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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.09.2024, RV/7102097/2013

Ableitung von Nichtbescheiden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Hallas & Partner WTD und STB GesmbH & Co KG, über die Beschwerde vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom , vom und vom bzw. vom betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2009, Steuernummer ***,

1. den Beschluss gefasst:

Der Vorlageantrag vom betreffend Einkommensteuer 2009 wird gemäß §§ 260 Abs. 1 lit. b und § 264 Abs. 4 lit. e BAO als unzulässig zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO für die Jahre 2001 bis 2008 Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide für die Jahre 2001 bis 2008 werden aufgehoben.

Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid für das Jahr 2009 wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Einkommensteuer für die Jahre 2001 bis 2008:

Die Beschwerdeführerin (Bf.) war in den Streitjahren 2001 bis 2009 an der INET System Informations GmbH & atypisch Stille, St.Nr. ***BF1StNr1*** (im Folgenden kurz: INET 1) beteiligt.

Am und am erließ das Finanzamt an die Bf. adressierte, gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2008. Begründend wurde für die Jahre 2001 bis 2008 ausgeführt, dass die Änderungen gem. § 295 BAO aufgrund der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamts Neunkirchen Wr. Neustadt zur Steuernummer ***BF1StNr1*** vom erfolgt seien.

Gegen die oa., am und am erlassenen (gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten) Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2008 erhob die Bf. mit Schriftsatz vom Berufung (nunmehr: Beschwerde).

Darin wurde lediglich vorgebracht, dass gegen die den Einkommensteuerbescheid zugrundeliegenden Grundlagenbescheide Rechtsmittel erhoben wurden bis heute nicht entscheiden worden sei und die Höhe der Tangenten gemäß § 188 BAO nicht feststehe.

Einkommensteuer 2009

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 wurde am eine Berufung (nunmehr Beschwerde) eingebracht. Diese Berufung der Bf. gilt auch gegen den gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2009 vom weiter, weil dieser an die Stelle des früheren Einkommensteuerbescheids 2009 vom getreten ist.

Die Berufungsvorentscheidung (BVE) vom war falsch adressiert und wurde daher als Bescheid rechtlich nicht existent.

Die belangte Behörde legte die Beschwerden dem damaligen Unabhängigen Finanzsenat (nunmehr: Bundesfinanzgericht) zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 295 Abs. 1 BAO weist folgenden Wortlaut auf:

"§ 295. (1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist."

Einkommensteuer 2001 bis 2008

Fest steht im gegenständlichen Fall, dass das Finanzamt am und am an die Bf. adressierte, gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2008 erlassen hat. Die Grundlage dieser Abänderungsbescheide bildeten die am vom Finanzamt Neunkirchen Wiener Neustadt erlassenen, als Feststellung"bescheide" intendierte Erledigungen, die jedoch allesamt rechtlich unwirksam waren, sohin Nichtbescheide darstellen (s. BFG, GZ RV/7102231/2013).

Dazu ist seitens des Bundesfinanzgerichtes Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 252 Abs. 1 BAO sollen Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht werden können. Werden sie im Rechtsmittel gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht, so ist die Bescheidbeschwerde diesbezüglich als unbegründet abzuweisen.

Eine solche Abweisung setzt jedoch voraus, dass der Grundlagenbescheid dem Bescheidadressaten des abgeleiteten Bescheides gegenüber wirksam geworden ist (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 252 Tz 3, mit Verweis auf ). Die Bindungswirkung an Entscheidungen in Grundlagenbescheiden setzt die Wirksamkeit dieser Bescheide voraus (Ritz/Koran, BAO7, § 252 Tz 14, mit Verweis auf zB ).

Festzuhalten ist, dass mit Beschluss vom , GZ RV/7102231/2013 das Bundesfinanzgericht ausgesprochen hat, dass es sich bei den als Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO intendierten Erledigungen vom für die Jahre 2001 bis 2005 betreffend die INET 1 (St.nr. ***BF1StNr1***) um Nichtbescheide handelt.

Dies im Wesentlichen mit der Begründung:

"Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fordert zur Wirksamkeit eines Feststellungsbescheides, dass dieser an alle Rechtssubjekte ergeht, denen in der beim Finanzamt eingereichten Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften ein Anteil an den Einkünften zugeordnet worden war.

[…]

Nach Ansicht des BFG entsprechen die angefochtenen Einkünftefeststellungsbescheide jeweils datiert vom für die Jahre 2001 bis 2005 nicht den Anforderungen des Verwaltungsgerichtshofes nach Einheitlichkeit und sind daher unwirksam (nichtig). Dies deswegen, weil RV in den beim Finanzamt eingebrachten Erklärungen der Einkünfte von Personengesellschaften für 2001 bis 2005 mit einem Anteil an den Einkünften iHv jeweils 0,00 ATS bzw. Euro angegeben war, aber in den Einkünftefeststellungsbescheiden für 2001 bis 2005 jeweils datiert vom nicht enthalten ist, insbesondere auch nicht als Bescheidadressat.

Die Folge der Unwirksamkeit eines Feststellungsbescheides ist nach neuerer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die dagegen gerichteten Beschwerden mit einem Beschluss des Verwaltungsgerichtes (BFG) zurückzuweisen sind, welcher zu seiner Wirksamkeit an alle Bescheidadressaten ergehen und ihnen zugestellt werden muss (ggfs. mittels Zustellfiktion; vgl. Ra 2019/15/0072; Ra 2019/15/0115, Ra 2021/13/0124)…."

Wird ein Änderungsbescheid gemäß § 295 Abs. 1 BAO erlassen (wie im vorliegenden Fall die gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2008 vom sowie vom ), obwohl der hierfür herangezogene Grundlagenbescheid ins Leere gegangen ist (hier: die als Feststellungs"bescheide" nach § 188 BAO intendierten Erledigungen des Finanzamtes Neunkirchen Wiener Neustadt für INET 1 vom , die allesamt Nichtbescheide darstellen; somit rechtlich nicht existent waren), hat eine aufhebende Erledigung der gegen die streitgegenständlichen Änderungsbescheide vom und vom gerichteten Bescheidbeschwerde zu erfolgen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 295 Tz 13).

Somit war der Bescheidbeschwerde Folge zu geben und die angefochtenen (gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten) Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2008 vom und vom waren aufzuheben.

Einkommensteuer 2009:

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 wurde am eine Berufung (nunmehr Beschwerde) eingebracht. Diese Berufung der Bf. wurde im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei den Grundlagenbescheiden um sogenannte "Nichtbescheide" handeln könnte. Dies trifft in Bezug auf das Jahr 2009 nicht zu, sodass die Beschwerde in Bezug auf dieses Jahr abzuweisen war.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Bundesfinanzgerichtes immer in der Sache selbst zu entscheiden. Das Bundesfinanzgericht ist danach berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Dabei hat das Bundesfinanzgericht nach der Sach- und Rechtslage zu entscheiden, die im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegt und somit auch jene Feststellungsbescheide zu Grunde zu legen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts dem Rechtsbestand angehören ().

Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts hinsichtlich der Feststellungsbescheide bei der Festsetzung der Einkommensteuer für 2009 zu berücksichtigen sind.

Aufgrund der zwischenzeitlichen Änderungen der Feststellungen betragen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nunmehr wie folgt (in Euro):

Einkommensteuer 2009

Beteiligung St.nr. ***1*** € 1.764,90

Beteiligung St.nr. ***2*** € 450,00

Beteiligung St.nr. ***3*** € 1.066,75

Beteiligung St.nr. ***4*** € 6.424,55

Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2009 laut BFG: € - 3.552,92

Zurückweisung Vorlageantrag

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Nach § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO ist § 260 Abs. 1 BAO (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung) für Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden.

Der Vorlageantrag vom wird, soweit er die Einkommensteuer 2009 betrifft, als unzulässig gemäß § 260 Abs. 1 BAO iVm § 264 Abs. 4 lit. e BAO zurückgewiesen, weil die Berufungsvorentscheidung vom betreffend Einkommensteuer 2009 falsch adressiert wurde. Daher ist dieser Bescheid mangels rechtsgültiger Zustellung rechtlich nicht existent geworden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilagen: Berechnungsblatt - Einkommensteuer 2009

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz bzw. aus der ständigen Judikatur des VwGH, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102097.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at