Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.09.2024, RV/7103838/2023

Unbeschränkte Steuerpflicht aufgrund eines Antrages gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Ungarn, über die Beschwerde vom , eingelangt am , gegen die Bescheide des ***FA*** vom und zu Steuernummer ***BF1StNr1***, mit denen Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahr 2019 bis 2021 zurückgewiesen wurden, zu Recht erkannt:

I. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Die Einkommensteuern für die Jahre 2019 bis 2021 werden laut Beilagen festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilagen angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist ungarischer Staatsbürger und in Ungarn wohnhaft. In Österreich hatte er in den verfahrensgegenständlichen Jahren 2019 bis 2021 weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt, war aber bei inländischen Arbeitgebern als Tagespendler nichtselbständig erwerbstätig.

Der Beschwerdeführer reichte mit Formblättern L 1 beim Finanzamt Österreich Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2019 bis 2021 ein und machte darin Werbungskosten (insbesondere Pendlerpauschale und Pendlereuro) geltend. In den Beilagen L 1i erklärte der Beschwerdeführer in Punkt 1.5, dass er keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat, und beantragte in Punkt 6.1. gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden. Für das Jahr 2019 wurden Einkünfte im Ansässigkeitsstaat in Höhe von 641,80 € erklärt, die im Formblatt E 9 von der ungarischen Steuerbehörde als Einkünfte, die im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegen, mit 208.600 HUF bestätigt wurden (durchschnittlicher Umrechnungskurs 2019: 1 HUF = 0,003075 €). Auch für die Jahre 2020 und 2021 wurden Formblätter E 9 vorgelegt; in diesen Jahren hat der Beschwerdeführer in Ungarn keine Einkünfte bezogen.

Ferner legte der Beschwerdeführer zur Berechnung des geltend gemachten Pendlerpauschales und des Pendlereuros für alle drei Jahre ausgefüllte Formblätter L 34a vor. Dabei beantragte der Beschwerdeführer im Jahr 2019 das große Pendlerpauschale für die Monate März bis Dezember 2019 jeweils in voller Höhe (Fahrten an mehr als 11 Tagen), für Februar 2019 dagegen nur zu einem Drittel (4-7 Fahrten in diesem Zeitraum). Für 2020 wurde das große Pendlerpauschale für alle zwölf Kalendermonate beantragt, für 2021 für die Monate Februar bis Dezember 2021.

Die Entfernung vom Wohnort des Beschwerdeführers in Ungarn zum inländischen Arbeitgeber betrug in den Jahren 2019 und 2021 jeweils 62 km, im Jahr 2020 waren es 63 km. Laut Google-Maps Routenplaner beträgt die Fahrzeit für diese Strecke mit dem PKW rund 1 Stunde 5 Minuten. Die durchschnittliche Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln beträgt dagegen regelmäßig über 4 Stunden, die schnellste (nur in geringfügigem Ausmaß angebotene) Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln benötigt laut ÖBB-Scotty immer noch 3 Stunden 23 Minuten bei dreimaligem Umsteigen.

Mit Bescheiden vom und wies das Finanzamt die Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2019 bis 2021 zurück. Da der Beschwerdeführer in Österreich weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, sei er hier nur beschränkt steuerpflichtig und damit nicht zur Antragsveranlagung unbeschränkt steuerpflichtiger Personen gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 berechtigt. In den an die Bescheidbegründung anschließenden Hinweisen wird auf die Erfordernisse für einen Antrag im Sinne des § 1 Abs. 4 EStG 1988 und die dazu einzureichenden Formblätter verwiesen, die der Beschwerdeführer allerdings ohnehin vorgelegt hatte.

Gegen diese Bescheide richtet sich die Beschwerde vom , eingelangt am , in der auf die eingereichten Formblätter L 1, L 1i und E 9, und die darin gemachten, oben zitierten Angaben verwiesen wurde.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom änderte das Finanzamt die angefochtenen Zurückweisungsbescheide dahingehend ab, dass dem Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 entsprochen und eine Veranlagung als unbeschränkt Steuerpflichtiger zu den Einkommensteuern 2019 bis 2021 durchgeführt wurde. Aus den Bescheiden ergaben sich Gutschriften in Höhe von 796 € (2019), 212 € (2020) und 596 € (2021). Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Werbungskosten wurden dabei ohne Begründung nicht berücksichtigt.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem auf die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Werbungskosten hingewiesen wurde. Zum beantragten Pendlerpauschale und den Pendlereuro wurde auf die eingereichten Formblätter L 34a hingewiesen.

Am legte das Finanzamt die Beschwerden mit der Bitte um Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist unbestritten und ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, den zitierten Aktenteilen und den im Abgabeninformationssystem gespeicherten Daten.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

§ 1 EStG 1988 normiert in der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung des BGBl I 26/2009:

(1) Einkommensteuerpflichtig sind nur natürliche Personen.

(2) Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

(3) Beschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte.

(4) Auf Antrag werden auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11 000 Euro betragen. Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten in diesem Zusammenhang als nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegend. Die Höhe der nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Abgabenbehörde nachzuweisen. Der Antrag kann bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bescheides gestellt werden.

Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 EStG 1988 sind im gegenständlichen Fall in allen drei Veranlagungsjahren erfüllt. Die Anwendung dieser Bestimmung wird auch nicht durch das mit Ungarn abgeschlossene DBA (BGBl 52/1976) ausgeschlossen, da in dessen Art. 15 keine besondere Grenzgängerregelung vereinbart wurde (vgl. Doralt, EStG, § 1 Tz 60). Nicht von § 98 EStG 1988 umfasste ausländische Einkünfte sind weder bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage noch im Rahmen eines allfälligen Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigten (LStR 2002, Rz 10). Bei unter § 1 Abs. 4 EStG 1988 fallenden unbeschränkt Steuerpflichtigen ist daher nicht das Welteinkommen zu versteuern, da sich vom sachlichen Umfang her die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG 1988 nur auf die inländischen Einkünfte im Sinne des § 98 bezieht (Fuchs in Büsser/Ehrke-Rabel/Hirschler/Petritz/Sutter, EStG, § 1 Rz 21). Die vom Beschwerdeführer im Jahr 2019 in Ungarn erzielten Einkünfte sind daher bei der Festsetzung der Einkommensteuer für dieses Jahr nicht zu berücksichtigen.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 steht dem Arbeitnehmer das große Pendlerpauschale von jährlich 3.672 € zu, wenn ihm die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar ist, und die Arbeitsstätte mehr als 60 km von der Wohnung entfernt ist.

Da der in § 3 der Pendlerverordnung, BGBl II 276/2013 idgF, normierte Pendlerrechner nur für Verhältnisse innerhalb Österreichs zu verwenden ist (und auch nur für solche verwendet werden kann), wurde die vom Beschwerdeführer zutreffend ermittelte und in den Formblättern L 34a angegebene Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mittels Google-Maps überprüft. Da diese Entfernung gegenständlich mehr als 60 km beträgt, und die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels bei den oben festgestellten Fahrzeiten nicht zumutbar ist (§ 2 Abs. 1 Z 2 lit. b der Pendlerverordnung), steht das große Pendlerpauschale zu.

§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. e EStG 1988 bestimmt, dass das Pendlerpauschale zu zwei Drittel zusteht, wenn der Arbeitnehmer an mindestens acht, aber nicht mehr als zehn Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Fährt der Arbeitnehmer an mindestens vier Tagen, aber an nicht mehr als sieben Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das Pendlerpauschale zu einem Drittel zu.

Der Beschwerdeführer beantragte im Jahr 2019 das große Pendlerpauschale für die Monate März bis Dezember 2019 jeweils in voller Höhe (Fahrten an mehr als 11 Tagen), für Februar 2019 dagegen nur zu einem Drittel (4-7 Fahrten in diesem Zeitraum). Für 2020 wurde das große Pendlerpauschale für alle zwölf Kalendermonate beantragt, für 2021 für die Monate Februar bis Dezember 2021.

Für 2019 ergibt sich daraus ein Pendlerpauschale von 3.162 € (je 306 € für die Monate März bis Dezember und 102 € für Februar). Für 2020 steht für alle zwölf Kalendermonate das große Pendlerpauschale und damit ein Betrag von 3.672 € zu. Für 2021 steht das Pendlerpauschale für die Monate Februar bis Dezember und damit in Höhe von 3.366 € (11 x 306 €) zu.

Für den in § 33 Abs. 5 Z 4 EStG 1988 normierten Pendlereuro in Höhe von jährlich zwei Euro pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstrecke gelten die Bestimmungen des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b und e bis j EStG 1988 entsprechend. Daraus ergibt sich für die oben angeführten Kalendermonate ein Pendlereuro von 106,77 € für das Jahr 2019 (103,33 € für die Monate März bis Dezember und 3,44 € für Februar), von 126 € für das Jahr 2020 (63 km x 2 €), und 113,63 € für das Jahr 2021 (je 10,33 € für die Monate Februar bis Dezember).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine solche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor, da auch nach Ansicht des Finanzamtes der Beschwerdeführer unter den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 EStG 1988 fällt und daher in den Beschwerdevorentscheidungen entsprechende Abgabenfestsetzungen erfolgten. Hinsichtlich des geltend gemachten Pendlerpauschales und des Pendlereuros ergaben sich ebenfalls keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, weshalb eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103838.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at