Haftungsbescheid; Einwendungen gegen die zugrundeliegenden Abgabenbescheide
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Frimmel/Anetter/Schaal Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Fleischmarkt 9 Tür 4, 9020 Klagenfurt/Wörthersee, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftung gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Haftung auf folgende Abgaben im Gesamtausmaß von € 143.668,96 (statt € 178.630,91) eingeschränkt wird:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe | Zeitraum | Betrag in EUR |
Umsatzsteuer | 11/2019 | 7.449,45 |
Umsatzsteuer | 2019 | 17,44 |
Umsatzsteuer | 12/2019 | 1.469,84 |
Umsatzsteuer | 1/2020 | 466,00 |
Lohnsteuer | 2/2020 | 1.178,89 |
Dienstgeberbeitrag | 2/2020 | 532,78 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2/2020 | 53,28 |
Säumniszuschlag 1 | 2020 | 220,73 |
Lohnsteuer | 3/2020 | 1.416,49 |
Dienstgeberbeitrag | 3/2020 | 609,04 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 3/2020 | 60,91 |
Säumniszuschlag 1 | 2020 | 136,88 |
Säumniszuschlag 1 | 2020 | 183,16 |
Säumniszuschlag 1 | 2020 | 330,23 |
Stundungszinsen | 2020 | 148,48 |
Körperschaftsteuer | 4-6/2020 | 125,00 |
Umsatzsteuer | 3/2020 | 16.422,56 |
Lohnsteuer | 4/2020 | 1.145,24 |
Umsatzsteuer | 4/2020 | 1.415,92 |
Lohnsteuer | 5/2020 | 1.416,19 |
Lohnsteuer | 6/2020 | 1.545,81 |
Lohnsteuer | 7/2020 | 1.330,72 |
Umsatzsteuer | 7/2020 | 35.435,38 |
Lohnsteuer | 8/2020 | 899,65 |
Umsatzsteuer | 8/2020 | 7.547,28 |
Lohnsteuer | 9/2020 | 1.404,15 |
Körperschaftsteuer | 10-12/2020 | 125,00 |
Umsatzsteuer | 9/2020 | 1.471,47 |
Lohnsteuer | 10/2020 | 1.591,07 |
Umsatzsteuer | 10/2020 | 3.174,04 |
Dienstgeberbeitrag | 11/2020 | 1.031,16 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 11/2020 | 103,12 |
Lohnsteuer | 11/2020 | 1.729,84 |
Umsatzsteuer | 11/2020 | 8.707,16 |
Lohnsteuer | 12/2020 | 1.062,08 |
Körperschaftsteuer | 1-3/2021 | 125,00 |
Körperschaftsteuer | 2019 | 1.076,00 |
Körperschaftsteuer | 4-6/2021 | 125,00 |
Körperschaftsteuer | 4-6/2021 | 1.790,00 |
Umsatzsteuer | 3/2021 | 1.440,84 |
Umsatzsteuer | 4/2021 | 4.369,73 |
Umsatzsteuer | 5/2021 | 17.497,49 |
Umsatzsteuer | 6/2021 | 10.433,33 |
Körperschaftsteuer | 7-9/2021 | 1.020,00 |
Verspätungszuschlag | 3/2021 | 116,28 |
Körperschaftsteuer | 10-12/2021 | 1.023,00 |
Stundungszinsen | 2021 | 195,85 |
Körperschaftsteuer | 2020 | 2.500,00 |
Summe | 143.668,96 |
Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer war seit ***tt.mm***.2018 alleiniger Geschäftsführer der ***PS*** m.b.H (Primärschuldnerin). Mit Beschluss vom ***tt.mm***.2021 des Landesgerichtes Klagenfurt wurde über die Primärschuldnerin zu GZ ***1*** das Konkursverfahren eröffnet, welches nach Schlussverteilung mit Beschluss vom ***tt.mm***.2023 aufgehoben wurde. In weiterer Folge wurde die Firma gemäß § 40 FBG aufgrund Vermögenslosigkeit gelöscht.
Da der Beschwerdeführer das Vorhaltsersuchen der belangten Behörde vom unbeantwortet ließ, zog die belangten Behörde den Beschwerdeführer mit Bescheid vom gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung (BAO) als Haftungspflichtigen für aushaftenden Abgabenschuldigkeiten i.H.v. €178.630,91 heran, welche die belangte Behörde wie folgt darstellte:
Begründend führte die belangte Behörde unter Darlegung der Rechtslage und Zitierung von höchtsgerichtlicher Judikatur aus, dass sich eine schuldhafte Pflichtverletzung aus der Nichtabfuhr von selbstzuberechnenden und abzuführenden Abgaben und sich die Höhe der haftungsgegenständlichen Abgaben ohne Bescheid aus den bekanntgegebenen Selbstberechnungen bzw. Selbstbemessungen ergeben hätten. Der Haftungsbescheid sei im vorstehenden Umfang zu erlassen gewesen, da keine Vorhaltsbeantwortung erfolgt sei. Die Grundlagenbescheide für die mit Bescheid festgesetzten Abgaben seien dem Haftungsbescheid angeschlossen worden.
Am erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Haftungsbescheid. Begründend gab er an, dass er im gleichen Zeitraum auch Alleingesellschafter und selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer einer weiteren GmbH (***B*** GmbH) gewesen sei, welche ein Bauträgerprojekt mit Wohneinheiten entwickelt und errichtet habe. Auftragnehmerin als Generalunternehmerin sei die Primärschuldnerin gewesen. Bei diesem Projekt sei es zu erheblichen Problemen gekommen, sodass am Ende die Primärschuldnerin nur einen geringen Teil des ihr zustehenden Werklohnes vereinnahmen habe können und über das Vermögen der ***B*** GmbH ebenso ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei.
Die von der Abgabenbehörde geschätzten Umsätze der Primärschuldnerin hätten nicht erzielt werden können. Die von der Abgabenbehörde angenommene Umsatzsteuer sei weit überhöht. Zum Beweis dafür, dass die angenommene Umsatzsteuer betreffend 7/2020 sowie die für das Jahr 2021 vorgeschriebenen Umsatzsteuer zu hoch sei, führte der Beschwerdeführer die Akten zu GZ ***1*** sowie ***2*** des LG Klagenfurt und eine Jahresaufstellung der Umsatzsteuer betreffend das Jahr 2021 an und beantragte die Einnahme des Abgabenschuldners sowie des Herrn ***C***. Die Jahresaufstellung der Umsatzsteuer betreffend das Jahr 2021 war der Beschwerde als Beilage angeschlossen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Beschwerde teilweise statt und setzte die Haftungssumme i.H.v. € 175.043,91 fest. Die belangte Behörde führte aus, dass die unterbliebene Entrichtung der von der Gesellschaft in den Jahren 2020 und 2021 geschuldeten Abgaben auf eine schuldhafte Verletzung der Verpflichtungen als Geschäftsführer schließen lasse. Bei ordentlicher Erfüllung der Vertreterpflichten hätten die bereits seit Ende des Jahres 2019 entstandenen Abgabenrückstände der Gesellschaft insbesondere im Hinblick auf die anfangs gewährten Zahlungserleichterungen nicht laufend anwachsen dürfen. Die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vorgebrachten Argumente hinsichtlich der vom Finanzamt unrichtig vorgenommenen Umsatzsteuerfestsetzungen 07/2020 und 2021 seien für das Haftungsverfahren gemäß § 9 BAO nicht relevant, sondern wären diese vielmehr seitens der Primärschuldnerin in einem Beschwerdeverfahren betreffend die jeweiligen Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide vorzubringen gewesen. Die Festsetzungsbescheide sind gegenüber der Primärschuldnerin in Rechtskraft erwachsen. Dem Beschwerdeführer stehe es offen gegen die Umsatzsteuerbescheide Beschwerde einzubringen, welche jedoch gesondert zu erledigen sein werde.
Hinsichtlich der Haftungsinanspruchnahme für die erst nach Insolvenzeröffnung am fällig gewesene Nachforderung an Körperschaftsteuer i.H.v. € 2.500,-- brachte die belangte Behörde vor, dass ein Erklärungsverschulden des Beschwerdeführers vorläge. Die Besteuerungsgrundlagen seien aufgrund der Nichtabgabe der Steuererklärung 2020 im Wege der Schätzung zu ermitteln gewesen.
Da die belangte Behörde den Beschwerdeführer über die beabsichtigte Erlassung eines Haftungsbescheides in Kenntnis gesetzt habe und ihm im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt worden sei, der Beschwerdeführer jedoch keine Gegenbeweise vorbracht habe, sei von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen. Ein schlüssiger Nachweis auf Gleichbehandlung aller Gläubiger sie nicht erbracht worden.
Aufgrund der in der Zwischenzeit am Abgabenkonto verbuchten Gutschriften i.H.v. € 3.587,-- verringere sich die Haftung auf € 175.043,91.
Im am eingebrachten Vorlageantrag wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen, wonach die Primärschuldnerin die von der belangten Behörde geschätzten Umsätze betreffend 7/2020 und 2021 nicht erzielt habe.
Am legte die belangte Behörde die Beschwerde gegen den streitgegenständlichen Bescheid vor und beantragte die Beschwerde im Sinne der Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abzuweisen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war seit ***tt.mm***.2018 alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***PS*** m.b.H.
Über das Vermögen der ***PS*** m.b.H. (Primärschuldnerin) wurde am ***tt.mm***.2021 zu ***1 des Landesgerichtes Klagefurt das Konkursverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom ***tt.mm***.2023 wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben und die Firma amtswegig infolge vermuteter Vermögenlosigkeit gemäß § 40 FBG gelöscht.
Folgende Abgaben waren zum Zeitpunkt der Fälligkeit und der Konkurseröffnung noch nicht entrichtet:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe | Zeitraum | Fälligkeitstag | Betrag in EUR |
Umsatzsteuer | 11/2019 | 11.036,45 | |
Umsatzsteuer | 2019 | 17,44 | |
Umsatzsteuer | 12/2019 | 1.469,84 | |
Umsatzsteuer | 1/2020 | 466 | |
Lohnsteuer | 2/2020 | 1.178,89 | |
Dienstgeberbeitrag | 2/2020 | 532,78 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2/2020 | 53,28 | |
Säumniszuschlag 1 | 2020 | 220,73 | |
Lohnsteuer | 3/2020 | 1.416,49 | |
Dienstgeberbeitrag | 3/2020 | 609,04 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 3/2020 | 60,91 | |
Säumniszuschlag 1 | 2020 | 136,88 | |
Säumniszuschlag 1 | 2020 | 183,16 | |
Säumniszuschlag 1 | 2020 | 330,23 | |
Stundungszinsen | 2020 | 148,48 | |
Körperschaftsteuer | 4-6/2020 | 125 | |
Umsatzsteuer | 3/2020 | 16.422,56 | |
Lohnsteuer | 4/2020 | 1.145,24 | |
Umsatzsteuer | 4/2020 | 1.415,92 | |
Lohnsteuer | 5/2020 | 1.416,19 | |
Lohnsteuer | 6/2020 | 1.545,81 | |
Lohnsteuer | 7/2020 | 1.330,72 | |
Umsatzsteuer | 7/2020 | 35.435,38 | |
Lohnsteuer | 8/2020 | 899,65 | |
Umsatzsteuer | 8/2020 | 7.547,28 | |
Lohnsteuer | 9/2020 | 1.404,15 | |
Körperschaftsteuer | 10-12/2020 | 125 | |
Umsatzsteuer | 9/2020 | 1.471,47 | |
Lohnsteuer | 10/2020 | 1.591,07 | |
Umsatzsteuer | 10/2020 | 3.174,04 | |
Dienstgeberbeitrag | 11/2020 | 1.031,16 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 11/2020 | 103,12 | |
Lohnsteuer | 11/2020 | 1.729,84 | |
Umsatzsteuer | 11/2020 | 8.707,16 | |
Lohnsteuer | 12/2020 | 1.062,08 | |
Körperschaftsteuer | 1-3/2021 | 125 | |
Körperschaftsteuer | 2019 | 1.076,00 | |
Körperschaftsteuer | 4-6/2021 | 125 | |
Körperschaftsteuer | 4-6/2021 | 1.790,00 | |
Umsatzsteuer | 3/2021 | 1.440,84 | |
Umsatzsteuer | 4/2021 | 4.369,73 | |
Umsatzsteuer | 5/2021 | 17.497,49 | |
Umsatzsteuer | 6/2021 | 10.433,33 | |
Körperschaftsteuer | 7-9/2021 | 1.020,00 | |
Verspätungszuschlag | 3/2021 | 116,28 | |
Körperschaftsteuer | 10-12/2021 | 1.023,00 | |
Stundungszinsen | 2021 | 195,85 | |
144.755,96 |
Nach Konkurseröffnung wurde der Körperschaftsteuerbescheid 2020 am erlassen, aus welchem eine Nachforderung i.H.v. € 2.500,-- resultierte. Die Bemessungsgrundlagen wurden von der belangten Behörde geschätzt, da die Primärschuldnerin keine Erklärung abgegeben hat.
Nach Erlassung des Haftungsbescheides wurden am Abgabenkonto der Primärschuldnerin Gutschriften i.H.v. € 3.587,-- verbucht, die die Abgabenschuldigkeiten reduzierten.
Der Beschwerdeführer hat weder Unterlagen noch Berechnungen vorgelegt, die geeignet wären, eine Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem von der belangten Behörde mit dem Vorlagebericht vorgelegten Unterlagen (Haftungsbescheid, Beschwerde samt Umsatzsteuer Jahresaufstellung, Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag) sowie aus der Einsichtnahme in die Datenbanken der Finanzverwaltung und in das Firmenbuch.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keinen Gleichbehandlungsnachweis erbracht hat, ergibt sich aus dem Umstand, dass er weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch im weiteren Verfahren Behauptungen und/oder Beweisanbote zu seiner Entlastung dargetan und auch keine Berechnungen vorgelegt hat, obwohl ihm dies schon mit Haftungsvorhalt vom sowie mit dem angefochtenen Bescheid und insbesondere mit der Beschwerdevorentscheidung, der insoweit auch Vorhaltecharakter zukommt, vorgehalten wurde.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
§ 80 BAO lautet:
§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.
(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.
Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.
Hinsichtlich der Einwendungen in der Beschwerde sowie im Vorlageantrag im Zusammenhang mit den der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheiden ist Folgendes auszuführen:
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten (). Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gemäß § 248 BAO (noch) durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen ().
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist daher von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (). Auf die vom Beschwerdeführer gemachten Ausführungen hinsichtlich der der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide ist vor diesem Hintergrund nicht weiter einzugehen.
Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den § 9 und § 80 BAO ist
-) die Stellung als Vertreter,
-) eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen,
-) die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung,
-) eine Pflichtverletzung des Vertreters,
-) ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und
-) die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ().
Wie im Sachverhaltsteil festgestellt, war der Beschwerdeführer unstrittig Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Er gehört damit zu dem in § 80 Abs. 1 BAO angeführten Personenkreis. Er kann daher gemäß § 9 BAO grundsätzlich zur Haftung für ausständige Abgabenrückstände herangezogen werden.
Die Haftung ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann als Haftende in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt und diese Verbindlichkeit beim Hauptschuldner uneinbringlich ist (Subsidiarität). Die Uneinbringlichkeit der aushaftenden Abgabenforderung ergibt sich aufgrund der Löschung der Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit.
Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet. Es ist gemäß § 1298 ABGB Sache des Vertreters, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung seiner Pflichten gemäß § 9 und § 80 BAO unmöglich war, widrigenfalls die Behörde zu der Annahme berechtigt ist, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (). Zur Haftungsinanspruchnahme genügt der Vorwurf bloßen - vom Geschäftsführer zu widerlegendem - Verschuldens (). Die Schuldhaftigkeit iSd § 9 Abs. 1 BAO erfasst jede Form des Verschuldens und damit auch die leichte Fahrlässigkeit (; , Ra 2019/13/0046). Zu den Pflichten des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der Gesellschaft in jenem Zeitraum, in welchem er die Vertreterstellung innehatte, gehörten nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (). Bei bescheidmäßig festzusetzende Abgaben wie der Körperschaftssteuer ist deren (erstmalige) Festsetzung maßgeblich (). Hinsichtlich der Geltendmachung der Haftung Körperschaftsteuer 2020 im gegenständlichen Verfahren ist festzuhalten, dass die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe einer Körperschaftsteuererklärung im Schätzungsweg ermittelt werden mussten; in diesem Fall liegt die schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers in der Unterlassung der Einreichung der Erklärung. Der Abgabenanspruch hinsichtlich Körperschaftsteuer für das Jahr 2020 entstand mit Ablauf des Kalenderjahres 2020, die Frist zur Abgabe der Körperschaftsteuererklärung 2020 endete mit 30.4.20201 bzw. . Im Hinblick auf § 210 Abs. 1 BAO ist somit die sich aus dem Körperschaftsteuerbescheid 2020 ergebende Nachforderung Teil der Haftung, da der Konkurs erst am ***tt.mm***.2021 eröffnet wurde.
Hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen 5 bis 10/2021 wird festgehalten, dass von der Primärschuldnerin keine Voranmeldungen eingereicht wurden. Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer jedoch spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung beim Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallen Überschuss zu berechnen hat. Eine sich demnach ergebende Vorauszahlung hat er spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten, ein vorangemeldeter Überschuss ist gutzuschreiben.
Mangels Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen durch die Primärschuldnerin erfolgte eine Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum Mai bis Oktober 2021 durch die belangte Behörde mit Bescheid vom . Die Schätzung der Bemessungsgrundlagen wurde auf Basis der von der belangten Behörde durchgeführten Liquidationsprüfung vorgenommen.
Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (; , 2013/16/0208); maßgebend ist daher der Zeitpunkt der Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird (; , 2001/16/0291). Da im angefochtenen Haftungsbescheid die monatliche Aufgliederung der Umsatzsteuer für den Zeitraum Mai bis Oktober 2021 unterblieb, erfolgt die Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung durch das Bundesfinanzgericht entsprechend der Umsatz Jahresaufstellung, die vom Beschwerdeführer vorgelegt wurde, sodass sich für Mai 2021 eine aushaftende Umsatzsteuer i.H.v. € 17.497,49, für Juni 2021 eine aushaftende Umsatzsteuer i.H.v. € 10.433,33 sowie für die Monate Juli bis Oktober 2021 eine aushaftende Umsatzsteuer von Null ergibt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Vertreters, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls darf angenommen werden, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist (). Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. ).
Im gegenständlichen Fall brachte der Beschwerdeführer weder auf das Vorhaltsersuchen der belangten Behörde, auf den Bescheid bzw. die Beschwerdevorentscheidung, noch auf den Vorlagebericht Gründe vor, die ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gemacht hätten. Insbesondere wurde nicht behauptet, dass ihm keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden oder dass sämtliche Gläubiger gleichbehandelt worden wären. Für eine völlige Vermögenslosigkeit zum Zeitpunkt der jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte ergeben sich auch nach Aktenlage keine Anhaltspunkte. Was eine allfällige Gleichbehandlung der Gläubiger betrifft, so wäre dies vom Beschwerdeführer zu behaupten und zu beweisen gewesen. Der Beschwerdeführer hingegen beschränkte sich in seinen Vorbringen auf Einwände gegen die zugrundeliegenden Abgabenbescheide.
Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung des Beschwerdeführers bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().
Bei schuldhafter Pflichtverletzung spricht die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben (; , Ra 2020/13/0027). Da der Beschwerdeführer auch in diesem Zusammenhang keine gegenteiligen Nachweise vorlegen konnte, geht das Bundesfinanzgericht der ständigen Rechtsprechung des VwGH folgend von einer Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers und der Uneinbringlichkeit der Abgabe aus.
Die am bzw. verbuchten Gutschriften am Abgabenkonto der Primärschuldnerin i.H.v. € 817,-- und € 2.770,-- sind gemäß § 214 Abs. 1 BAO auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeit zu verrechnen; somit verringert sich die am fällige Umsatzsteuerschuld 11/2019 i.H.v. € 11.036,45 auf € 7.449,45.
Ermessen:
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.
Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Beschwerderführers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn verursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.
Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits wäre ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt aber vom Einzelfall ab ().
Im vorliegenden Fall sind keine Gründe evident, die das Bundesfinanzgericht zu einer Ermessensübung für die in der Haftung verbliebenen Beträge im Sinne des Beschwerdeführers veranlassen würden, zumal die Haftung sehr zeitnah zum Untergang der Primärschuldnerin geltend gemacht wurde. Vom Beschwerdeführer wurde auch nicht aufgezeigt, dass die Haftung wegen seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geltend gemacht werden dürfe. Eine allfällige Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen stünde im Übrigen der Geltendmachung der Haftung nicht entgegen ().
Der Beschwerde ist somit aus den dargelegten Gründen teilweise stattzugeben und die Haftung auf die im Spruch genannten Abgaben im Gesamtbetrag von € 143.668,96 einzuschränken; im Übrigen ist die Beschwerde aber als unbegründet abzuweisen.
Von der Aufnahme der vom Beschwerdeführer in der Beschwerde beantragten Beweise konnte abgesehen werden, da diese zum Beweisthema der Unrichtigkeit der dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide beantragt wurde. Wie eingangs unter Punkt 3.1. dargelegt, sind jedoch Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung gemäß § 248 BAO nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen.
Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts (vgl. zB , ).
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die vom Beschwerdeführer gestellten Beweisanträge unerheblich sind, da diese nicht geeignet sind, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die vorliegende Entscheidung beruht auf der zitierten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht waren ausschließlich Tatsachenfragen und Ermessensfragen zu beurteilen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100215.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at