Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 29.08.2024, RS/4100009/2024

unzulässige Säumnisbeschwerde - Zurückweisung

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Cornelia Pretis-Pösinger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Radu Crisan, Lindenstraße 3, 2362 Biedermannsdorf, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes Österreich betreffend den Antrag auf Gewährung der Differenzzahlung (Familienbeihilfe) vom für das Kind ***1***, geb. ***2***, für den Zeitraum 01/2020 - 12/2023 und betreffend den Antrag vom auf Erlassung eines Bescheides, beschlossen:

Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 284 Abs. 7 lit. b BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Eingabe des Vertreters der Beschwerdeführerin (Bf.) vom (eingelangt beim BFG am ) wurde die Verletzung der Entscheidungsplicht durch die belangte Behörde behauptet, da über den Antrag vom bzw. auf Gewährung der Differenzzahlung nicht abgesprochen worden sei.

Gemäß § 284 Abs. 1 BAO kann die Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

Wie das Bundesfinanzgericht aufgrund der Aktenlage und Abfragen in der Datenbank FABIAN feststellen konnte, hat die Bf. am den Antrag auf Gewährung der Differenzzahlung für das Kind ***3***, geb. ***2***, Zeitraum - eingebracht.

Am erließ das Finanzamt (FA) den Abweisungsbescheid. Im Spruch führt das FA aus: "Ihr Antrag auf Ausgleichszahlung, eingebracht am , wird abgewiesen. Name des Kindes : ***1***, geb. ***2***, Zeitraum Jänner 2020 - Dezember 2023."

Am brachte die Bf. via FinanzOnline folgendes Anbringen ein:

"Sehr geehrte Damen und Herren, mit der Eingabe vom stellte ich einen Antrag auf Differenzzahlung der Familienbeihilfe für meinen Sohn über Finanzonline. Mit dem Bescheid vom stellten Sie mir einen Bescheid über die Abweisung des Antrags auf Ausgleichszahlung zu. Im Hinblick darauf, dass ich einen Antrag auf Differenzzahlung am stellte darf ich bei Ihnen anfragen, wann es mit der Erledigung meines Antrags zu rechnen ist? Ihr Bescheid ist formell und materiell (über die Abweisung des Antrags auf Ausgleichszahlung) unbegründet. Ich stelle daher den Antrag, über den am gestellten Antrag auf Differenzzahlung der Familienbeihilfe einen entsprechenden Bescheid zu erlassen. In diesem Zusammenhang darf ich auf die ständige Judikatur: Wenn das Kind die Schule (höhere technische Lehranstalt) in Rumänien besucht und von den Eltern nachweislich der überwiegende Unterhalt geleistet wird, besteht Anspruch auf Gewährung der Differenzzahlung. Der Nachweis über die Überbringung der Unterhaltsleistung (teilweise durch den Berufungswerber persönlich, bzw. durch dritte Personen) kann durch Glaubhaftmachung (freie Beweiswürdigung) erbracht werden. Vgl. RV/0758-G/11-RS 1. Mit freundlichen Grüßen, ***Bf1***."

Am sowie am erfolgten telefonische Urgenzen beim FA, wann der Bescheid erlassen werde.

Am erging die abweisende Beschwerdevorentscheidung. Spruchmäßig wurde ausgeführt: "Es ergeht die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Beschwerde vom , eingelangt am von ***Bf1******4*** gegen den Abweisungsbescheid vom . Über die Beschwerde wird aufgrund des § 263 der Bundesabgabenordnung (BAO) entschieden: Die Beschwerde vom wird abgewiesen."

Am langte in einem der Vorlageantrag der Bf., Bekanntgabe der Vollmacht, Antrag auf mündliche Verhandlung, Antrag auf Senatsverhandlung und gegenständliche Säumnisbeschwerde beim Bundesfinanzgericht ein.

Die Bf. urgiert die Erlassung von Bescheiden betreffend ihres Antrages auf Gewährung der Differenzzahlung vom sowie ihres Antrages vom .

Aufgrund des o.a. Sachverhaltes sowie der Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes gilt es Folgendes festzuhalten:

Wenn Unionsbürger und ihnen gleichgestellte Personen ihr nach der VO (EG) 883/2004 zustehendes Recht auf österreichische Familienleistungen geltend machen, ist davon auszugehen, dass sie diese Familienleistungen im höchstmöglichen Umfang erhalten wollen, sei es in Form von ungekürzter Familienbeihilfe und ungekürztem Kinderabsetzbetrag bei vorrangiger österreichischer Zuständigkeit oder in Form einer Ausgleichszahlung bei vorrangig österreichischer Zuständigkeit oder in Form einer Differenzzahlung bei nachrangiger österreichischer Zuständigkeit.

Ohne Bedeutung dabei ist, ob der entsprechende Antrag mit dem Formular Beih 1 (Beih 100) oder dem Formular Beih 38 gestellt wird und ob auf dem Formular Beih 38 "Ausgleichszahlung", "Differenzzahlung" oder keiner dieser Punkte angekreuzt wurde. Auch bei einer Antragstellung durch Formular Beih 38 ist unter Umständen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ungekürzt auszuzahlen, wenn die Voraussetzungen dafür zutreffen. Bei einer Antragstellung mit dem Formular Beih 100 ist nicht mit gänzlicher Antragsabweisung vorzugehen, wenn eine Ausgleichs- oder Differenzzahlung zusteht, sondern der Unterschiedsbetrag zur ausländischen Beihilfe gemäß § 11 Abs. 1 FLAG 1967 (monatlich) auszuzahlen und hinsichtlich des Betrags in Höhe der ausländischen Beihilfe ein Abweisungsbescheid gemäß § 13 FLAG 1967 auszufertigen (vgl. Erkenntnis ).

Es kommt für die Beurteilung von Anbringen nicht auf die Bezeichnung und die zufällige verbale Form, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes an (vgl. Ritz, BAO 6.A., § 85 Tz 1; ). Parteierklärungen und damit auch Anbringen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen (vgl. , m.w.N.).

Im gegenständlichen Verfahren geht es unstrittig um eine Unterschiedszahlung nach Art. 68 Abs. 2 VO (EG) 883/2004, ob diese nun als "Differenzzahlung" (Antrag) oder "Ausgleichszahlung" (angefochtener Bescheid) bezeichnet wird, ist irrelevant.

Über den Antrag vom wurde bescheidmäßig am abgesprochen. Dass im Abweisungsbescheid der Antrag als "Antrag auf Ausgleichszahlung" und nicht als "Antrag auf Differenzzahlung" bezeichnet wurde, ist im gegenständlichen Fall unmaßgeblich. Ergibt sich doch eindeutig aus dem Bescheid, dass gemäß dem Antrag vom für das Kind ***1***, geboren am ***2***, für den (beantragten Zeitraum) Jänner 2020 - Dezember 2023 abgesprochen wurde.

Schließlich ist noch festzustellen, dass die Eingabe vom ("Erlass eines Bescheides") sehr wohl als Beschwerde gegen den Bescheid vom anzusehen ist. Ungeachtet der vom FA bislang nicht erfolgten Prüfung hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Eingabe vom , wird darin die Erlassung eines Bescheides urgiert, die Bezeichnung "Ausgleichszahlung" statt "Differenzzahlung" sowie die formelle und materielle Unbegründetheit des Bescheides vom gerügt. Damit wurde erkennbar auf den Inhalt des Bescheides vom Bezug genommen. Nach dem objektiven Erklärungswert war die Eingabe als Beschwerde zu werten.

Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (wGH , 2011/13/0082 uvam.).

Mit vorgelegter Beschwerdevorentscheidung vom wurde auf die Beschwerde vom und den Abweisungsbescheid vom Bezug genommen.

Aus dem Verfahrensgang ergibt sich, dass sowohl über den Antrag vom abweisend mit Bescheid vom als auch über die Beschwerde vom mit Beschwerdevorentscheidung vom abweisend entschieden wurde.

Dem Vorbringen der Bf., dass sowohl über den Antrag auf Gewährung einer Differenzzahlung vom nicht abgesprochen worden wäre wie auch dem Antrag auf Erlass eines Bescheides vom nicht entsprochen worden wäre, ist - wie ausgeführt - nicht zu folgen.

Da somit die behauptete Säumnis nicht vorliegt, war die Säumnisbeschwerde gemäß § 284 Abs. 7 lit. b BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Angemerkt sei noch folgender Umstand:

Laut Erhebung des Bundesfinanzgerichtes wurde der Bescheid vom nachgewiesenermaßen am versendet und laut Auskunft des Bundesrechenzentrums der Bf. am um 04:55 Uhr in die Databox zugestellt; von der Bf. wurde der Bescheid erst am um 20:06 Uhr gelesen. Angesichts der Frist für die Einbringung der Beschwerde, die nach § 245 BAO einen Monat beträgt und dem Umstand, dass nach § 98 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO) elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt gelten, sobald die in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangen, wäre die Beschwerde bis zum , einem Montag, wobei der Poststempel bei postalischem Einbringen ausreichend gewesen wäre, einzubringen gewesen.

Informativ wird noch mitgeteilt, dass mit Schreiben vom der beim BFG eingelangte Vorlageantrag gemäß § 249 Abs. 1 iVm 264 Abs. 4 lit. b BAO zuständigkeitshalber an das FA weitergeleitet wurde.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständliche Fall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Entscheidung steht nicht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des VwGH. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 263 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 7 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 11 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 13 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 68 Abs. 2 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 245 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 17a VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953
§ 24a VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RS.4100009.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at