TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.07.2024, RV/2100838/2018

Antrag auf Steuerfreiheit einer Erschwerniszulage, obwohl Arbeitgeber diese als steuerpflichtig behandelte

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am in einer ihrem Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung 2015 beiliegenden Erklärung, die ihr ausbezahlte Erschwerniszulage dem wirtschaftlichen Gehalt nach, unter Hinweis auf die große Infektionsgefahr bei der Laborarbeit und Sonn-/Feiertagsdienste, als steuerfreie Gefahrenzulage zu behandeln. Sie erzielte als biomedizinische Analytikerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Gegen den in der Folge erlassenen Einkommensteuerbescheid vom brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht die Beschwerde ein. In der Begründung wurde vorgebracht, dass die Korrektur der zu Unrecht besteuerten Zulage bei Erlassung des Bescheides unterblieben sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde mit folgender Begründung ab:
"Die Firma ***1*** richtete im Dezember 2014 an das Finanzamt der Betriebsstätte ein Auskunftsersuchen. Gegenstand der Anfrage war die steuerlich begünstigte Behandlung von Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen im Sinne des § 68 Abs. 1 EStG 1988.
Um eine rechtlich richtige Beurteilung der ausbezahlten Zulagen vornehmen zu können, wurde ein Lokalaugenschein vor Ort anberaumt.
Ergebnis nach einer Besprechung mit den dafür Verantwortlichen:
Erschwernis- und Schmutzzulagen (mit Ausnahme der in der Pathologie beschäftigten Dienstnehmer) sind ab steuerpflichtig abzurechnen.
Die Erfordernisse des § 68 Abs. 1 EStG 1988 waren nicht gegeben.
Die gewährten Gefahrenzulagen können bei der Erfüllung der Voraussetzungen steuerfrei im Sinne des § 68 Abs. 1 EStG 1988 abgerechnet werden.
Die von der Steuerpflichtigen aufgestellte Behauptung "die ausbezahlte Erschwerniszulage sei dem wirtschaftlichen Gehalt nach Gefahrenzulage" geht ins Leere.
Dies wurde nach nochmaliger Rücksprache mit den Verantwortlichen abgeklärt.
Wie die Steuerpflichtige selbst ausführt, wurde die Erschwerniszulage voll pflichtig abgerechnet und die Gefahrenzulage steuerfrei behandelt.
Da die Lohnverrechnung ordnungsgemäß unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen erfolgt ist und somit auch der Lohnzettel für das Kalenderjahr 2015 seine Richtigkeit hat, war die Beschwerde abzuweisen.
Auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ RV/2100708/2017 wird verwiesen.
"

Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). In der Begründung wiederholte sie ihr Beschwerdevorbringen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988 idgF (EStG) sind ua. Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen insgesamt bis 360,00 € monatlich steuerfrei.

Gemäß § 68 Abs. 5 EStG 1988 sind unter Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die
- in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken,
- im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen, oder
- infolge der schädlichen Einwirkung von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Gasen, Dämpfen, Säuren, Laugen, Staub oder Erschütterungen oder infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen.

Diese Zulagen sind nur begünstigt, soweit sie
1. auf Grund gesetzlicher Vorschriften,
2. auf Grund von Gebietskörperschaften erlassener Dienstordnungen,
3. auf Grund aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts,
4. auf Grund der vom Österreichischen Gewerkschaftsbund für seine Bediensteten festgelegten Arbeitsordnung,
5. auf Grund von Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen, die auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen worden sind,
6. auf Grund von Betriebsvereinbarungen, die wegen Fehlens eines kollektivvertragsfähigen Vertragsteiles (§ 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974) auf der Arbeitgeberseite zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und dem kollektivvertragsfähigen Vertragsteil auf der Arbeitnehmerseite abgeschlossen wurden,
7. innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern gewährt werden.

Die Begünstigung für Erschwerniszulagen nach § 68 Abs. 1 und 5 EStG 1988 setzt u.a. voraus, dass der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut ist, die eine außerordentliche Erschwernis darstellen. Dies erfordert nach Rechtsprechung und Lehre, dass der Behörde nachgewiesen wird, um welche Arbeiten es sich im Einzelnen gehandelt hat und wann sie geleistet wurden (vgl. mwH).

Die Frage der Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperliche Sicherheit oder die der außerordentlichen Erschwernis ist also nicht allein anhand jener Arbeiten zu untersuchen, mit denen diese Gefährdung oder Erschwernis verbunden sind. Vielmehr ist bezogen auf die gesamten vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeiten innerhalb eines Lohnzahlungszeitraumes im Sinne des § 77 EStG 1988 zu prüfen, ob sie überwiegend eine solche Gefahrenlage oder Erschwernis bewirken. Es müssen also in zeitlicher Hinsicht die Tätigkeiten, die mit einer Gefährdung oder Erschwernis verbunden sind, überwiegen (vgl. , ). Die Möglichkeit der Gefahr oder Erschwernis kann somit nicht berücksichtigt werden, wenn die damit verbundene Tätigkeit nur einen geringen Teil der Arbeitszeit, für die eine Zulage zusteht, ausmacht (). Von Arbeiten unter außerordentlicher Erschwernis kann nur dann gesprochen werden, wenn sie sich entweder selbst als außerordentlich schwierig erweisen, unter außerordentlich schwierigen Bedingungen auszuführen oder besonders dringlich sind (vgl. ).

Der Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen muss innerhalb der jeweiligen Berufsgruppe gezogen werden (vgl. ).

§ 68 EStG 1988 ist nach der herrschenden Lehre (vgl. etwa Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG22, § 68 Rz 10ff.) so auszulegen, dass für eine begünstigte Besteuerung von Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen im Wesentlichen drei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein müssen:
Liegt nur eine der nachstehend genannten Voraussetzungen nicht vor, kommt die Begünstigung nicht in Betracht.

Die erste Voraussetzung ist funktioneller Art. Aus dem im Gesetz verwendeten Begriff "Zulagen und Zuschläge" ergibt sich, dass die Voraussetzung für deren Steuerfreiheit nur dann erfüllt ist, wenn diese Zulagen neben dem Grundlohn gewährt werden.

Die zweite Voraussetzung für eine begünstigte Besteuerung von Zulagen ist formeller Art. Anspruch auf Steuerbegünstigung besteht nach dieser Voraussetzung nur, wenn die Zulagen auf Grund von lohngestaltenden Vorschriften gezahlt werden.

Darüber hinaus reicht es für die Erfüllung der formellen Voraussetzung des Vorliegens einer lohngestaltenden Vorschrift bereits aus, dass die genannten Zulagen innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern gewährt werden. (Freudhofmeier, SWK 2005, S 823).

Die Bindung der Steuerfreiheit von SEG-Zulagen an formalrechtliche Voraussetzungen verfolgt den Zweck, eine missbräuchliche Gestaltung aufgrund individueller Verträge bzw. durch einseitige Regelung des Arbeitgebers zugunsten bestimmter Arbeitnehmer zu verhindern (Müller, ecolex 1995, 833).

Die Begünstigung des § 68 Abs. 1 EStG 1988 setzt weiters voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeiten verrichtet, die überwiegend unter Umständen erfolgen, welche die vorgenannten angeführten Voraussetzungen erfüllen. Der Arbeitnehmer muss also während der Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut sein, die in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken, die eine außerordentliche Erschwernis darstellen oder zwangsläufig eine Gefahr mit sich bringen. Dies erfordert nach Rechtsprechung und Lehre, dass nachgewiesen wird, um welche Arbeiten es sich im Einzelnen gehandelt hat und wann sie geleistet wurden.

Dass die Tätigkeit der Bf. im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen innerhalb ihrer Berufssparte eine außerordentliche Erschwernis darstellt, wurde weder behauptet noch nachgewiesen.
Die Bf. erhielt im beschwerdegegenständlichen Zeitraum, von ihrem Arbeitgeber eine steuerfreie Gefahrenzulage sowie eine als steuerpflichtig abgerechnete Erschwerniszulage.
Diese Zulagenabrechnung durch den Arbeitgeber erfolgte entsprechend einer erteilten Auskunft des zuständigen Betriebsfinanzamtes (vgl. § 90 EStG 1988) zu einer von der Arbeitgeberin gestellten sachverhaltsbezogenen Anfrage bezüglich der steuerlichen Behandlung der an die Arbeitnehmer ausbezahlten Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen.

Dem Beschwerdevorbringen, dass die an die Beschwerdeführerin ausbezahlte Erschwerniszulage dem wirtschaftlichen Gehalt nach als steuerfreie Gefahrenzulage zu behandeln wäre, wird vom BFG entgegengetreten, da die o.g. Voraussetzungen nicht vorliegen.

Da die Ermittlungen des Finanzamtes nach durchgeführtem Lokalaugenschein und Rücksprache mit dem Arbeitgeber der Bf. ergeben haben, dass die Erschwernis und Schmutzzulagen grundsätzlich ab nicht mehr steuerbegünstigt zu behandeln sind und der Arbeitgeber sich an diese Feststellungen bei der Lohnverrechnung gehalten hat, fehlt es an den Voraussetzungen für die von der Bf. begehrten Begünstigung, weshalb das Finanzamt diese zurecht verwehrt hat (vgl. ).

Es ist der Bf. zwar zuzustimmen, dass das Arbeiten mit potenziell infektiösen Materialien eine Gefährdung der Gesundheit bzw. des Lebens mit sich bringen können () oder bei Arbeitnehmern, die mit fremden Blut oder Harn in Kontakt kommen können, eine entsprechende Zulage steuerbegünstigt gewährt werden kann. Diese Gefährdungskomponente der Laborarbeit der Beschwerdeführerin ist aber nach Ansicht des BFG bereits durch die vom Arbeitgeber berücksichtigte Gefahrenzulage abgegolten (vgl. auch , ).

Somit war wie im Spruch zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesonders weil der als erwiesen anzunehmende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde und das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100838.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at