Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.07.2024, RV/5100010/2024

Rückforderung einer Ausgleichszahlung aufgrund der Gewährung einer gleichartigen Familienleistung im Wohnortstaat

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, Tschechien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff: ***OB***, betreffend Rückforderung einer Ausgleichszahlung gemäß Verordnung (EG) 883/2004 (DZ) für das Kind ***K.***, geb. ***GebDat***, für den Zeitraum August 2022 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid vom forderte das Finanzamt unter Verweis auf die Bestimmung des § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) eine Ausgleichszahlung gemäß Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (Differenzzahlung in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen der höheren österreichischen und der tschechischen Familienleistung) in der Höhe von 156,43 Euro, welche die Beschwerdeführerin (Bf.) für ihren Sohn ***K.*** im Zeitraum August 2022 bezogen hatte, zurück.
Dies mit der Begründung, dass der Betrag der österreichischen Ausgleichszahlung auf Grund der Änderung der anzurechnenden ausländischen Familienleistung neu berechnet worden sei.
Aufgrund der Rückmeldung der tschechischen Behörde Urad Prace bestehe ab 7/2022 kein Anspruch auf tschechische Familienleistungen, da die Einkommensgrenze überschritten worden sei. Daher sei eine Nachzahlung der bisher gekürzten Monatsbeträge erfolgt. Allerdings bestehe in Tschechien ein Anspruch auf die einmalige pauschale Kinderzulage von 5.000 CZK im Monat August 2022. Diese Kinderzulage kürze daher die österreichische Familienleistung.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom .
Die Bf. bringt darin im Wesentlichen vor, dass es sich bei der im August 2022 ausbezahlten einmaligen pauschalen Kinderzulage zwar um eine Familienleistung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 handle, jedoch sei diese ähnlich wie das tschechische Kinderbetreuungsgeld mit der österreichischen Familienbeihilfe nicht vergleichbar und daher nicht auf die österreichische Familienbeihilfe anzurechnen. Es seien die einzelnen Familienleistungen zu unterscheiden und nur konkret ähnliche Leistungen zu vergleichen. Eine tschechische Kinderzulage entspreche keinesfalls der österreichischen Familienbeihilfe, möge sie auch als Familienleistung bezeichnet werden. Die Bf. beantrage daher die Aufhebung des gegenständlichen Bescheides.

Das Finanzamt wies in der Folge die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Zur Begründung führte die Behörde Folgendes an:
Die Bf. lebe mit ihrem Kind, ***K.*** (geb. ***GebDat***) gemeinsam an der Adresse ***Adr.***. Im Jahr 2022 sei der Kindesvater in Tschechien selbständig erwerbstätig und sie in Österreich nichtselbständig erwerbstätig gewesen. Im August 2022 sei der Bf. die einmalige tschechische Kinderzulage für ihr Kind in Höhe von 5.000,00 CZK in Tschechien ausbezahlt worden.
Aufgrund des grenzüberschreitenden Sachverhalts sei im Beschwerdezeitraum die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) maßgebend.
Gemäß Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe j der VO (EG) 883/2004 gelte diese für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, welche Familienleistungen betreffen.
Familien in der Tschechischen Republik mit einem Haushaltseinkommen unter 1.000.000,00 CZK brutto, würden einen einmaligen Zuschuss von 5.000,00 CZK pro Kind unter 18 Jahre erhalten. Diese Familienbeihilfeleistung gebühre für Kinder, die zwischen und geboren worden seien. Diese Leistung sei als Familienleistung im Sinne der VO (EG) 883/2004 zu qualifizieren. Bei nachrangiger Zuständigkeit Österreichs sei diese Leistung daher auf die Ausgleichszahlung anzurechnen.
Für die Familienleistung vorrangig zuständig sei der Beschäftigungsstaat. Seien beide Eltern beschäftigt, richte sich die vorrangige Zuständigkeit nach dem Wohnort des Kindes.
Gemäß Artikel 68 Abs. 1 Buchstabe b VO (EG) 883/2004 sei daher Tschechien vorrangig für die Familienleistung zuständig.
Aufgrund der Beschäftigung der Bf. in Österreich, habe Österreich gemäß Artikel 68 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 als nachrangig zuständiger Staat Familienleistungen zu leisten, auf welche die tschechischen Familienleistungen iSd VO (EG) 883/2004 anzurechnen seien. Daher sei die österreichische Familienleistung einmalig um 5.000,00 CZK im Monat August 2022 gekürzt und mit Bescheid vom zurückgefordert worden.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Im Vorlageantrag brachte die Bf. sinngemäß vor, sie teile die Ansicht der Behörde, dass es sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt, welcher in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit falle, handle. Durch die Verordnung werde eine Mehrzahl von Familienleistungen geregelt bzw. koordiniert, die jedoch dem Grunde und dem Zweck nach nicht vermischt werden dürften und mit unrichtigen nationalen, in Beschwerdefall österreichischen Familienleistungen verglichen werden dürften.
Beim einmaligen Zuschuss vom 5.000,00 CZK pro Kind handle es sich entgegen der Bezeichnung des Finanzamtes um keine Familienbeihilfeleistung. Dieser einmalige Zuschuss sei im Gegensatz zur österreichischen Familienbeihilfe keine universale Leistung für Familien. Die tschechische Behörde habe entgegen der Ansicht des Finanzamtes nicht auf Kriterien gesetzt, welche bei der österreichischen Familienbeihilfe zu beurteilen seien, insbesondere sei die oben genannte Verordnung durch die tschechischen Behörden so ausgelegt worden, dass gerade keine ausländische Leistung anzurechnen sei. Insbesondere sei die im August 2022 ausbezahlte Sonderleistung an österreichischer Familienbeihilfe in Tschechien nicht in Abzug gebracht worden. Aus europarechtlicher Sicht weiche die Ansicht des österreichischen Finanzamtes von der Ansicht jenes Staates, der die Rechtsgrundlagen für den konkreten Zuschuss erlassen habe und der somit unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien die unionskonforme Auslegung seines Rechtsaktes bestimmen müsse, ab.
Nach Ansicht der Bf. handle es sich zwar um eine Familienleistung, diese entspreche aber nach dem Willen des Gesetzgebers nicht der österreichischen Familienbeihilfe, weil auch Familien, welche keinen Anspruch auf tschechische Familienbeihilfe haben würden, den gegenständlichen Zuschuss in der Höhe von 5.000,00 CZK erhalten würden.
Es werde auf die Rechtslage im Zusammenhang mit dem tschechischen Kinderbetreuungsgeld hingewiesen, welches auch nicht auf die österreichische Familienbeihilfe angerechnet werde, sondern eindeutig auf das österreichische Kinderbetreuungsgeld; dies ebenfalls im Anwendungsbereich der oben zitierten Verordnung.
Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ermächtig einen Mitgliedstaat nicht dazu, durch ein "Pick-and-choose-Prinzip" unvergleichbare Leistungen unter Berufung auf Familienleistungen in Abzug zu bringen.
Aus all den oben genannten Gründen sehe die Bf. den Abzug der tschechischen Leistung als nicht berechtigt an und beantrage daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Das Finanzamt legte die Beschwerde mitsamt den Verfahrensakten mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf.), der Kindesvater und das im angefochtenen Bescheid genannte Kind sind tschechische Staatsbürger, deren Familienwohnsitz in der Tschechischen Republik liegt. Aufgrund ihrer nichtselbständigen Beschäftigung in Österreich bezog die Bf. für den Zeitraum August 2022 eine Ausgleichszahlung gemäß Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (Differenzzahlung in Höhe der Differenz der österreichischen Familienbeihilfe inklusive Kinderabsetzbetrag zur ausländischen Familienleistung) für ihr minderjähriges Kind im Ausmaß von 314,62 Euro (Familienbeihilfe: 256,22 Euro; Kinderabsetzbetrag: 58,40 Euro).
Im August 2022 wurde der Bf. zudem in der Tschechischen Republik auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 196/2022 Sb. über einen einmaligen Kindergeld-Zuschuss ein Betrag in der Höhe von 5.000,00 CZK gewährt und ausbezahlt.
Aufgrund der genannten gesetzlichen Regelung erhalten Familien in der Tschechischen Republik mit einem Haushaltseinkommen im Jahr 2021 unter 1.000.000 CZK brutto einen einmaligen Zuschuss von 5.000 CZK pro Kind unter 18 Jahre.

2. Beweiswürdigung

Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten und ist unstrittig.

3. Rechtslage

Gemäß § 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) werden zur Herbeiführung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie die nach diesem Bundesgesetz vorgesehenen Leistungen gewährt.

Nach § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist (§ 2 Abs. 2 FLAG 1967).

Gemäß § 4 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Gleiches gilt für zu Unrecht bezogene und gemeinsam mit der Familienbeihilfeausbezahlte Kinderabsetzbeträge (§ 33 Abs. 3 EStG 1988 i.V.m. § 26 FLAG 1967).

Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten (§ 53 Abs. 1 FLAG 1967).

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166, S. 1, im Folgenden Verordnung (EG) Nr. 883/2004) lauten auszugsweise:

"Artikel 1
Definitionen
Für Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
...
i) "Familienangehöriger":
1.
i) jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird;

j) "Wohnort" den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person;

z) "Familienleistungen" alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I."

"Artikel 2
Persönlicher Geltungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen."

"Artikel 3
Sachlicher Geltungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

j) Familienleistungen.

(5) Diese Verordnung gilt nicht für
a) soziale und medizinische Fürsorge oder
…"

"Artikel 4
Gleichbehandlung
Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates."

"Artikel 5
Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen
Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:

a) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit oder sonstiger Einkünfte bestimmte Rechtswirkungen, so sind die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen oder bei Bezug von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünften anwendbar.

b) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären."

"Artikel 10
Verbot des Zusammentreffens von Leistungen
"Sofern nichts anderes bestimmt ist, wird aufgrund dieser Verordnung ein Anspruch auf mehrere Leistungen gleicher Art aus derselben Pflichtversicherungszeit weder erworben noch aufrechterhalten."

"Artikel 67
Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen
Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats."

"Artikel 68
Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen
(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüberhinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

Rechtsgrundlage für die Gewährung und Auszahlung des einmaligen Kindergeld-Zuschusses in der Höhe von 5.000,00 CZK in der Tschechischen Republik ist das am in Kraft getretene Gesetz Nr. 196-2022 Sb.
In § 1 heißt es (übersetzt mit google translate):

"§ 1 Einleitende Bestimmungen

Der Staat gewährt einen einmaligen Zuschuss pro Kind (nachstehend "Zuschuss" genannt) als finanzielle Unterstützung für den Unterhalt und andere persönliche Ausgaben. Die Kosten der Zulage, einschließlich der mit ihrer Auszahlung verbundenen Kosten, werden aus dem Staatshaushalt bestritten."

4. Rechtliche Beurteilung

Ab Mai 2010 gilt die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 mit der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Die Bf. war im hier maßgeblichen Zeitraum in Österreich nichtselbständig erwerbstätig. Der Wohnort der Bf., des Kindesvaters und des haushaltszugehörigen Kindes lag in der Tschechischen Republik.
Die genannten Personen sind Staatsbürger der Tschechischen Republik und sind daher vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 umfasst. Familienleistungen fallen nach Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe j in den sachlichen Geltungsbereich der genannten Verordnung.

Es liegt somit ein Sachverhalt vor, der sowohl die Tschechische Republik als auch Österreich als Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrifft, sodass neben dem jeweiligen innerstaatlichen Recht auch die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und (EG) Nr. 987/2009 beachten sind.

Eine Arbeitnehmerin, die in einem Mitgliedstaat arbeitet und deren Familie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats lebt, fällt unter Art. 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004.

Art. 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 legt den Grundsatz fest, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen für Familienangehörige, die in einem anderen als dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnen, erheben kann, als ob sie in dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen würden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) soll diese Vorschrift den Wandererwerbstätigen erleichtern, Familienbeihilfen in dem Mitgliedstaat, in dem sie beschäftigt sind, zu erlangen, wenn ihre Familie ihnen nicht in diesen Staat gefolgt ist (vgl. , Moser, Rn. 36 mwN).

Dieser Grundsatz der Gleichstellung ist jedoch insofern kein absoluter, als die Antikumulierungsvorschriften des Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Anwendung finden müssen, wenn mehrere Ansprüche auf der Grundlage unterschiedlicher Rechtsordnungen geschuldet werden (vgl. , DN, Rn. 33, mwN).

Wie sich aus dem 35. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ergibt, dienen diese Antikumulierungsvorschriften der Vermeidung ungerechtfertigter Doppelleistungen für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen auf Familienleistungen.

So legt Art. 68 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 die Prioritätsregeln für den Fall fest, dass Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren sind. Nach Art. 68 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 werden bei Zusammentreffen von Ansprüchen die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 dieses Artikels Vorrang haben, und Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen Rechtsvorschriften bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüberhinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren.

Im gegenständlichen Fall bestreitet auch die Bf. nicht, dass nach den Prioritätsregeln des Art. 68 Abs. 1 Buchstabe b Ziff. i der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 die Tschechische Republik vorrangig zur Auszahlung der Familienleistungen zuständig ist.
Aufgrund der Beschäftigung der Bf. in Österreich, ist Österreich gemäß Artikel 68 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 als nachrangig zuständiger Staat zu einer Differenzzahlung in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen der (höheren) österreichischen und der tschechischen Familienleistung verpflichtet.

Die Bf. bringt im Vorlageantrag vor, dass es sich bei dem im August 2022 zur Auszahlung gelangten einmaligen Kindergeld-Zuschuss zwar um eine Familienleistung, nicht aber um eine mit der österreichischen Familienbeihilfe gegenzurechnende gleichartige Familienleistung handle.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH hängt die Unterscheidung zwischen Leistungen, die vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 erfasst sind, und solchen, die von ihm ausgeschlossen sind, im Wesentlichen von den grundlegenden Merkmalen der jeweiligen Leistung ab, insbesondere von ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung, nicht dagegen davon, ob eine Leistung von den nationalen Rechtsvorschriften als eine Leistung der sozialen Sicherheit eingestuft wird (, Dreyer, Rn. 31).

Somit kann eine Leistung als Leistung der sozialen Sicherheit betrachtet werden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich wenn sie zum einen den Begünstigten ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürfnisse aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt wird und sie sich zum anderen auf eines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht ( Dreyer, Rs. C-372/18, Rn. 32). Angesichts des kumulativen Charakters dieser beiden Voraussetzungen fällt eine Leistung nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung, wenn eine der beiden Voraussetzungen nicht erfüllt ist (, Rn. 33).

Die erste der genannten Voraussetzungen ist erfüllt, wenn eine Leistung nach objektiven Kriterien gewährt wird, deren Vorliegen den Anspruch auf diese Leistung begründet, ohne dass die zuständige Behörde sonstige persönliche Verhältnisse berücksichtigen darf. Insoweit hat der EuGH zu Leistungen, die gewährt oder verweigert werden oder deren Betrag unter Berücksichtigung der Höhe der Einkünfte des Empfängers berechnet wird, entschieden, dass die Gewährung dieser Leistungen nicht von der individuellen Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit des Antragstellers abhängt, wenn es sich um ein objektives und gesetzlich festgelegtes Kriterium handelt, dessen Vorliegen den Anspruch auf diese Leistung eröffnet, ohne dass die zuständige Behörde sonstige persönliche Verhältnisse berücksichtigen kann (, Dreyer, Rn. 33 u. 34).

Zur Beurteilung einer bestimmten Leistung als Familienleistung nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ist die Definition des Art. 1 Buchst. z dieser Verordnung maßgeblich, wonach der Ausdruck "Familienleistungen" alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I dieser Verordnung, bezeichnet.

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind zwei Voraussetzungen für das Vorliegen einer Familienleistung erforderlich: Die Leistung muss zum Ausgleich von Familienlasten gezahlt werden und sie muss ohne Ermessen aufgrund objektiver Voraussetzungen gewährt werden ( verb. Rs. C-245/94 und C-312/94, Hoever und Zachow, Rn. 27).
Der Ausdruck "Ausgleich von Familienlasten" ist dahin auszulegen, dass er u.a. einen staatlichen Beitrag zum Familienbudget erfassen soll, der die Kosten für den Unterhalt von Kindern verringert (vgl. und C-217/12, Hliddal und Bornand, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Der in der Tschechischen Republik ausbezahlte einmalige Kindergeld-Zuschuss wird gewährt, wenn die im Gesetz Nr. 196/2022 Sb. vorgesehenen Anspruchsvoraussetzungen (§ 2) erfüllt sind. Diese Leistung wird sohin aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands unabhängig von einer im Ermessen liegenden individuellen Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit des Antragstellers gewährt. Der Kinderzuschuss besteht in einem Geldbetrag, der den Begünstigten einmalig ausgezahlt wird und der dem Ausgleich von Familienlasten dient. Der Zuschuss wird nur gezahlt, wenn zur Familie eines oder mehrere Kinder gehören. Zudem hängt seine Höhe vom Alter (18 Jahre) und von der Zahl der Kinder (pro Kind) sowie vom Einkommen der Eltern ab. Es handelt sich um eine Geldleistung, die dazu bestimmt ist, im Wege eines staatlichen Beitrags zum Familienbudget die Kosten für den Unterhalt von Kindern zu verringern (vgl. §1 des Gesetzes Nr. 196-2022 Sb.).
Auch nach dem Erläuternden Bericht vom zum Gesetzentwurf zum einmaligen Kindergeld-Zuschuss, A. Allgemeiner Teil, (Quelle: https://www.zakonyprolidi.cz/media2/file/2206/File52283.pdf?attachment-filename=duvodova-zprava-sbcr-2022c090z0196-20220601.pdf) erfülle der einmalige Beitrag die Merkmale einer Familienleistung im Sinne der Verordnung Nr. (EG) Nr. 883/2004.

Es liegt daher eine Leistung der sozialen Sicherheit vor, die unter "Familienleistungen" gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchstabe j der Verordnung Nr. 883/2004 fällt.

Die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag sind unstreitig ebenfalls Familienleistungen im Sinne von Art. 1 Buchst. z der Verordnung Nr. 883/2004 (, Vertragsverletzungsklage Europäische Kommission gegen Republik Österreich, Rn. 42).

Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen allerdings bei der Berechnung der Ausgleichszahlung nicht sämtliche nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats gezahlten Familienleistungen als gleichartige Familienleistungen berücksichtigt werden (, Wiering).

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind Leistungen der sozialen Sicherheit als Leistungen gleicher Art zu betrachten, wenn ihr Sinn und Zweck sowie ihre Berechnungsgrundlage und die Voraussetzungen für ihre Gewährung identisch sind. Dagegen sind lediglich formale Merkmale nicht als wesentliche Tatbestandsmerkmale für die Einstufung der Leistungen anzusehen (vgl. , Schmidt, Rn. 27; , De Cuyper, Rn. 25).
Der Gerichtshof hat allerdings klargestellt, dass die Forderung, dass die Berechnungsgrundlagen und die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung völlig gleich sein müssten, angesichts der zahlreichen Unterschiede zwischen den nationalen Systemen der sozialen Sicherheit dazu führen würde, dass die Anwendung der Antikumulierungsvorschriften erheblich eingeschränkt würde. Dies widerspräche dem Sinn dieser Vorschriften, nicht gerechtfertigte Kumulierungen von Sozialleistungen zu verhindern (vgl. , Knoch, Rn. 42).

Nach § 1 FLAG 1967 werden zur Herbeiführung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie die nach diesem Bundesgesetz vorgesehenen Leistungen gewährt.
Die Familienbeihilfe beinhaltet sowohl eine Art sozialer Förderung bzw. Betreuungshilfe, will aber auch die Lasten des Geldunterhalts abgelten. Sie soll grundsätzlich jenem Haushalt zukommen, in dem das Kind betreut wird, und hat die Funktion einer Abgeltung der steuerlichen Mehrbelastung von Unterhaltsverpflichteten zu übernehmen. Der Staat verfolgt mit ihr einen doppelten Zweck: Den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten (Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG2, § 1 Rz 303 mit Hinweisen auf die Judikatur).

Gemäß § 1 des Gesetzes Nr. 196-2022 Sb. über den einmaligen Kindergeld-Zuschuss in der Tschechischen Republik gewährt der Staat einen einmaligen Zuschuss pro Kind als finanzielle Unterstützung für den Unterhalt und andere persönliche Ausgaben.
§ 2 regelt die Anspruchsvoraussetzungen.
Nach dem Erläuternden Bericht vom zum Gesetzentwurf zum einmaligen Kindergeld-Zuschuss, B. Besonderer Teil, zu § 1, (Quelle: https://www.zakonyprolidi.cz/media2/file/2206/File52283.pdf?attachment-filename=duvodova-zprava-sbcr-2022c090z0196-20220601.pdf) sehe die gesetzliche Regelung vor, dass ein einmaliger Kinderzuschuss gewährt werde, um die Auswirkungen der steigenden Preise für Energie, Lebensmittel und andere Grundbedürfnisse teilweise auszugleichen. Ziel des Vorschlags sei es, insbesondere Familien mit Kindern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sowie Alleinerziehende, die von der steigenden Inflation und den steigenden Energiepreisen unmittelbar betroffen seien, zu unterstützen.

Daraus ergibt sich, dass im Hinblick auf den Normzweck und die Zielsetzungen der einmalige Kindergeld-Zuschuss in der Tschechischen Republik und die österreichische Familienbeihilfe als Familienleistungen gleicher Art anzusehen sind. In beiden Fällen soll durch die Leistung eines finanziellen Beitrags zum Unterhalt ein Lastenausgleich für Familien herbeigeführt werden. Vor dem Hintergrund dieser übereinstimmenden Zielsetzungen steht der Beurteilung als gleichartige Familienleistungen auch nicht entgegen, dass es sich beim tschechischen Kindergeld-Zuschuss um eine einmalige Leistung handelt (siehe auch und ).

Es ist daher nicht als rechtswidrig anzusehen, dass bei der Berechnung der Ausgleichszahlung der nach den Rechtsvorschriften der Tschechischen Republik (des Wohnmitgliedstaats) im August 2022 gezahlte einmalige Kindergeld-Zuschuss als gleichartige Familienleistung berücksichtigt wurde.

Die Bf. behauptet auch nicht, dass der Rückforderungsbetrag unrichtig berechnet worden wäre.

Aus den dargestellten Gründen war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

5. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Aus der dargestellten unionsrechtlichen Rechtslage ergibt sich keine die Zulässigkeit einer Revision begründende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 68 Abs. 2 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100010.2024

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