Haftung gem. § 11 BAO
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7200001/2024-RS1 |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***R1***, die Richterin ***R2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***R3*** und ***R4*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, als Masseverwalter im Insolvenzverfahren des ***NN***, ***Adr1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zl. ***1***, betreffend Haftung gem. § 11 BAO zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
II. Die Haftungsinanspruchnahme wird von € 3.799.808,98 auf € 2.990.192,06 reduziert.
III. Die Berechnung ist dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bildet einen Bestandteil des Spruchs dieses Erkenntnisses.
IV. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
V. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom ***ttmmjj***, ***2***, wurde über das Vermögen des ***NN***, Inhaber der ***NN*** e.U., **Adr1**, das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet.
Zum Masseverwalter wurde Herr ***Bf***, Rechtsanwalt in ***Adr2***, bestimmt.
Mit den an Herrn ***Bf*** als Masseverwalter im Insolvenzverfahren der ***NN*** e.U., **Adr1** gerichteten Bescheiden I und II vom , Zl. ***3***, setzte das damalige Zollamt Wien, gemäß § 201 Abs. 2 Ziffer 3 BAO die Mineralölsteuerschuld für den Zeitraum bis in Höhe von € 92.764,75 sowie für den Zeitraum bis in der Höhe von € 1.470.770,73 fest.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom ***TTMMJJ***, ***4***, wurde ***NN*** schuldig gesprochen, unter anderem eine Verkürzung der Mineralölsteuer bewirkt und das Verbrechen des Abgabenbetruges begangen zu haben. Gegen dieses Urteil brachte ***NN*** die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein.
Der Oberste Gerichtshof wies diese Rechtsmittel mit Urteil vom ***TTMMJJJJ***, ***5***, zurück und bestätigte damit das angefochtene Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien.
Mit der unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Beschwerdevorentscheidung vom , ZI. ***6***, wies das Zollamt Österreich die Beschwerde vom gegen den o.a. Bescheid vom ab.
Mit dem an den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.), Herrn ***Bf*** als Masseverwalter im Insolvenzverfahren des ***NN*** gerichteten Bescheid vom , ZI. ***1***, nahm das Zollamt Österreich Herrn ***NN***, ***Adr.1***, aufgrund der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom ***TTMMJJ***, ***4***, am ***ttmmjjjj*** rechtskräftig gewordenen Verurteilung als Täter eines vorsätzlichen Finanzvergehens gemäß § 11 BAO als Haftungspflichtigen für die aushaftende Mineralölsteuer im Ausmaß von € 3.799.808,98 in Anspruch.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .
Das Zollamt Österreich wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***7***, als unbegründet ab.
Mit Schriftsatz vom stellte der Bf. daraufhin den Vorlageantrag.
Am fand in Wien die Sitzung des Senats statt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Laut dem o.a. Urteil vom ***TTMMJJ*** ist von folgendem Sachverhalt auszugehen (tlw. Auszug aus der Urteilsbegründung):
"Der Erstangeklagte als Geschäftsführer der Firma ***8*** sowie ***NN*** und der Drittangeklagte als Inhaber ihrer Einzelfirmen betrieben jeweils Tankstellen. Da sie billigen Dieseltreibstoff einerseits für die von ihnen betriebenen Tankstellen beziehen und andererseits am Markt preisgünstig anbieten wollten, beschlossen sie im Herbst 2012 gemeinsam mit dem Viertangeklagten, Fünftangeklagten und Sechstangeklagten, unversteuertes Mineralöl aus dem europäischen Ausland - unter Verletzung sämtlicher abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten - zu importieren und in Österreich als Diesel zu vertreiben.
Die Angeklagten gingen im jeweiligen Tatzeitraum stets arbeitsteilig und in verabredeter Verbindung vor. Sie bedienten sich in ihrer internen Kommunikation verschiedener Decknamen und wechselten regelmäßig ihre Mobiltelefone samt SIM-Karten gegen neue aus.
Der Zweck ihrer Tätigkeit war unter Benutzung falscher Beweismittel sowie unter Verwendung von Scheingeschäften und anderen Scheinhandlungen, eine bereits erfolgte Versteuerung des Mineralöls vorzutäuschen, um auf diesem Wege äußerst preiswerten "Dieseltreibstoff" beziehen und weiterverkaufen zu können."
2. Beweiswürdigung
Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in die vom Zollamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte.
Daraus ergibt sich der oben wiedergegebene Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Rechtslage:
Die entscheidungsmaßgeblichen Bestimmungen der Bundesabgabenordnung lauten auszugsweise:
Bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden haften rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.
(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.
…
(1)Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.
(2)Die Verjährung ist gehemmt, solange die Geltendmachung des Anspruches innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist wegen höherer Gewalt nicht möglich ist.
(3)Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe verjährt spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§4). In den Fällen eines Erwerbes von Todes wegen oder einer Zweckzuwendung von Todes wegen verjährt das Recht auf Festsetzung der Erbschafts- und Schenkungssteuer jedoch spätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der Anzeige.
…
(1)Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
(2)Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.
(3)Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs.1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.
(1) Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. § 209a gilt sinngemäß.
(2) Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
…
Erwägungen:
Der Bf. meint, das Zollamt habe den Bescheid an den Haftungspflichtigen, also an Herrn ***NN***, richten müssen. Außerdem bemängelt er, dass seiner Ansicht nach kein Abgabenbescheid erlassen wurde. Darüber hinaus liege kein schuldhaftes Verhalten des Schuldners vor und es sei Einhebungsverjährung eingetreten. Schließlich seien die Abgaben als Insolvenzforderungen einzustufen.
Zum Bescheidadressat:
Der Bf. geht in seiner Beschwerdeschrift von der unwirksamen Zustellung des angefochtenen Haftungsbescheids aus. Der Bescheid sei ihm als Masseverwalter des Haftungspflichtigen zugestellt worden. Eine Zustellung an den haftungspflichtigen Schuldner sei nicht erfolgt. Der Haftungsbescheid sei auch nicht "auf den Schuldner direkt ausgestellt" worden. Der Bf. sei zwar als gesetzlicher Vertreter des Haftungspflichtigen gem. § 80 Abs. 2 BAO anzusehen, jedoch entfalte der beschwerdegegenständliche Haftungsbescheid keine Wirkungen ihm gegenüber und begründe auch keine persönliche Haftung des Bf., sodass als Adressat des Haftungsbescheids der Haftungspflichtige selbst angeführt hätte werden müssen.
Diesem Einwand kann aufgrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs betreffend den Bescheidadressat im Konkursverfahren nicht gefolgt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa in seinem Erkenntnis vom folgenden Rechtssatz gebildet ():
"Durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Steuerpflichtigen wird das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen (vgl § 1 Abs 1 KO). Der Masseverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners iSd § 80 BAO (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 95/14/0099, und vom , 2002/14/0053). Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Die Abgaben sind daher nach der hg. Rechtsprechung während des Konkursverfahrens gegenüber dem Masseverwalter, der insofern den Gemeinschuldner repräsentiert, festzusetzen (vgl. die hg. Beschlüsse vom , 2003/15/0061, vom , 2006/15/0087, und vom , 2003/17/0339). Während des Konkursverfahrens dürfen somit weder Abgabenbescheide noch Haftungsbescheide, mit welchen der Gemeinschuldner zur Haftung (hier für Lohnsteuer) herangezogen werden soll, an den Gemeinschuldner gerichtet werden. Eine nach Konkurseröffnung an den Gemeinschuldner gerichtete Erledigung geht ins Leere; sie entfaltet weder eine Wirkung für den Gemeinschuldner noch für den Masseverwalter. Dies gilt in gleicher Weise für Haftungsbescheide, mit welchen ein Gemeinschuldner zur Haftung für Abgaben herangezogen werden soll (vgl den hg Beschluss vom , 2007/13/0070)."
Damit hat das Zollamt der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprochen, wonach ein nach Insolvenzeröffnung ergehender Bescheid nicht an den Schuldner, sondern an den im Insolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwalter zu richten ist (siehe auch ).
Dass der Bf. mit dem angefochtenen Bescheid persönlich zur Haftung herangezogen worden wäre, trifft nicht zu ().
Zu den Voraussetzungen zur Erlassung eines Haftungsbescheids gem. § 11 BAO:
Der Bf. trägt vor, ein Bescheid über den Abgabenanspruch iHv € 3.799.808,98 sei ihm nicht (explizit) bekannt. Gehe der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so werde die Abgabenschuld dem Haftungspflichtigen gegenüber noch nicht geltend gemacht. Ob ein Abgabenanspruch überhaupt gegeben ist, sei in diesem Fall als Vorfrage (§ 116 BAO) im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) müsse der Beschwerdeführer, wenn ein solcher Abgabenbescheid nicht erlassen worden sei, den er später nach § 248 BAO hätte bekämpfen hätte können, die Höhe des Abgabenanspruches im Haftungsverfahren anfechten können. Gegenständlich sei - soweit ersichtlich - keine bescheidmäßige Festsetzung hinsichtlich der Höhe der Abgabenschulden erfolgt.
Solange nicht bescheidmäßig feststehe, ob bzw. in welcher Höhe die Abgabenschuld gegeben ist, sei die Haftung des Schuldners nicht begründet und der Haftungsbescheid aufzuheben.
Dem ist zu entgegnen, dass die Haftung des § 11 BAO einzig eine rechtskräftige Verurteilung im finanzbehördlichen bzw. gerichtlichen Finanzstrafverfahren voraussetzt (). Damit kommt der im Schrifttum als "Schadenersatzhaftung" bezeichnete Grundgedanke des § 11 BAO zum Ausdruck: Wer sich allein oder im Bunde mit anderen in irgendeiner Form zu einer widerrechtlichen Handlung versteht, hat auch grundsätzlich für die vermögensrechtlichen Folgen seines Handelns einzustehen (Kopecky, Die Haftung im österreichischen Steuerrecht, Wien 1971, 60).
Die Erlassung eines Abgabenbescheides ist hingegen nicht Tatbestandsmerkmal. Selbst Personen, die nicht mittels Abgabenbescheid in Anspruch genommen werden dürfen, kommen aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung als haftende Gesamtschuldner in Betracht (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 11 Rz 5).
Wie bereits oben festgestellt, wurde Herr ***NN*** schuldig gesprochen, unter anderem eine Verkürzung der Mineralölsteuer bewirkt und das Verbrechen des Abgabenbetruges begangen zu haben.
Nach ständiger Rechtsprechung entfaltet ein Urteil des Strafgerichts Bindungswirkung für den Haftungsbescheid gemäß § 11 BAO (vgl etwa ; ; ). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die festgestellten Tatsachen sowie die im Urteil/in der verwaltungsbehördlichen Entscheidung angeführten Beträge, Abgabenarten und Jahre (vgl Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BA03, § 11 Rz 7).
Der Bf. kann aufgrund dieser Bindungswirkung auch mit seinem Einwand, Herrn ***NN*** sei kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen, nicht durchdringen.
Zur Verjährungsproblematik
Herrn ***NN*** hat laut o.a. Urteil vom ***TTMMJJ*** im Zeitraum bis (Schuldspruch l./l./l./) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit ***9***, ***10***, ***11***, ***12***, ***13*** und ***14*** dadurch, dass er vorsätzlich unter Verletzung seiner abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht unversteuertes Mineralöl des Typs "***15***" von Polen und der Slowakei in das österreichische Steuergebiet einführte bzw. verbrachte und verbringen ließ, und er es in der Folge unterließ, ordnungsgemäße Anzeige iSd § 23 Abs. 5 MinStG zu erstatten, unter Benutzung falscher Beweismittel sowie unter Verwendung von Scheingeschäften und anderen Scheinhandlungen, die eine bereits erfolgte Versteuerung des Mineralöl vortäuschen sollten, bei 324 Importvorgängen mit insgesamt 8.940.727 Liter Mineralöl, die dafür angefallene Mineralölsteuer iHv € 3.799.808,98 vorsätzlich verkürzt, somit hinterzogen.
Daraus folgt, dass der Abgabenanspruch teilweise im Jahr 2012 und teilweise im Jahr 2013 entstanden ist.
Die Inanspruchnahme als Haftender gem. § 11 BAO stellt eine Einhebungsmaßnahme dar. Das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt gem. § 238 Abs. 1 BAO binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.
Die Festsetzungsverjährung beträgt bei hinterzogenen Abgaben gem. § 207 Abs. 2 BAO zehn Jahre.
***NN*** wurde mit dem o.a. Urteil des Abgabenbetrugs gem. §§ 33 Abs. 1, 39 Abs. 1 lit a und b und Abs. 3 lit c erster Satz FinStrG für schuldig gesprochen. Somit liegen hinterzogene Abgaben vor und es ist die zehnjährige Festsetzungsverjährungsfrist anzuwenden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass das Recht auf Festsetzung gem. § 209 Abs. 3 BAO zehn Jahre nach Entstehen des Abgabenanspruchs verjährt (absolute Verjährung). Es ist allerdings zu beachten, dass die BAO im Bereich der Einhebung (im Gegensatz zum eben angesprochenen Bereich der Festsetzung) eine "absolute" - also unabhängig von allfälligen Unterbrechungshandlungen eintretende - Verjährung nicht kennt ().
Für die in den Jahren 2012 und 2013 entstandene, fällig gewordene und hinterzogene Mineralölsteuer ergibt sich daraus, dass das Recht zur Abgabenfestsetzung gem. §§ 207 Abs. 2 und 208 Abs. 1 lit. a BAO zehn Jahre nach Entstehen des jeweiligen Abgabenanspruchs im Laufe des Jahres 2022 bzw. 2023 gem. § 209 Abs. 3 BAO verjährt wäre.
Nach der Aktenlage ergingen seitens des Zollamtes hinsichtlich der in Rede stehenden Abgaben innerhalb der erwähnten zehnjährigen Frist folgende Abgabenbescheide an die diversen Hauptschuldner (darunter auch ***NN***):
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Bescheid | Datum | Mineralölsteuer in € |
***3*** Bescheid I | 92.764,75 | |
***3*** Bescheid II | 1.470.770,73 | |
***16*** Bescheid I | 6.958,95 | |
***16*** Bescheid II | 653.603,68 | |
***17*** Bescheid I | 66.475,95 | |
***17*** Bescheid II | 699.618,00 | |
Summe | 2.990.192,06 |
Diese Bescheide stellen zweifellos eine die Verjährung fälliger Abgaben unterbrechende zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung iSd § 238 Abs. 2 BAO dar. Die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist. Da sie jedoch keinesfalls früher endet, als das Recht zur Festsetzung der Abgabe, begann sie durch die Unterbrechungshandlung mit Ablauf des Jahres 2019 neu zu laufen. Der im Jahr 2023 erlassene Haftungsbescheid erging somit innerhalb der zu beachtenden Frist.
Dass die in der vorstehenden Tabelle genannten Bescheide zum Teil an Mittäter des ***NN*** ergingen, schadet nicht. Denn nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung wirken Unterbrechungshandlungen anspruchsbezogen. Sie unterbrechen somit die Verjährung gegenüber jedem, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, ohne dass es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen richten, somit auch gegenüber einem allfälligen Haftungspflichtigen ().
Damit steht fest, dass der angefochtene Haftungsbescheid vom hinsichtlich der in den Jahren 2012 und 2013 entstandenen und bereits vor dem Jahr 2023 festgesetzten Abgaben innerhalb der für die Einhebung maßgeblichen Verjährungsfrist des § 238 BAO erging.
Das eben Gesagte gilt jedoch nicht hinsichtlich jener Abgaben in der Gesamthöhe von € 809.616,92 laut nachstehender Gegenüberstellung, für die bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Denn gem. § 224 Abs. 3 BAO ist die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruchs anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheids gemäß § 224 Abs. 1 BAO nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.
Da § 224 Abs. 3 und § 238 Abs. 1 BAO eine Abhängigkeit der Einhebungsverjährung vom Eintritt der Festsetzungsverjährung (§ 207 BAO) normieren, kommt der Festsetzungsverjährung auch in Bezug auf die Einhebungsverjährung Bedeutung zu ().
Für Abgabenansprüche in der Höhe von € 809.616,92 trat somit Festsetzungsverjährung ein, weil innerhalb der zehnjährigen Frist des § 209 Abs. 3 BAO kein Abgabenbescheid des Zollamts erging. Der angefochtene Haftungsbescheid war daher dahingehend abzuändern, dass die Haftungsinanspruchnahme von € 3.799.808,98 auf € 2.990.192,06 reduziert wird.
Gegenüberstellung
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Haftungsinanspruchnahme laut angefochtenen Bescheid | 3.799.808,98 |
Höhe der davon bereits festgesetzten Abgaben | 2.990.192,06 |
Höhe der gem. § 207 BAO bereits verjährten Abgabenansprüche | 809.616,92 |
Zur Frage des Ausschlusses gem. § 58 Insolvenzordnung:
Der Bf. weist darauf hin, dass die Abgabenschuldigkeiten laut Bescheid im Zeitraum 2012 bis 2013 entstanden seien. Die sachverhaltsbegründenden Handlungen seien somit vor Konkurseröffnung gesetzt worden. Die daraus abgeleiteten Abgabenschulden - sollten diese zu Recht bestehen - seien daher als Insolvenzforderungen einzustufen.
Sollte der im anfechtungsgegenständlichen Bescheid angeführte Betrag iHv € 3.799.808,98 auch eine Geldstrafe enthalten, wird auf § 58 IO verwiesen, wonach Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art keine Insolvenzforderungen sind, sondern zu den ausgeschlossenen Ansprüchen gehören.
Mit diesem Argument kann der Bf. schon deshalb nichts gewinnen, weil es sich beim angeführten Betrag von € 3.799.808,98 ausschließlich um Abgaben (konkret um Mineralölsteuer) und nicht um Geldstrafen iSd § 58 Z 2 IO handelt. Dies geht unmissverständlich aus dem Spruch des angefochtenen Haftungsbescheids hervor. Dort werden die angesprochenen Abgaben ausdrücklich als "Abgabenschulden" und als "Mineralölsteuer" bezeichnet. Auch im Spruch des o.a. Strafurteils wird festgestellt, dass es zur Verkürzung der Mineralölsteuer im erwähnten Ausmaß gekommen ist. Bei dem erwähnten Betrag von € 3.799.808,98 handelt es sich somit ohne jeden Zweifel um keine Geldstrafe iSd § 58 IO.
Zur Ermessensübung:
Im Rahmen der Ermessensübung ist dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung (Zweckmäßigkeitserwägung) gegenüber dem Interesse des ***NN***, nicht zur Haftung in Anspruch genommen zu werden (Billigkeitserwägung) der Vorzug zu geben. ***NN*** ist sowohl Primärschuldner des größten Teiles der Abgabenschuld als auch rechtskräftig Verurteilter bei dem begangenen Abgabenbetrug, wobei die anderen Mittäter ebenfalls zur Haftung herangezogen worden sind.
Substantiierte Einwendungen gegen das Ergebnis der Ermessensübung trug der Bf. nicht vor. Unter Bedachtnahme auf die eben erwähnten Zweckmäßigkeitserwägungen stand somit der Geltendmachung der Haftung im nun feststehenden Ausmaß nichts entgegen.
Aus all diesen Gründen war daher wie im Spruch zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 201 Abs. 2 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 1 Abs. 1 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 224 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 58 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 58 Z 2 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 116 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7200001.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at