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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 26.08.2024, RV/7102013/2013

Verjährung bei abgeleiteten Bescheiden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser in der Beschwerdesache ***2***, ***3***, ***4***, ***6*** als ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch TPA STB Wien GmbH, 1100 Wien, Wiedner Gürtel 13/Turm 24, über die Beschwerden vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg (nunmehr Finanzamt Österreich) vom und vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2004 und 2005, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid für 2004 wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Der angefochtene Bescheid für 2005 bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) verstarb am TT.03.2015. Der Nachlass wurde mit Beschluss vom zu GZ 2 A 100/15y-18 wie folgt eingeantwortet: - ***2***, geb am TT.5.1939, ***Bf1-Adr*** zu 1/3 Anteil, - ***3***, geb am TT.11.1960, ***8***, zu 2/9 Anteilen, - ***4***, geb am TT.02.1962, ***5***, zu 2/9 Anteilen, - ***6***, geb am TT.10.1968, ***7***, zu 2/9 Anteilen.

Der Verfahrensverlauf bis unmittelbar vor der Erlassung der angefochtenen Bescheide stellt sich für die betroffenen Veranlagungsjahre wie folgt dar:

Der Bf. war in den beschwerdegegenständlichen Jahren als atypisch stiller Gesellschafter an der an der DVM Consulting IT Forschung GesmbH & atypisch stille Gesellschaft - in Folge kurz DVM II - beteiligt.

Mit Bescheiden vom und vom führte das Wohnsitzfinanzamt eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2004 vom und des Einkommensteuerbescheids 2005 gemäß § 295 BAO durch. Begründend führte das Finanzamt dabei aus, dass die Änderung gemäß § 295 BAO aufgrund der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt zur St.nr. *** (DVM II) vom erfolgten.

Gegen diese Einkommensteuerbescheide erhob der Bf. am und am Beschwerden (vormals Berufungen) und wandte dabei ein, dass hinsichtlich der Einkommensteuer 2004 und der Einkommensteuer 2005 zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide bereits Bemessungsverjährung eingetreten gewesen sei.

Das Finanzamt legte die Berufung dem (damaligen) Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Berufung.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Im Sinne des § 323 Abs. 38 BAO sind durch das Bundesfinanzgericht (BFG) die am beim Unabhängigen Finanzsenat (UFS) als Abgabenbehörde II. Instanz anhängigen Berufungen als Beschwerden iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Gegenständlich ist somit über die nunmehr als Beschwerde geltende Berufung vom zu entscheiden.

Nachstehende "nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches" hinsichtlich des Veranlagungsjahres Einkommensteuer 2004 werden festgestellt:


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1.
ESt-Bescheid vom
2.
ESt-Bescheid vom
ergangen gemäß § 295 Abs. 1 BAO
3.
ESt-Bescheid vom
ergangen gemäß § 295 Abs. 1 BAO
4.
Berufungsvorentscheidung vom
(Abweisung der Berufung)
5.
Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom
6.
Mitteilung zur DVM II vom
7.
ESt-Bescheid vom ergangen gemäß § 295 Abs. 1 BAO, Mitteilung über die gesonderte Feststellung zur DVM II vom

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Finanzamtsakt. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zu zweifeln.

Einleitend ist festzuhalten, dass es sich bei den abgabenrechtlichen Verjährungsbestimmungen um Normen des Verfahrensrechtes handelt, weshalb eine Änderung der Verjährungsbestimmungen bewirkt, dass ab dem Inkrafttreten die neue Rechtslage auch in Bezug auf Abgabenansprüche, die vor Inkrafttreten dieser Verfahrensbestimmung entstanden sind, anzuwenden ist (vgl. ).

Gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO entsteht die zu veranlagende Abgabe - beschwerdegegenständlich die Einkommensteuer - mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird.

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist, abgesehen von den für den Beschwerdefall nicht relevanten taxativ aufgezählten Tatbeständen bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre.

Gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird.

§ 209 Abs. 1 BAO lautet auszugsweise:

"Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. DieVerjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. (…)"

Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgend stellen die Verjährungsfrist verlängernde
"nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches" etwa erstinstanzliche Bescheide und Berufungsvorentscheidungen - nunmehr Beschwerdevorentscheidungen - dar (z.B. , , 2007/16/0014; vgl. Ritz, BAO6, § 209, Tz 9ff und die dort angeführte Judikatur).

Betrachtet man den Sachverhalt nunmehr unter dem Blickwinkel der dargestellten Rechtslage stellt sich die Verjährung in den vom Bf. als verjährt gerügten Jahren (2004 und 2005) wie folgt dar:

Einkommensteuer 2004:

Die fünfjährige Festsetzungsverjährung für die Einkommensteuer des Jahres 2004 beginnt mit Ablauf des Jahres 2004 zu laufen und endet - sofern keine Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO gesetzt wurde - mit Ablauf des Jahres 2009.

Wie den obigen Feststellungen zu entnehmen ist, erging bereits während dieser fünfjährigen Festsetzungsverjährung nicht nur der Einkommensteuer-Erstbescheid vom , sondern auch der gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheid vom , wodurch sich die Verjährungsfrist dem § 209 Abs. 1 erster Satz BAO folgend um ein weiteres Jahr, somit bis zum Ablauf des Jahres 2010 verlängert hat.

Am erließ das Finanzamt den gemäß § 295 Abs. 1 BAO ergangenen Bescheid, womit sich die Verjährungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2011 verlängert hat.

Am erließ das Finanzamt einen Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO, womit sich die Verjährungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2012 verlängert hat.

Am erfolgte aufgrund einer Änderung des Feststellungsbescheids zur DVM II eine Mitteilung an das Finanzamt, womit sich die Verjährungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2013 verlängert hat.

Auf Grundlage der Mitteilung über die gesonderte Feststellung zur DVM II (vom ) erließ das Finanzamt sodann den gemäß § 295 Abs. 1 BAO ergangenen und nunmehr beschwerdegegenständlichen Einkommensteuerbescheid 2004 vom .

Mit den in obiger Aufstellung zum Beschwerdejahr 2004 dargestellten und von der Abgabenbehörde gesetzten Verfahrenshandlungen im Sinne des § 209 Abs.1 2. Satz BAO verlängerte sich die Verjährungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2013.

Einkommensteuer 2005:

Die fünfjährige Festsetzungsverjährung für die Einkommensteuer des Jahres 2005 beginnt mit Ablauf des Jahres 2005 zu laufen und endet - sofern keine Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO gesetzt wurde - mit Ablauf des Jahres 2010.

Während dieser fünfjährigen Festsetzungsverjährung erging der Einkommensteuer-Erstbescheid vom , wodurch sich die Verjährungsfrist dem § 209 Abs. 1 erster Satz BAO folgend um ein Jahr, somit bis zum Ablauf des Jahres 2011 verlängert hat.

Am erließ das Finanzamt den gemäß § 295 Abs. 1 BAO ergangenen Bescheid, womit sich die Verjährungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2012 verlängert hat.

Am erfolgte aufgrund einer Änderung des Feststellungsbescheids zur DVM II eine Mitteilung an das Finanzamt, womit sich die Verjährungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2013 verlängert hat.

Auf Grundlage der Mitteilung über die gesonderte Feststellung zur DVM II (vom ) erließ das Finanzamt sodann den gemäß § 295 Abs. 1 BAO ergangenen und nunmehr beschwerdegegenständlichen Einkommensteuerbescheid 2005 vom .

Mit den dargestellten, von der Abgabenbehörde gesetzten Verfahrenshandlungen im Sinne des § 209 Abs.1 2. Satz BAO verlängerte sich die Verjährungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2013.

Weitere nach außen erkennbare Amtshandlungen im Feststellungsverfahren der DVM II für abgeleitete Einkommensteuerverfahren derjenigen Jahre, in denen die Beteiligung bestand:

BP-Beginn 2006, Vorhalte der Systemprüfung (Groß-BP) 2007 und 2008, Abschluss der BP mit Schlussbesprechung 2009, nichtige vermeintliche "Bescheide" vom zur Feststellung, dass die Feststellung der Einkünfte nach § 188 BAO unterbleibt.

Die Einwände der steuerlichen Vertretung des Bf., wonach die Festsetzungsverjährung der Einkommensteuer 2004 mit Ablauf des Jahres 2010 eingetreten sei bzw. hinsichtlich der Einkommensteuer 2005 bereits Bemessungsverjährung eingetreten sei, vermag den Beschwerden in diesem Punkt nicht zum Erfolg verhelfen.

Der Bf. vertritt in seiner Beschwerde zur Einkommensteuer 2004 mit Bezugnahme auf das VwGH-Erkenntnis 93/17/0042 vom die Auffassung, dass ein Steuermessbescheid die Verjährung (der Grundsteuer) nur dann unterbreche, wenn er erlassen worden sei (nicht aber wenn er in Leere gegangen sei). Dieser Rechtssatz sei auch auf das Verhältnis Feststellungsbescheid und den davon gemäß § 295 abgeleiteten Einkommensteuerbescheid anzuwenden.

Dieser Auffassung ist das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2022/15/0001, entgegenzuhalten. Demnach hält der VwGH die zur Rechtslage vor dem AbgÄG 2004 (BGBl. I 2004/180) bestehende Rechtsprechungslinie, wonach schriftliche Bescheide nur bei rechtswirksamer Zustellung Amtshandlungen iSd § 209 BAO für die neue Rechtslage, in der § 209 BAO von einem bisherigen Unterbrechungs- in einen bloßen Verlängerungstatbestand verwandelt wurde, nicht mehr aufrecht. Der VwGH erkennt weiters, dass nicht nur bescheidmäßige Erledigungen Verlängerungshandlungen darstellen. Vielmehr kommt diese Eigenschaft jeder nach außen erkennbaren Handlung zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches zu. Es kommt auch nicht darauf an, ob diese Amtshandlung konkret geeignet ist, den angestrebten Erfolg, nämlich die Durchsetzung des Anspruches, zu erreichen. Es genügt vielmehr, dass die Amtshandlung nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen. Sogar der Umstand, dass dieser Abgabenschuldner im Zeitpunkt dieser Amtshandlung nicht mehr existiert und die Geltendmachung des Abgabenanspruchs etwa richtigerweise gegen dessen Rechtsnachfolger erfolgen müsste, führt zu keiner anderen Beurteilung (; zu einer möglichen Verlängerungswirkung von Bescheiden unabhängig von ihrer rechtswirksamen Zustellung vgl. auch bereits ).

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Bundesfinanzgerichtes immer in der Sache selbst zu entscheiden. Das Bundesfinanzgericht ist danach berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Dabei hat das Bundesfinanzgericht nach der Sach- und Rechtslage zu entscheiden, die im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegt und somit auch jene Feststellungsbescheide zu Grunde zu legen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts dem Rechtsbestand angehören ().

Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Bundesfinanzgerichts hinsichtlich der Feststellungsbescheide zur DVM II (St.nr. ***) RV/7100470/2014 vom bei der Festsetzung der Einkommensteuer für 2004 und 2005 zu berücksichtigen ist.

Aufgrund der zwischenzeitlichen Änderungen der Feststellungen betragen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nunmehr wie folgt (in Euro):

Einkommensteuer 2004

Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2004 laut BFG:

Beteiligung Primus Franke Immobilien Handel KEG (St.nr. ***): 2.398,20

Beteiligung PCC Hotelerr. GmbH Co KG (St.nr. ***): 10.710,93

Beteiligung DVM II (***): - 50.861,63 (aufgrund des rechtskräftigen BFG-Erkenntnisses vom , RV/7100470/2014

Summe Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2004: - 37.752,50

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilagen: Berechnungsblatt Einkommensteuer 2004

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Sofern die vorliegende Entscheidung Rechtsfragen - Amtshandlungen der Abgabenbehörde die geeignet sind die Verjährung des Rechtes auf Festsetzung der Einkommensteuer zu unterbrechen - zu beurteilen hatte, weicht das vorliegende Erkenntnis nicht von der zu diesen Rechtsfragen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof ab.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102013.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at