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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.09.2024, RV/3100006/2022

Untergang von Verlustvorträgen durch Mantelkauf und Forderungsverzicht auf verdecktes Eigenkapital

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100006/2022-RS1
Der Verzicht auf die Rückzahlung eines "Darlehens", welches in Wahrheit verdecktes Eigenkapital darstellt, ist von § 8 Abs. 1 letzter Satz KStG 1988 nicht umfasst, sondern steuerneutral.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch 1A Steuerberatungs GmbH, Münchner Straße 26, 6130 Schwaz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Körperschaftsteuer 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Waltraud Pranger zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Körperschaftsteuer 2017 mit 1.750,00 Euro festgesetzt wird.

Die Bemessungsgrundlagen sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang und Parteienvorbringen

Mit Verschmelzungsvertrag vom wurde die ***Bf vor Verschmelzung*** als übertragende Gesellschaft mit der ***Bf-Rechtsnachfolgerin*** als aufnehmende Gesellschaft zum Stichtag verschmolzen. Die Löschung der ***Bf vor Verschmelzung*** im Firmenbuch erfolgte am TT.10.2018.

Am reichte die zu diesem Zeitpunkt somit noch rechtlich existente ***Bf vor Verschmelzung*** über FinanzOnline ihre Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2017 ein. Darin erklärte sie einen Bilanzgewinn von 202.150,00 €. Noch am selben Tag erließ das ***Finanzamt*** einen an die ***Bf vor Verschmelzung*** gerichteten Körperschaftsteuerbescheid für 2017, mit welchem diese antragsgemäß veranlagt wurde. Durch Verlustabzug und anrechenbare Mindestkörperschaftsteuer ergab sich dabei eine Körperschaftsteuer in Höhe der Mindestkörperschaftsteuer (1.750,00 €).

Gegen diesen Bescheid erhob ***Bf1*** GmbH (bfP) am fristgerecht Beschwerde. Darin führte sie zusammengefasst aus, in der Steuererklärung sei ein sonstiger Ertrag in Höhe von 202.791,10 € ausgewiesen worden, der aus einem Nachlass des (bisherigen) Gesellschafters ***Mantel-Käufer*** resultiere. Dieser sei als Sanierungsbeitrag zu werten und daher vollständig (ohne Rücksicht auf die Verlustvortragsgrenze) mit den offenen Verlustvorträgen zu verrechnen.

In weiterer Folge richtete das ***Finanzamt*** am einen Vorhalt an die bfP (Adressat: die nicht mehr existente ***Bf vor Verschmelzung***), in welchem es zusammengefasst die Ansicht vertrat, die Verluste, die vor dem Jahr 2015 angefallen sind, seien nicht vortragsfähig, da sie aus einem Mantelkauf (Übernahme der ***Mantel-GmbH***) stammen würden. Da die ***Bf vor Verschmelzung*** im Zeitpunkt der nunmehrigen Verschmelzung mit der ***Bf-Rechtsnachfolgerin*** nicht tätig gewesen sei, liege kein sanierungsfähiger Betrieb vor, weshalb kein Sanierungsbeitrag vorliegen könne.

In der Vorhaltsbeantwortung vom räumte die bfP zusammengefasst ein, dass die Verluste nicht mehr vortragsfähig seien und auch kein Sanierungsgewinn vorliegen würde. Vielmehr liege ein nicht steuerbarer Verzicht auf die Rückzahlung des Gesellschafterkontos vor. Am legte die bfP dem Finanzamt weitere Unterlagen vor, die im Vorhalt angefordert, aber zunächst nicht vorgelegt wurden.

Mit Bescheid gemäß § 299 BAO vom hob die belangte Behörde den Körperschaftsteuerbescheid für 2017 vom auf und erließ gleichzeitig einen neuen Sachbescheid, in welchem die belangte Behörde den Großteil der Verlustvorträge nicht zum Verlustabzug zuließ. Begründend führte sie zusammengefasst aus, der Erwerb der ***Mantel-GmbH*** durch ***Mantel-Käufer*** im Jahr 2014 stelle einen Mantelkauf dar. Das Kriterium der Entgeltlichkeit liege trotz der an sich unentgeltlich erfolgten Übertragung vor, da im Übergang des Gesellschafterdarlehens von der früheren Gesellschafterin ***Mantel-Ges1*** an ***Mantel-Käufer*** ein wirtschaftlicher Ausgleichsposten zu erblicken und auch nur ein Anteil von 25 % unentgeltlich abgetreten worden sei. Bei einem Forderungsverzicht durch den Gesellschafter sei der nicht mehr werthaltige Teil der Forderung steuerwirksam, weshalb dem Beschwerdebegehren nicht zu folgen sei.

Die belangte Behörde ging zutreffend davon aus, dass die Beschwerde vom gemäß § 253 BAO nun gegen den neuen Sachbescheid vom weitergilt. Die gegen diesen Bescheid gerichtete neuerliche Beschwerde vom ist somit als Beschwerdeergänzung anzusehen. Darin führte die bfP zusammengefasst aus, die belangte Behörde habe einerseits verkannt, dass es sich bei der Anteilsübertragung im Jahr 2014 um eine Schenkung zwischen Familienangehörigen und somit nicht um ein entgeltliches Rechtsgeschäft gehandelt habe, und anderseits zu Unrecht angenommen, dass es sich beim in der Bilanz ausgewiesenen Gesellschafterdarlehen um ein Darlehen handle, da dieses in Wahrheit eine Einlage darstelle.

Im Zuge der Finanzorganisationsreform trat mit das Finanzamt Österreich an die Stelle der bescheiderlassenden Behörde. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies dieses die Beschwerde nach Durchführung eines weiteren Vorhalteverfahrens als unbegründet ab. In der gesonderten Begründung vom führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, mit der Anteilsübertragung im Jahr 2014 habe sich ***Mantel-Käufer*** verpflichtet, nach Maßgabe des Gesetzes und allfälliger Gesellschafterbeschlüsse die zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Gänze geleistete Stammeinlage einzuzahlen, was die Entgeltlichkeit dieses Rechtsgeschäftes begründe; auch die übrigen Tatbestandsmerkmale eines Mantelkaufs lägen vor.

Mit rechtzeitigem Vorlageantrag vom begehrte die bfP die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Begründend führte sie zusammengefasst aus, bei der Abtretung im Jahr 2014 sei allen Beteiligten klar gewesen, dass das vom Finanzamt als Darlehen bezeichnete Verrechnungskonto von der Schenkung mitumfasst sei und auf den neuen Gesellschafter übergehe.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht beantragte sie die Abweisung der Beschwerde, wobei sie zur Begründung ergänzend ausführt, die Parteien des Abtretungsvertrages hätten ausdrücklich vereinbart, dass das Gesellschafterdarlehen nicht übergehe. Da das Gesellschafterdarlehen in den Bilanzen und im Evidenzkonto nie als Eigenkapital, sondern stets als Fremdkapital ausgewiesen worden sei, müsse im Sinne der Maßgeblichkeit der Unternehmensbilanz für die Steuerbilanz davon ausgegangen werden, dass dies zutreffe.

Die gemeinsam mit der Beschwerdeergänzung erhobene Beschwerde gegen den Aufhebungs-bescheid gemäß § 299 BAO vom wurde von der belangten Behörde mit abweisender Beschwerdevorentscheidung vom erledigt. Gegen diese wurde von der bfP kein Vorlageantrag eingebracht, weshalb der Aufhebungsbescheid nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesfinanzgericht ist.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde die gegenständliche Rechtssache der mit neu besetzten Senatsgerichtsabteilung 4013-1 zugewiesen. Mit Schreiben vom nahm die bfP - nachdem sie zuvor Akteneinsicht genommen hatte - ihren Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurück, wodurch der Berichterstatter als Einzelrichter für die gegenständliche Rechtssache zuständig wurde.

In der beantragten mündlichen Verhandlung am schränkte die bfP ihr Beschwerdebegehren dahingehend ein, dass nur mehr die steuerwirksame Behandlung des Verzichts auf die Rückzahlung der Einlage in Höhe von 202.791,10 € bekämpft wird, aber nicht mehr der Untergang der Verlustvorträge bis einschließlich 2014 infolge des Mantelkaufs.

Die belangte Behörde machte in der mündlichen Verhandlung Bedenken gegen die vom Gericht mitgeteilte Rechtsansicht geltend, wonach eine im Jahr 2012 verdeckte Einlage vorliege, zumal der damalige Gesellschafter ***Mantel-Gründer*** überhaupt nicht über die Mittel verfügt habe, um eine Einlage zu tätigen (oder der bfP ein Darlehen zu gewähren). Sie räumte allerdings auch ein, dass die richtige Vorgehensweise wohl gewesen wäre, die ausgewiesene Verbindlichkeit bereits im Jahr 2012 ertragswirksam auszubuchen, was effektiv zum selben steuerlichen Ergebnis wie die Behandlung als verdeckte Einlage führen würde, da eine ertragswirksame Ausbuchung im Jahr 2012 noch mit den offenen Verlustvorträgen verrechnet werden hätte können und somit keine effektiven Besteuerung des ausgebuchten Betrages ausgelöst hätte.

2. Sachverhalt

2.1. Abtretung von Gesellschaftsanteilen im Jahr 2014

Im Jahr 2014 firmierte die später in ***Bf vor Verschmelzung*** umbenannte Gesellschaft (FN ***Bf-FN***) noch unter dem Namen ***Mantel-GmbH*** und hatte ihren Sitz in ***Ort1***. Geschäftszweig des Unternehmens war die ***Werkzeugherstellung***. Das Unternehmen wurde von ***Mantel-Gründer*** gegründet und geführt, welcher im Jahr 2012 verstarb. Im November 2014 waren folgende Personen ihre Gesellschafter:

  • ***Mantel-Ges1***, geboren am ***Mantel-Ges1-GebDat***, zu 50 %

  • ***Mantel-Ges2***, geboren am ***Mantel-Ges2-GebDat***, zu 25 %

  • ***Mantel-Ges3-GmbH***, FN ***Mantel-Ges3-FN***, zu 25 %

Die Gesellschafterin ***Mantel-Ges1*** war zu diesem Stichtag auch alleinige Gesellschafterin der ***Mantel-Ges3-GmbH*** und infolge deren zwischenzeitlich eingetretenen Insolvenz auch deren Liquidatorin.

Auf die Stammeinlage von ***Mantel-Ges1*** in Höhe von 17.500 € war zu diesem Stichtag lediglich die Hälfte, sohin 8.750 €, tatsächlich geleistet. Die Stammeinlagen der übrigen Gesellschafter waren zu diesem Stichtag hingegen in voller Höhe einbezahlt.

Mit Abtretungsvertrag vom November 2014 übergab die ***Mantel-Ges3-GmbH*** in Liqu. ihren gesamten Geschäftsanteil an der ***Mantel-GmbH*** an ***Mantel-Käufer***. Im Vertrag wurde vereinbart, dass diese Abtretung unentgeltlich erfolgt, dass der Verkehrswert des abgetretenen Geschäftsanteiles 0,00 € beträgt und dass der Erwerber die Kosten des Vertrages allein trägt.

Mit weiterem Abtretungsvertrag vom Dezember 2014 übergaben ***Mantel-Ges1*** und ***Mantel-Ges2*** ihre gesamten Geschäftsanteile an der ***Mantel-GmbH*** ebenfalls an ***Mantel-Käufer***. Im Vertrag wurde vereinbart, dass diese Abtretung unentgeltlich erfolgt, weil die abgetretenen Anteile keinen positiven Verkehrswert aufweisen, dass der Erwerber die Kosten des Vertrages allein trägt und dass der Erwerber die Verpflichtung zur Volleinzahlung der Stammeinlage nach Maßgabe von Gesetz und Gesellschafterbeschlüssen übernimmt.

Mit Beschluss der außerordentlichen Generalversammlung vom Dezember 2014 wurde ***Mantel-GmbH*** GmbH in ***Bf vor Verschmelzung*** umbenannt, ihr Sitz von ***Ort1*** nach ***Ort2*** verlegt, der Geschäftszweig in "Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Gastro-Artikeln" geändert und der nunmehrige Alleingesellschafter ***Mantel-Käufer*** zum einzigen Geschäftsführer bestellt. All diese Änderungen wurden am TT.1.2015 im Firmenbuch eingetragen.

2.2. Verlustvorträge

Die ***Bf vor Verschmelzung*** sammelte bis zum streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum 2017 Verlustvorträge in folgender Höhe an, wobei die Verluste aus den Jahren bis 2014 aus der betrieblichen Tätigkeit der ***Mantel-GmbH*** stammen:


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2002
37.447,78
2003
110.369,97
2004
28.309,72
2005
22.269,98
2007
3.730,48
2012
42,40
2013
642,40
2015
3.544,30
2016
496,60
Summe
206.853,63

2.3. Zur strittigen Verbindlichkeit bzw. Einlage

Zu Beginn des Geschäftsjahres 2012 - zu welchem Zeitpunkt ***Mantel-GmbH*** GmbH ihre Geschäftstätigkeit bereits seit einigen Jahren eingestellt hatte - hatte diese GmbH noch Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt rund 206.000 €, denen ein Aktivvermögen (Forderungen) in Höhe von rund 18.000 € gegenüberstanden.

Im Jahr 2012 verzichtete die Bank der GmbH auf ihre Forderung und erklärte auch der andere Gläubiger der GmbH, dass er seine Forderung nicht betreiben werde. Neben diesen beiden Verbindlichkeiten bestanden zum keinen nennenswerten Verbindlichkeiten. In der Bilanz zum wurde kein nennenswertes Aktivvermögen mehr ausgewiesen, denen nunmehr allerdings neue Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern in Höhe von rund 190.000 € gegenüberstanden.

In den Anhängen zu den Bilanzen ab dem ist ausdrücklich ausgeführt: "Verbindlichkeiten bestehen nur noch gegenüber Gesellschaftern, die im Insolvenzfall als Eigenkapitalersatz zu werten sind."

Als die Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern in Höhe von rund 190.000 € im Jahr 2012 erstmals bilanziert wurden, übte die GmbH keinerlei Geschäftstätigkeit mehr aus und war vermögenslos. Zu diesem Zeitpunkt war bereits offenkundig, dass die GmbH nicht mehr in der Lage sein würde, eine derartige Verbindlichkeit zu erfüllen. Kein fremder Dritter hätte der GmbH folglich zu diesem Zeitpunkt ein Darlehen in dieser Höhe gewährt. Die Einstellung der - unternehmensrechtlich als Eigenkapitalersatz zu wertenden - Verbindlichkeit verfolgte offenbar den Zweck, die Gesellschaft vor dem Konkurs zu bewahren.

Es konnte nicht festgestellt werden, ob der damalige Gesellschafter ***Mantel-Gründer*** im Jahr 2012 über die notwendigen Mittel verfügte, um der bfP ein Darlehen in Höhe von rund 190.000 € zu gewähren bzw. eine Einlage in dieser Höhe zu tätigen und ob in der Folge der Ausweis dieses Passivpostens in der Bilanz zu Unrecht erfolgte.

3. Beweiswürdigung

Die Feststellungen in Abschnitt 2.1. dieses Erkenntnisses ergeben sich widerspruchsfrei aus den Firmenbuchauszügen zu FN ***Bf-FN*** und FN ***Mantel-Ges3-FN*** sowie den angeführten im Firmenbuch hinterlegten Verträgen. Die Feststellungen in Abschnitt 2.2. dieses Erkenntnisses ergeben sich unmittelbar aus dem Veranlagungsakt der bfP, insbesondere aus den Körperschaftsteuerbescheiden der Vorjahre. Diese Sachverhaltselemente waren überdies während des gegenständlichen Verfahrens zu keinem Zeitpunkt strittig.

Die Feststellungen in Abschnitt 2.3. dieses Erkenntnisses zur Höhe und Art der in den Bilanzen ausgewiesenen Verbindlichkeiten ergeben sich widerspruchsfrei aus den beim Firmenbuch eingereichten Jahresabschlüssen der bfP samt Anhängen, insbesondere jenen für die Jahre 2010 bis 2014, in welche das erkennende Gericht amtswegig Einsicht genommen hat. Dass neben den beiden erwähnten Verbindlichkeiten (Bank und ein weiterer Gläubiger) zum keine nennenswerten Verbindlichkeiten bestanden, folgt daraus, dass diese beiden Verbindlichkeiten zusammen beinahe die in der Bilanz zum ausgewiesene Gesamtsumme von rund 206.000 € ergeben. Die Bankverbindlichkeit wurde dabei in der Steuererklärung für 2011 mit rund 115.000 € angegeben und die andere Verbindlichkeit als langfristige Verbindlichkeit in Höhe von rund 90.000 € in der Firmenbuchbilanz zum ausgewiesen.

Dass die bfP im Jahr 2012 keine Geschäftstätigkeit mehr ausgeübt und vermögenslos war, ist aus der Bilanz zum und den für dieses Jahr sowie die Vorjahre eingereichten Abgabenerklärungen klar ersichtlich und wird auch von der belangten Behörde nicht bestritten. Unter diesen Umständen muss nach der allgemeinen Lebenserfahrung für jeden klar gewesen sein, dass die bfP eine Verbindlichkeit in Höhe von 190.000 € nicht mehr erfüllen konnte. Daraus folgt ebenfalls nach der allgemeinen Lebenserfahrung, dass fremde Dritte der bfP unter diesen Umständen keinesfalls ein Darlehen in dieser Höhe gewährt hätten.

Da dem Gericht keine Unterlagen zur Vermögenssituation von ***Mantel-Gründer*** im Jahr 2012 (vor seinem Tod) zur Verfügung standen, seine Befragung nicht mehr möglich ist und - wie auch die belangte Behörde in der mündlichen Verhandlung einräumte - keine erfolgversprechenden Ermittlungsansätze ersichtlich sind, musste das Gericht diesbezüglich eine Negativfeststellung treffen.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Zum Vorliegen eines Mantelkaufs

§ 8 Abs. 4 Z 2 lit. c KStG 1988 idF BGBl. I 28/2017 normiert Folgendes:

"Der Verlustabzug steht ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zu, ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben ist (Mantelkauf). Dies gilt nicht, wenn diese Änderungen zum Zwecke der Sanierung des Steuerpflichtigen mit dem Ziel der Erhaltung eines wesentlichen Teiles betrieblicher Arbeitsplätze erfolgen. Verluste sind jedenfalls insoweit abzugsfähig, als infolge der Änderung der wirtschaftlichen Struktur bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Änderung stille Reserven steuerwirksam aufgedeckt werden."

Nach dem Gesetzeswortlaut liegt ein Mantelkauf vor, wenn folgende Tatbestandselemente kumulativ erfüllt sind:

  • Wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur

  • Wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Struktur

  • Wesentliche Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage

Da im Jahr 2014 innerhalb von weniger als zwei Monaten alle Geschäftsanteile sowie die Geschäftsführung auf den bis dahin nicht an der Gesellschaft beteiligten ***Mantel-Käufer*** übergegangen sind, sind diese Vorgänge jedenfalls insgesamt als wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur sowie der Gesellschafterstruktur anzusehen, was auch von der bfP nie bestritten wurde.

Eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Struktur setzt grundsätzlich einen Wechsel oder eine wesentliche Erweiterung des Unternehmensgegenstandes voraus (). Dieses Kriterium ist im vorliegenden Fall ebenfalls erfüllt. Dass die Gesellschaft im Zeitpunkt der Anteilsabtretung im Jahr 2014 im Wesentlichen vermögenslos war und sich daran auch nach der Abtretung nichts geändert hat, steht der Annahme einer wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Struktur nicht entgegen. Vielmehr soll gerade dieser Fall nach dem Willen des Gesetzgebers zum Ausschluss vom Verlustabzug führen (vgl. ErläutRV 622 BlgNR 17. GP 18, woraus hervorgeht, dass der Gesetzgeber den Verlustabzug in Fällen ausschließen möchte, in denen "sämtliche Gesellschafter einer vermögenslosen Gesellschaft wechselten und Name, Sitz, Zweck und Betriebsgegenstand geändert wurden").

Bestritten wurde von der bfP lediglich, dass die Anteilsabtretung im Jahr 2014 auf entgeltlicher Grundlage erfolgte. ***Mantel-Käufer*** übernahm im Zuge der Anteilsabtretungen einerseits die Verpflichtung zur Einzahlung der noch nicht geleisteten halben Stammeinlage von ***Mantel-Ges1*** und nahm den bisherigen Gesellschaftern auch eine wirtschaftliche Belastung ab, da durch die bloße Aufrechterhaltung einer vermögenslosen Gesellschaft jährlich Kosten für die Gesellschaft und in weiterer Folge auch für die Gesellschafter entstehen. Diese Anteilsabtretungen können daher insgesamt nicht als unentgeltlicher Vorgang angesehen werden (vgl. ).

Daher versagte die Abgabenbehörde den Verlustabzug betreffend die bis zum Jahr 2014 angefallenen Verluste in Höhe von 202.812,73 € zu Recht.

4.2. Zur strittigen Verbindlichkeit bzw. Einlage

Weder die unrichtige Bezeichnung als "Verbindlichkeit" in den Bilanzen ab 2012 noch die Bezeichnung des nunmehr strittigen Vorgangs im Jahr 2017 als "Nachlass" des Gesellschafters in der ursprünglichen Beschwerde ändern etwas daran, dass aufgrund des nach den Feststellungen eindeutig fremdunüblichen Charakters kein Darlehen, sondern allenfalls eine (verdeckte) Einlage der damaligen Gesellschafter vorliegen kann (vgl. ; , 2005/15/0073). Der Verzicht auf die Rückzahlung eines Darlehens, welches in Wahrheit verdecktes Eigenkapital darstellt, ist von § 8 Abs. 1 letzter Satz KStG 1988 nicht umfasst und daher steuerneutral (vgl. Achatz/Kirchmayr, KStG § 8 Tz 120 f; Bernhart/Guzy, SWK 2009, 465; UFS Graz , RV/0445-G/06).

Ginge man hingegen davon aus, dass ***Mantel-Gründer*** im Jahr 2012 überhaupt nicht mehr über die Mittel verfügt hätte, um der bfP ein Darlehen zu gewähren bzw. eine Einlage in diese zu tätigen, wäre der Ausweis der "Verbindlichkeit" gegenüber Gesellschaftern in der Bilanz in Höhe von rund 190.000 € im Jahr 2012 zu Unrecht erfolgt. Diesbezüglich läge grundsätzlich ein Anwendungsfall der Bilanzberichtigung gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 vor, zumal das streitgegenständliche Jahr den letzten noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum darstellt. Der Ansatz von Zu- oder Abschlägen liegt jedoch im Ermessen der Abgabenbehörde bzw. des Gerichts. In Anbetracht des Umstandes, dass bei ertragswirksamer Ausbuchung der bestehenden Verbindlichkeiten im Jahr 2012 eine Verrechnung mit Verlustvorträgen erfolgt wäre, die im streitgegenständlichen Jahr aufgrund des Mantelkaufs nicht mehr erfolgen kann, wäre im Rahmen der Ermessensübung vom Ansatz eines Zuschlages im Sinne des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 abzusehen, sodass sich in diesem Fall im streitgegenständlichen Jahr kein anderes steuerliches Ergebnis als im Falle der Behandlung als verdeckte Einlage ergeben würde.

Da die Beschwerde zuletzt auf diesen Punkt eingeschränkt wurde, war der (eingeschränkten) Beschwerde vollinhaltlich stattzugeben.

4.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall waren zunächst im Wege der freien Beweiswürdigung Tatfragen zu beurteilen, die einer Revision nicht zugänglich sind. In der rechtlichen Beurteilung weicht das Erkenntnis nicht von der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bzw. hinsichtlich des § 8 Abs. 1 KStG 1988 nicht vom klaren Wortlaut des Gesetzes ab, weshalb keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

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