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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 06.08.2024, RV/3100315/2024

Zurückweisung des Vorlageantrages als verspätet: Fristenlauf beginnt mit Zustellung der BVE in die Databox

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff
Nr1, betreffend "Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab Oktober 2022" beschlossen:

Der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht
(= Vorlageantrag) vom wird gemäß § 260 Abs. 1 lit b iVm § 264 Abs. 4
lit e und Abs. 5 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idgF., als verspätetzurückgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm
Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahren:

Das Finanzamt hatte mit Bescheid vom , Ordnungsbegriff Nr1, den Antrag der Beschwerdeführerin (Bf) ***Bf1*** vom auf (Weiter)Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe (FB) für die Tochter A wegen erheblicher Behinderung für den Zeitraum "ab Oktober 2022" abgewiesen. Laut Bescheinigung des Sozialministeriumservice v. sei ab September 2022 ein Grad der Behinderung von nur mehr 30 % festgestellt worden.

Dagegen hat die Bf rechtzeitig Beschwerde erhoben und um "neue Feststellung des Grades der Behinderung" ersucht.

Nach nochmaliger Gutachtensanforderung und Stellungnahme des Sozialministeriumservice v. hat das Finanzamt die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom als unbegründet abgewiesen.
Die elektronische Signatur der BVE datiert mit , 04:05:44 Uhr.

Laut der im Akt erliegenden Zustellinformation des BMF wurde die BVE am , 04:05:45 Uhr, der Bf über FinanzOnline in deren Databox zugestellt und von der Bf gelesen am , 14:30:48 Uhr.

Die Bf hat mit (nicht unterfertigtem) Schriftsatz vom die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (= Vorlageantrag) und eine zweite Begutachtung beantragt sowie "aufgrund des verspäteten Beschwerdevorentscheidungsschreibens" um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ersucht.

Mit Mängelbehebungsauftrag vom betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde die Bf aufgefordert, gemäß § 85 Abs. 2 BAO folgende Mängel bis zu beheben, andernfalls das Anbringen als zurückgenommen gilt:
- Formgebrechen: das Fehlen der Unterschrift (§ 85 Abs. 2 BAO)
- fehlende Inhaltserfordernisse:
Bezeichnung der versäumten Frist (§ 309a BAO); Bezeichnung des unvorhergesehenen oder
unabwendbaren Ereignisses (§ 308 Abs. 1 BAO); Angaben zur Beurteilung des fehlenden
groben Verschuldens an der Fristversäumnis; Angaben zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit
des Antrages

In Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages teilte die Bf im Schreiben vom - sinngemäß - ua. mit, dass sie zu dem in FinanzOnline befindlichen Bescheid, gemeint die BVE, keine Nachricht erhalten habe und dort "auch nicht immer hinein schaue".

Das Finanzamt hat daraufhin mit Bescheid vom den Antrag der Bf auf Wiederein-setzung in den vorigen Stand mit auszugsweise folgender Begründung abgewiesen:

"… Beim erstmaligen Einstieg in FinanzOnline konnte die Antragstellerin der automatisierten Aktivierung der elektronischen Zustellung zustimmen oder gem. § 5b Abs. 3 FOnV 2006 auf die elektronische Zustellung verzichten. Sie konnte eine E-Mail-Adresse bekannt geben, an die über eine elektronische Zustellung einer Erledigung in die Databox zu informieren ist. Zudem konnte sie über die Hilfe ausführliche Informationen zur elektronischen Zustellung und E-Mail-Verständigung aufrufen. All das erfordert keine besonderen Computerkenntnisse.
Wenn Frau
Bf diese Hinweise betreffend elektronische Zustellung und E-Mail-Verständigung nicht beachtet hat, geht dies zu ihren Lasten. Es wäre möglich und zumutbar gewesen, ausreichende Maßnahmen für die zeitgerechte Kenntnis von Zustellungen in die Databox, wie die Einrichtung der E-Mail-Verständigung oder die regelmäßige Prüfung der Databox auf Eingänge, zu treffen ….
… Die fehlende Kenntnis von der Bescheidzustellung in die Databox beruht aber auch nicht auf einem nur den minderen Grad des Versehens darstellenden Verschulden. Wenn die Antragstellerin weder auf die elektronische Zustellung verzichtet noch ausreichende Maßnahmen zur rechtzeitigen Kenntnisnahme von elektronischen Zustellungen gesetzt hat, zeugt dies von einem auffallend sorglosen Verhalten im elektronischen Verkehr mit Behörden. Dies würde selbst im Fall eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses einer Wiedereinsetzung entgegenstehen …"
(im Einzelnen: siehe den Abweisungsbescheid v. mit Verweisen zu BFG- und VwGH-Judikatur).

Am wurde die Beschwerde betr. den Antrag auf Gewährung des FB-Erhöhungs-betrages dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorgelegt.

II. Sachverhalt:

Wie aus der Begründung im og. Abweisungsbescheid des Finanzamtes v. zweifelsfrei hervorkommt, verfügt die Bf über einen Zugang zu FinanzOnline (FON). Sie hat diesbezüglich beim erstmaligen Einstieg bzw. bei der Anmeldung nicht iSd § 5b Abs. 3 FOnV 2006 auf die elektronische Zustellung verzichtet, dh. sie hat dieser zugestimmt. Sie hat zugleich keine E-Mail-Adresse bekannt gegeben, an die über eine elektronische Zustellung einer Erledigung in die Databox informiert wird.

Zur Zustellung der BVE vom :
Die BVE wurde laut elektronischem Akt, dh. laut dem Zeitstempel der elektronischen Signatur (Amtssignatur) am , 04:05:44 Uhr, erstellt und via FON versendet. Zufolge der Zustellinformation des BMF (= Zustellnachweis) erfolgte die Zustellung in die Databox der Bf am , 04:05:45 Uhr, und wurde erst am , 14:30 Uhr, von der Bf gelesen.

Es steht unbestritten fest, dass der Vorlageantrag von der Bf mit datiert und beim Finanzamt eingebracht wurde.

III. Gesetzliche Grundlagen:

§ 97 Abs. 1 und Abs. 3 BAO lauten:

(1) Erledigungen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;
b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung.

(3) An Stelle der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung einer behördlichen Erledigung kann deren Inhalt auch telegraphisch oder fernschriftlich mitgeteilt werden. Darüber hinaus kann durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen die Mitteilung des Inhalts von Erledigungen auch im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise vorgesehen werden, wobei zugelassen werden kann, daß sich die Behörde einer bestimmten geeigneten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle bedienen darf. In der Verordnung sind technische oder organisatorische Maßnahmen festzulegen, die gewährleisten, daß die Mitteilung in einer dem Stand der Technik entsprechenden sicheren und nachprüfbaren Weise erfolgt und den Erfordernissen des Datenschutzes genügt. Der Empfänger trägt die Verantwortung für die Datensicherheit des mitgeteilten Inhalts der Erledigung. § 96 Abs. 2 gilt sinngemäß.

§ 5b Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 FinanzOnline-Verordnung 2006 (FOnV 2006) lauten:

§ 5b. (1) Die Abgabenbehörden haben nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen.

(2) Jeder Teilnehmer, der an der elektronischen Form der Zustellung über FinanzOnline teilnimmt, hat in FinanzOnline eine E-Mailadresse anzugeben, wenn er über die elektronische Zustellung informiert werden möchte. Die Wirksamkeit der Zustellung derErledigung selbst wird durch die Nichtangabe, durch die Angabe einer nicht dem Teilnehmer zuzurechnenden oder durch die Angabe einer unrichtigen oder ungültigen E-Mailadresse nicht gehindert.

(3) Teilnehmer, die Unternehmer im Sinne des § 3 Z 20 des Bundesstatistikgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 163/1999, sind und die wegen Überschreiten der Umsatzgrenze zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet sind, haben an der elektronischen Zustellung über FinanzOnline teilzunehmen und können auf diese nicht verzichten. Andere Teilnehmer können in FinanzOnline auf die elektronische Form der Zustellung verzichten. Zu diesem Zweck ist ihnen bei ihrem ersten nach dem erfolgenden Einstieg in das System unmittelbar nach erfolgreichem Login die Verzichtsmöglichkeit aktiv anzubieten. Die Möglichkeit zum Verzicht ist auch nach diesem Zeitpunkt jederzeit zu gewährleisten. Wenn sie nicht zur Teilnahme an der elektronischen Zustellung verpflichtet sind, können die in § 2 Abs. 2 genannten Parteienvertreter den Verzicht für die Zustellungen in ihren eigenen Angelegenheiten und davon getrennt für die Zustellungen in den Angelegenheiten als Parteienvertreter erklären.

Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind.

§ 108 BAO lautet:

(…) (2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.

(3) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (…)

Gemäß § 245 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat und beginnt mit Zustellung in die Databox.

§ 260 Abs. 1 BAO lautet:

Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) (…)
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Nach § 264 Abs. 4 lit e BAO ist für Vorlageanträge § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung) sinngemäß anzuwenden.

Nicht fristgerecht eingebrachte Vorlageanträge sind nach § 264 Abs. 5 BAO vom Verwaltungsgericht (mit Beschluss) zurückzuweisen.

IV. Erwägungen:

Gem. § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind.

Nach herrschender Rechtsauffassung und den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung (Vgl. 270 BlgNR 23. GP 13) ist der Zeitpunkt, in dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat.
Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FinanzOnline-Teilnehmer (zB Öffnen, Lesen, Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an. Irrelevant ist auch das Datum einer etwaigen Information über die in die Databox erfolgte Zustellung. Der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox ist auch dann der Zustellzeitpunkt, wenn etwa eine in § 5b Abs. 2 FOnV 2006 vorgesehene Information an der vom Teilnehmer angegebenen elektronischen Adresse unterblieben sein sollte. Abgesehen davon, dass gegenständlich nach obigen Feststellungen von der Bf gar keine E-Mail-Adresse zwecks Verständigung bekannt gegeben worden war, hätte eine solche Information - nach derzeitiger Rechtslage - lediglich Service-Charakter (vgl. zu vor in Ritz, BAO 6 , Rz 4 zu § 98, unter Hinweis auf die umfangreiche Judikatur des UFS und des BFG sowie auf das Erkenntnis des ; vgl. zB ). Ein Teilnehmer in FinanzOnline kann jedoch auf die elektronische Form der Zustellung auch (jederzeit) verzichten (vgl. § 5b Abs. 3 FOnV 2006).

Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Bf nicht auf die elektronische Zustellung von Dokumenten verzichtet. Die Beschwerdevorentscheidung, datiert mit , wurde daher zu Recht elektronisch zugestellt. Die Beschwerdevorentscheidung wurde nachweislich am in die Databox der Bf eingebracht und damit wirksam bekanntgegeben. Sie ist dadurch in den elektronischen Verfügungsbereich der Bf gelangt und gilt als am , einem Freitag, zugestellt.
Mit diesem Datum hat somit der Lauf der gemäß § 264 Abs. 1 BAO einmonatigen Frist zur Stellung eines Vorlageantrages begonnen und hat zufolge § 108 Abs. 2 BAO am Montag (24:00 Uhr) geendet. Der erst am datierte und beim Finanzamt eingebrachte Vorlageantrag war somit nicht rechtzeitig.

Der Vorlageantrag vom ist daher gemäß § 260 Abs. 1 lit b BAO iVm § 264 Abs. 4 und 5 BAO als nicht fristgerecht zurückzuweisen.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom erwächst damit in Rechtskraft.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts-hofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfolge der Zurückweisung bei nicht fristgerecht gestelltem Vorlageantrag ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 260 Abs. 1 lit b iVm § 264 Abs. 4 und 5 BAO). Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb eine ordentliche Revision nicht zuzulassen ist.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 5b Abs. 1, 2 und 3 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100315.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at