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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.08.2024, RV/5100688/2023

Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz, Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, über die am eingelangte Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff: ***OB***, betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Zeiträume August 2021 bis Juli 2022 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) dahingehend abgeändert, dass die Rückforderung für die Zeiträume August 2021 bis Oktober 2021 insgesamt 670,50 Euro (FB: 495,30; KG: 175,20) beträgt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid vom forderte das Finanzamt unter Verweis auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) und § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in der Höhe von insgesamt 2.682,00 Euro zurück, welche die Beschwerdeführerin (Bf.) für ihre Tochter ***K.***, VNR: ***000***, für die Zeiträume August 2021 bis Juli 2022 bezogen hatte, zurück.
Dies mit der Begründung, dass die Tochter der Bf. mit ihre Lehrausbildung abgebrochen habe und daher kein Anspruch für die genannten Zeiträume mehr bestehe.

Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in der zur Begründung im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass die Tochter der Bf. seit als Lehrling bei einer Zahnärztin tätig sei.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
Zur Begründung führte die Behörde nach Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen an, dass eine Berufsausbildung grundsätzlich für die Dauer eines aufrechten Lehrverhältnisses (einschließlich des Berufsschulbesuchs) vorliege. Die Absolvierung einer Lehre sei dann als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 zu qualifizieren, wenn die theoretische und praktische Ausbildung gleichzeitig absolviert werde.
Im gegenständlichen Fall seien die Voraussetzungen für eine Berufsausbildung erst ab August 2023 erfüllt, da nach den vorgelegten Unterlagen die theoretische Ausbildung erst ab (Aufnahme in der Fortbildungsakademie Zahn) erfolgt sei. Somit bestehe im Beschwerdezeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Im Vorlageantrag wird sinngemäß vorgebracht, dass die Tochter der Bf. seit November 2021 in einer Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz sei und den Lehrgang 2022-2024 an der Fortbildungsakademie Zahn der Landeszahnärztekammer für OÖ nur wegen Platzmangels nicht besuchen habe können. Sie sei aber trotzdem in Ausbildung und bekomme Ausbildungsgehalt. Seit August 2023 nehme sie am nachfolgenden Lehrgang 2023-2025 teil.
Die Bf. legte als Beweismittel ein E-Mail vom der Fortbildungsakademie Zahn der Landeszahnärztekammer für OÖ an die Dienstgeberin der Tochter der Bf., Zahnärztin Dr.in ********, vor. Darin heißt es auszugsweise:
"Sehr geehrte Frau Dr. ********!
Wir bedanken uns sehr herzlich für die Anmeldung Ihrer Auszubildenden, Frau …
Leider müssen wir Ihnen jedoch mitteilen, dass der Ausbildungslehrgang vollständig ausgebucht ist und wir somit keine Kapazitäten mehr haben.
Eine neuerliche Anmeldung für den Lehrgang 2023-25 ist wieder ab Mai 2023 möglich - wir weisen darauf hin, dass nur vollständige Anmeldungen von uns verarbeitet werden können.
"

Das Finanzamt legte in der Folge die Beschwerde samt Verfahrensakten mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die am ***GebDat*** geborene Tochter der Bf. absolvierte bis Juli 2021 eine Ausbildung im Lehrberuf Einzelhandelskauffrau. In der Folge war sie beim AMS als arbeitssuchend gemeldet bzw. von bis als Arbeiterin bei einem in **** ansässigen Unternehmen tätig.
Seit absolviert sie eine duale Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz. Die praktische Ausbildung erfolgt im Rahmen der Beschäftigung als Auszubildende bei einer Zahnärztin im Ausmaß von 40 Wochenstunden. Die theoretische Ausbildung erfolgt in einem Lehrgang an der Fortbildungsakademie Zahn der Landeszahnärztekammer für OÖ.
Die Tochter der Bf. war für den Ausbildungslehrgang 2022-2024 angemeldet, eine Teilnahme an diesem Lehrgang war jedoch aus Platzgründen nicht möglich.
Seit August 2023 besucht sie den nachfolgenden Lehrgang 2023-2025 und wird die kommissionelle Abschlussprüfung voraussichtlich im Juli 2025 ablegen.

2. Beweiswürdigung

Der dargestellte Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten, aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei und aus den vom Bundesfinanzgericht eingesehenen Sozialversicherungsdaten. Ausgehend von den Ermittlungsergebnissen sieht das Bundesfinanzgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend geklärt an. Es liegen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht keine begründeten Zweifel vor, die durch weitere Ermittlungen zu verfolgen wären, zumal auch die Verfahrensparteien keine solchen begründeten Zweifel darlegten, dass weitere Erhebungen erforderlich und zweckmäßig erscheinen.

3. Rechtslage

Gem. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt (§ 10 Abs. 2 FLAG 1967).

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 idF BGBl I Nr. 26/2009 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Zahnärztegesetzes (BGBl. I Nr. 126/2005 in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung - ZÄG) lauten (auszugsweise):

"Berufsbild
§ 72.
Der Beruf der Zahnärztlichen Assistenz umfasst die Unterstützung von Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs sowie von Fachärzten/Fachärztinnen für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie bei der Behandlung und Betreuung der Patienten/Patientinnen einschließlich der Durchführung von organisatorischen und Verwaltungstätigkeiten in der zahnärztlichen Ordination."

"Qualifikationsnachweis - Inland
§ 77.
(1) Als Qualifikationsnachweis in der Zahnärztlichen Assistenz gilt ein Zeugnis über eine mit Erfolg abgeschlossene Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

(2) Einem Qualifikationsnachweis gemäß Abs. 1 gleichgehalten ist die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf "Zahnärztliche Fachassistenz" nach den Bestimmungen der Zahnärztliche Fachassistenz-Ausbildungsordnung, BGBl. II Nr. 200/2009."

"Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz
§ 81.
(1) Die Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz erfolgt im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu

1. einem/einer Angehörigen des zahnärztlichen Berufs oder Dentistenberufs oder Facharzt/Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,
2. einer zahnärztlichen Gruppenpraxis oder einer ärztlichen Gruppenpraxis, an der mindestens ein/eine Facharzt/Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie beteiligt ist,
3. dem Träger einer Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde oder Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,
4. dem Träger eines Zahnambulatoriums oder einer sonstigen Krankenanstalt im Rahmen der Abteilung oder sonstigen Organisationseinheit für Zahnheilkunde oder für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.

(2) Die Ausbildung dauert drei Jahre und umfasst eine theoretische und praktische Ausbildung in der Dauer von mindestens 3 600 Stunden, wobei

1. mindestens 600 Stunden auf den theoretischen Unterricht und
2. mindestens 3 000 Stunden auf die praktische Ausbildung

zu entfallen haben.

(3) Die theoretische Ausbildung ist an einem Lehrgang für Zahnärztliche Assistenz zu absolvieren.

(4) Im Rahmen der praktischen Ausbildung nach

1. den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder
2. der Zahnärztliche Fachassistenz-Ausbildungsordnung (§ 77 Abs. 2) sind die Auszubildenden berechtigt, Tätigkeiten gemäß § 73 nach Anordnung und unter Anleitung und Aufsicht eines/einer Angehörigen des zahnärztlichen Berufs oder Dentistenberufs oder eines/einer Facharztes/Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie durchzuführen.

(5) Unter Wahrung der Qualität der Ausbildung kann für die Absolvierung der Ausbildung Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von mindestens 24 Wochenstunden vereinbart werden, sofern dadurch die Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs. 2 ASVG nicht unterschritten wird."

"Lehrgänge für Zahnärztliche Assistenz
§ 82.
(1) Die theoretische Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz hat an Lehrgängen zu erfolgen, die über die für die Erreichung des Ausbildungsziels erforderlichen Lehrkräfte sowie Lehrmittel und Räumlichkeiten verfügen.
…"

"Ausbildungsverordnung
§ 83.
Der/Die Bundesminister/Bundesministerin für Gesundheit hat nähere Bestimmungen über die Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz, insbesondere über

1. die Inhalte und den Mindestumfang der Ausbildung einschließlich der zu erwerbenden Kompetenzen,
2. die fachlichen Voraussetzungen der Leitung und der Lehrkräfte,
3. die Aufnahme in und den Ausschluss aus einem Lehrgang für Zahnärztliche Assistenz,
4. die Durchführung der theoretischen und praktischen Ausbildung,
5. die Art und Durchführung der Prüfungen einschließlich der Zusammensetzung der Prüfungskommission, die Wertung der Prüfungsergebnisse, die Voraussetzungen, unter denen eine Prüfung wiederholt werden kann, und die Anzahl der Wiederholungsmöglichkeiten,
6. die Anrechnung von Prüfungen und Praktika und
7. die Form und den Inhalt der auszustellenden Zeugnisse,

nach Maßgabe der Erfordernisse der Berufsausübung in der Zahnärztlichen Assistenz und unter Berücksichtigung methodisch-didaktischer Grundsätze zur Gewährleistung eines bestmöglichen Theorie-Praxis-Transfers und zur Sicherstellung der Ausbildungsqualität durch Verordnung festzulegen."

Die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit über die Ausbildung und das Qualifikationsprofil der Zahnärztlichen Assistenz und über die Weiterbildung und das Qualifikationsprofil der Prophylaxeassistenz (ZASS-Ausbildungsverordnung - ZASS-AV, BGBl. II Nr. 283/2013 in der für der Beschwerdefall maßgeblichen Fassung) normiert auszugsweise Folgendes:

"Regelungsinhalt
§ 1. Diese Verordnung regelt
1. die Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz,
2. das Qualifikationsprofil der Zahnärztlichen Assistenz,
…"

"Duale Ausbildung
§ 2. (1) Die Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz dauert drei Jahre und umfasst mindestens 600 Stunden theoretische und mindestens 3 000 Stunden praktische Ausbildung.

(2) Die theoretische Ausbildung findet in einem Lehrgang für Zahnärztliche Assistenz statt und umfasst die gemäß Anlage 1 festgelegten Ausbildungsinhalte.

(3) Die praktische Ausbildung erfolgt in einem Dienstverhältnis gemäß § 81 Abs. 1 Zahnärztegesetz, BGBl. I Nr. 126/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2012, im Ausmaß von mindestens 24 Wochenstunden.
…"

"Leitung
§ 3.
(1) Der Rechtsträger eines Lehrgangs für Zahnärztliche Assistenz hat für die Ausbildung eine/n Leiter/in und eine/n stellvertretende/n Leiter/in zu bestellen, die über eine Berufsberechtigung als Angehörige/r des zahnärztlichen Berufs verfügen.

(2) Der Lehrgangsleitung obliegt die organisatorische und fachspezifische Leitung. Diese umfasst insbesondere folgende Aufgaben:
…"

"Ausbildungsverantwortliche/r
§ 5.
(1) Bei einem Dienstverhältnis gemäß § 81 Abs. 1 Z 1 ZÄG ist der/die Dienstgeber/in Ausbildungsverantwortliche/r für die praktische Ausbildung.

(2) Bei einem Dienstverhältnis gemäß § 81 Abs. 1 Z 2 bis 4 ZÄG ist für die praktische Ausbildung ein/eine Ausbildungsverantwortliche/r am Dienstort zu bestimmen. Die Teilung der Funktion auf zwei Personen ist zulässig.

(3) Der/Die Ausbildungsverantwortliche hat die Erreichung der Ausbildungsziele im Rahmen der praktischen Ausbildung am Dienstort sicherzustellen und die Aufsicht über den/die Auszubildende/n auszuüben.

(4) Der/Die Ausbildungsverantwortliche hat über eine Berufsberechtigung als

1. Angehörige/r des zahnärztlichen Berufes oder Dentistenberufs oder

2. Facharzt/-ärztin für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie

zu verfügen und für die Ausbildung von zahnärztlichen Assistenten/-innen geeignet zu sein."

"Prüfungskommission
§ 6.
(1) Vom Rechtsträger des Lehrgangs für Zahnärztliche Assistenz ist eine Prüfungskommission für die Durchführung der kommissionellen Abschlussprüfungen einzurichten. Der Prüfungskommission haben folgende Personen anzugehören:
…"

"Teilnahmeverpflichtung
§ 7.
(1) Die Teilnehmer/innen sind zur Teilnahme am Unterricht einschließlich der praktischen Übungen im Rahmen des Lehrgangs für Zahnärztliche Assistenz verpflichtet. Bei Anwendung elektronisch unterstützter Lehr- und Lernformen im Rahmen des Unterrichts gilt die Mitwirkung als Teilnahme.

(2) Nähere Regelungen über gerechtfertigte Abwesenheitsgründe und das Versäumen von Ausbildungszeiten sind in der Lehrgangsordnung (§ 8) festzulegen."

"Aufnahme
§ 9.
(1) Über die Aufnahme in einen Lehrgang für Zahnärztliche Assistenz entscheidet die Lehrgangsleitung im Einvernehmen mit dem Rechtsträger des Lehrgangs.

(2) Bei der Aufnahme haben die Bewerber/innen nachzuweisen:

1. die erfolgreiche Absolvierung der 9. Schulstufe oder die Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012,
2. Vorliegen eines Dienstverhältnisses gemäß § 2 Abs. 3 einschließlich Einverständniserklärung des/der Dienstgebers/-in für die Aufnahme,
3. die zur Berufsausübung erforderliche gesundheitliche Eignung,
4. die zur Berufsausübung erforderliche Vertrauenswürdigkeit.
…"

"Zulassungsvoraussetzungen zur kommissionellen Abschlussprüfung
§ 19.
Ein/Eine Teilnehmer/in ist von der Lehrgangsleitung zur kommissionellen Abschlussprüfung zuzulassen, wenn

1. die Unterrichtsfächer gemäß Anlage 1 positiv absolviert worden sind, wobei § 18 Abs. 3 zu berücksichtigen ist, und
2. mindestens 3 000 Stunden praktische Ausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses gemäß § 2 Abs. 3 in einer Dokumentation (§ 15) nachgewiesen ist."

"Kommissionelle Abschlussprüfung
§ 20. (1) Am Ende der Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz ist eine kommissionelle Abschlussprüfung durchzuführen.

(2) Die kommissionelle Abschlussprüfung umfasst folgende Teilprüfungen:
…"

§ 8 des Kollektivvertrages für die Angestellten von Zahnärzten regelt (auszugsweise):
"Zahnärztliche Assistentinnen in Ausbildung

1. Voraussetzung für den Berufseintritt als Auszubildende für die Berufsausbildung als zahnärztliche Assistentin ist:

a) die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht;

b) körperliche und gesundheitliche Eignung, die erforderlichenfalls durch eine ärztliche Untersuchung festzustellen ist;

2. Die Ausbildungszeit zur zahnärztlichen Assistentin beträgt 3 Jahre und beinhaltet eine praktische und theoretische Ausbildung (Duales System). Falls zahnärztliche Assistentinnen in Ausbildung in einem zusammenhängenden Zeitraum von über vier Monaten aus in ihrer Person gelegenen Gründen verhindert sind, so ist die vier Monate überschreitende Zeit nicht auf die Ausbildungszeit anzurechnen.

a) Die praktische Ausbildung erfolgt durch die Beschäftigung als Auszubildende bei einem Zahnarzt, Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde oder Dentisten; sie kann auch an einer zahnärztlichen Universitätsklinik erfolgen.

b) Die theoretische Ausbildung erhält die auszubildende zahnärztliche Assistentin neben ihrer praktischen Ausbildung in einem im Anhang 1 angeführten Lehrgang für Zahnärztliche Assistenz, der mit einer positiven Prüfung abzuschließen ist. Die für den Besuch dieser Fachausbildung erforderliche Zeit ist vom Dienstgeber unter Fortbestand des Gehaltsanspruches freizugeben. Diese Zeit darf in den Urlaub nicht eingerechnet werden."

4. Rechtliche Beurteilung

Die Tochter der Bf. ist am ***GebDat*** geboren und war im Rückforderungszeitraum August 2021 bis Juli 2022 bereits volljährig.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besteht für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist, Anspruch auf Familienbeihilfe.

Um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, ist außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besonders geregelten Besuchs einer Einrichtung im Sinn des § 3 des Studienförderungsgesetzes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufs zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist (vgl. etwa ).

Zur Qualifikation als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es neben dem ernsthaften und zielstrebigen Bemühen jedoch auch darauf an, ob die Ausbildung in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt (, , mwN).

Im Beschwerdefall ist zunächst unstrittig, dass sich die Tochter der Bf. in den Zeiträumen 08/2021 bis einschließlich 10/21 nicht in einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 befand. Da in diesen Zeiträumen kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, erfolgte insoweit die Rückforderung der entsprechenden Beträge zu Recht.

Seit absolviert die Tochter der Bf. eine duale Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz gemäß § 81 ZÄG in Verbindung mit der ZASS-Ausbildungsverordnung - ZASS-AV.

Dass unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung auch das "duale System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf fällt, ergibt sich auch aus § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, wonach Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis nicht in den einen Anspruch auf Familienbeihilfe verwirkenden Betrag an zu versteuerndem Einkommen zu zählen sind ( mit Hinweis auf ).

Wie bei der Lehrausbildung in einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis, bei dem die praktische Ausbildung im Betrieb und die theoretische Ausbildung in der Berufsschule erfolgt, ist auch die Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz in eine theoretische und eine praktische Ausbildung gegliedert und stellt daher nach der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis grundsätzlich eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 dar (vgl. , mwN).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist festzuhalten, dass sich auch die duale Berufsausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz auf die in § 81 Abs. 2 ZÄG und in der ZASS-AV vorgesehene Dauer von drei Jahren erstreckt.

Die Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz umfasst mindestens 600 Stunden theoretische und mindestens 3.000 Stunden praktische Ausbildung (§ 81 Abs. 2 ZÄG, § 2 Abs. 1 ZASS-AV).
Die theoretische Ausbildung findet in einem Lehrgang für Zahnärztliche Assistenz statt und umfasst die in einer Anlage zur Verordnung festgelegten Ausbildungsinhalte (§ 2 Abs. 2 ZASS-AV).
Die praktische Ausbildung erfolgt im Rahmen eines in § 81 Abs. 1 ZÄG genannten Dienstverhältnisses im Ausmaß von mindestens 24 Wochenstunden (§ 2 Abs. 3 ZASS-AV).

Im Beschwerdefall steht das Finanzamt auf dem Standpunkt, dass die theoretische Ausbildung und die praktische Ausbildung gleichzeitig absolviert werden müsse, um die Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 zu erfüllen.

Dem steht jedoch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) entgegen. Im Erkenntnis , heißt es, das Zusammenspiel zwischen Kursen am WIFI und dem die praktischen Kenntnisse vermittelnden Praktikum sei als Ausbildung zu werten. Die Frage der zeitlichen Beanspruchung sei daher genauso wenig auf die reinen am WIFI verbrachten Stunden zu reduzieren wie bei einem anerkannten Lehrverhältnis auf die an der Berufsschule verbrachten Zeiten. Die Stunden des Ausbildungslehrganges, allenfalls erforderliche Vorbereitungszeiten und die Zeiten des Praktikums seien gesamthaft zu betrachten.

Demnach befindet sich auch die Tochter der Bf. nicht nur während der im Lehrgang an der Fortbildungsakademie Zahn der Landeszahnärztekammer für OÖ verbrachten Zeit in einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 und müssen daher nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung die Stunden des Ausbildungslehrgangs, allenfalls erforderliche Vorbereitungszeiten sowie auch die Zeiten der praktischen Ausbildung gesamthaft betrachtet werden.

Da nach der Rechtslage die duale Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz gemäß § 81 Abs. 2 ZÄG in Verbindung mit der ZASS-AV drei Jahre dauert, mindestens 600 Stunden theoretische sowie mindestens 3.000 Stunden praktische Ausbildung umfasst, ist es daher bei der Beurteilung der von der Rechtsprechung geforderten zeitlichen Inanspruchnahme der Tochter der Bf. sachgerecht, ihr im Rahmen einer gesamthaften Betrachtungsweise ebenfalls drei Jahre Ausbildungszeit zuzugestehen. Diese umfasst im Beschwerdefall die parallel laufende theoretische und praktische Ausbildung im Zeitraum von August 2023 bis Juli 2025 sowie jedenfalls auch den vom Rückforderungsbescheid umfassten neunmonatigen Zeitraum der ausschließlich praktischen Ausbildung im Rahmen des Dienstverhältnisses zu einer Zahnärztin nach § 81 ZÄG von November 2021 bis Juli 2022. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Tochter der Bf. ihre praktische Ausbildung bei der Zahnärztin im November 2021 begann, bereits für den theoretischen Lehrgang 2022-2024 angemeldet war und lediglich aus Kapazitätsgründen nicht aufgenommen wurde. Die zeitgerechte Anmeldung für den theoretischen Ausbildungsteil lässt darauf schließen, dass sie auch ihre praktische Ausbildung ab dem Ausbildungsbeginn ernsthaft, zielstrebig und in einem für das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 erforderlichen zeitlichen Ausmaß betrieb.
Bei dieser Sach- und Beweislage ist daher davon auszugehen, dass auch in dem vom Rückforderungsbescheid umfassten neunmonatigen Zeitraum der ausschließlich praktischen Ausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses (§ 81 ZÄG) von November 2021 bis Juli 2022 eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 vorlag.

Die Rückforderung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge war sohin im Hinblick auf § 10 Abs. 2 FLAG 1967, wonach die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt wird, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden und mit Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt, erlischt, auf die Monate August 2021 bis einschließlich Oktober 2021 einzuschränken.

Hinsichtlich dieser Zeiträume beträgt der Rückforderungsbetrag:
Familienbeihilfe: 495,30 Euro (165,10 Euro x drei Monate);
Kinderabsetzbetrag: 175,20 Euro (58,40 Euro x drei Monate)

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge irrelevant. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 26 Rz 12 u. 13, mwH auf die VwGH-Judikatur).

Mitteilungen über den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag gemäß § 12 FLAG 1967 stehen einer Rückforderung gemäß § 26 FLAG 1967 nicht entgegen. Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden wäre ().

Fehlt es somit an einem Anspruch auf Familienbeihilfe, ist gemäß § 33 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 FLAG 1967 auch der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 26 Rz 10).

Aus den angeführten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

5. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Revisionsmodell soll sich nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt ().
Das vorliegende Erkenntnis beruht im Wesentlichen auf der Beweiswürdigung, ob bei der Tochter der Bf. eine Berufsausbildung vorlag. Das Erkenntnis orientiert sich an der Rechtsprechung des VwGH. Es liegen im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen vor, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Linz, am

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Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100688.2023

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