Mutwillensstrafe wegen aussichtsloser Anbringen
Revision eingebracht.
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
AO/5100023/2024-RS1 | Mit der in § 112a BAO vorgesehenen Mutwillensstrafe kann geahndet werden, wer „in welcher Weise immer“ die Tätigkeit eines Verwaltungsgerichtes in Anspruch nimmt (vgl. , zu § 35 AVG). Sobald ein verwaltungsgerichtliches Organ eine an das Verwaltungsgericht gerichtete Eingabe liest bzw. ein mündliches Anbringen oder einen telefonischen Anruf entgegennimmt, wird dessen Tätigkeit in Anspruch genommen. Daher kann ein derartiger Vorgang, wenn er im Bewusstsein durchgeführt wurde, das Gericht zweck- und nutzlos zu behelligen, für die Verhängung einer Mutwillensstrafe ausreichender Anlass sein, ohne dass dadurch eine weitere Tätigkeit des Gerichtes bewirkt werden muss (, zu § 35 AVG). |
AO/5100023/2024-RS2 | Gerade die mehrfache Einbringung nutzloser Eingaben, obwohl der im Gesetz vorgesehene Rechtsweg (entsprechend der Rechtsmittelbelehrung der bezughabenden BFG-Erkenntnisse) nicht ausgeschöpft wurde, ist nur durch eine Neigung des Antragstellers zur Geltendmachung aussichtsloser Erledigungsansprüche erklärbar. |
Entscheidungstext
Beschluss
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Außenstellenleiter Mag. Johann Fischerlehner zum per E-Mail vom , 09:07 Uhr eingebrachten Antrag des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Auskunftsersuchen gem. Art. 15 DSGVO beschlossen:
I. Gegen den Antragsteller wird eine Mutwillensstrafe von 350 € verhängt.
II. Die Einhebung und zwangsweise Einbringung der verhängten Mutwillensstrafe obliegt dem Finanzamt Österreich.
III. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Begründung
Mit E-Mail vom , 10:22 Uhr, gerichtet an post.bfg@bfg.gv.at wurde folgendes Anbringen an den Präsidenten des Bundesfinanzgerichtes herangetragen:
"Sehr geehrter Herr Präsident Dr. Unger !
Sachverhalt:
Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagungen 2019 bis 2021 wurde bekannt, dass das Bundesfinanzgericht im Jahr 2020 im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens durch den zuständigen Richter gem. § 158 BAO Sachverständigengutachten über meinen Gesundheitszustand vom Sozialministeriumsservice angefordert hat. Ein entsprechender Schriftverkehr mit der zuständigen Abteilungsleiterin des Sozialministeriumsservice liegt vor, aufgrund dessen dieser Umstand überhaupt bekannt geworden ist.
Fragestellung:
1) Der § 158 BAO bezieht sich ausschließlich auf "Abgabenbehörden". M.E. ist das Bundesfinanzgericht keine Abgabenbehörde.
2) Hat es der Finanzverwaltung, sowohl Finanzamt als auch Bundesfinanzgericht, nicht zu interessieren warum, weshalb und wieso es zu einer prozentuellen Erwerbsminderung gekommen ist, sondern ausschließlich um den Umstand ob es durch eine gesundheitsschädigung (Erkrankung) dazu gekommen ist, und der daraus resultierende Prozentsatz.
3) Für diese Übermittlung gibt es die ICD-10 Codierung
4) Ist es verwunderlich, dass das Bundesfinanzgericht es sich zur Aufgabe macht Unterlagen/Sachverhalte zu klären für die eigentlich das Finanzamt zuständig gewesen wäre (Neuerungsverbot)
5) Sind diese Sachverständigengutachten (höchstpersönlichen Gesundheitsbereich betreffend, und daher besonders schützenswerte Daten) mehreren Personen im Postlauf, da sie postalisch übermittelt worden sind, zugänglich gemacht worden.
Es wird beantragt innerhalb der gesetzlichen Frist eine entsprechende Stellungnahme zu übermitteln."
Dazu wurde dem Antragsteller folgende Erledigung des Bundesfinanzgerichtes per E-Mail vom übermittelt:
"Sehr geehrter Herr Name!
Zu Ihrem im Betreff genannten E-Mail können wir folgendes mitteilen:
Beim Bundesfinanzgericht war unter der hg. GZ RV/5100803/2020 ein Verfahren anhängig betreffend Ihre Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2016, 2017 und 2018. Mit Erkenntnis vom wurde Ihre Beschwerde abgewiesen.
Soweit in Ihrem E-Mail die Rechtmäßigkeit einzelner Verfahrensschritte im Verfahren GZ RV/5100803/2020, hinterfragt wird, ist allgemein darauf hinzuweisen, dass hierfür die Möglichkeit der Einbringung einer (ao) Revision offenstand, worauf auch in der Rechtsmittelbelehrung des Erkenntnisses hingewiesen wurde.
Im Übrigen wird auf § 48f Abs 2 BAO verwiesen:
"Soweit personenbezogene Daten in einem Akt enthalten sind, besteht für die betroffene Person das Recht auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO ausschließlich nach Maßgabe der §§ 90 und 90a. Für das Verfahren der Einsicht- oder Abschriftnahme (einschließlich deren Verweigerung) gelten die Regelungen dieses Bundesgesetzes."
Ein diesbezüglicher Antrag auf Akteneinsicht wäre an der Außenstelle Linz des Bundesfinanzgerichtes einzubringen."
Seitens des Antragstellers erging am , 09:07 Uhr folgendes E-Mail an die Außenstelle Linz des Bundesfinanzgerichtes (post.linz@bfg.gv.at):
"Sehr geehrter Herr Mag. Fischerlehner!
Sachverhalt:
Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagungen 2019 bis 2021 wurde bekannt, dass das Bundesfinanzgericht im Jahr 2020 im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens durch den zuständigen Richter gem. § 158 BAO Sachverständigengutachten über meinen Gesundheitszustand vom Sozialministeriumsservice angefordert hat. Ein entsprechender Schriftverkehr mit der zuständigen Abteilungsleiterin des Sozialministeriumsservice liegt vor, aufgrund dessen dieser Umstand überhaupt bekannt geworden ist.
Fragestellung:
1)Der § 158 BAO bezieht sich ausschließlich auf "Abgabenbehörden". M.E. ist das Bundesfinanzgericht keine Abgabenbehörde.
2)Hat es der Finanzverwaltung, sowohl Finanzamt als auch Bundesfinanzgericht, nicht zu interessieren warum, weshalb und wieso es zu einer prozentuellen Erwerbsminderung gekommen ist, sondern ausschließlich um den Umstand ob es durch eine Gesundheitsschädigung (Erkrankung) dazu gekommen ist, und der daraus resultierende Prozentsatz.
3)Für diese Übermittlung gibt es die ICD-10 Codierung
4)Ist es verwunderlich, dass das Bundesfinanzgericht es sich zur Aufgabe macht Unterlagen/Sachverhalte zu klären für die eigentlich das Finanzamt zuständig gewesen wäre (Neuerungsverbot)
5)Sind diese Sachverständigengutachten (höchstpersönlichen Gesundheitsbereich betreffend, und daher besonders schützenswerte Daten) mehreren Personen im Postlauf, da sie postalisch übermittelt worden sind, zugänglich gemacht worden.
Es wird beantragt innerhalb der gesetzlichen Frist eine entsprechende Stellungnahme zu übermitteln."
Der Antragsteller ist Mitarbeiter des ***1*** im ***2*** und verwendete für die Einbringung seiner Anbringen vom und den von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten E-Mail-Account.
Der Antragsteller erhielt bereits auf sein E-Mail vom eine entsprechende fundierte Antwort des Präsidenten des Bundesfinanzgerichtes.
Nunmehr richtet sich das nahezu wortidente Anbringen vom an den Leiter der Außenstelle Linz des Bundesfinanzgerichtes.
Nach § 2a BAO haben Verwaltungsgerichte die BAO jedenfalls dann anzuwenden, wenn die Beschwerde im Anwendungsbereich der BAO tätige (bzw säumige) Abgabenbehörden (§§ 1 und 2 BAO) trifft. Das gegenständliche E-Mail-Anbringen nimmt Bezug auf ein Rechtsmittelverfahren betreffend Arbeitnehmerveranlagungen 2019 bis 2021, sodass unzweifelhaft die Voraussetzungen der Anwendbarkeit der Bestimmungen der BAO nach § 2a BAO gegeben sind.
Nach § 269 Abs. 1 BAO haben im Beschwerdeverfahren die Verwaltungsgerichte die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind. Die Verwaltungsgerichte haben im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach § 269 Abs 1 BAO Mutwillensstrafen (§ 112a BAO) erstmals festzusetzen. Diese Festsetzungen werden dann erforderlich sein, wenn sie der Erreichung der Verfahrensziele dienen.
Gemäß § 112a der Bundesabgabenordnung (BAO) kann die Abgabenbehörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht der Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, eine Mutwillensstrafe bis 700 Euro verhängen.
Mit der in § 112a BAO vorgesehenen Mutwillensstrafe kann geahndet werden, wer "in welcher Weise immer" die Tätigkeit eines Verwaltungsgerichtes in Anspruch nimmt (vgl. , zu § 35 AVG). Sobald ein verwaltungsgerichtliches Organ eine an das Verwaltungsgericht gerichtete Eingabe liest bzw. ein mündliches Anbringen oder einen telefonischen Anruf entgegennimmt, wird desen Tätigkeit in Anspruch genommen. Daher kann ein derartiger Vorgang, wenn er im Bewusstsein durchgeführt wurde, das Gericht zweck- und nutzlos zu behelligen, für die Verhängung einer Mutwillensstrafe ausreichender Anlass sein, ohne dass dadurch eine weitere Tätigkeit des Gerichtes bewirkt werden muss (, zu § 35 AVG).
Im gegenständlichen Fall wurde eine nahezu wortidente Eingabe des Einschreiters durch das Präsidialbüro im Auftrag des Präsidenten des Bundesfinanzgerichtes mit Erledigung vom beantwortet. Nunmehr wendet sich der Einschreiter mit dem gleichen Anliegen an den Leiter der Außenstelle Linz des Bundesfinanzgerichtes. Ein derartiges Vorgehen ist eine bewusste nutzlose Behelligung gerichtlicher Organe, da mit mehrfachen nahezu wortidenten Anbringen kein sinnvolles und hinsichtlich des gegenständlichen Auskunftsbegehrens zweckmäßiges Verfahrensergebnis erreicht werden kann. Dies ist für einen Mitarbeiter im ***2*** jedenfalls erkennbar, sodass die Mutwilligkeit der Behelligung evident ist.
Die Festsetzung der Mutwillensstrafe liegt sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Ermessen (§ 20 BAO) des Gerichts. Dabei ist etwa die Neigung des Antragstellers zur Geltendmachung aussichtsloser Erledigungsansprüche oder der verursachte Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen (vgl ). Gerade die mehrfache Einbringung nutzloser Eingaben, obwohl der im Gesetz vorgesehene Rechtsweg (entsprechend der Rechtsmittelbelehrung der bezughabenden BFG-Erkenntnisse) nicht ausgeschöpft wurde, ist nur durch eine Neigung des Antragstellers zur Geltendmachung aussichtsloser Erledigungsansprüche erklärbar. Daher ist es zweckmäßig, eine Mutwillensstrafe festzusetzen, zumal von einem im ***2*** tätigen Mitarbeiter erwartet werden kann, dass er Organe des Bundesfinanzgerichtes in eigenen Abgabenangelegenheiten nicht sinnlos, unter Außerachtlassung der aufgezeigten Revisions- und Beschwerdemöglichkeiten behelligt. Berechtigte Interessen, die einer Festsetzung entgegenstehen, sind nicht erkennbar. Die Höhe der festgesetzten Zwangsstrafe ist angemessen, da dieser auch präventive Wirkung zukommen soll. Dies kann bereits mit einer Strafe in Höhe der Hälfte des höchstmöglichen Ausmaßes erreicht werden.
Zur Bestimmung der Vollstreckungsbehörde
Gemäß § 287 Abs 1 BAO obliegt die Einhebung und zwangsweise Einbringung der von Verwaltungsgerichten mit Beschluss festgesetzten Nebenansprüchen, der vom Verwaltungsgericht bestimmten Abgabenbehörde. Die Auswahl der konkreten Abgabenbehörde liegt hierbei im Ermessen des Verwaltungsgerichtes. Die Bestimmung jener Abgabenbehörde, die im Beschwerdeverfahren des Einschreiters als belangte Behörde fungiert(e), erweist sich im Allgemeinen als zweckmäßig (vgl Ritz/Koran, BAO7 § 287 Rz 3).
Zur Zulässigkeit einer Revision
Gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Frage, ob das Bundesfinanzgericht für sinnlose Anbringen eine Mutwillensstrafe verhängen kann, liegt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, sodass eine Revision zulässig ist.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 112a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Art. 15 VO 2016/679, ABl. Nr. L 119 vom S. 1 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:AO.5100023.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at