Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.08.2024, RV/7101925/2023

Keine Nachsicht bei Rückforderung von Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. ***Ri 1***, LL.M., den Richter***Ri*** und die fachkundigen Laienrichter ***Ri 2*** und ***Ri 3*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, vertreten durch Halpern & Prinz Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Wiedner Gürtel 5 Tür 7.OG, 1100 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend die Abweisung eins Antrags auf Nachsicht gem § 236 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde vom ***FA*** zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe iHv EUR 16.706,60 und Kinderabsetzbetrag iHv EUR 2.987,40 zurückgefordert. In Summe betrug der Rückforderungsbetrag also EUR 19.685,00. Um die Zahlung des Rückforderungsbetrages zu vereinfachen, erfolgte die Rückzahlung bis auf Widerruf durch Anrechnung des zu Unrecht bezogenen Betrages auf die fälligen oder fällig werdenden Familienbeihilfen (einschließlich Kinderabsetzbeträge).

Mit Antrag vom beantragte die Beschwerdeführerin die Rückforderung gem § 236 Abs 1 BAO nachzusehen. Begründet wurde der Antrag, dass die Einhebung des Rückforderungsbetrages sowohl aus persönlichen als auch aus sachlichen Gründen unbillig sei. Die Begründung lautete zusammengefasst wie folgt:

Hinsichtlich der persönlichen Unbilligkeit wird im Antrag ausgeführt, dass die Antragstellerin vollblind sei und deshalb auch bereits durch eine amtsärztliche Bestätigung eine Behinderung von 100% festgestellt wurde. Darüber hinaus leide die Antragstellerin an Diabetes, für welche ein eigener Behinderungsgrad von 40% amtsärztlich festgestellt wurde. Außerdem sei sie bewegungseingeschränkt, wofür amtsärztlich ein eigener Behinderungsgrad von 10% festgestellt worden sei. Die Antragstellerin verdiene je nach Semester bzw Vorlesungsanzahl als Universitätslektorin monatlich zwischen EUR 600,00 und EUR 1.000,00. Darüber hinaus bestehen Vermietungseinkünfte aus der Vermietung einer Wohnung woraus monatlich ca. EUR 600,00 resultieren.

Die festgesetzte Rückforderung der Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag von insgesamt EUR 19.685,00 stehe in einem extremen Missverhältnis zu den Einkünften der Antragstellerin und ihren festgestellten Behinderungen. Eine Rückforderung der Familienbeihilfe würde zu erheblichen Nachteilen führen und die wirtschaftliche Situation unverhältnismäßig beeinträchtigen. Die Antragstellerin sei aufgrund ihrer Behinderung auf Ihre geringen Einnahmen angewiesen, um die laufenden Kosten, welche auch durch ihre Behinderung bestehen und durch den Unterhalt für Ihren Sohn erwachsen, bestreiten zu können. Ebenso käme die Veräußerung der Eigentumswohnung einer Verschleuderung gleich, weil sie auf die laufenden langfristen Einnahmen aus der Vermietungstätigkeit angewiesen sei. Die Einhebung der Forderung würde daher die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, insbesondere das Vermögen und das Einkommen in besonderer Weise unverhältnismäßig beeinträchtigen, dies alles zusätzlich zu den bestehenden körperlichen Beeinträchtigungen der Antragstellerin.

Eine sachliche Unbilligkeit liege aus folgenden Gründen vor: Die Antragstellerin habe seit der Einkommensteuererklärung 2017 (eingereicht am ) ordnungsgemäß angegeben, dass sie verheiratete sei und in all diesen Jahren sei ihr weiterhin die Familienbeihilfe ausbezahlt worden. Die Antragstellerin habe daher all diese Jahre ihren Ehestand der Beihilfenbehörde bekannt gegeben und auf die Auszahlung der Familienbeihilfe vertraut und danach disponiert. Nun werde die Familienbeihilfe mit Bescheid vom mit der Begründung zurückgefordert, dass Sie seit 2017 verheiratet sei, obwohl sie dies der Beihilfenbehörde mitgeteilt hat. Eine Rückforderung der Familienbeihilfe sei daher auch sachlich unbillig.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag auch Nachsicht der Abgabenschuldigkeiten abgewiesen. Als Begründung führte die Behörde aus, dass es unbestritten sei, dass die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen wurden. Eine persönliche Unbilligkeit liege nicht vor, da die Abgabenschuldnerin über ein Einkommen verfüge, das über dem Existenzminimum liege. Von einer Verschleuderung von Eigentum könne keine Rede sein, da die Rückführung der zu Unrecht bezogenen Beihilfe langfristig angelegt sei. Eine Nachsicht würde nur andere Gläubiger (Bank) bevorzugen. Mangels Vorliegen der vom Gesetzgeber geforderten Voraussetzung der Unbilligkeit der Einhebung sei der Antrag daher abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid. Die Begründung hinsichtlich der sachlichen und persönlichen Unbilligkeit der Rückforderung ist im Wesentlichen dieselbe wie im ursprünglichen Antrag.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Als Begründung führt die Behörde zusammengefasst aus, dass gem § 25 FLAG Änderungen der Tatsachen, die sich auf den Anspruch der Familienbeihilfe auswirken, binnen eines Monats, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, zu erfolgen habe. Seitens der Beschwerdeführerin wurde mit Arbeitnehmerveranlagung 2017 erstmalig am bekannt gegeben, dass die Ehe mit geschlossen worden sei. Insofern gehe der Einwand der sachlichen Unbilligkeit ins Leere.

Im Hinblick auf das regelmäßige Einkommen als Universitätslektorin zuzüglich des Bundespflegegeldes kann keine persönliche Unbilligkeit festgestellt werden, da den Härten aus der Abgabeneinhebung durch Gewährung von Zahlungserleichterungen begegnet werden konnte, weshalb es keiner Nachsicht bedürfe. Gegen die Nachsichtsgewährung spräche im Übrigen auch, wenn die Nachsicht sich nur zu Gunsten anderer Gläubiger - wie beispielsweise der kreditgewährenden Bank (offener Kredit für Genossenschaftswohnung) - auswirken würde.

Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag gem § 264 BAO.

Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin eine Vorlageerinnerung gem § 264 Abs 6 BAO.

Am fand die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht statt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin bezog von September 2017 bis November 2021 zu Unrecht Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag.

Ursprünglich bezog die Beschwerdeführerin Familienbeihilfe gem § 2 Abs 1 lit c FLAG. Da sie ab dem verheiratet war, erlosch gem § 5 Abs 2 FLAG der Anspruch auf Familienbeihilfe ab September 2017.

Die Beschwerdeführerin ist ihrer Meldepflicht gem § 25 FLAG nicht nachgekommen, wonach sie verpflichtet gewesen wäre, dem zuständigen Finanzamt alle Tatsachen bekanntzugeben, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt.

Ab der Einkommensteuererklärung 2017, die am abgegeben wurde, wurde im Rahmen des Einkommensteuerveranlagungsverfahren ordnungsgemäß angegeben, dass die Beschwerdeführerin verheiratet ist. Das Einkommensteuerverfahren und etwaige Verfahren zur Familienbeihilfe sind verfahrensrechtlich voneinander getrennt.

Mit Rückforderungsbescheid vom erließ das ***FA*** nunmehr einen Rückforderungsbescheid für die zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe von EUR 16.706,60 und den Kinderabsetzbetrag von EUR 2.978,40. In Summe kam es also zu einer Rückforderung von EUR 19.685,00. Dieser Betrag wurde vom Finanzamt nicht unmittelbar zurückgefordert, sondern mit zukünftigen Familienbeihilfen (einschließlich Kinderabsetzbetrag) betreffend das Kind der Beschwerdeführerin verrechnet.

Die Beschwerdeführerin ist vollblind und leidet an Diabetes. Außerdem ist Sie bewegungseingeschränkt.

Laut Einkommensteuerbescheid 2022 bezog sie aus einer Lektorentätigkeit an einer Universität EUR 12.762,45.

Außerdem ist die Beschwerdeführerin Eigentümerin einer Wohnung in ***Adr-Wohnung***. Aus der Vermietung dieser Wohnung erzielte die Beschwerdeführerin laut Einkommensteuerbescheid 2022 Einkünfte von EUR 4.002,00.

Aufgrund ihrer Behinderung bezog die Beschwerdeführerin im Jahr 2022 Bundespflegegeld von EUR 8.314,80.

Die Einkünftesituation ist auch in den Folgejahren unter Berücksichtigung der Inflation vergleichbar.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Rückforderung der Familienbeihilfe ergeben sich unzweifelhaft aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

Die Feststellungen zur schweren Behinderung der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den glaubhaften Darstellungen der Beschwerdeführerin, die auch vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogen wurden. Außerdem hat die Beschwerdeführerin bis zum August 2017 aufgrund dieser Behinderung zurecht Familienbeihilfe bezogen.

Die Feststellungen zu den Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beschwerdeführerin ergeben sich unzweifelhaft aus den Steuerakten, die vom Bundesfinanzgericht eingesehen wurden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Hinsichtlich der Nachsicht regelt § 236 BAO Folgendes:

"(1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

(2) Abs. 1 findet auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

[…]"

Bei der Prüfung, ob eine Nachsicht gem § 236 BAO zulässig ist, ist zu untersuchen, ob die Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Die Rechtsprechung und Lehre unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen persönlicher und sachlicher Unbilligkeit, bei deren Vorliegen dann von der Abgabenbehörde im Ermessen eine Nachsicht gewährt werden kann.

Somit ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob eine persönliche oder sachliche Unbilligkeit vorliegt. Sollte dies der Fall sein, kann erst in einem zweiten Schritt im Rahmen des Ermessens entschieden werden, ob eine Nachsicht tatsächlich gewährt wird. Liegt allerdings im konkreten Fall keine Unbilligkeit vor, so bleibt für eine Ermessensübung von Seiten der Behörde kein Raum und die Nachsicht der Abgabe ist zu verwehren.

Eine persönliche Unbilligkeit liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn diese in der Person des Abgabepflichtigen gelegen ist. Sie besteht bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen. Im Besonderen dann, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenz (Existenzgrundlage) des Abgabepflichtigen gefährden, besondere finanzielle Schwierigkeiten und eine wirtschaftliche Notlage mit sich bringen, diese erhöhen und verstärken würde, bzw sonstige wirtschaftliche außergewöhnliche (abnormale, atypische) belastende Wirkungen zur Folge hätte (vgl , , 94/13/0009; , 98/13/0091; , Ra 2015/13/0044).

Für das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit ist es daher erforderlich, dass gerade die Einhebung der Abgaben (hier: Rückforderung der Familienbeihilfe/Kinderabsetzbetrag) die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (so insb einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre (zB ).

Auf Basis des oben festgestellten Sachverhalts, ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass keine persönliche Unbilligkeit vorliegt. Wie festgestellt verfügt die Beschwerdeführerin über ein monatliches Einkommen zzgl. Bundespflegegeld von rund EUR 2.000,00. Dieser Betrag liegt über dem Existenzminimum und sollte ausreichen, trotz ihrer Behinderung die Ausgaben des täglichen Lebens zu tragen.

Durch die Rückforderung wird dieser Betrag auch nicht geschmälert, da die belangte Behörde die zu Unrecht bezogenen Beträge nicht unmittelbar zurückgefordert hat, sondern eine Verrechnung mit zukünftigen Familienbeihilfeansprüchen vorgenommen hat. Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde, ist es daher nicht erforderlich, dass die Beschwerdeführerin ihre Eigentumswohnung in sehr guter Lage veräußert oder sogar verschleudert. Vielmehr kommt es zur Verrechnung mit zukünftigen Ansprüchen aus Familienbeihilfe und zu keinem unmittelbaren Mittelabfluss, den die Beschwerdeführerin aus vorhandenen Mitteln bestreiten müsste.

Eine sachliche Unbilligkeit ist dann anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (). Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit im Einzelfall ist dann nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage festzustellen ist, die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise trifft (; ).

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (zB ; und 96/15/0001; ).

Damit hat der Gesetzgeber bereits dargetan, dass er die Gründe, die zur Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe geführt haben, ebenso wie deren gutgläubigen Verbrauch im Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 grundsätzlich als unmaßgeblich erachtet hat. Die Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe stellt somit ein vom Gesetzgeber durchaus beabsichtigtes Ergebnis dar, welches nicht eine Unbilligkeit nach der Lage des Falles zu begründen vermag (). Es liegt vielmehr eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage dar und begründet daher keine sachliche Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO.

Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass die Beschwerdeführerin auf unrichtiges Verhalten der Behörde vertraut und danach disponiert hat, ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin der Meldepflicht gemäß § 25 FLAG nicht nachgekommen ist. Zwar hat die Beschwerdeführerin ab ihrer Einkommensteuererklärung 2017 angegeben, dass sie verheiratet ist. Allerdings ist dabei zu beachten, dass das Einkommensteuerveranlagungsverfahren ein von der Familienbeihilfe unabhängiges Verwaltungsverfahren ist und daher zwischen den beiden Materien kein Zusammenhang besteht. Außerdem wurde die Einkommensteuererklärung erst am eingereicht. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Auskunft in der Einkommensteuererklärung 2017 eine Wirkung für die Familienbeihilfe hätte, wäre die Meldung über ein Jahr verspätet erfolgt.

Darüber hinaus würde ein Vertrauensschutz nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nur dann bestehen, wenn die Beschwerdeführerin aufgrund einer unrichtigen Rechtsauskunft der zuständigen Behörde agiert hätte. Dies ist aber im vorliegenden Fall nicht gegeben. Ursächlich für die rechtswidrige Auszahlung der Familienbeihilfe/Kinderabsetzbetrag war die Unterlassung der Meldung gemäß § 25 FLAG. Erst durch eine routinemäßige Überprüfung durch die Behörde im Jahr 2021 wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe/Kinderabsetzbetrag nicht mehr vorliegen.

Selbst wenn man - entgegen der Sachverhaltsfeststellungen - davon ausgehen würde, dass der unrechtmäßige Bezug der Familienbeihilfe/Kinderabsetzbetrag ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist, hätte nach der Rechtsprechung eine Rückforderung zu erfolgen (vgl ; , 2008/15/0329; , 2007/15/0162; , 2008/15/0002; , 2006/13/0174; , 2001/13/0048; , 2001/13/0160; , 2002/13/0079; , 2000/15/0183; , 97/15/0013). Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ).

Zum Vorbringen in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich einer möglichen Berücksichtigung der UN-Behindertenrechtskonvention ist zu sagen, dass der Nationalrat beschlossen hat, dass diese "durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen" ist. Ein derartiger Erfüllungsvorbehalt führt dazu, dass die Vorschriften eines Staatsvertrages nicht unmittelbare Grundlage für einen generellen oder individuellen Verwaltungsakt oder für ein Urteil sein können. Aufgrund dieser Rechtslage können aufgrund der UN-Behindertenrechtskonvention keine subjektiven Rechte für einen Einzelnen geltend gemacht werden (vgl. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Eccher, Gutachten über die aus dem UN-Übereinkommen über die Recht von Menschen mit Behinderungen erwachsenden Verpflichtungen Österreichs vom , Rz 35ff).

Da im vorliegenden Fall weder eine persönliche noch eine sachliche Unbilligkeit im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zu § 236 BAO vorliegen, konnte daher eine Nachsicht im vorliegenden Fall nicht gewährt werden. Für eine Ermessensübung von Seiten der Behörde war aufgrund des Fehlens der allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen kein Raum.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das vorliegende Erkenntnis beruht auf der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101925.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at