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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.09.2024, RV/7101897/2022

Aufwendungen Arbeitszimmer abzugsfähig: Bei Nichtvorliegen eines typischen Berufsbildes zeitliches Überwiegen der Tätigkeit im Arbeitszimmer entscheidend

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer *** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 vom . In der Beschwerde wurde zum einen die Anerkennung des Pauschalbetrags für die auswärtige Berufsausbildung gem § 34 Abs 8 EStG beantragt.

Außerdem wurde die Anerkennung von Werbungskosten iHv EUR 1.824,97 für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben. So wurde die außergewöhnliche Belastung für die auswärtige Berufsausbildung des Kindes iHv EUR 1.320,00 zum Abzug zugelassen. Hingegen wurden die Werbungskosten betreffend das im Wohnungsverband gelegene Arbeitszimmer nicht zum Abzug zugelassen. Als Begründung führte das Finanzamt in diesem Zusammenhang im Wesentlichen aus, dass die Abzugsfähigkeit für solche Werbungskosten, dann nicht bestehe, wenn der materielle Schwerpunkt des Berufsbildes nicht im Arbeitszimmer gelegen ist, auch wenn dieses die überwiegende Zeit beruflich genutzt werde. Nach der Rechtsprechung liege der Tätigkeitsschwerpunkt bei Außendienstmitarbeitern regelmäßig außerhalb des Arbeitszimmers. Daher seien die Kosten im gegenständlichen Fall nicht abzugsfähig.

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Entscheidung über die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Als Begründung bringt die Beschwerdeführerin in Ihrer Beschwerde bzw im Vorlageantrag folgendes vor: Beim Abschluss des Dienstvertrages sei zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Arbeitgeber vereinbart worden, dass der Arbeitsort der Beschwerdeführerin in Wien sei und die Kunden aus Wien heraus betreut werden sollen. Der Beschwerdeführerin sei kein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt worden. Entgegen der Annahme des Finanzamts sei nicht freiwillig auf die Nutzung der Büroräume des Dienstgebers verzichtet worden, sondern die Regelung sei Voraussetzung für den Abschluss des Dienstvertrages gewesen. Ansonsten hätte der Arbeitgeber die Fahrten vom Standort zu den Kunden tragen müssen.

Die Beschwerdeführerin sei nur ca. einmal im Monat zu ihrem Arbeitgeber gefahren. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin bestehe in der Kundenakquirierung und dem Abschluss von Druckaufträgen. Die telefonischen Kundenkontakte, die Auftragsbearbeitung, das Einpflegen der Aufträge ins EDV-System des Dienstgebers, die Kontrolle der Druckdateien und Überwachung der Ausführung erledige die Beschwerdeführerin von ihrem Arbeitszimmer zu Hause. Es seien nur wenige Kundenbesuche notwendig. Diese seien 2020 auch zum größten Teil eingestellt worden. Das Arbeitszimmer sei daher jedenfalls notwendig und der Mittelpunkt der Tätigkeit.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Feststellungen betreffend das Arbeitszimmer

Die Beschwerdeführerin war seit dem bei der ***AG*** beschäftigt.

Gem Punkt VI des Dienstvertrages war die Beschwerdeführerin als "Außendienstmitarbeiterin" eingestellt, die in der Kundenakquirierung und Kundenbetreuung tätig war.

Laut Punkt VII des Dienstvertrages ergibt sich der gewöhnliche Arbeitsort aus den infolge der vereinbarten Tätigkeit durchzuführenden Besuchen bei Kunden.

Die Beschwerdeführerin war allerdings nicht als Außendienstmitarbeiterin im engeren Sinn (Vertreterin im Außendienst) tätig. Vielmehr war sie als Kundenbetreuerin tätig, die ihre Arbeit überwiegend aus ihrem im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmer erledigte. Laut der vorgelegten Reisekostenabrechnungen fanden im streitgegenständlichen Jahr monatlich lediglich zwei bis neun Kundenbesuche statt.

Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin entspricht somit nicht dem typischen Berufsbild einer Außendienstmitarbeiterin, deren materieller Schwerpunkt außerhalb des im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmer gelegen ist.

Bei ihrem Arbeitgeber stand der Beschwerdeführerin kein Büro zur Verfügung. Die Beschwerdeführerin war nur ca. einmal im Monat in der Betriebsstätte ihres Arbeitgebers vor Ort.

Das im Wohnungsverband gelegene Arbeitszimmer wurde nahezu ausschließlich für die berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin genutzt.

Feststellungen betreffend die auswärtige Berufsausbildung der Tochter

Die Tochter der Beschwerdeführerin ist seit 2016 Schülerin der HTL Mödling im Studienzweig Innenarchitektur. Dieser Zweig wird in Wien nicht angeboten. Die Wegzeit vom Wohnort zur Schule beträgt mehr als eine Stunde.

2. Beweiswürdigung

Feststellung betreffend das Arbeitszimmer

Die Feststellungen zum Dienstverhältnis ergeben sich allesamt unzweifelhaft aus dem vorliegenden Dienstvertrag vom .

Die Kundenbesuche ergeben sich für das Bundesfinanzgericht unzweifelhaft aus der vorgelegten Reisekostenabrechnung.

Die Tätigkeit im Arbeitszimmer ergibt sich aus den glaubhaften Darstellungen in der Beschwerde, die sich auch mit der Reisekostenabrechnung decken.

In der ergänzenden Stellungnahme des Finanzamtes vom wurde in diesem Zusammenhang vorgebracht, dass entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin der materielle Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit als Außendienstmitarbeiterin in typisierender Betrachtung außerhalb des Arbeitszimmer gelegen sei. Die Verminderung der Reisetätigkeit sei auf die Lockdowns, die durch die COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 verursacht wurden, zurückzuführen. Daher sei im vorliegenden Fall bei der Beurteilung der Abzugsfähigkeit der Werbungskosten für das häusliche Arbeitszimmer nicht auf das Überwiegen der Tätigkeit im Arbeitszimmer abzustellen, sondern auf das typische Berufsbild einer Außendienstmitarbeiterin.

Mit Schreiben vom nahm die Beschwerdeführerin nochmals zur Argumentation des Finanzamtes Stellung und stellte ihre Tätigkeit detailliert dar. Die Beschwerdeführerin führte zusammengefasst aus, dass von Anfang an vereinbart war, dass sie ihre Tätigkeit von ihrem Arbeitszimmer in Wien ausüben sollte und sie nur sporadische zu Besprechungen zu ihrem Arbeitgeber reisen musste.

Neben der Betreuung der Kunden zählten zu Ihrer Tätigkeit von Beginn an auch:

  • die Einpflege der Daten für Anfragen und Aufträge ins System,

  • Angebotsanfragen und Produktionsabwicklung bei Subunternehmen,

  • Offertlegung, Datenkontrolle und Druckfreigabeabwicklung mit den Kunden per Mail,

  • Faktura Vorbereitung- und Kontrolle

Ihre Arbeitsbereiche umfassten daher vorwiegenden Tätigkeiten, für die in der Druckbranche üblicherweise der Innendienst zuständig sei. Ihre Tätigkeit hätten somit nicht der einer typischen "Außendienstmitarbeiterin" entsprochen. Als weitere Nachweise lagen dem Schreiben auch die monatlichen Reisekostenabrechnungen bei, aus denen ersichtlich war, dass im Jahr 2019 monatlich im Schnitt in etwa 5-6 Dienstreisen vorgenommen wurden. Nur in einem Monat waren es zehn, ansonsten lagen die Dienstreisen darunter.

Auf Basis der Angaben in der Beschwerde und im Schreiben vom kommt das Bundesfinanzgericht zur Feststellung, dass die konkrete Tätigkeit der Beschwerdeführerin im vorliegenden Einzelfall nicht der einer typischen "Außendienstmitarbeiterin" entspricht. Die Erklärungen der Beschwerdeführerin werden glaubhaft durch die beigelegten Reisekostenabrechnungen aus dem Streitjahr 2020 und dem Vorjahr 2019 untermauert. Entgegen der Vermutung des Finanzamtes, dass die Reisetätigkeit erst durch die pandemiebedingten Lockdowns vermindert wurde, konnte mit den Reisekostenabrechnungen 2019 von der Beschwerdeführerin nachgewiesen werden, dass sich ihre Tätigkeit auch vor der Pandemie auf den Innendienst konzentrierte und die Außendiensttätigkeit von weit untergeordneter Bedeutung war.

Die Feststellung, dass das Arbeitszimmer im streitgegenständlichen Jahr nahezu ausschließlich beruflich genutzt wurde, ergibt sich aus den glaubhaften Darstellungen der Beschwerdeführerin. Auch das Finanzamt geht in seinen Eingaben von dieser Feststellung aus (vgl zB Stellungnahme des Finanzamtes vom ).

Feststellungen betreffend die auswärtige Berufsausbildung der Tochter

Die Ausbildung der Tochter ergibt sich aus der glaubhaften Darstellung in der Beschwerde, die auch von der belangten Behörde bereits in der Beschwerdevorentscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin berücksichtigt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Außergewöhnliche Belastung auswärtige Berufsausbildung

Wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung entschieden steht der Beschwerdeführerin der Abzug für außergewöhnliche Belastung gem § 34 Abs 8 EStG iHv EUR 1.320,00 zu.

Abzugsfähigkeit von Kosten für im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 können Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung nicht abgezogen werden. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen oder Ausgaben einschließlich der Kosten der Einrichtung abzugsfähig.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Mittelpunkt einer Tätigkeit iSd § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 grundsätzlich nach dem materiellen Schwerpunkt der Tätigkeit zu beurteilen. Dabei ist grundsätzlich auf das typische Berufsbild abzustellen. Nur wenn ein solches nicht vorliegt, sind zur Beurteilung des materiellen Schwerpunktes der Tätigkeit Sachverhaltsfeststellungen über den "typischen" Ablauf der Tätigkeit erforderlich (vgl. ). Liegt im konkreten Fall kein typisches Berufsbild vor, ist zu beurteilen, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht für mehr als die Hälfte der Tätigkeit im Rahmen der konkreten Einkunftsquelle benützt wird.

Wie im Sachverhaltsteil festgestellt entsprach die Tätigkeit der Beschwerdeführerin im konkreten Fall nicht der einer typischen Außendienstmitarbeiterin, da sie nachgewiesenermaßen monatlich nur wenige Kundenbesuche durchgeführt hat. Es lag somit kein typisches Berufsbild vor, bei dem der Tätigkeitsschwerpunkt außerhalb des Arbeitszimmer gelegen war.

Für die Abzugsfähigkeit der Ausgaben für das Arbeitszimmer war daher im vorliegenden Fall auf das Überwiegen der Tätigkeit im Arbeitszimmer abzustellen. Da die Beschwerdeführerin zum weit überwiegenden Teil Innendiensttätigkeiten in Ihrem häuslichen Arbeitszimmer verrichtete, waren die Ausgaben iHv 1.824,97 als abzugsfähige Werbungskosten zu qualifizieren.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. zuletzt ). Im vorliegenden Fall waren ausschließlich Sachverhaltsfragen strittig, die vom Bundesfinanzgericht im Rahmen der Beweiswürdigung entsprechend beurteilt wurden. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101897.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at