Ersatzlose Aufhebung einer BVE wegen Unzuständigkeit der Abgabenbehörde
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Vertreter über die - vermeintlich von der Bf. erhobene - Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab dem , Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Die Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht (BFG) legt dem Erkenntnis nachstehenden auf der Aktenlage basierenden Sachverhalt zu Grunde:
Mit Eingabe vom stellte die am ***13*** geborene, per mit ***14*** datierten Gerichtsbeschluss des BG ***4*** durch den ***5*** vertretene Bf. mit der Begründung, dass sie an paranoider Schizophrenie leide, den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab dem Zeitpunkt des Eintritts der der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahre ab Antragstellung.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Bf. mit nachstehender Begründung abgewiesen:
"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der ab gültigen Fassung besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Sie haben am ***15*** das 25. Lebensjahr vollendet.
Im fachärztlichen Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom wurde ein Grad der Behinderung von 70% sowie eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ab festgestellt, weshalb Ihr Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung abzuweisen ist".
Am langte per Telefax beim Finanzamt ein - nachstehend - gestalteter Schriftsatz ein:
***7***
***10***
Finanzamt Österreich
Postfach 260
1000 Wien
Beschwerde gegen Bescheid ***9*** ***Ort***, am
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich erhebe innerhalb offener Frist gegen den Abweisungsbescheid des Antrags auf Familienbeihilfe, vom , zugestellt am , das Rechtsmittel der
BESCHWERDE
und begründe dies wie folgt:
Aufgrund der Biographie meiner Klientin mit der Beschreibung mehrfacher psychischer Traumatisierung in der Kindheit und Jugend (It. psychiatrisch-neurologischem Sachverständigengutachten vom ) und eines sichtlichen Bruches der Arbeitsfähigkeit 2018 (Frau ***8*** hatte zuvor zur Finanzierung ihrer Ausbildung diverse längerfristige Anstellungen) und danach nur mehr kurze "Arbeitsversuche" (It. Versicherungsdatenauszug) kann darauf geschlossen werden, dass die Erkrankung bereits vor Vollendung des 25.Lebensjahres ihren Anfang hatte.
Frau ***8*** ließ sich damals It. Aussage der Mutter nicht zu Arztbesuchen motivieren (It. Gutachten Seite 11), ein wichtiger Grund, weshalb der erste psychiatrische Befund durch Dr. ***11*** aus 11/2020 nicht als Beginn der Erkrankung zu sehen ist.
Aus den dargelegten Gründen ist auch davon auszugehen, dass sie dauerhaft nicht im Stande ist, sich ihren Unterhalt selbst zu beschaffen.
Beweis:
einzuholendes Sachverständigengutachten
beiliegender psychiatrisch-neurologischem Sachverständigengutachten vom
beiliegender Versicherungsdatenauszug
beiliegender psychiatrische Befund durch Dr. ***11*** aus 11/2020
Nach der geltenden Rechtslage haben geistig und körperlich behinderte sowie psychisch kranke Personen Anspruch auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe (Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung), wenn die Behinderung oder Erkrankung vor Vollendung des 21. Lebensjahres bzw. wenn sie sich in Berufsausbildung befunden haben, vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist und sie aufgrund dieser Behinderung oder Krankheit voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor.
Es wird daher gestellt der
ANTRAG
den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben und der Beschwerdewerberin die Familienbeihilfe antragsgemäß zuzuerkennen.
Mit freundlichen Grüßen
handschriftliche Fertigung mit: ***7***
***7***
Erwachsenenvertreterin
Beil.: EV-Urkunde
Sachverständigengutachten
Versicherungsdatenauszug
psychiatrischer Befund durch Dr. ***11*** 11/2020
Ungeachtet dessen, dass - gemäß dem Inhalt obiger Eingabe - die seitens des ***12*** in funktioneller Hinsicht mit den Agenden einer Erwachsenenvertreterin betraute Frau ***7*** den gegenüber der Bf. erlassenen Abweisungsbescheid explizit im eigenem Namen (ich erhebe innerhalb ….) vermittels Beschwerde bekämpft, respektive diese als Antragswerberin eigenhändig unterfertigt hat, erließ die Abgabenbehörde gegenüber der Bf. eine mit datierte, - der Vertretung der Bf. nachweislich am - zugestellte Beschwerdevorentscheidung (BVE), vermittels derer "ihre" Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen wurde.
In dem gegen diese BVE fristgerecht, - nunmehr im Namen der Bf. erhobenen - Vorlageantrag vom wurde unter Hinweis auf das Gutachten Dris. ***6***, wonach bei der Bf. bereits am Symptome einer Schizophrenie festgestellt worden seien, die Aufhebung des angefochtenen Abweisungsbescheides begehrt.
Das BFG hat erwogen:
Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann nach § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.
Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht nach § 279 Abs. 1 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung hat zu erfolgen, wenn der angefochtene Bescheid von einer hierfür nicht zuständigen Behörde erlassen wurde. Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung im Sinne des § 279 Abs. 1 BAO darf dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (, , Ritz, BAO5, Rz 6 zu § 279).
Die Erlassung einer- die Bf. als Bescheidadressatin ausweisenden - Beschwerdevorentscheidung, obwohl in realiter keine von der Bf. erhobene Beschwerde vorlag, bewirkt eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes. ().
Hierbei liegt obiger Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts darin begründet, da die - per Telefax -eingebrachte Eingabe vom kein von der Bf. gegen den Abweisungsbescheid vom erhobenes Rechtsmittel, sondern vielmehr eine in die Zuständigkeit der Abgabenbehörde fallende undergo dessen von dieser einer Erledigung zuzuführende Beschwerde der Frau ***7*** darstellt.
Der Vorlageantrag vom selbst ist aber grundsätzlich zulässig, da - ob des meritorischen Abspruchs über ein vermeintliches Rechtsmittel der Frau ***8*** - eine zwar rechtswidrige, aber im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung vorliegt.
Zusammenfassend war daher zwecks Herbeiführung eines rechtsrichtigen Verfahrenszustandes die Beschwerdevorentscheidung vom durch das Bundesfinanzgericht gemäß der Norm des § 279 Abs. 1 BAO ersatzlos aufzuheben.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wird die Revision nicht zugelassen, da die ersatzlose Aufhebung nach § 279 Abs. 1 BAO bei Unzuständigkeit der Bescheid erlassenden Behörde und in jenen Fällen, in denen keine weitere Entscheidung in Betracht kommt durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gedeckt ist und die Tatfrage, ob eine Beschwerde erhoben wurde, der Revision nicht zugänglich ist ().
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102959.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at