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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.09.2024, RV/7100391/2023

Forschungsprämie - Antragsrecht bei unterjährigem Zusammenschluss

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7100391/2023-RS1
Eine Mitunternehmerschaft entsteht im Fall des Zusammenschlusses am Zusammenschlussstichtag (vgl. ; in diesem Fall hat sich eine vergleichbare Publikums-KG als atypisch Stille an mehreren Unternehmen beteiligt). Die Rückwirkungsfiktion des UmgrStG muss auch für die Antragsberechtigung bezüglich Forschungsprämie gelten, denn § 108c Abs 1 EStG legt eindeutig fest, dass eine Mitunternehmerschaft Zurechnungssubjekt für die prämienbegünstigten Aufwendungen ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch i-tax Steuerberatungs GmbH, Triesterstraße 14, 2351 Wiener Neudorf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Forschungsprämie § 108c EStG 1988 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert. Die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie beträgt 55.038,40 Euro, die Forschungsprämie 7.705,38 Euro.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Strittig im Verfahren ist, ob die beschwerdeführende GmbH (Bf) antragsberechtigt ist für die Forschungsprämie, oder ob der Antrag auf Forschungsprämie von der Mitunternehmerschaft zu stellen gewesen wäre, welche die Bf durch Aufnahme eines atypisch stillen Gesellschafters eingegangen ist.

In der mündlichen Verhandlung wurde weiters erörtert, ob ursprünglich nicht geltend gemachter Finanzierungsaufwand in die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie aufzunehmen sei (unter Berufung auf EStR 2000 Rz 8208fa) und in welchem Ausmaß der Forschungsaufwand vor dem Zusammenschlussstichtag angefallen ist.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf wurde am TT.4.2019 in das Firmenbuch eingetragen. Gesellschaftszweck ist insbesondere die Entwicklung von Arzneimitteln, prä- und klinische Forschung und medizinische Grundlagenforschung.

Mit Zusammenschlussvertrag vom TT.1.2020 beteiligte sich eine GmbH & Co KG rückwirkend ab TT.4.2019 als atypisch stille Gesellschafterin an der Bf. Geschäftstätigkeit der Mitunternehmerschaft ist die Entwicklung von Arzneimitteln, prä- und klinische Forschung und medizinische Grundlagenforschung. Unternehmensrechtlich hat die Bf mit dem Zusammenschlussvertrag ihren gesamten Betrieb auf die atypisch stille Gesellschaft übertragen und dafür steuerlich die Bestimmungen des Art IV UmgrStG in Anspruch genommen.

Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit wurde somit ab dem TT.4.2019 von der atypisch stillen Gesellschaft erbracht. Bis zu diesem Zeitpunkt sind Aufwendungen für Forschung und Entwicklung im Ausmaß von 55.038,40 Euro angefallen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellung, dass die atypisch Stille (ab dem Zeitpunkt ihres steuerlichen Entstehens, siehe dazu Punkt 3.1.) und nicht die Bf selbst die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit erbracht hat, ergibt sich aus § 1 Z 6 des Zusammenschlussvertrages, die steuerliche Anwendung des UmgrStG ebenfalls aus dem Zusammenschlussvertrag. Der Unternehmenszweck der atypisch Stillen ergibt sich aus dem Fragebogen für Personengesellschaften (Verf16), der an die belangte Behörde übermittelt worden ist. Der Gesellschaftszweck der Bf ergibt sich aus ihrem Gesellschaftsvertrag.

Das Gutachten der FFG, welches der Bf eigenbetriebliche Forschung bescheinigt, ist für das Bestehen der Mitunternehmerschaft und ihre Würdigung unbedeutend, weil einerseits die FFG nur eine Prüfung der vorgelegten Unterlagen durchführt - in denen die Mitunternehmerschaft nicht erwähnt wird - und andererseits die Abgabenbehörde insbesondere hinsichtlich der Höhe der Bemessungsgrundlagen nicht an Feststellungen der FFG gebunden ist.

Die Eigenforschung der Bf vor dem Zusammenschluss ergibt sich aus ihrem Schriftsatz vom , dessen Abgrenzung im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch von der Abgabenbehörde (einschließlich des geltend gemachten Finanzierungsaufwandes) als plausibel erachtet wurde. Dieser Einschätzung schließt sich das Gericht mangels gegenteiliger Anhaltspunkte an.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

§ 108c Abs 1 EStG idF BGBl I 2017/82 besagt: Steuerpflichtige, soweit sie nicht Mitunternehmer sind, und Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, können eine Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und eine Forschungsprämie für Auftragsforschung in Höhe von jeweils 14% der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen geltend machen.

Ein Zusammenschluss kann von der Anmeldung beim Firmenbuchgericht bzw Meldung beim zuständigen Finanzamt an gerechnet auf einen bis zu neun Monate zurückliegenden Stichtag rückbezogen werden (§ 24 Abs 1 Z 2 iVm § 13 Abs 1 UmgrStG).

Die Einkünfte der Zusammenschließenden sind hinsichtlich des betroffenen Vermögens so zu ermitteln, als ob der Vermögensübergang mit Ablauf des Zusammenschlussstichtages erfolgt wäre (§ 25 Abs 2 iVm § 14 Abs 2 UmgrStG).

Der Begriff der Mitunternehmerschaft ist ein originär ertragsteuerlicher. § 108c Abs 1 EStG unterscheidet zwei Kategorien von Antragsberechtigten, die eine Forschungsprämie geltendmachen können: einerseits Steuerpflichtige, soweit sie nicht Mitunternehmer sind; andererseits Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind. Eine Mitunternehmerschaft entsteht im Fall des Zusammenschlusses am Zusammenschlussstichtag (vgl ; in diesem Fall hat sich eine vergleichbare Publikums-KG als atypisch Stille an mehreren Unternehmen beteiligt). Die Rückwirkungsfiktion des UmgrStG muss auch für die Antragsberechtigung bezüglich Forschungsprämie gelten, denn § 108c Abs 1 EStG legt eindeutig fest, dass eine Mitunternehmerschaft Zurechnungssubjekt für die prämienbegünstigten Aufwendungen ist.

Der Ansicht der Bf ist nicht zu folgen, denn hätte der Gesetzgeber den zivilrechtlichen Entstehungszeitpunkt im Auge gehabt, hätte er nicht auf den originär ertragsteuerlichen Begriff der Mitunternehmerschaft referenziert. Das Abstellen darauf führt dazu, auch den ertragsteuerlichen Zeitpunkt des Entstehens der Mitunternehmerschaft für ihre Legitimation, die Forschungsprämie zu beantragen, heranzuziehen. Das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft schließt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 108c Abs 1 EStG 1988 aus, dass die hinter der Mitunternehmerschaft stehenden Gesellschafter hinsichtlich ihres Anteiles eine eigene Antragsberechtigung hätten (arg. "Steuerpflichtige, soweit sie nicht Mitunternehmer sind").

Anzeichen, dass die Gründung der stillen Gesellschaft keinen Zusammenschluss dargestellt hätte und die Voraussetzungen zur Anwendung des Art IV UmgrStG nicht gegeben wären, liegen nicht vor. Daher ist das Entstehen der Mitunternehmerschaft zum TT.4.2019 maßgeblich. Die Bf kann nur für den davor gelegenen Zeitraum, in dem sie ihren Betrieb selbst betrieben hat und noch nicht an die Mitunternehmerschaft übertragen hat, die Forschungsprämie geltend machen.

Zum Finanzierungsaufwand zählen nach Ansicht der Finanzverwaltung (vgl EStR 2000 Rz 8208fa) auch solche Aufwendungen, die aus Anlass der Aufnahme von atypisch stillen Gesellschaftern entstehen (zB Kosten für Werbung/Prospekte für die Gewinnung von atypisch stillen Gesellschaftern) - und soweit sie der F&E zuzuordnen sind von der Bf als Teil der Bemessungsgrundlage begehrt werden. Der Ansicht der Parteien schließt sich das Bundesfinanzgericht an. Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage, ob die ertragsteuerliche Rückwirkungsfiktion des UmgrStG auch auf die Antragsberechtigung zur Forschungsprämie wirkt, fehlt derzeit eine höchstgerichtliche Rechtsprechung. Diese Rechtsfrage ist auch über den Einzelfall hinaus bedeutend. Daher war die Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Hirschler/Sulz/Oberkleiner/Bernwieser in BFGjournal 2024, 367
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100391.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at