens 50 Euro betragen.

(3) Bescheide im Erstattungsverfahren können elektronisch, über das in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal, zugestellt werden. Die Zustellung kann auch mit E-Mail erfolgen. Abs. 1 letzter Satz gilt entsprechend.

§ 308 BAO lautet:

"(1) Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) (aufgehoben)

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen." […]

Rechtliche Würdigung:

Der Bf. bringt vor, dass er die Frist für die Stellung des Antrages auf Vorsteuererstattung für 1- 12/2021 versäumt hat, da er den Bescheid über die Abweisung des Antrages auf Vorsteuererstattung für den Zeitraum 01-11/2021 niemals erhalten habe und durch den offensichtlichen Übermittlungsfehler der Behörde die Frist zur Einreichung einer Jahreserklärung zum versäumt habe.

Ziel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist, Rechtsnachteile zu beseitigen, die einer Partei daraus erwachsen, dass sie eine Frist ohne grobes Verschulden versäumt hat (vgl. Stoll, BAO, 2971; ).

Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung gem. § 308 BAO sind (Ritz/Koran, BAO, BAO, 7. Aufl. 2021, § 308 Rz 2):
- die Versäumnis einer Frist
- ein hiedurch entstandener Rechtsnachteil
- ein rechtzeitiger Antrag
- ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis
- kein grobes Verschulden

Rechtsnachteil ist der Umstand, dass die befristete Prozesshandlung nicht mehr vorgenommen werden kann (Walter, ÖJZ 1961, 620).
Ob die versäumte Handlung sich letztlich zum Vorteil der Partei auswirken würde, ist nicht maßgebend (vgl. Stoll, BAO, 2972 f; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, 1540).

Der Bf. hat die Frist für die Stellung des Antrages auf Vorsteuererstattung für 1-12/2021 versäumt. Diese endet für den Vorsteuererstattungszeitraum 1-12/2021 am .

Für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist kommt es auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an, also auf den Wegfall des Irrtums oder der Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise vorwerfbar ist (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 308 Tz 22).
Der Bf. bringt vor, dass ihm aufgrund seiner Anfrage vom mit Email vom von der Abgabenbehörde mitgeteilt worden sei, dass der Bescheid über die Zurückweisung des Vorsteuerrückerstattungsantrages angeblich am elektronisch übermittelt worden sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb der 3-monatigen Einbringungsfrist, ab dem Zeitpunkt gestellt worden.

Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen (§ 308 Abs. 3 letzter Satz BAO).

Diese ist jedoch nur dann (spätestens) gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen, wenn sie nicht bereits vorher gesetzt wurde (Capek/Rzeszut/Turpin in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.06 (2023) § 308 BAO Rz 17).

Hat der Antragsteller im Fall der Versäumung einer Frist nicht spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachgeholt, liegt ein (nicht verbesserungsfähiger) Mangel der Erfüllung der gesetzlichen Erfordernisse des § 308 BAO vor (vgl. Ritz/Koran, BAO7 § 308 Rz 24).

Da der Vorsteuererstattungsantrag nicht spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt wurde, waren nicht alle gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfüllt.

Bei der in § 308 Abs. 3 BAO getroffenen Anordnung, dass der Antragsteller die versäumte Handlungspätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen hat, handelt es um eine zwingende Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Voraussetzung "spätestens" wurde durch das Abgabenänderungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 797/1996, in die Bestimmung der BAO zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingefügt.

Es handelt sich aufgrund des klaren Gesetzeswortlautes ("spätestens gleichzeitig") und die Bestätigung des gesetzgeberischen Willens (FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013), um keinen Inhaltsmangel, der verbesserbar (oder für sich nachholbar) ist.

Das Unterbleiben des spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholenden Vorsteuererstattungsantrages ist als Fehlen eines vom Antragsinhalt zu unterscheidenden Erfordernisses zu werten und zieht die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages nach sich.

Der Antrag auf Vorsteuererstattung ist nach der oa. Verordnung über das eingerichtete elektronische Portal zu stellen. Dem Bf. war eine Antragstellung im elektronischen Portal- wie von der Abgabenbehörde in der Stellungnahme vom ausgeführt - möglich, um die versäumte Handlung spätestens gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung vom nachzuholen.
Eine Kopie des gestellten Antrags kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung zur Bescheinigung beigelegt werden.
Der Bf. hat eine Kopie des Vorsteuererstattungsantrages mit Datum mit der Beschwerde vom beiliegend übermittelt.

Da der Inhaltsmangel - wie oben ausgeführt - nicht nachholbar ist, war die Beschwerde abzuweisen.

Weiteres Vorbringen des Bf. zum Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses sowie das Nichtvorliegen eines groben Verschuldens:
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wurde (, Ra 2020/16/0139; ).
Ob ein Wiedereinsetzungsgrund vorliegt bzw. ob ein (der begehrten Wiedereinsetzung entgegenstehendes) grobes Verschulden anzunehmen ist, ist stets nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Wiedereinsetzungswerbers bzw. seines Vertreters zu beurteilen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 308, Tz 16).

Zum Einwand des offensichtlichen Übermittlungsfehlers der Behörde über die "Abweisung des Antrages auf Vorsteuererstattung für den Zeitraum 01-12/2021", welchen den Bf. niemals erhalten habe und der Zugang bestritten werde, ist auszuführen:

Bescheide im Erstattungsverfahren können nach § 3 Abs 3 der VO elektronisch, über das in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal, zugestellt werden. Die Zustellung kann auch mit E-Mail erfolgen. Abs. 1 letzter Satz gilt entsprechend.

Dazu ist festzuhalten, dass der Bf. im elektronischen Portal seine E-Mail-Adresse angegeben hat. Wie aus der E-Mail vom der "DiBe -Verfahrensbetreuung" ersichtlich, liegt in gegenständlichem Fall keine Mitteilung über ein Zustellproblem vor. Die Zustellung der E-Mail gilt mit deren Absendung als bewirkt, ausgenommen, der Antragsteller weist nach, dass ihm die E-Mail nicht zugestellt wurde. Ein solcher Nachweis ist der Bf. nicht gelungen, weshalb davon auszugehen war, dass die angefochtenen Bescheide in den Empfangsbereich des Bf. gelangt sind.

"Unvorhergesehen" ist ein von der Partei nicht einberechnetes Ereignis, dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. "Unabwendbar" ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln nicht verhindern konnte (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 308 Rz 9f, mit Hinweisen auf die Judikatur).

Ein Rechtsirrtum bzw. die Unkenntnis einer Rechtsvorschrift kann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn dem Wiedereinsetzungswerber an der Unkenntnis des Gesetzes keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 308, Tz 12). Der Wiedereinsetzung entgegen steht der Irrtum aber dann, wenn der mindere Grad des Versehens überschritten ist (vgl. ).

Ein minderer Grad des Versehens ist leichter Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB gleichzusetzen (vgl. ; , 2009/16/0098; , 2012/13/0051). Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. ; , B 1948/97; , B 2290/96, G 176/96).

Wenn der Bf., als Unternehmer und Steuerberater, der bei Antragstellung über ein elektronisches Portal daher nicht ausreichende Maßnahmen setzt, dass er zeitgerecht Kenntnis über elektronische Zustellungen erlangt bzw. in seine im Antrag angeführte (und nach wie vor aufrechte) E-Mail-Adresse Einsicht nimmt, handelt er nicht nur schuldhaft, sondern geht dieses Verschulden über einen minderen Grad des Versehens hinaus. Dies wird von einem sorgfältigen und vorausschauenden Menschen erwartet, insbesondere wenn es sich bei der E- Mail-Adresse um die berufliche E-Mail-Adresse handelt.

Mit diesem Einwand zeigt der Bf. einerseits keinen Zustellmangel auf, andererseits ergäbe sich aus einem Zustellmangel betreffend den Vorsteuererstattungsantrag kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis oder Nichtvorliegen eines groben Verschuldens, das im Zusammenhang mit dem "verfristeten" Antrag auf Vorsteuererstattung steht.

Die Fristen für die Einbringung der Anträge auf Vorsteuererstattung ergeben sich klar aus der VO.

Der Bf. bringt vor, dass "nachdem Frau X nicht erwähnt hatte, dass gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen ist, hielt er dies zunächst auch nicht für notwendig" (siehe Email vom ).

Nach jüngerer Rechtsprechung (, 0008) kann ein Rechtsirrtum oder mangelnde Rechtskenntnis ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis sein, welches eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen kann. Wird ein solcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, sei im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Partei an der Unkenntnis der Rechtslage bzw. am Rechtsirrtum ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (vgl. ; , Ra 2015/09/0145, Ra 2016/09/0016). An rechtskundige Parteienvertreter sei dabei ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. , 0031; , Ra 2018/06/0110 bis 0114).

Im E-Mail von Frau X an den Bf. vom ist sowohl § 308 BAO, aus dem sich die oa. gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzung ergibt, als auch § 309a BAO angeführt.

Der Bf. hat weder die notwendige und zumutbare Ernsthaftigkeit im Zusammenhang mit dem elektronischen Rechtsverkehr an den Tag gelegt, noch liegt eine den minderen Grad des Verschuldens nicht überschreitende Rechtsunkenntnis des Bf. (als Unternehmer/Steuerberater) bezogen auf die gesetzlichen Bestimmungen für den Wiedereinsetzungsantrag vor.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung wäre daher auch mangels Vorliegens des Erfolgs verwehrt, da die Voraussetzung eines unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignisses sowie das Nichtvorliegen eines groben Verschuldens nicht gegeben sind.

Zusammengefasst wird nochmals festgehalten, dass die Beschwerde bereits aufgrund des Vorliegens des oben angeführten Inhaltsmangels abzuweisen war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis stützt sich auf die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie die im Wege der freien Beweiswürdigung getroffenen Feststellung. Es fehlt an einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
§ 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 308 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise






, B 1948/97
, G 176/96




ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100184.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at