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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.09.2024, RV/7102937/2022

1. Zeitpunkt des Zuflusses von Rehabilitationsgeld 2. Berücksichtigung von Zahlungen aus der Mindestsicherung als Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Sachwalter Dr. Herbert Kaspar sowie die Vindobona-Interbruch Wirtschaftstreuhand GmbH, Opernring 10/Eingang Goethegasse 3, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe


Für Bf. (i.d.F. Bf.) wurde am im Auftrag von Dr. Herbert Kaspar, Sachwalter der Bf., eine Erklärung auf ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2018 durch die steuerliche Vertretung eingebracht und darin die Berücksichtigung von Werbungskosten i.H.v. € 13.190,45 beantragt.

Nach dem Antrag beigefügten Erläuterungen erhielt die Bf. am eine Nachzahlung von Rehabilitätionsgeld i.H.v. € 15.333,52.
Die Bf. legte in diesem Zusammenhang eine Auszahlungsbestätigung der WGKK vom vor, nach der ihr für den Zeitraum bis Rehabilitationsgeld i.H.v. € 28.278,51 zustand.
Grundlage dafür war ein Antrag der Bf. auf Gewährung auf Berufsunfähigkeitspension vom .
Dieser wurde mit Bescheid vom abgelehnt, da keine dauernde Berufsunfähigkeit vorlag, gleichzeitig aber eine vorübergehende Berufsunfähigkeit im Ausmaß von mindestens 6 Monaten ab festgestellt.
Ab diesem Zeitpunkt liege gemäß dem Bescheid ein Anspruch auf Rehabilitationsgeld vor.
Nach Ausführungen des Sachwalters an die steuerliche Vertretung (mail vom ) sei die betragliche Differenz des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld mit der Berufsunfähigkeits-Pensionsleistung gegenverrechnet worden.
Zudem habe die Bf. Mindestsicherung bezogen, die von der MA 40 zu einer Rückforderung des Überbezuges geführt habe.
Einem dazu vorgelegten Bescheid der MA 40 der Stadt Wien vom ist zu entnehmen, dass die Bf. verpflichtet wird, der Behörde für den Zeitraum bis aufgewendete Kosten für Leistungen der Mindestsicherung (gemäß § 24a des Wiener Mindestsicherungsgesetzes) i.H.v. € 13.190,45 zu ersetzen.
Begründend wird ausgeführt, dass der Bf. mit Bescheid vom rückwirkend ab Rehabilitationsgeld zuerkannt wurde.
Der Erklärung wurde ein Kontoauszug über die Bezahlung (Rückzahlung) dieses Betrages beigelegt.

Am wurde von Seiten des Finanzamtes Wien 1/23 ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 erlassen, in dem die beantragten Werbungskosten keine Berücksichtigung fanden.
In der Begründung wird erläutert, dass die Mindestsicherung eine finanzielle Unterstützung darstelle, bei der es sich weder um Bezüge gemäß § 25 EStG 1988 noch um ein lohnabhängiges Ersatzeinkommen handle und die Rückzahlung steuerfreier Einnahmen gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 zu keinem Werbungskostenabzug führe.

Die Bf. brachte nach Fristverlängerung am Beschwerde ein.
Im Zuge der Darlegung des Verfahrensganges erläutert die Bf., dass sie am von Seiten der WGKK rückwirkend für den Zeitraum bis , somit für die 3 betroffenen Jahre 2016 bis 2018 eine Zahlung i.H.v. € 15.333,52 erhalten habe.
Dies habe aufgrund der damit verbundenen Progressionswirkung zu einer bescheidmäßig festgestellten Nachzahlung geführt.
Nach § 19 Abs. 1 Z 2 erster Teilsatz EStG 1988 würden Nachzahlungen für Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen werde als in jenem Kalenderjahr zugeflossen gelten, in dem der Anspruch bestehe.
Die Nachzahlung für das ausbezahlte Rehabilitationsgeld sei in Entsprechung dieser Bestimmung den wirtschaftlich zugehörigen Zeiträumen zuzuordnen.
Zudem lägen näher ausgeführte verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Versteuerung des gesamten Rehabilitationsgeldes im Jahr des Zuflusses infolge der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 7 B-VG) vor.
Auf ein beim VfGH Bezug habendes eingeleitetes Normenprüfungsverfahren (E 513/2020 bzw. G 223/2020) wurde hingewiesen.
Die Bf. beantragte die Aussetzung der Entscheidung über die Beschwerde bis zur Entscheidung des VfGH.
In dem Bescheid sei auch die von der Bf. beantragte Rückzahlung der Mindestsicherung i.H.v. € 13.190,45 als Werbungskosten nicht berücksichtigt worden.
Nach § 16 Abs. 2 EStG 1988 würden Werbungskosten im Zuge der Erstattung von Einnahmen vorliegen, sofern weder der Zeitpunkt des Zufließens der Einnahmen noch der Zeitpunkt der Erstattung willkürlich festgesetzt worden sei.
Nach der Rechtsprechung des sei eine Rückzahlung gemäß § 16 Abs. 2 EStG i.V.m. § 19 Abs. 2 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Zudem sei eine Leistung gemäß § 23 Abs. 1 AlVG als steuerpflichtiger Vorschuss auf die beantragte Leistung zu beurteilen und führe dessen Rückzahlung im Fall der Zuerkennung von Rehabilitationsgeld zu Werbungskosten.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen.
In der Begründung verweist die Behörde auf den Umstand, dass die Zuordnung der Einkünfte den Bestimmungen des § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 erster Teilstrich entspreche.

Mit Vorlageantrag vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Die Beschwerdevorentscheidung sei inhaltlich rechtswidrig, da mit dem Erkenntnis des , das im Gefolge des ergangen war erwogen worden sei, dass es zu unzulässigen steuerlichen progressionsbedingten Nachteilen gekommen sei, da die Nachzahlung von Rehabilitationsgeld für mehrere Jahre ein zusammengeballtes Zufließen von Einkünften bewirkt habe.
Der gegenständlich vorliegende Sachverhalt sei zu der dort behandelten Rechts- und Sachlage deckungsgleich.
Ergänzend wurde darauf verwiesen, dass in der Beschwerdevorentscheidung auf das Ersuchen nach Berücksichtigung der Rückzahlung der Mindestsicherung i.H.v. € 13.190,45 als Werbungskosten nicht eingegangen worden sei.

Die Beschwerde wurde dem BFG mit Vorlagebericht vom übermittelt.

I. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:


Gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 gilt als Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) sowie des Freibetrags nach § 105.

§ 3 Abs. 1 Z 3 lit a EStG 1988 lautet:
(1) Von der Einkommensteuer sind befreit:

3. Bezüge oder Beihilfen
a) aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung oder einer unter
§ 5 Z 6 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 fallenden Privatstiftung wegen Hilfsbedürftigkeit


Gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 zählt zu den Werbungskosten auch die Erstattung (Rückzahlung) von Einnahmen, sofern weder der Zeitpunkt des Zufließens der Einnahmen noch der Zeitpunkt der Erstattung willkürlich festgesetzt wurde.

§ 19 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 (i.d.F. BGBl I Nr. 112/2011) lautet:
(1) Einnahmen sind in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Abweichend davon gilt:

2. In dem Kalenderjahr, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden, gelten als zugeflossen:
- Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird,


§ 20 Abs. 2 EStG 1988 lautet (auszugsweise)
Weiters dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie mit
- nicht steuerpflichtigen Einnahmen oder

in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Zeitliche Zuordnung des Rehabilitationsgeldes
Gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1988 gelten Einnahmen als in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.
Abweichend davon sind nach § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, in dem Kalenderjahr zugeflossen, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , welches in BGBl. I 134/2021 am veröffentlich wurde, zu Recht erkannt:
,I. Die Wortfolge "von Pensionen" in § 19 Abs 1 Z 2 erster Teilstrich Bundesgesetz vom (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, idF BGBl. I Nr. 112/2011 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
IV. Die aufgehobene Wortfolge ist in den beim Bundesfinanzgericht anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden. ().'

Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung (am ) war die Aufhebung der Wortfolge "von Pensionen" noch nicht in Kraft und somit § 19 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 noch in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011 mit dem Wortlaut "2. In dem Kalenderjahr, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden, gelten als zugeflossen: Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird." anzuwenden.

Die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erfolgte mit Vorlagebericht vom , womit weder am (Entscheidung des VfGH), noch am (Veröffentlichung im BGBl) die gegenständliche Beschwerde beim Bundesfinanzgericht anhängig war.
Aus diesem Grund greift auch die Erweiterung der Anlassfallregelung auf alle beim BFG anhängigen Verfahren des VfGH durch Punkt IV. des Erkenntnisses vom , G - 223/2020-8 im gegenständlichen Fall nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat zu dem im vorliegenden Fall anzuwendenden Gesetzeswortlaut mit Erkenntnis vom , Ro 2017/15/0025 die Ansicht verworfen, wonach Nachzahlungen von Rehabilitationsgeld unter die Nachzahlung von Pensionen gem. § 19 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 einzustufen wären.
Rehabilitationsgeld iSd § 143a ASVG ist unter § 25 Abs. 1 Z 1 lit c EStG 1988 (Bezüge aus einer gesetzlichen Kranken oder Unfallvorsorge) und nicht unter dem § 25 Abs. 1 Z 3 lit a EStG 1988 (Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung) zu subsumieren.

Aufgrund der Einordnung des Rehabilitationsgeldes unter § 25 Abs. 1 Z 1 lit c EStG kommt hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben die Grundregel in § 19 Abs. 1 EStG 1988 zur Anwendung, wonach Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (vgl. dazu auch ; , RV/7102894/2021).

Rückzahlung der Mindestsicherung als Werbungskosten
Die Bf. wurde von Seiten der MA 40 unter Bezugnahme auf § 24a Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) bescheidmäßig (Bescheid vom ) aufgefordert, Kosten für die Leistung der Mindestsicherung i.H.v. € 13.190,45 binnen 4 Wochen zurückzuzahlen, eine Aufforderung, der am nachgekommen wurde.

Gemäß § 16 Abs. 2 erster Satz EStG 1988 zählen zu den Werbungskosten auch die Erstattung (Rückzahlung) von Einnahmen, sofern weder der Zeitpunkt des Zufließens der Einnahmen noch der Zeitpunkt der Erstattung willkürlich festgesetzt wurde.
Da sowohl der Zufluß der Beträge aus dem Titel Mindestsicherung wie auch deren Rückzahlung nicht willkürlich erfolgten, ist diese Bedingung als erfüllt anzusehen.

Leistungen aus der Mindestsicherung, wie sie der Bf. für die Jahre 2016 bis 2018 erhalten hat, sind aber als Bezüge und Beihilfen aus öffentlichen Mitteln wegen Hilfsbedürftigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 von der Einkommensteuer befreit.

Gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung von Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen im Zusammenhang stehen, nicht abgezogen werden.

Entgegen der Darstellung der Bf. wurde im Erkenntnis des VwGH, Ro 2018/13/0009 nicht eine Rückzahlung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe per se als Werbungskosten bestätigt, sondern deren Berücksichtigung im Rahmen einer Kontrollrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 (Hinzurechnungsvariante).
Der do. Bf. hatte Arbeitslosengeld teilweise zurückzahlen müssen und der VwGH bestätigte, dass die Rückzahlung im Rahmen der Kontrollrechnung in dem Folgejahr in dem es zur Rückzahlung des Arbeitslosengeldes kam zu berücksichtigen war, da die ,Hinzurechnungsvariante' der Kontrollrechnung gerade die Steuerpflicht der Bezüge unterstelle. Eine derartige Konstellation liegt nicht vor.

Im gegenständlichen Fall ist die Bestimmung des § 20 Abs. 2 EStG 1988 Ausdruck des allgemeinen steuerlichen Rechtsgrundsatzes, wonach der fehlenden Steuerpflicht auf der einen Seite das Abzugsverbot auf der anderen Seite gegenübersteht (vgl. RS 2).
Die Rückzahlung der Mindestsicherung ist in Anwendung dieser Bestimmung vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen (vgl. ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis erging in Anwendung der angeführten gesetzlichen Bestimmungen, wobei keine der oben angeführten Thematiken zutrifft, weshalb eine Revision als nicht zulässig zu erklären war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102937.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at