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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.09.2024, RV/2100221/2024

Keine rechtswirksame Zustellung von Schriftstücken in eine Databox, die an einen FinanzOnline-Zugang geknüpft ist, dessen Vergabe weder gesetzlich noch durch eine Verordnung gedeckt ist

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adresse Bf***, vertreten durch BDO Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Am Belvedere 4, 1100 Wien, über die Beschwerden vom gegen

  • den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die als Bescheid intendierte Erledigung des Finanzamtes Österreich vom betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe in Höhe von 1.000,00 Euro gemäß § 16 WiEReG iVm § 111 BAO

  • den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die als Bescheid intendierte Erledigung des Finanzamtes Österreich vom betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe in Höhe von 4.000,00 Euro gemäß § 16 WiEReG iVm § 111 BAO

zu Recht erkannt:

I. Die angefochtenen Bescheide vom werden dahingehend abgeändert, dass die Anträge vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig zurückgewiesen werden.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit als "Erinnerung" bezeichnetem Schreiben vom forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin (Bf), bei der es sich um eine gemeinnützige Stiftung handelt, auf, die Meldung der wirtschaftlichen Eigentümer gemäß § 5 WiEReG bis spätestens nachzuholen. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte es die Festsetzung einer Zwangsstrafe in Höhe von 1.000,00 Euro an.

Mit als Bescheid intendierter Erledigung vom setzte das Finanzamt unter Hinweis darauf, dass die Meldung nicht durchgeführt worden sei, die angedrohte Zwangsstrafe in Höhe von 1.000,00 Euro fest. Gleichzeitig forderte es die Bf auf, die Meldung bis spätestens nachzuholen. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte es die Festsetzung einer weiteren Zwangsstrafe in Höhe von 4.000,00 Euro an.

Mit als Bescheid intendierter Erledigung vom setzte das Finanzamt unter Hinweis darauf, dass die Meldung nicht durchgeführt worden sei, die angedrohte Zwangsstrafe in Höhe von 4.000,00 Euro fest.

Mit Schreiben vom beantragte die Bf durch ihren steuerlichen Vertreter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung von Bescheidbeschwerden gegen die beiden als Zwangsstrafenbescheide intendierten Erledigungen des Finanzamtes vom und . Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Bf sei eine gemeinnützige Stiftung, die von Herrn ***A***, verstorben am ***tt.mm.jjjj***, eingerichtet worden sei und deren Zweck nach § 2 des Stiftbriefes insbesondere in der Grabpflege des Stifters sowie in der Gewährung von Zuwendungen an den ***XY-Konvent*** in ***Ort*** sowie an den Kindergarten der Stadtgemeinde ***Ort*** bestehe. Nach § 4 des Stiftbriefes werde die Bf durch die Stadtgemeinde ***Ort***, vertreten durch deren Bürgermeister, verwaltet und vertreten. Vor dem seien ausweislich des Posteingangsbuches überhaupt keine elektronischen Zustellungen über FinanzOnline an die Bf erfolgt. Das Finanzamt habe bis einschließlich sämtliche Schriftstücke postalisch zugestellt. Das FinanzOnline-Portal sei aus diesen Gründen von der Stiftungsverwaltung nicht benutzt worden. Zudem habe man irrtümlich vergessen, eine E-Mail-Adresse für die Benachrichtigung über Zustellungen in die Databox zu hinterlegen. Die erstmalige Zustellung in die Databox sei im gegenständlichen Verfahren erfolgt. Dieser plötzliche und unerwartete Wechsel der Zustellungsform sei - aufgrund der versehentlichen Nichthinterlegung einer E-Mail-Adresse für die Benachrichtigung über Zustellungen in die Databox - zunächst unbemerkt geblieben. Die antragsgegenständlichen Bescheide seien der Bf ausweislich des FinanzOnline-Posteingangsbuches am erstmals zur Kenntnis gelangt, woraufhin die Stiftungsorgane unmittelbar tätig geworden seien. Gesamtheitlich betrachtet treffe die Bf daher kein grobes Verschulden an der Fristversäumnis.

In der im Schreiben vom weiters erhobenen Bescheidbeschwerde gegen die beiden als Zwangsstrafenbescheide intendierten Erledigungen des Finanzamtes vom und führte der steuerliche Vertreter der Bf im Wesentlichen aus, dass das Erinnerungsschreiben vom und die Zwangsstrafenbescheide vom und erst am in der Databox abgerufen worden seien, woraufhin die zuständigen Mitarbeiter der Stadtgemeinde ***Ort*** noch am selben Tag eine E-Mail-Adresse in FinanzOnline und im Unternehmensserviceportal hinterlegt hätten. Am selben Tag habe die Bf vom Finanzamt überdies eine Mitteilung über die Aufnahme in das Teilnehmerverzeichnis "elektronische Zustellung" erhalten. Die Meldung gemäß § 5 WiEReG sei nach Kenntnis der Bescheidinhalte unverzüglich nachgeholt worden. Hätte die Bf Kenntnis von der ersten Aufforderung zur Vornahme der Meldung erlangt, hätte sie die Meldung unmittelbar eingereicht. Die festgesetzten Zwangsstrafen seien daher weder notwendig noch zweckmäßig.

Mit Bescheiden vom wies das Finanzamt die Wiedereinsetzungsanträge ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gegenständlich nicht bloß ein minderer Grad des Versehens im Sinne des § 308 BAO vorliege.

Dem hielt der steuerliche Vertreter der Bf in seinen Beschwerdeschreiben vom im Wesentlichen entgegen, die Bf entfalte keine steuerlich relevante Tätigkeit, weshalb sie bis zum über keine Steuernummer verfügt habe. Diese sei ihr mit Schreiben des Finanzamtes vom erstmals mitgeteilt worden. In der Mitteilung über die Vergabe einer Steuernummer sei kein Hinweis auf die Teilnahme an FinanzOnline enthalten gewesen. Den Mitarbeitern der Stadtgemeinde ***Ort***, die für die Verwaltung der Bf zuständig seien, sei nicht bewusst gewesen, dass gemeinsam mit der Vergabe der Steuernummer ein FinanzOnline-Zugang gelegt worden sei und Zustellungen ausschließlich in die Databox erfolgen würden. Sie seien der Auffassung gewesen, es gäbe nur einen Zugang zum Unternehmensserviceportal, um WiEReG-Meldungen zu erstatten. Sie hätten nicht damit gerechnet, dass Schriftstücke und Bescheide rechtswirksam in die Databox zugestellt würden. Wäre ihnen dieser Umstand bewusst gewesen, hätten sie unverzüglich eine E-Mail-Adresse hinterlegt, um Benachrichtigungen über Zustellungen zu erhalten und potenzielle Fristversäumnisse zu vermeiden. Beim Erinnerungsschreiben vom und bei den Zwangsstrafenbescheiden vom und habe es sich um die ersten in die Databox erfolgten Zustellungen gehandelt. Frühere Zustellungen, insbesondere auch betreffend das WiEReG, seien postalisch erfolgt. Es werde daher die Auffassung vertreten, dass die zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen worden sei und folglich nur ein minderer Grad des Versehens vorliege. Somit seien alle Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Beschwerden als unbegründet ab, woraufhin der steuerliche Vertreter der Bf mit Schreiben vom innerhalb verlängerter Vorlageantragsfrist die Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht beantragte. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Zugang zu FinanzOnline und die damit verbundene Teilnahme an der elektronischen Zustellung behördenseitig vorgenommen worden sei, ohne dass die Bf Kenntnis davon gehabt habe. Die Bf habe sich im Jahr 2021 im Unternehmensserviceportal registriert, um dort zukünftig WiEReG-Meldungen vornehmen zu können. Mit dieser Registrierung sei aber offenbar auch eine Registrierung in FinanzOnline verbunden gewesen, von der die Bf keine Kenntnis genommen habe. Insbesondere sei den zuständigen Organen der Stadtgemeinde ***Ort*** nicht bewusst gewesen, dass dadurch zukünftig wichtige behördliche Schriftstücke ausschließlich im Wege von FinanzOnline zugestellt würden. Wäre den handelnden Organen bekannt gewesen, dass Bescheide nunmehr in die Databox zugestellt würden, hätten sie entsprechende Maßnahmen gesetzt, um sicherzustellen, dass keine Fristen versäumt würden.

Mit Schreiben vom brachte der steuerliche Vertreter der Bf Vorlageerinnerungen ein.

Am legte das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht vom selben Tag wies es darauf hin, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfüllt seien. Die Bf treffe mehr als nur ein minderer Grad des Verschuldens.

Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht das Finanzamt um Mitteilung, seit wann die Bf Teilnehmerin von FinanzOnline sei und wie die Anmeldung der Bf zu FinanzOnline erfolgt sei. Zudem forderte das Bundesfinanzgericht das Finanzamt unter Hinweis auf § 3 FinanzOnline-Verordnung 2006 auf, den diesbezüglichen Prozess im Detail zu schildern.

Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht mit, dass der FinanzOnline-Zugang laut Abgabeninformationssystem (AIS) am vergeben worden sei. Die einzige Information, die dem Finanzamt zum Anmeldungsprozess vorliege, sei der elektronische Eintrag, dass die Anmeldung über das Unternehmensserviceportal erfolgt sei. Dem Finanzamt liege hierzu kein Anmeldeformular vor, Postdaten zur Versendung von Zugangskennungen seien ebenfalls nicht vorhanden. Es sei seitens des Finanzamtes in diesem Zusammenhang keinerlei Aktion gesetzt worden. Die Vergabe des FinanzOnline-Zugangs sei offenbar automatisiert erfolgt, ohne Zutun des Finanzamtes.

Mit E-Mail vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die für die Schnittstelle Unternehmensserviceportal - FinanzOnline zuständige Abteilung I/10-BF (Applikation Bereichsübergreifende Finanzverfahren) des Bundesministeriums für Finanzen wie folgt um Auskunft:

Beim Bundesfinanzgericht sei derzeit ein Beschwerdeverfahren betreffend die Bf anhängig. Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens sei ua die Frage, auf welchem Weg die Bf ihren FinanzOnline-Zugang erlangt habe. Im Abgabeninformationssystem (AIS) sei zum FinanzOnline-Zugang der Bf (nur) Folgendes hinterlegt: " Anmeldung über Unternehmensserviceportal". Es werde daher um Mitteilung ersucht, ob es möglich sei, über das Unternehmensserviceportal einen FinanzOnline-Zugang zu erlangen (Erst-Registrierung). Bejahendenfalls werde um eine kurze Schilderung des Anmeldungsprozesses sowie um Mitteilung ersucht, auf welcher rechtlichen Grundlage dies basiere (in § 3 der FinanzOnline-Verordnung 2006, der die Erlangung des FinanzOnline-Zuganges regle, sei diesbezüglich nichts vorgesehen).

Mit E-Mail vom teilte die oben genannte Abteilung des Bundesministeriums für Finanzen dem Bundesfinanzgericht in Beantwortung des Auskunftsersuchens Folgendes mit:

Die Information im Abgabeninformationssystem (AIS) " Anmeldung über Unternehmensserviceportal" bedeute, dass am eine Anmeldung im Unternehmensserviceportal erfolgt sei und dadurch auch ein Teilnehmer in FinanzOnline aufgebaut worden sei. Durch die Registrierung eines Unternehmens im Unternehmensserviceportal sei auch der Zugang zu FinanzOnline gegeben (im Wege des Single-Sign-On-Services der Verwaltung). Diese und weitere Informationen seien auch auf der Website www.usp.gv.at (Registrierung, Personifizierung, Freischaltcode) öffentlich zu finden. Rechtsgrundlage sei § 4 Abs 1 Unternehmensserviceportalgesetz. Anzumerken sei weiters, dass am "2021-11-25-.550663" ein erstmaliger Einstieg in FinanzOnline erfolgt sei, bei dem die elektronische Zustellung aktiv geworden und der diesbezügliche Hinweis zur Kenntnis genommen worden sei.

Im Zuge des am abgehaltenen Erörterungstermines legte der Richter den Sachverhalt dar und wurde die Richtigkeit der diesbezüglichen Ausführungen sowohl von der Finanzamtsvertreterin als auch vom steuerlichen Vertreter der Bf bestätigt. Die für die Bf zuständige Mitarbeiterin des Gemeindeamtes ***Ort*** gab an, dass die Bf zu keinem Zeitpunkt aktiv zu FinanzOnline registriert worden sei. Die Frage des Richters, auf welcher Rechtsgrundlage eine systemseitige automatisierte Vergabe eines FinanzOnline-Zuganges anlässlich der Registrierung im Unternehmensserviceportal basiere, beantwortete die Finanzamtsvertreterin dahingehend, dass eine solche Regelung weder in der FinanzOnline-Verordnung 2006 noch im Unternehmensserviceportalgesetz vorgesehen sei. Der steuerliche Vertreter der Bf merkte dazu an, dass § 3 FinanzOnline-Verordnung 2006 in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung im Hinblick auf juristische Personen, zu welchen die Bf gehöre, überhaupt nur die persönliche Anmeldung beim Finanzamt Österreich vorsehe. Die Finanzamtsvertreterin und der steuerliche Vertreter der Bf wiesen darauf hin, dass vor diesem Hintergrund eine wirksame Zustellung der beiden als Zwangsstrafenbescheide intendierten Erledigungen des Finanzamtes vom und nicht erfolgt sei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt:

Bei der Bf handelt es sich um eine gemeinnützige Stiftung, deren Zweck nach § 2 des Stiftbriefes insbesondere in der Grabpflege des Stifters sowie in der Gewährung von Zuwendungen an den ***XY-Konvent*** in ***Ort*** sowie an den Kindergarten der Stadtgemeinde ***Ort*** besteht. Nach § 4 des Stiftbriefes wird die Bf durch die Stadtgemeinde ***Ort***, vertreten durch deren Bürgermeister, verwaltet und vertreten.

Am registrierte sich die Bf online im Unternehmensserviceportal (www.usp.gv.at). Mit dieser Registrierung im Unternehmensserviceportal einhergehend wurde systemseitig automatisiert ohne Zutun der Bf ein FinanzOnline-Zugang für die Bf generiert. FinanzOnline-Zugangskennungen wurden nicht vergeben. Noch am selben Tag stieg die Bf über das Unternehmensserviceportal erstmals in FinanzOnline ein.

Eine (Erst-)Anmeldung der Bf zu FinanzOnline nach Maßgabe der Bestimmungen des § 3 FinanzOnline-Verordnung 2006 erfolgte zu keinem Zeitpunkt.

Mit als "Erinnerung" bezeichnetem Schreiben vom forderte das Finanzamt die Bf auf, die Meldung der wirtschaftlichen Eigentümer gemäß § 5 WiEReG bis spätestens nachzuholen. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte es die Festsetzung einer Zwangsstrafe in Höhe von 1.000,00 Euro an. Dieses Schreiben langte am in der FinanzOnline-Databox der Bf ein und wurde ebendort am abgerufen (gelesen).

Mit als Bescheid intendierter Erledigung vom setzte das Finanzamt unter Hinweis darauf, dass die Meldung nicht durchgeführt worden sei, die angedrohte Zwangsstrafe in Höhe von 1.000,00 Euro fest. Gleichzeitig forderte es die Bf auf, die Meldung bis spätestens nachzuholen. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte es die Festsetzung einer weiteren Zwangsstrafe in Höhe von 4.000,00 Euro an. Diese behördliche Erledigung langte am in der FinanzOnline-Databox der Bf ein und wurde ebendort am abgerufen (gelesen).

Mit als Bescheid intendierter Erledigung vom setzte das Finanzamt unter Hinweis darauf, dass die Meldung nicht durchgeführt worden sei, die angedrohte Zwangsstrafe in Höhe von 4.000,00 Euro fest. Diese behördliche Erledigung langte am in der FinanzOnline-Databox der Bf ein und wurde ebendort am abgerufen (gelesen).

2. Beweiswürdigung:

Den festgestellten Sachverhalt, der sich aus den im Akt einliegenden Unterlagen ergibt, brachte der Richter den Verfahrensparteien im Zuge des am abgehaltenen Erörterungstermines zur Kenntnis und wurde die Richtigkeit der diesbezüglichen Ausführungen von den Verfahrensparteien ausdrücklich bestätigt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung):

§ 308 Abs 1 BAO lautet:

"Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."

§ 308 Abs 3 BAO lautet:

"Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen."

Die gegenständlichen Beschwerden vom richten sich gegen die Bescheide des Finanzamtes vom , mit welchen die Anträge der Bf vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung von Beschwerden gegen die als Bescheide intendierten Erledigungen des Finanzamtes vom und betreffend Festsetzung von Zwangsstrafen gemäß § 16 WiEReG iVm § 111 BAO abgewiesen wurden.

Die beiden als Zwangsstrafenbescheide intendierten Erledigungen des Finanzamtes langten am und in der FinanzOnline-Databox der Bf ein.

Diese der Bf zugeordnete FinanzOnline-Databox ist auf die am erfolgte Online-Registrierung der Bf im Unternehmensserviceportal zurückzuführen, anlässlich derer systemseitig automatisiert ohne Zutun der Bf ein FinanzOnline-Zugang für die Bf generiert wurde.

Eine Rechtsgrundlage für diese Form der Vergabe eines FinanzOnline-Zuganges ist nicht ersichtlich.

§ 3 Abs 1 FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl II 97/2006 in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl II 122/2020, der die (Erst-)Anmeldung zu FinanzOnline regelt, lautet:

"Die Anmeldung zu FinanzOnline ist persönlich beim Finanzamt Österreich sowie elektronisch oder schriftlich (per Fax) zulässig. Ist der anzumeldende Teilnehmer keine natürliche Person, so ist ausschließlich die persönliche Anmeldung zulässig. Eine postalische Zustellung der Zugangsdaten hat zu eigenen Handen (§ 21 des Zustellgesetzes - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982) zu erfolgen; ist dies mangels einer inländischen Abgabestelle nicht möglich, so kommt eine postalische Zustellung der Zugangsdaten nicht in Betracht. Die persönliche Anmeldung ist vom Teilnehmer (bzw. von seinem gesetzlichen Vertreter) vorzunehmen; soll die Anmeldung durch einen Bevollmächtigten erfolgen, so hat sich dieser durch eine beglaubigte Spezialvollmacht auszuweisen."

Aus der zitierten Bestimmung folgt, dass in Fällen, in denen der zu FinanzOnline anzumeldende Teilnehmer eine juristische Person ist (dazu zählt auch die Bf als Stiftung), ausschließlich die persönliche Anmeldung beim Finanzamt Österreich zulässig ist, wobei die persönliche Anmeldung durch den gesetzlichen Vertreter oder durch eine mit einer beglaubigten Spezialvollmacht ausgestattete Person zu erfolgen hat.

Im vorliegenden Fall erfolgte zu keinem Zeitpunkt eine persönliche Anmeldung der Bf im eben beschriebenen Sinn, sondern wurde der FinanzOnline-Zugang anlässlich der Online-Registrierung der Bf im Unternehmensserviceportal systemseitig automatisiert ohne Zutun der Bf generiert.

Eine Regelung, die eine solche Form der Vergabe eines FinanzOnline-Zuganges vorsehen würde, findet sich weder in der FinanzOnline-Verordnung 2006 noch im Unternehmensserviceportalgesetz, BGBl I 52/2009 in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl I 142/2021.

Auch die diesbezüglich von der Abteilung I/10-BF (Applikation Bereichsübergreifende Finanzverfahren) des Bundesministeriums für Finanzen ins Treffen geführte Bestimmung des § 4 Abs 1 Unternehmensserviceportalgesetz, derzufolge der Betreiber des Unternehmensserviceportals hinsichtlich der für die Authentifizierung und Identifikation der Benutzerinnen/Benutzer von im Unternehmensserviceportal eingebundenen Anwendungen gesetzlicher Auftragsverarbeiter im Sinne des Art 4 Z 8 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) und des Datenschutzgesetzes für Teilnehmer gemäß § 5 Abs 2 Z 1 und 2 Unternehmensserviceportalgesetz ist und sich dabei eines weiteren Auftragsverarbeiters oder FinanzOnline als Authentifizierungsprovider bedienen kann, sagt nichts über die automatisierte Vergabe eines FinanzOnline-Zuganges anlässlich der Registrierung im Unternehmensserviceportal aus.

Den zum Unternehmensserviceportalgesetz ergangenen Verordnungen (Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Nutzungsbedingungen des Unternehmensserviceportals, BGBl II 34/2016; Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Mitwirkung an der Einrichtung und am Betrieb des Unternehmensserviceportals, BGBl II 69/2010) ist eine derartige Regelung ebenfalls nicht zu entnehmen.

Gemäß § 97 Abs 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung (lit a leg cit).

Gemäß § 98 Abs 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind.

Erfolgt - wie im hier gegenständlichen Fall - die Vergabe eines FinanzOnline-Zuganges in einer Form, die weder gesetzlich noch durch eine Verordnung gedeckt ist, kann die rechtliche Konsequenz nur darin bestehen, dass Dokumente, die in der mit einem solchen FinanzOnline-Zugang verknüpften Databox einlangen, nicht als rechtswirksam zugestellt gelten.

Die beiden als Zwangsstrafenbescheide intendierten Erledigungen des Finanzamtes vom und sind daher, worauf auch die Verfahrensparteien im Zuge des am abgehaltenen Erörterungstermines übereinstimmend hingewiesen haben, mangels rechtswirksamer Zustellung als Bescheide rechtlich nicht existent geworden.

Da die beiden als Zwangsstrafenbescheide intendierten Erledigungen des Finanzamtes vom und mangels rechtswirksamer Zustellung keine Bescheidqualität erlangt haben, konnten auch die Beschwerdefristen, gegen deren Versäumung sich die Wiedereinsetzungsanträge der Bf vom richten, nicht zu laufen beginnen. Davon ausgehend konnte den Wiedereinsetzungsanträgen der Bf vom von vornherein kein Erfolg beschieden sein und sie wären vom Finanzamt als unzulässig zurückzuweisen gewesen (vgl zB ; ).

Die angefochtenen (Abweisungs-)Bescheide vom waren daher, wie aus dem Spruch des gegenständlichen Erkenntnisses ersichtlich ist, dahingehend abzuändern, dass die Wiedereinsetzungsanträge der Bf vom zurückgewiesen werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision):

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Frage, ob für die systemseitige automatisierte Vergabe eines FinanzOnline-Zuganges anlässlich der Online-Registrierung im Unternehmensserviceportal eine Rechtsgrundlage besteht oder nicht, bislang nicht Gegenstand der höchstgerichtlichen Judikatur war, wird die Revision zugelassen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 111 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 308 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 Abs. 1 USPG, Unternehmensserviceportalgesetz, BGBl. I Nr. 52/2009
§ 5 Abs. 2 Z 1 und 2 USPG, Unternehmensserviceportalgesetz, BGBl. I Nr. 52/2009
§ 16 WiEReG, Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz, BGBl. I Nr. 136/2017
§ 3 Abs. 1 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100221.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at