"Beschwerde" nach antragsloser Arbeitnehmerveranlagung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/3100355/2024-RS1 | Bei der Auslegung von Anbringen nach einer antragslosen Arbeitnehmerveranlagung ist auf den erkennbaren Parteiwillen abzustellen. Die Auswahl einer unzutreffenden Kategorie in FinanzOnline schadet wie eine unzutreffende Bezeichnung dann nicht, wenn sich der Parteiwille aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei erschließt. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerdevorentscheidung vom , mit der das als "Beschwerde" titulierte Anbringen vom als verspätet zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid 2017 und setzte die Einkommensteuer im Wege der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung für ein Einkommen von EUR 63.289,23 mit EUR -128,- fest. Der Einkommensteuerbescheid enthält folgende Rechtsmittelbelehrung: "Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Beschwerde einzulegen. Die Beschwerde muss innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Bescheides beim oben angeführten Amt eingereicht oder bei der Post aufgegeben werden. In der Beschwerde sind der Bescheid zu bezeichnen (Einkommensteuerbescheid für 2017 vom ) sowie die gewünschten Änderungen anzuführen und zu begründen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (§ 254 BAO).". Im Anschluss an die Rechtsmittelbelehrung ist folgender Hinweis abgedruckt: "Hinweis: Sie können statt einer Beschwerde auch innerhalb einer Frist von 5 Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes eine Abgabenerklärung (Formular LI oder El) abgeben. In diesem Fall entscheidet das Finanzamt über diese Erklärung und hebt gleichzeitig damit den gegenständlichen Bescheid auf.".
Mit FinanzOnline-Eingabe vom erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 mit dem Wortlaut "… anbei sende ich Ihnen die berichtigte Version der Arbeitnehmerveranlagung." und beantragte die Berücksichtigung von Versicherungsprämien und Beiträgen für die Schaffung oder Sanierung von Wohnraum als Sonderausgaben sowie die Berücksichtigung von Kosten für Arbeitsmittel und doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten. Weiter machte er Ausgaben für Kinderbetreuung für zwei Kinder geltend.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als nicht fristgerecht eingebracht zurück. Mit FinanzOnline-Anbringen vom brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor: "Hiermit reiche ich einen Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung mit dem Bescheiddatum vom ein. Da ich beim Finanzamt vor Ort war und diesbezüglich erkundigt habe wurde mir mitgeteilt, dass ich eine Beschwerde einreichen soll. Da diese aber zurückgewiesen wurde, weil diese nicht Fristgerecht eingebracht wurde, bitte ich um ermessen, dass meine Ausgaben wie bereits in der Beschwerde genannt, berücksichtigt werden. …"
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 41 Abs. 2 EStG 1988 lautet:
"1. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, hat das Finanzamt auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt wird (Antragsveranlagung). § 39 Abs. 1 dritter Satz ist anzuwenden.
2. Wurde bis Ende des Monats Juni keine Abgabenerklärung für das vorangegangene Veranlagungsjahr eingereicht, hat das Finanzamt von Amts wegen eine antragslose Veranlagung nach Maßgabe folgender Bestimmungen vorzunehmen:
a) Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen:
- Aufgrund der Aktenlage ist anzunehmen, dass der Gesamtbetrag der zu veranlagenden Einkünfte ausschließlich aus lohnsteuerpflichtigen Einkünften besteht.
- Aus der Veranlagung resultiert eine Steuergutschrift.
- Aufgrund der Aktenlage ist nicht anzunehmen, dass die zustehende Steuergutschrift höher ist als jene, die sich aufgrund der übermittelten Daten gemäß § 18 Abs. 8, § 35 Abs. 8 und § 84 ergeben würde.
b) Wurde bis zum Ablauf des dem Veranlagungszeitraum zweitfolgenden Kalenderjahres keine Abgabenerklärung für den betroffenen Veranlagungszeitraum abgegeben, ist jedenfalls eine antragslose Veranlagung durchzuführen, wenn sich nach der Aktenlage eine Steuergutschrift ergibt.
c) Wird nach erfolgter antragsloser Veranlagung innerhalb der Frist der Z 1 eine Abgabenerklärung abgegeben, hat das Finanzamt darüber zu entscheiden und gleichzeitig damit den gemäß lit. a ergangenen Bescheid aufzuheben.
d) Die Steuererklärungspflicht (§ 42) bleibt auch nach Vornahme der Veranlagung aufrecht."
Das Finanzamt hat in Anwendung des § 41 Abs. 2 EStG 1988 eine antragslose Veranlagung zur Einkommensteuer 2017 verfügt. Der Einkommensteuerbescheid 2017 enthält sowohl eine Rechtsmittelbelehrung (§ 93 Abs. 3 lit. b BAO) als auch einen Hinweis darauf, dass es dem Beschwerdeführer freisteht, innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes einen Antrag auf Veranlagung zu stellen.
Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare und zu erschließende Ziel des Parteischrittes (vgl. ; sowie vom , Ra 2020/13/0099). Die Formulierung "… anbei sende ich Ihnen die berichtigte Version der Arbeitnehmerveranlagung" lässt keine Zweifel darüber offen, dass der Beschwerdeführer die Aufhebung des antragslos ergangenen Veranlagungsbescheides und die Veranlagung aufgrund seiner Angaben angestrebt hat.
Ebenso wenig wie es auf die Bezeichnung von Schriftsätzen ankommt, kann für die Beurteilung auch nicht (ausschließlich) maßgeblich sein, wie das Anbringen in FinanzOnline erfasst wird. Die elektronische Erfassung eines Anbringens in FinanzOnline wird dadurch ausgelöst, dass der Benutzer eine von mehreren angebotenen Optionen der Benennung (im gegenständlichen Fall unter der Rubrik "Art des Antrags") durch Anklicken gewählt hat. Die Eingabemasken für Abgabenerklärungen und jene für das Beantragen von Bescheidänderungen finden sich in der Benutzeroberfläche von FinanzOnline unter verschiedenen Rubriken, was für Anwender ohne spezifische Kenntnisse des Abgabenverfahrensrechts kaum nachvollziehbar ist.
Das Anbringen des Beschwerdeführers vom ist - ungeachtet seiner Titulierung als "Beschwerde" - dahin auszulegen, dass der Beschwerdeführer eine Abgabenerklärung eingereicht hat. Dieses Anbringen ist nach wie vor unerledigt. Das Finanzamt wird darüber (im Sinn des bereits geführten Vorhalteverfahrens) mit einem neuen Einkommensteuerbescheid zu entscheiden haben.
Die Beschwerdevorentscheidung, mit der das Finanzamt das Anbringen als nach Ablauf der Beschwerdefrist eingebracht und damit verspätet zurückgewiesen hat, war daher ersatzlos aufzuheben (Ritz/Koran, BAO, 7.Al, § 279, Rz 5; so auch ).
Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)
Die Auslegung vom Parteienanbringen ist durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt (vgl. ). Von dieser Rechtsprechung weicht das vorliegende Erkenntnis nicht ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 41 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100355.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at